Zum Inhalt springen

Your mind is an instrument

Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern

In Deutschland sind jährlich 17,8 Millionen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen1. Diese Zahl ist so unvorstellbar groß, dass sich ein Vergleich mit einem Bundesland lohnt: Denn so viele Menschen wohnen aktuell in Nordrhein-Westfalen. Leider gibt es keine Statistik darüber, wie viele Musiker*innen hier einbegriffen sind. Jedoch fragte im Jahr 2019 die schwedische Record Union ihre Nutzer*innen wie es um ihre mentale Gesundheit steht. Dabei gaben 73% der Befragten an, bereits negative Gefühle wie Angst oder Stress im Bezug auf Ihre Musik erfahren zu haben. Und lediglich 1 von 10 Befragten kann hierüber mit seinen Bandkolleg*innen sprechen2.

73 Prozent Studie Mentale Gesundheit
10 Prozent sprechen mit Bandkollegen über mentale Gesundheit

Übungen zur Stärkung der mentalen Gesundheit als Musiker:in

Diese Tipps stammen aus dem Gespräch mit Barbara Barth:

Barbara Barth
Barbara Barth (Foto-Copyright: Juliane Guder)

Barbara Barth

Jazz-Sängerin und studierte Pyschologin.

Sie ist Dozentin an der Hochschule für Musik Saar und der Folkwang Universität der Künste in Essen, an der Sie unter anderem ein Resilienztraining für Studierende anbietet.

„Gut umgehen [mit sich] bedeutet nicht, dass man keinen Stress hat oder nie Rückschläge erlebt. Sondern eher, dass man – über Rückgriff auf seine eigenen Ressourcen – mit Krisen und ganz alltäglichem Stress so umgehen kann, dass man gesund bleibt und dazulernt oder möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorgeht.“

(aus dem Interview mit Barbara Barth)

Als studierte Psychologin vermittelt Barbara Barth in ihrem Resilienztraining für Musiker*innen Studierenden Strategien und Techniken, wie sie mental gut aufgestellt in das Berufsmusiker*innen-Leben starten. Im Interview mit ihr hat sie Teile ihrer Methoden dazu verraten:

  1. Bewusstsein schaffen (Welche Ressourcen und Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen habe ich bereits?)
  2. Entspannungs- & Atemübungen (meistens wirkt sich Stress ja auch körperlich aus)
  3. Pausen machen
  4. Sport treiben & gute Ernährung
  5. Welche Glaubenssätze (und Annahmen) über mich und andere stecken in meinem Verhalten?

„Dazukommt, dass man in andern Berufen abends nach Hause kommt und dort eine ganz andere, private Person ist. Ich glaube wir als Musiker*innen kommen nie nach Hause. Wir sind immer mit unserer Musik und unserem Instrument verbunden. Das lässt sich nur schwerlich trennen. Als Musiker*in erlebt man eine musikalische Niederlage auch immer als eine persönliche.“

(aus dem Interview mit Barbara Barth)

food for thoughts – Empfehlungen


Diese Tipps stammen aus dem Gespräch mit Peter Laib:

Peter Laib mit Tuba

Peter Laib

Tubist unter anderem bei Moop Mama & Ernst Hutter und den Egerländer Musikanten.

Neben seiner musikalischen Tätigkeit hat er gerade seinen Masterstudium in Mentalcoaching an der Universität Salzburg abgeschlossen.

„So ein Werkzeugkoffer mit mentalen Interventionen ist wie eine Geheimwaffe, die niemand sieht – aber die man trotzdem immer bei sich trägt“

(aus dem Interview mit Peter Laib)

In seiner Masterarbeit zum Thema Mentalcoaching hat sich Peter Laib mit den Möglichkeiten von sogenannten Rollenspielen beschäftigt. Das bedeutet: Wie verändert es meinen Gemütszustand, wenn ich mich in eine bestimmte Situation hineinversetze und versuche, dieses Gefühl wieder zu erleben. Diese „Theater“ hat sich Peter Laib als Motivationsmöglichkeit angeschaut, um besser mit dem Üben anfangen zu können.

Sein Tipp um generell besser auf negative Stimmungen zu reagieren sieht so aus:

„Man schnappt sich einen Song, mit dem man positiv verbunden ist. Bei Peter wäre das Stevie Wonder „You are the sunshine of my life“.

Man zählt während des Liedes auf, entweder laut oder in Gedanken, wofür man gerade dankbar ist. Sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext.

  • Ich bin happy, dass ich bei den Egerländern spiele.
  • Ich bin unglaublich glücklich, dass ich mit einer Band wie Moop Mama auf so großen Festivals spielen kann.
  • Ich bin dankbar, dass ich Musiker bin.
  • Ich freue mich, dass ich so eine tolle Partnerin habe.

So kann man es schaffen, innerhalb von kurzer Zeit, negative Gedanken auszublenden und eine sogenannte positive Affektlage herzustellen.

Jeder kennt es ja: Wenn du schlecht gelaunt bist, fällt alles viel schwerer. Und seitdem ich diese Übung entdeckt habe, mache ich sie auch selbst bevor ich anfange zu üben.“


food for thoughts – Empfehlungen


Diese Tipps stammen aus dem Gespräch mit Daniel Scholz

Daniel Sebastian Scholz mit Gitarre

Daniel Sebastian Scholz

Daniel Sebastian Scholz ist seit dem Wintersemester 2022/23 Professor für Musizierendengesundheit an der Musikhochschule in Lübeck. Die Hochschule widmet sich, erstmals in ganz Deutschland, auch ganz dezidiert den mentalen Herausforderungen als Musiker:in


Tipps zum Umgang mit Lampenfieber als Musiker:in

Atmen im 3/4 Takt

„Also könnten Sie zum Beispiel Lippenbremse machen oder Atmen im 3/4 Takt.

Es geht dann so, dass Sie einen 3/4 Takt einatmen und dann zwei 3/4 Takte lang durch den Mund aus. Dann machen Sie einen 3/4 Takt Pause und fangen dann wieder von vorne an.

Machen Sie so viele Zyklen, bis Sie merken, das es einen Effekt auf Sie hat. Ganz wichtig ist, dass Sie das in Ihre Übelroutinen einbauen, damit Sie darauf ganz automatisch zugreifen können und nicht in einer Aufregungssituation das alles über den Haufen werfen.“

Wer schreibt hier eigentlich..?

Patrick Hinsberger auf Treppe mit Trompete
Musiker | Podcast-Host | Blogger | + posts

Patrick Hinsberger studierte Jazz Trompete bei Matthieu Michel und Bert Joris und schloss sein Studium im Sommer 2020 an der Hochschule der Künste in Bern (Schweiz) ab.
Seit seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema musikalisches Üben und hostet seit 2021 den Interview-Podcast "Wie übt eigentlich..?"

Was denkst du davon?

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert