Lerne Jan Donner kennen – einer der profiliertesten deutschen Posaunisten unserer Zeit. Als Wechselposaunist an der Deutschen Oper Berlin und Professor für Posaune an der HfM Dresden (seit Okt 2022) gilt er als Koryphäe auf Tenor‑ und Basstrombone. Sein gerade neu erschienenes Album „Layers“ mit der Heresmusikkorps der Bundeswehr ist dafür ein grandioser Beweis. In diesem ausführlichen Interview spricht er über:
- seinen Werdegang vom Bergischen Land über Hannover nach Berlin
- seine Lehrphilosophie und Zusatzqualifikationen in Mentalcoaching
- Wie du dir ein stabiles Fundament fürs Üben aufbaust – auch für stressige Konzert‑Situationen.
- Warum mentale Vorbereitung (inklusive Visualisierung) essenziell ist – schon bevor du dein Instrument in der Hand hältst.
- Wie man Motivation & Neugier trotz Routine aufrechterhält – und warum ein klar strukturierter Übealltag mehr Freiheit schafft.
Foto-Copyright: Zuzanna Speczjal
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Wie übt Jan Donner?
Die erste Frage, mit der es immer losgeht, lautet vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für dich?
Genuss, Zeit für mich, Freude am Experimentieren.
Welche Musik, Album oder Künstler läuft bei dir gerade in Dauerschleife?
Gar nichts.
Wie bei den meisten Leuten, die viel selber Musik machen oder auch hören beim Unterrichten, freuen sich meine Ohren immer über Pause.
Und so auf dein Spiel bezogen, würdest du da sagen, da gibt es einen Künstler, Künstlerin, der dich stark geprägt hat?
Ich glaube, da würde ich jetzt vielen Leuten Unrecht tun, wenn ich einen Namen sagen würde. Es ist eine Mischung aus vielen Persönlichkeiten, auch die ich live gehört habe, die mich über meinen Entwicklungsweg begleitet haben.
Was ich viel gehört habe als Jugendlicher war German Brass. Daher kommt die Vorstellung, wenn ich Blechbläser Ensemble spiele. Und ich habe sehr viel Joseph Alessi gehört, wobei ich das heute anders höre, als ich es damals gehört habe.
Also so ein Mix aus ganz vielen verschiedenen Einflüssen, die am Ende so das produziert, was heute dein Klang, deine Art und Weise zu spielen ist.
Ja, auf jeden Fall.
Das klingt jetzt ein bisschen nach Verschleiß, aber ich hatte relativ viele Lehrer über den Verlauf der Zeit und jeder hat irgendwie in der Zeit, in der ich bei ihnen war, super viel bewegt und super viel Einfluss gehabt. Über die Zeit hat sich das eigene Hören verändert und über das eigene Hören verändert sich das eigene Spielen.
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Entweder-Oder-Fragen
Ich habe ein paar Entweder-oder-Fragen dabei. Und du hast einen Joker. Das heißt, bei einer Frage darfst du die Antwort skippen. Bei den anderen bin ich sehr gespannt, wie du antworten wirst.
Wupper oder Spree?
Wupper.
Posaune oder Euphonium?
Ich hoffe, die anderen sind nicht so schwer. Joker.
Johann Sebastian Bach oder Richard Strauss?
Bach.
Du spielst Orgel auch, habe ich gesehen, in der Vorbereitung.
Würdest du dann, also wenn ich die Entweder-oder-Frage so formuliert hätte, dass du zwischen Orgel und Posaune hättest entscheiden müssen, wie wäre es da ausgefallen?
Auf jeden Fall Posaune.
Wie kamst du dieser Orgel-Karriere dann nebenbei?
Karriere würde ich das nicht nennen. Das ist für jemanden, der das wirklich beherrscht, das Instrument, ziemlich rudimentär. Ich habe das in der Studienzeit meines Masters in Berlin parallel an einem Institut, das zu der UdK gehört, gemacht. Einfach, weil ich immer gedacht habe, was machst du, wenn das nicht klappt mit dem Weg ins Orchester? Was ist was, wo ich trotzdem noch Musik machen kann, wo ich Spaß dran hätte?
Und dann habe ich rumgesucht und dann habe ich gedacht, naja, das ist ungefähr 300 Meter neben dem Haus, wo die Blechbläser sind, dann machen wir doch mal das.
Also sehr pragmatisch auf jeden Fall.
Auf jeden Fall, ja. Immer.
Und wie übst du dafür heute noch oder ist das quasi einfach nur so ein Spaßinstrument, was du so, wenn Zeit da ist, dann noch bedienst?
Ich habe sehr, sehr lange nicht geübt. Also das ist was, was man wie alles andere auch irgendwie regelmäßig machen müsste und da fehlt mir im Moment echt die Zeit für.
„Über die Zeit hat sich das eigene Hören verändert und über das eigene Hören verändert sich das eigene Spielen.“
Jan Donner
Erholung als Musiker
Prävention oder Perfektion?
Kann man auch beides nehmen? Eher Prävention.
Sofa oder Spaziergang?
Spaziergang.
Ist das deine typische Art dich zu erholen? Also findest du da Ruhe und Ausgleich?
Für mich ist Bewegung und Bewegung in Natur auf jeden Fall ein Weg, wie ich mich garantiert immer entspannen kann.
Das weiß ich, das kommt sicherlich auch aus der Kindheit, aus der Gegend, wo ich aufgewachsen bin, aber das ist was, was bei mir unter Garantie funktioniert.
