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S.M.A.R.T Üben

Verknüpfung von Zielsetzungstheorie & Musik

„Die Qualität von Zielen hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Motivation.“

(Zielsetzungstheorie (Locke/Latham))

Was schwarz auf weiß notiert möglicherweise noch etwas trivial daherkommt, bildete allerdings nichts weniger als den Grundstein der Zielsetzungstheorie von Edwin Locke und Gary Latham. Die beiden Psychologen formulierten in ihrer Theorie, vor dreißig Jahren, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Leistung und Motivation einerseits sowie, den dazugehörigen Zielen und deren Rückmeldung andererseits besteht. 

Weitaus bekannter als die Theorie in ihrer Gänze ist sicher die S.M.A.R.T. – Formel, die vor allem im Projektmanagement häufig zum Einsatz kommt. Wie lassen sich nun aber diese Erkenntnisse für unseren Übealltag nutzen?

Was ist die S.M.A.R.T. – Formel?

Wohlwollende Aufforderungen wie „Gib Dein Bestes“ oder „Streng dich an“ mögen zwar in aller Regel auf eine gute Absicht des Sprechers hindeuten, sind aber, wenn wir kurz selbst im Kopf diese Situationen abklappern, nur in den seltensten Fällen zielführend. Hinter der S.M.A.R.T – Formel verbergen sich jedoch die empirischen Forschungsergebnisse von Locke und Latham. 

S.M.A.R.T Formel nach Locke und Latham

Wie lassen diese Erkenntnisse nun beim Üben nutzen?

Schritt 1: Ziel formulieren  – Das Prinzip der Pyramide

Am Anfang steht also unser Ziel. Dies kann einerseits kurzfristig (die Vorbereitung der nächsten Unterrichtsstunde), oder bereits langfristig sein. Möchte ich zum Beispiel dreißig Jazz-Standards auswendig lernen ist dies offenkundig kein Ziel, welches ich problemlos in einer einzelnen Lerneinheit an einem Tag erreichen kann. Ich sollte also zunächst versuchen dieses Ziel möglichst realistisch für mich in kleinere Portionen zu zerlegen. Dabei ist zum einen wichtig, bis wann mein Gesamtziel, also die dreißig Standards, erreicht werden soll. Habe ich diese Deadline für mich festgelegt, geht es im zweiten Schritt darum zu schauen, wie viele Stücke ich pro Woche schaffen kann. Im Sinne eines spezifischen und messbaren Fortschritts hilft hier, sich nicht bloß eine Zahl an Stücken pro Woche zu notieren, sondern die Stückeauswahl bereits für die einzelnen Übeeinheiten festzulegen.

Darüber hinaus kann es von Vorteil sein, auch eine konkrete Tempo-Angabe für manche Stücke zu bestimmen. Je besser ich meine Ziele in Worte zusammenfassen kann, desto leichter fällt später die Kontrolle. Und diese hilft uns schließlich dabei weiter motiviert zu bleiben.

Ich stelle mir bei langfristigen Zielen oftmals eine Pyramide vor, welche ich versuche von oben nach unten zu konkretisieren. An der Spitze steht mein „Wuschziel“ – gerne an dieser Stelle auch noch etwas vage formuliert. Je weiter ich in der Pyramide nach unten gehe, desto spezifischer und terminierter werden meine Angaben.

Das Prinzip der Pyramide (SMART-Formel)

Schritt 2: Zielfortschritt dokumentieren

Am effektivsten üben wir als Musiker, wenn wir es schaffen die Musik (und unsere Ziele), statt in stumpfsinnigen Wiederholungen, analytisch zu betrachten. Durch das Zerlegen in kleinere Portionen fällt es uns entsprechend leichter konkrete Rückmeldungen von Außenstehenden – oder natürlich im besten Fall von uns selbst – zu erhalten. Aufgrund dessen, dass wir im ersten Schritt unsere Ziele so exakt definiert haben, können wir nun sehr genau unseren Fortschritt festhalten, Schwachstellen notieren und Erkenntnisse auflisten. 

Möglicherweise kann an dieser Stelle ein Übetagebuch helfen, welches auf der einen Seite unsere Agenda für den Tag bereithält und direkt daneben Platz lässt, um uns selbst Rückmeldung zu geben. 

Selbstverständlich können auch Aufnahmen vom eigenen Üben sehr hilfreich sein. Oftmals erlauben diese nochmals einen neutraleren Blick auf das eigene Tun, als dies während des Übens möglich ist. 