Wir hatten im Vorgespräch das Thema Gesundheit. Prävention ist ja ein Teil davon. Ich habe dazu ein paar Fragen extra vorbereitet, aber an der Stelle interessiert mich, wie du für dich herausgefunden hast, was dir wirklich so gut tut?
Eigentlich primär durch Trial-and-Error.
Also grundlegend habe ich immer das Gefühl gehabt, ich mache ganz viele Sachen und merke dann, irgendwas fehlt und dann muss man einfach auf die Suche gehen und viel ausprobieren. Also Bewegung war was, was ich in meinem Bachelor- und Masterstudium wirklich extrem habe vermissen lassen.
Das war aber dann ganz schnell vom Gedanken her, habe ich überlegt, was hast du denn vorher gemacht, während du Abitur gemacht hast und so weiter. Und dann habe ich gesagt, ah klar, da fehlt die Bewegung. Dann habe ich wieder angefangen Tennis zu spielen und sowas.
Ich glaube schon, dass es für jeden so ist, dass wenn man einfach sich die Zeit nimmt, in Ruhe mal zu Gehen, gehen ist was ganz, ganz, ganz Natürliches. Da sortiert sich oben im Kopf so einiges von alleine, finde ich immer. Das ist ja gar keine große Wissenschaft.
Frühaufsteher oder Nachteule?
Ich stehe nicht gerne früh auf, aber eine Nachteule bin ich auch nicht. Ich würde eher zu früh tendieren mittlerweile.
Beruf oder Berufung?
Hängt jetzt ein bisschen vom Kontext ab, worauf du rauswollen würdest, aber eher Berufung.
Routine oder Abwechslung?
Abwechslung.
Wie suchst du oder findest du Abwechslung?
Die brauche ich nicht suchen, das kommt von ganz allein. Da muss ich nur den Kalender gucken, dann weiß ich schon, es wird nicht langweilig. Das ist etwas, was ich an dem Berufsbild Musiker oder jetzt auch unterrichten als Musiker wahnsinnig spannend finde.


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Jans Übe-Alltag
Dann sind wir schon mittendrin in deinem Übe-Alltag. Kannst du uns mal mitnehmen in einen typischen Überalltag von dir?
Naja, das hat sich sehr verändert. Denn der Hauptfokus ist natürlich momentan der Aufbau von dieser Posaunenklasse in Dresden und dementsprechend geht viel meiner geistigen und auch zeitlichen Energie einfach eher an und für andere.
Aber trotzdem ist es so, ich habe zwar vorhin gesagt, eher Abwechslung als Routine, aber es ist immer so: Wenn ich einen Unterrichtstag habe, versuche ich mindestens zwei Stunden vorher da zu sein und anderthalb Stunden selber zu spielen.
Das ist eine Mischung aus Einspielen, Einspielen geht ja verhältnismäßig schnell eigentlich, dann kommt ein Block mit Basic-Sachen, dann vielleicht noch etwas Melodiöses und dann klopft meistens schon der Erste an der Tür.
Ich mache gerne Sachen am Block, auch um danach frei zu haben, um andere Dinge tun zu können. Es sind relativ lange Tage, aber ich genieße es im Gesamten immer sehr. Also es gibt ganz wenig Tage, wo ich denke, das ist zäh.
Struktur im Alltag: Arbeit in Blöcken
Was heißt ein Block dann bei dir? Also lange Zeitblöcke insgesamt?
Es sind immer in der Regel Stunde- oder anderthalb-Stunden-Einheiten, je nachdem.
Aber dann schon eher von 10 Uhr morgens bis 19:30 Uhr mit einer halben bis dreiviertel Stunde Mittagspause. Es ist intensiv, das merkst du dann auch körperlich nachher, aber ich mag das lieber so als hier zwei Stunden und dann da nochmal zwei Stunden und dies.
Denn dann ist man drin, dann ist es auch so, dass man den Kontakt zu den Jungs findet, weil alle im Haus sind, weil alle da sind. Das ist etwas, das ich ganz wichtig finde.
Das heißt, diese großen Blöcke mit jetzt 10 bis 19:30 Uhr, eine halbe Stunde Pause, das bezieht sich vor allem auf die Unterrichtstage, aber jetzt gar nicht nur auf deine eigenen Übereinheiten an dem Tag. Die machst du schon wahrscheinlich kürzer, oder?
Naja, die sind halt so in diesem anderthalb- bis zwei-Stunden-Modus, wobei das nicht so ist, dass ich dann zwei Stunden durchspiele, ganz im Gegenteil.
Aber wenn ich dazu komme, dann sind es so Zwei-Stunden-Blöcke: morgens einer, dann mittags nochmal anderthalb Stunden und wenn viel im Kalender steht, auch gerne abends nochmal entspannt eine halbe Stunde.
„Also ich finde die Systematik wichtig, also die Struktur des Übens. Was für Übungen das sind, das ist nicht immer das Gleiche.“
Effizientes Üben: Klarer Aufbau statt Chaos
Systematik statt Zufall – warum Struktur beim Übungsprozess entscheidend ist
Du hast ja vorher skizziert, dass du mit einem kleinen Einspielprogramm anfängst, dann geht es weiter mit Basics und dann Melodien. Das heißt, diese Blöcke kann man sich bei dir auch so vorstellen, dass du in diesem einen Block auch genau das nur machst. Also du versuchst nicht beispielsweise eine Stelle aus einer Etüde umzuwandeln, in eine Stoßübung oder sowas. Und dann ist es quasi klar: 90 Minuten Stoßübung oder Stunde Stoßübung zum Beispiel.
Also ich finde die Systematik wichtig, also die Struktur des Übens. Was für Übungen das sind, das ist nicht immer das Gleiche. Das kann ich nicht sagen, aber die Struktur.
Es gibt bestimmte Elemente, die ich für wichtig erachte beim Spielen von einem Blechblasinstrument und die müssen drin sein. Und die müssen für mich deshalb da drin sein, damit man, wenn es dann zur Auftrittssituation kommt, das Gefühl hat: grundlegend habe ich das alles für mich bearbeitet.
Ich habe das für mich durchdrungen und ich kann mich darauf verlassen, um dann musizieren zu können. Damit es eben nicht etwas rein Technisches ist, sondern Mittel zum Zweck.
Aber sehr fokussiert üben, sehr strukturiert üben, um dann möglichst viel Musik machen zu können nachher.
Was bedeutet Struktur konkret?
Was meinst du mit Struktur dann innerhalb von so einem Übeblock?
Wenn man zum Beispiel sagt, ich übe jetzt heute ganz banal Dur-Tonleitern, dann nicht zwischendurch, weil man gerade Lust hat, doch mal eine Moll-Tonleiter da rein dudeln, sondern wirklich dabeibleiben und auch sagen: Okay, ich mache einmal gebunden über zwei Oktaven, dann gestoßen runter, dann kommt der Dreiklang hinterher, dann kommen noch die Intervalle oben drauf und wirklich konzentriert dabei bleiben und das in der maximal guten Qualität, die an dem Tag möglich ist – das ja nicht jeden Tag gleich von sich selber verlangen.
Du hast vorher gesagt, dass dir das, was an der Übung gar nicht so entscheidend ist, sondern die Struktur, die viel wichtiger ist?
Doch, doch, das was ist auf jeden Fall entscheidend. Aber es ist nicht so, was wie innerhalb von einer bestimmten Struktur – das ist das Wichtige.
Tägliche Rituale und feste Bausteine
Okay, aber gibt es dann trotzdem Blöcke, die an jedem Tag stattfinden?
Das Schema ist grundlegend: reinkommen, Posaune zusammenbauen, Kaffee machen, eine Dehnungsübung, eine kurze Atemübung, Mundstück mit Klavier und dann geht es ans Instrument. Und da erstmal relativ in einem nicht so physisch anstrengenden Ambitus – Glissandi, Posaunen-Klischee-mäßig.
Dann kommen Bindungen, dann kommt etwas Gestoßenes dazu, dann werden die Intervalle größer und so weiter. Das ist das, was ich meine mit Struktur.
Diese einzelnen Elemente mit Reinkommen, Kaffee, Dehnung – das ist das, was ich mit Struktur meine. Das ist sehr ähnlich jeden Tag.
„Das Schema ist grundlegend: Reinkommen, Posaune zusammenbauen, Kaffee machen, eine Dehnungsübung, eine kurze Atemübung, Mundstück mit Klavier und dann geht es ans Instrument. Und da erstmal in einem nicht so physisch anstrengenden Ambitus – Glissandi. Posaunen-Klischee-mäßig.“
Jan Donner
Zeit fürs eigene Spiel – Prioritäten im Musikeralltag
Und bist du auch ein Planer? Also bist du jemand, der sich Sonntagabends hinsetzt und guckt: Die Woche hat die und die Termine, darum muss ich üben, planen und bereitest dich dann auch inhaltlich vor, was gemacht werden muss, wann du dafür Zeit hast und so?
Nein, also die Inhalte so genau festlegen mache ich nicht. Das ergibt sich eigentlich automatisch mittlerweile wahrscheinlich durch die Tatsache,dass ich das ewig lang schon in einer intensiven Form praktiziere.
Was ich auf jeden Fall mache, ist, dass ich darauf achte, genügend Zeit zum Selberspielen und Selberüben zu haben. Denn wenn ich das nicht mitdenke, ist das das Erste, was hintenüberfällt.
Und das wäre schade, denn ich unterrichte zwar, aber möchte nach wie vor Musiker sein und bleiben. Nicht nur reiner Lehrer.
Ich finde es spannend, dir zuzuhören, weil ich glaube, so intensiv, wie du das beschreibst, auch mit diesen langen Blöcken und dieser intensiven Beschäftigung, habe ich in diesem Podcast noch nie gehört – wirklich so intensiv und mit langen Zeiteinheiten. Und du hast gerade gesagt, dass das Was bei dir sehr automatisch schon kommt, wegen deiner Erfahrung.
Würdest du sagen, dass es irgendwann einen Punkt gab, an dem das geswitcht ist, wo du das Üben für dich gelernt hast und verstanden hast, wie du da rangehen musst?
Ich habe sehr viel auch verhältnismäßig spät gelernt über Übestrategien. In Hannover, wo ich meinen Bachelor gemacht habe, gab es eine Vorlesung, die damals – ich glaube, er ist mittlerweile emeritiert – von Eckart Altenmüller gehalten wurde. Das fand ich damals total spannend in meiner Erinnerung, habe aber, wie man das als 18-jähriger Student wahrscheinlich macht, extrem wenig davon umgesetzt, vor allem überhaupt nicht konsequent.
Weiterbildung als Wendepunkt
Mir ist das aber später, als ich schon im Orchester war, wieder eingefallen. Ich habe
den Namen gegoogelt und da gab es eine Fortbildung – ich glaube, sie wurde von der Hanns Eisler, der UdK und Hannover gemeinsam angeboten. Diese drei Musikhochschulen haben Institute der Musikermedizin, die relativ umfangreich Fortbildungen anbieten.