S.M.A.R.T Üben Worksheet

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Obwohl Wissen über die Wichtigkeit von Pausen gesellschaftlich recht weit verbreitet ist, scheint es innerhalb der Forschung hier noch konkreten, empirischen Nachholbedarf zu geben. Besonders für das musikalische Lernen existieren bis heute nur einige wenige Studien. 

Planung & Lernpausen

Klar ist, viele kürzere Einheiten sind sinnvoller als wenige längere. Dies leuchtet vor allem auch daher ein, dass wir uns für kurze Lernsequenzen sehr konkrete Ziele vornehmen und diese entsprechend am Ende auch leicht überprüfen können. Darüber hinaus deutet eine Studie von Carla Davis Cash darauf hin, dass auch die zeitliche Platzierung der Pause innerhalb einer Lerneinheit einen Einfluss auf unseren Fortschritt haben kann. 

Um dies zu untersuchen sollten 36 Nichtmusiker eine Fünfton-Sequenz auf dem Klavier möglichst schnell und fehlerfrei lernen. Unterteilt in jeweils drei Vergleichsgruppen unternahmen zwölf der Teilnehmer eine Pause nach dem ersten Viertel der Gesamtübezeit (die betrug insgesamt 12x 30-Sekunden – entsprechend unternahm diese Gruppe ihre Pause zwischen dem dritten und vierten 30-Sekundenblock), eine weitere Gruppe machte gar keine Pause und schließlich die letzte Gruppe pausierte zwischen Block neun und zehn.

Interessanterweise machte besonders die Gruppe mit der frühen Lernpause besonders gute Fortschritte in der Studie. Cash vermutete hier, dass die anfängliche Erholung die lerninduzierten neuronalen Prozesse unterstützt, die ansonsten durch das stetige Wiederholen gehemmt worden wären. Darüber hinaus schnitt insbesondere auch am Folgetag, beim Wiederholungstest, diese Gruppe besser ab, als ihre Vergleichsgruppen. 

Studienergebnisse zur Wichtigkeit von Pausen (Carla Davis Cash)
Studienergebnisse von Carla Davis Cash (aus: Journal of Research in Music Education 3 (2009), S. 259)

Fazit

Die Versuchung liegt nahe unsere Gesamtübezeit als „Erfolgsgröße“ zu nehmen. Nach dem Motto: Je mehr ich geübt habe, desto besser werde ich schon werden. Aber schon in der Schule fordern uns die Lehrer nicht dazu auf, eine Stunde Hausaufgaben jeden Tag zu machen, sondern geben uns ganz gezielt eine Aufgabe für den Folgetage. Wie lange wir schlussendlich dafür brauchen ist sekundär und hängt stark von jedem Einzelnen ab.

Dieser Vergleich zeigt, dass nicht unsere Übezeit alleine den entscheidenden Unterschied macht. Es geht vor allen Dingen um die Qualität des Übens. Dies betrifft einerseits natürlich die Frage, wie unser Verhalten in der Übekabine aussieht (Externe Ablenkungen abgeschaltet? Gehen wir direkt auf Fehler ein? etc.). Andererseits meint dies selbstverständlich auch die Frage nach unserem Ziel der Übeeinheit. An dieser Stelle lohnt es sich ein paar Minuten pro Tag in die Planung zu investieren. Denn, an dieser Stelle schließt sich der Kreis, durch die konkrete Rückmeldung über das Erreichen unserer Ziele, erzielen wir langfristig eine höhere Motivation.


Quellen:

Cash, Carla Davis: Effects of Early and Late Rest Intervals on Performance and Overnight Consolidation of a Keyboard Sequence, in: Journal of Research in Music Education 3 (2009), S. 252-266.

Cash, Carla Davis; Duke, Robert; Simmons, Amy: It’s not how much, it’s how. Characteristics of Practice Behaviour and Retention of Performance Skills, in: Journal of Research in Music Education 4 (2009), S. 310-321.

McFarland, Elizabeth Hogan: Faclitating Lifelong Success. Teaching Middle School Choristers to Practice, in: The Choral Journal 9 (2014), S. 59-64.

Recherchiert bei jstor.org

Wer schreibt hier eigentlich..?

Musiker | Podcast-Host | Blogger | + posts

Patrick Hinsberger studierte Jazz Trompete bei Matthieu Michel und Bert Joris und schloss sein Studium im Sommer 2020 an der Hochschule der Künste in Bern (Schweiz) ab.
Seit seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema musikalisches Üben und hostet seit 2021 den Interview-Podcast "Wie übt eigentlich..?"

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