Und da ist mir nochmal sehr viel klar geworden. Es wurde von verschiedensten Seiten beleuchtet, was alles zum Üben dazugehört. Das war nochmal ein entscheidender Punkt. Davor habe ich sehr viel über Eingrenzen und Ausprobieren gemacht. Das ist auch eine Methode, aber wirklich fundiert war es erst ab diesem Punkt.
Eckart Altenmüller und die Wissenschaft der Musikermedizin
Spannend, Eckart Altenmüller war auch hier im Podcast gewesen, das fand ich auch sehr bereichernd auf jeden Fall.
Ja, ich fand den Typ immer sehr faszinierend. Was soll ich sagen?
Weil er so eine Gabe hat, hochwissenschaftliche Inhalte prägnant auf den Punkt zu bringen in einer Sprache, die man sehr gut verstehen kann.
Man merkt bei ihm auch diese Begeisterung für die Musik. Das ist unglaublich einfach. Cooler Typ auf jeden Fall. Und Typ im besten Sinne – da sind wir uns, glaube ich, einig.
Mentales Üben – Training ohne Instrument
Du hast vorher schon Dehnübungen angesprochen, auch beim Üben. Spielt mentales Üben bei dir auch eine Rolle?
Ja, aber das ist das, was ich meinte vorhin: Wenn zwei Stunden Übezeit sind, ist es nie so, dass ich zwei Stunden das Instrument im Gesicht habe.
Auch da ist es natürlich so: Wenn man – nehmen wir jetzt das melodiöse Spiel – dann Elemente aus der Bewegungsvorstellung, also einfach den Notentext abfahren, die Bewegung sich vorstellen, das ist immer mit dabei.
Auf jeden Fall die Vorstellung von Rhythmus, wenn ich etwas Neues lesen muss. Das mache ich immer, bevor ich spiele – das spart unfassbar viel Zeit. Das kann man auch nachweisen: Die Kombination aus mentalem Üben, mentalem Training und der praktischen Anwendung in einem bestimmten Verhältnis ist auf jeden Fall zielführender und effektiver.
Seitdem ich das weiß – naja, zu viel Zeit hat fast keiner – mache ich es eben so.
Umgang mit Ermüdung – Warnsignale erkennen
Ich finde es vor allem auch interessant bei dir – jetzt, wo du auch in so langen Blöcken übst – wir als Blechbläser haben ja irgendwann das Problem mit dem Ansatz. Irgendwann sind wir halt müde.
Gibt es da für dich auch Warnsignale, die du inzwischen kennst bei dir, wo du weißt: Okay, jetzt brauche ich gleich eine Pause und dann ist es vielleicht auch ganz gut, das mental zu üben oder sich das vorzustellen?
Ich übe eigentlich fast immer – meine Studis werden da wahrscheinlich mit den Augen rollen – aber ich übe fast alles in einer bestimmten Reihenfolge.
Also sei es zuerst singen, dann auf dem Mundstück spielen, dann die Bewegungsvorstellung und dann am Instrument.
Es ist faktisch gesehen nur ein Viertel der Zeit klassisches Üben, aber es ist trotzdem Üben, finde ich – und es ist sehr intensiv. Ich mag dieses Intensive sehr.
Ja, aber es kann ja auch gefährlich sein, oder? Ich meine, dann ist der Punkt doch, dass man zu viel macht. Herr Altenmüller hat ja auch so schön diesen Penelope-Effekt mal beschrieben. Es gibt ja auch das Zu-viel-Üben – auf jeden Fall.
„Ich übe fast alles in einer bestimmten Reihenfolge.
Jan Donner
Also sei es zuerst singen, dann auf dem Mundstück spielen, dann die Bewegungsvorstellung und dann am Instrument.“
Grenzen erkennen – mit Achtsamkeit durch lange Übetage
Naja, aber wenn man nur zwei Stunden hat oder drei am Tag, dann ist die Gefahr sehr gering.
Das ist richtig, ja.
Ich dachte mir nur, dass du vielleicht deinen Körper inzwischen so gut kennst, dass du merkst: Jetzt brauche ich eine Pause – und dann passiert vorher mal genau das...
Ich weiß es nicht, aber natürlich ist es so, dass man irgendwann den Erfahrungswert hat. Wenn ich das und das übe, sei es jetzt zum Beispiel etwas physisch sehr Anstrengendes, dann ist mir schon vorher klar: Wenn ich das jetzt drei-, viermal in maximalem Fokus mache, geistig wie körperlich, dann brauche ich eine Pause. Klar.
Dann geht es Fenster lüften, Glas Wasser trinken, Kaffee holen – und dann weiter. Klar. Das ist schon klar.
Technik als Feedback – Aufnahmen im Übeprozess
Nutzt du auch Aufnahmetools für dich, um dein Spiel zu kontrollieren, oder bist du kein Fan von sowas?
Immer mal wieder.
Ich finde, das ist etwas, wo ich persönlich sehr aufpassen muss, dass ich nicht zu sezierend werde. Aber als generelle Rückmeldung, gerade wenn man sagt, man simuliert ein Vorspiel, also man spielt alles – egal wie es ist – einmal am Stück durch, dafür ist es extrem wertvoll.
Wenn ich eine einzelne Übung spiele, das macht mich persönlich eher fest. Ich weiß, dass manche Leute das machen und dass das fantastisch funktioniert – ich persönlich eher nicht.
Üben für die Aufnahme – Vorbereitung auf „Layers“
Ich habe ja vorher schon von dir die CD „Layers“ in die Hand bekommen, die du produziert und eingespielt hast. Ich habe mich in der Vorbereitung gefragt – aber wahrscheinlich kann ich mir die Antwort gleich selbst geben, nachdem was du erzählt hast – ob sich dein Üben in der Vorbereitungszeit für die CD stark von deinem regulären Üben unterschieden hat.
Aber wenn ich dich so einschätze und du so ein intensiver Typ bist: Wahrscheinlich eher nicht, oder?
Wie wäre deine Vermutung?
Das meine ich ja. Ich glaube, wenn das Intensive mir liegt, hat sich mein Üben gar nicht so groß in der Vorbereitungszeit für die CD unterschieden von meinem regulären Üben, oder?
Doch, schon. Es ist schon so, dass ich mir dann auch zeitlich mehr Raum nehme, um mehr Pausen einzubauen – auf jeden Fall. Das war ja auch ein Zeitpunkt in den Semesterferien. Da habe ich durchaus eine Schippe mehr geübt als im Alltag.
Ich habe gehofft, das maximal Gute, was ich zu dem Zeitpunkt spielen kann, spielen zu können. Das muss ja nicht jede Woche sein.
Wenn man versucht, immer auf dem Peak zu sein – ich glaube, das schafft man nicht. Das ist auch gar nicht so wahnsinnig sinnvoll. Es muss eine hohe Grundqualität haben, damit – wenn etwas Wichtiges, persönlich Wichtiges oder vielleicht auch Schweres, Herausforderndes kommt – man dann nicht erst vom Keller bis ins Dachgeschoss fahren muss.
Das schon. Aber man muss nicht die ganze Zeit auf dem Dach stehen, um in dem Bild zu bleiben.
Stücke erarbeiten – das Dach decken
Und um in dem Bild zu bleiben: Wenn du auf dem Dach bist, hast du dann eine bestimmte Herangehensweise, wie du das Dach deckst – also wie du ein neues Stück erarbeitest?
Vom Singen zur Struktur – Stücke effizient erarbeiten
Auch wenn man meiner Stimme das nicht anhört, ich singe die meisten Sachen. Ich spiele mir das auf dem Klavier vor – erst in Abschnitten, dann spiele ich mit Klavier, mit Mundstück. Dann kommt die, ich nenne das „Luft und Zug“, eine Übung, wo eigentlich nur trocken die Motorik geübt wird.
Und das teilweise wirklich über einen ganzen Tag. Dann kommt der zweite Tag dazu – also Chunking, diese Lerntechnik. Dann dritter, vierter, fünfter Tag. Das hat den Vorteil: Wenn man etwas Erfahrung hat, weiß man ungefähr, wie lange man für ein Stück braucht. Das wird dann eingeteilt.
Also wenn ich weiß, ich habe an einem Tag die ersten vier Takte geübt, kommen am nächsten Tag die nächsten vier. Am dritten Tag setzt man diese acht zusammen und nimmt noch zwei dazu. Das ist mein Herangehensweg.
Also diesen Vierklang, den du vorher beschrieben hast, das zieht sich durch?
Das zieht sich fast durch. Nicht immer ist das notwendig – wenn es sehr einfache Sachen sind, muss man das nicht auf Teufel komm raus machen.
Aber gerade wenn es darum geht, dass ich nach einer inneren Sicherheit suche, um frei musikalisch gestalten zu können, dann mache ich das sehr intensiv.
Mentale Stärke vor dem Mikrofon – Druck bei CD-Aufnahmen
Wir hatten ja vorher schon kurz das Mentale angesprochen – jetzt vor allem als Solist vor einem Orchester mit CD-Produktion. Da stelle ich mir vor, dass da auch mentaler Druck vorher herrscht – den man sich wahrscheinlich selbst am meisten macht. Wie übt man sowas, also mit dieser Erwartungshaltung umzugehen?
Auf jeden Fall hatte ich diese innere Erwartung, dass das etwas werden soll. Ich habe mir für die Aufnahme zwei Leute herangeholt – ein Toningenieur und jemanden, der das Projekt begleitet hat. Beide kannte ich gut und wusste, dass sie eine sehr positive Grundstimmung ausstrahlen und eine Sprache sprechen, die ich verstehe. Das hat mir wahnsinnig viel inneren Druck genommen.
Wenn oben jemand mitgehört hat und sagt: „Pass mal auf, bei Takt 20 musst du…“, ist das vielleicht nicht hochpädagogisch formuliert, aber wenn man die Person gut kennt, versteht man sofort, was gemeint ist. Das hat mir extrem geholfen.
Fehlerkultur im Studio – Wiederholen statt Ärgern
Wie geht man mit Fehlern um bei so einer Produktion? Oder generell – wie geht man mit Fehlern um bei sowas?
Das ist eigentlich entspannter als im Live-Konzert. Wenn es kein grundlegender Fehler ist, hat man immer die Chance, es zu wiederholen. Bei der Produktion muss man natürlich aufpassen, dass man die Sachen nicht totdudelt – denn irgendwann wird es nur noch anders, aber nicht mehr besser. Dann ist es nicht mehr lebendig.
Und es gibt physische Grenzen – das ist klar. Nach dreieinhalb Stunden war der Ofen aus – im Kopf und körperlich. Das wäre dann nichts gewesen, was man auf eine CD oder Aufnahme hätte packen wollen. Aber grundsätzlich: Es geht schon.
Gelassenheit durch Erfahrung
Mit Druck konstruktiv umgehen
Ich höre da auch Gelassenheit raus. Du scheinst da entweder geworden zu sein oder auf jeden Fall – du wirkst gerade nicht so, du bist sehr entspannt mit dem, was du da hast, oder?
Geworden ist wahrscheinlich das Korrekte. Also es ist schon so, dass innerlich ich einen sehr hohen Anspruch an mich selber habe, aber mittlerweile an den Punkt gekommen bin, dass ich sage: Wenn ich alles gemacht habe, was ich in dem Moment mit dem Repertoire, mit der Zeit, mit der Ressource, mit meinem Körper, mit meinem Geist – wenn ich das alles ausgeschöpft habe, mehr wird es nicht werden.
Ich brauche nicht versuchen, in einer Situation, die per se einfach – wenn man draufguckt – herausfordernd ist, davon auszugehen, dass ich dann meinen allerbesten Tag haben werde. Und schon gar nicht drei oder vier am Stück bei so einer Aufnahme.
Das ist unrealistisch. Und das hat sich dahin entwickelt, dass ich sage: Okay, wenn ich so strukturiert arbeite, wie ich das vorhin beschrieben habe, dann habe ich das rausgeholt, was ich kann. Und darum geht es.
Mentale Stärke in Musik und Sport
Ich finde das ganz spannend. Ich habe dir im Vorgespräch erzählt, dass ich dich zum ersten Mal wahrgenommen habe bei einem Symposium vor drei Jahren. Es ging um mentale Stärke in der Profimusik, ich glaube, es hieß „Leistungsmusik und Leistungssport“. Mit dabei waren unter anderem Laura Ludwig, Olympiasiegerin im Volleyball, Moritz Fürste, Hockeyspieler und auch Olympiasieger, sowie Katharina Konradi, eine Sängerin.
Das war super lehrreich und spannend damals. Was wir gerade besprechen – der Umgang mit sich selbst, die Erwartungshaltung an sich selbst – ist ja auch eine Form von mentaler Stärke.
Ich habe in der Vorbereitung gesehen, dass du auch eine Ausbildung zum Mental Coach gemacht hast. Sind das Dinge, die da mit reinspielen? Oder anders gefragt: Woher kommt diese Faszination,
sich so intensiv mit mentalen Aspekten auseinanderzusetzen und auch den Blick in den Sport zu werfen?
Ich habe verschiedene Sachen nebenher gemacht – Orgel viel zum Beispiel. Ich habe als Jugendlicher – da bin ich meinen Eltern sehr dankbar – viele Sachen machen können und dürfen. Das bringt natürlich auch organisatorische Herausforderungen für die Familie mit sich.
Aber ich hatte immer schon das Gefühl: Alles, was man ins System oder ins Leben hineinbringt, spiegelt sich in dem wider, wie man sich verhält und wie man musiziert.
Im Studium habe ich das eher vernachlässigt, das hatte ich vorhin schon gesagt. Aber irgendwann habe ich gemerkt: Es fehlt was. Mir fehlt was. Ich fühle mich in mir, mit mir nicht hundertprozentig wohl. Rein mechanisch üben – ja gut, das erschöpft sich irgendwann ziemlich schnell. Dann ist die Frage: Was kann man noch tun?
Mentaltraining durch Corona – Die Zeit sinnvoll genutzt
Dann kam mir Corona in dem Sinne zur Hilfe, weil ich sonst die Zeit nicht gehabt hätte, ein ganzes Studium zu machen. Und das ist wie mit fast allem: Wenn man sich mit etwas wirklich auseinandersetzt – also richtig tief reindenkt –, dann ist fast alles interessant.
Ich habe einen Schulfreund, der ist Zahnarzt. Wenn der mir bestimmte Dinge beschreibt, denke ich mir: Wie genial ist das denn? Natürlich habe ich überhaupt keinen Plan davon, und ich glaube auch nicht, dass ich der Typ dafür wäre. Aber die Beschreibung und das Nachvollziehen finde ich wahnsinnig spannend. Wie geil ist das denn? Cool, dass das jemand kann.
Faszination für das Unbekannte – Musik und Sport im Dialog
Ja, wahrscheinlich geht es anderen Leuten, wenn sie über Musik oder etwas von Musik verstehen, ähnlich. Das Fremde hat vermutlich eine Anziehungskraft, die man vielleicht auch sucht.
Aber würdest du sagen – jetzt vor allem auf den Sport gemünzt, weil das Thema damals, und das ist heute vermutlich nicht viel anders, war –, dass diese ganze mentale Stärke, die Sportler sehr früh mitbekommen, vor allem Profisportler, in der Musik noch nicht richtig angekommen ist?
Gibt es da etwas, wo du sagst: Da könnten wir noch viel mehr vom Sport lernen?
Zunächst – ich habe das damals glaube ich auch gesagt – ich tue mich mit dem Begriff „Stärke“ etwas schwer, denn das suggeriert: Wenn man es gelernt hat, dann funktioniert es. Und ich finde, dass Musik etwas Lebendiges sein soll, eine Form von Kommunikation. Das ist nichts Starres.
Es ist nicht so, dass man es einmal für sich entdeckt, erschließt – und dann bleibt es so. Man darf auch durchaus mal – jetzt benutze ich den gegenteiligen Begriff – schwach sein, man darf Schwäche und Verletzlichkeit zeigen und empfinden. Das gehört zu einer Persönlichkeit, das gehört zu einem Musiker.
Das Publikum ist ja sehr empathisch – die gehen freiwillig ins Konzert. Das alles gehört dazu. Aber jetzt habe ich glaube ich den Faden verloren. Wie ging die Frage?
Ob mentale Stärke im Sport weiter verbreitet ist als in der Musik – und ob wir uns als Musiker da noch mehr abschauen könnten?
Ja, danke für die Erinnerung. Es ist auf jeden Fall so, dass es im musischen Bereich spät kommt.
Dieser Einfluss – dass man über eine Vorlesung, über einen Lehrer oder so darauf gestoßen wird – passiert eher im hochschul-universitären Kontext. Und ich weiß aus dem Sport, auch von Bekannten: Wenn die 14, 15, 16 Jahre alt sind und an Leistungswettkämpfen teilnehmen, werden sie automatisch in solchen Dingen geschult, gecoacht. Also von der rein körperlichen Seite über Physiotherapie, mental und praktisch. Das ist etwas, das wir uns auf jeden Fall abschauen könnten.
Wir müssen das nicht zwingend, aber man sollte schauen, was zu der jeweiligen Person passt.
Ganzheitliches Denken statt reinem Instrumentalismus
Aber dieses Denken – nicht nur das Instrument spielen, also ganz allgemein gesprochen, nicht nur ein Blechblasinstrument spielen –, das ist es und danach hört die Welt auf, damit tue ich mich sehr schwer. Denn wenn jemand Dinge so eindimensional betrachtet, könnte er auch eindimensional spielen – auch wenn das eine sehr harte Aussage ist. Aber spannend wird es dann, wenn Dinge mehrere Ebenen haben, vielschichtig sind, wenn man berührt wird am Ende.
Und das kann aus meiner Sicht nur dann passieren, wenn man sich mit verschiedensten Dingen beschäftigt. Sonst erzählt man immer das Gleiche.
Der Blick über die Musik hinaus – Pausen und Lebensfreude
Ich bekomme das Zitat nicht mehr ganz genau zusammen. Ich glaube, es kommt von Eckart Altenmüller.
Vielleicht war sogar hier im Podcast, oder ich hatte es irgendwo im Buch gelesen.
Der Tipp auf jeden Fall war: Pausen machen und sich unbedingt Freuden außerhalb der Musik suchen.
Mentale Vorbereitung – Der Auftritt beginnt im Kopf
Future Pace – Die Übung von Jan
Du blickst auf die Bühne. Vielleicht siehst du dein Instrument, den Flügel, den Notenständer, möglicherweise Kollegen, Kolleginnen.
Du spürst, das ist dein Platz. Du freust dich auf diesen Moment. Es wird still, der letzte Moment vor dem Auftritt. Vielleicht hörst du ein Raunen, vielleicht ist es ganz ruhig.
Du atmest bewusst ein und aus. Du bist da.
Du schürst die Bühne. Jeder Schritt ist sicher. Du nimmst deinen Platz ein. Keine Halle, kein Druck. Nur präsent, nur Musik. Du spielst und die Musik fließt. Du bist verbunden mit dir selbst, mit deinem Instrument, mit dem Moment.
Alles, was du brauchst, ist da. Ausdruck, Klarheit, Ruhe. Du bleibst in Kontakt mit dir. Auch wenn etwas anders ist als geplant, du bleibst ruhig.
Wach, agil, musikalisch. Du gestaltest und führst.
Der letzte Ton verklingt. Du nimmst die Stille danach bewusst wahr. Kein Zwang, nur Raum. Du spürst Dankbarkeit. Du hast gespielt, gegeben, gelebt. Das ist, wie man an eine mögliche Auftrittssituation rangehen könnte.
Visualisierung im Detail – Mentale Erdung schaffen
Das ist sehr allgemein gehalten. Man kann das viel detaillierter machen, indem man sich Bilder heraussucht. Wie sieht der Konzertsaal aus? Wo genau sitze ich?
Man kann ins Orchester hineindenken: Wer hat Dienst mit mir? Jeder Kollege erzeugt eine eigene Raumatmosphäre – ganz neutral beobachtet.
Das sind Dinge, die kann man vorher einmal durchgehen. Ich finde oft, dass es innerlich eine andere Form von Ruhe gibt. Natürlich ist klar: Es ist kein Allheilmittel. Wenn man nicht geübt hat, hilft die Vorstellung auch nicht viel.
Aber rein neuronal ist die Vorstellung sehr ähnlich zu aktiver Handlung – wenn man das an den Hirnströmen misst. Man kann das vorher einfach ein paar Mal mental durchspielen. Ich finde, dass es nach meiner Erfahrung eine größere Erdung gibt. Ich kann mich mehr auf den Inhalt konzentrieren – auf das Übertragen von Musik.
Konkrete Vorbereitung – innere Bilder vor dem Auftritt
Vielen Dank für die coole Übung. Du machst so eine Übung auch konkret vor einem Auftritt, bevor du zum Gig, zum Dienst oder zum Konzert fährst?
Ich spreche natürlich nicht so mit mir selbst, wie ich das gerade vorgelesen habe.
Aber die Schritte – das Durchgehen von Abläufen – mache ich definitiv. Zum Beispiel, als ich in Dresden vorgespielt habe, habe ich mir Bilder herausgesucht: Wie fühlt es sich an, wenn ich den Türknauf berühre? Schiebe ich zuerst das Instrument hinein und gehe dann durch die Tür? Oder andersherum? Lege ich das Instrument ab und fahre den Notenständer hoch? Solche Dinge. Das muss man – ehrlich gesagt – auch mehr als einen Tag vorher machen.
Da muss man Zeit investieren. Aber wenn mir etwas extrem wichtig ist, dann gehe ich diese Dinge vorher durch. Das tue ich auf jeden Fall.
Mentale Vorbereitung – Der Auftritt beginnt im Kopf
Das ist ganz spannend. Es gibt aktuell ein paar Sonderfolgen mit dem Trompetenkollegen Marvin Frey. Wir hatten auch in der letzten Folge mentales Üben als Thema.Er hat erzählt, dass er vor allem bei wichtigen Gigs genau das Gleiche macht. Er geht sogar so weit, dass er Bilder googelt von den Konzertlocations – wie sieht die Bühne aus, wenn er dort noch nicht gespielt hat –, um sich möglichst präzise vorstellen zu können, wie das an Tag X sein wird. Wie fühlt sich der Boden an, wie ist der Brustkorb? Alles Dinge, die man bewusst spüren und wahrnehmen kann.
Auf jeden Fall. Ich überlege mir sogar, wie ich die Noten hinlege. Du lächelst, und das ist durchaus berechtigt, weil das eigentlich etwas total Banales ist. Aber das sind so Sachen, bei denen ich gemerkt habe: Das haut mich raus.
Dann ärgere ich mich – ach Mensch, du Depp, jetzt hättest du es doch so hinlegen können, und jetzt fummelst du da rum und alle gucken dir zu. Ist doch besser, wenn das nicht passiert. Dann kann ich vorher, wenn ich es durchgehe, daran denken: Ach ja, stimmt, das wolltest du so und so machen.
Das passiert dann, wenn man es ein paar Mal durchgegangen ist. Man ist ja nicht stumpf – man macht das dann automatisch.
Du hast ja vorher gesagt, dass du das natürlich nicht erst einen Tag vorher machst.
Wie oft machst du das vor einem für dich wichtigen Ereignis? Und wann fängst du damit an?
Schwierig pauschal zu sagen, aber mindestens eine Woche vorher. Und dann eigentlich jeden Tag. Dann wird es eine Form von Gewohnheit. Ich würde es nicht „Routine“ nennen, aber Gewohnheit.
Das heißt, wenn dann der Tag wirklich kommt, legst du die Noten bewusst so hin und musst nicht mehr überlegen, wie du sie eigentlich legen wolltest?
Ganz genau. Alles, was Aufmerksamkeit vom Inhalt abziehen könnte, sollte man vorher für sich sortiert haben. Das ist bei jedem Menschen etwas anderes.
Es gibt unterschiedliche Dinge, die unterschiedlich gewichtet werden in der eigenen Wahrnehmung. Aber das ist ein ganz banales Beispiel für etwas, bei dem ich mich früher oft geärgert habe. Wo ich dachte: Das sieht aus wie Musikschule. Du kommst da hin, ein Blatt fällt runter, irgendwas fehlt.
Wir kennen das alle – man hat alles vorbereitet, und dann kurz vorher: „Sie sind dran!“, man kratzt die Sachen zusammen, kramt und geht auf die Bühne. Genau sowas kann man mit dieser Vorbereitung auf ein besseres Gleis bringen.
Und wahrscheinlich schafft das auch Sicherheit und Vertrautheit, die man in einer Auftrittssituation gerne mitnimmt.
Auf jeden Fall. Innere Klarheit ist immer etwas Gutes.
Mentale Stärke – ein hilfreiches Konzept?
Das finde ich sehr spannend. Vielen Dank. Das ist eine ganz andere Übung, als wir sonst hier so haben.
Ich glaube, für das ganze Thema mentale Stärke – hast du für dich ein besseres Wort gefunden, wie du das formulierst?
Nein.
Dann bleiben wir bei „mentale Stärke“. Ich verstehe den Gedanken. „Stärke“ hat auf jeden Fall einen Gegenspieler – „Schwäche“. Das klingt nicht schön. Vielleicht kommt dir ja noch etwas.
Aber ich glaube, allein über dieses Thema könnte man noch sehr lange sprechen. Auch über den Werkzeugkasten, der Musikerinnen und Musikern helfen kann, in wichtigen Situationen gut zu spielen. Nicht im Sinne von „Leistung bringen“, sondern gute Musik zu machen.
Der Ausklang
Mit Blick auf die Uhr würde ich langsam gern in den Hafen einbiegen. Wir waren vorher auf dem Dach, jetzt sind wir unten – wir sind an der Wupper angekommen. Ich habe noch zwei Fragen, die ich meinen Gästen gern am Ende stelle:
Was lernst du oder übst du gerade, was du noch nicht so gut kannst?
Geduld – im Sinne von Hochschulverwaltung.
Und wenn du an deine eigene Studierendenzeit zurückdenkst: Gibt es rückblickend einen Tipp, über den du damals froh gewesen wärst?
Ja, durchaus.
Was wäre das?
Ganz banal: Junge, geh mal vor die Tür.
Da schließt sich der Kreis sehr schön zum Anfang. Also offen bleiben, rausgehen, andere Sachen machen.
Genau das.
Jan, das hat sehr großen Spaß gemacht. Ganz herzlichen Dank dafür.
Ja, ich danke.
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Wer schreibt hier eigentlich..?
Patrick Hinsberger studierte Jazz Trompete bei Matthieu Michel und Bert Joris und schloss sein Studium im Sommer 2020 an der Hochschule der Künste in Bern (Schweiz) ab.
Seit seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema musikalisches Üben und hostet seit 2021 den Interview-Podcast "Wie übt eigentlich..?"