Eine nachhaltige und wirklich effektive Übe-Routine aufzubauen – das wünschen sich viele Musiker*innen. Allerdings führt der Weg dorthin bei jedem von uns durch andere Landschaften. In meinem Podcast „Wie übt eigentlich…?“ teilen einmal im Monate andere Musikerinnen und Musiker ihre erprobten Strategien. Hier möchte ich dir fünf Ansätze zeigen, die dir helfen können, deine eigene Routine zu entwickeln. Jeder dieser Wege ist durch echte Musikerbiografien gewachsen – und damit auch wirklich erprobt.
1. Starte mit bewusster Selbstwahrnehmung statt Pflichtgefühl
„Der Realitätscheck“
Fola Dada bringt es auf den Punkt: Üben ist „Stress, den man sich genauer anschauen darf“. Anstatt dich selbst unter Druck zu setzen, lohnt es sich, deine Bedürfnisse und Stimmungen wahrzunehmen, bevor du loslegst. Auch Angelika Stockmann betont: Körperwahrnehmung und ein kurzes Selbstgespräch sind für sie der eigentliche Startpunkt jeder Übe-Session.
Was das verändert? Du bist wacher, motivierter – und übst nachhaltiger.
Tipp: Baue dir ein kleines Ritual ein. Vielleicht drei tiefe Atemzüge, ein bewusstes Hineinspüren in deinen Körper oder ein kurzer Moment des Hinhörens auf dein Instrument. Fünf Minuten reichen oft schon, um eine ganz andere Energie zu schaffen. Ziel ist es, eine echte Verbindung zwischen dir und deinem Instrument zu schaffen und damit ein „Ankommen“ im Üben zu ermöglichen.
2. Kleine Schritte statt starrer Perfektionspläne
„Die Zielpyramide“
Schlagzeuger Benny Greb sagt, Fortschritt entsteht nicht durch bloße Wiederholung, sondern durch viele kleine Realisationen und Kurskorrekturen. Auch Fola Dada setzt auf Mikroschritte und kreative Lernstrategien, statt perfektionistischer Großbaustellen.
Der Trick dabei: Lieber viele kleine Erfolgserlebnisse sammeln, als an zu großen Erwartungen zu scheitern.
Tipp: Definiere für jede Übe-Session ein einziges klares Lernziel. Und erinnere dich: Nicht jede Einheit muss perfekt sein – aber jede kann ein Baustein auf deinem Weg sein. Nutze Tools, wie eine Zielpyramide, um die Zwischenschritte zu deinem Lernziel sichtbar zu machen.



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3. Strukturiertes, aber flexibles Zeitmanagement
„Die Fokuszeit“
Marvin Frey, Peter Laib und viele andere Musiker:innen setzen auf feste Zeiten und klare Routinen. Frühmorgens üben, Technik und Musikalität kombinieren, Puffer für Flexibilität einbauen – all das hilft, die klassische Prokrastinationsfalle zu umgehen.
Und wichtig: die eigene Tagesform realistisch einschätzen. Nicht jeder Tag liefert das gleiche Pensum.
Tipp: Tools wie die Pomodoro-Technik oder einfache To-Do-Listen können Wunder wirken. Besser täglich ein bisschen als unregelmäßig und dann im Frust. Flexibilität in stressigen Phasen ist kein Scheitern – sie ist dein Schlüssel zur Langfristigkeit.
4. Verbindung zum Instrument pflegen
„Die Beziehung“
Theresia Philipp beschreibt die Beziehung zum Instrument fast wie eine Liebesgeschichte: Es geht darum, zu spüren, was das Instrument – und du selbst – gerade brauchen. Manchmal ist das Fokus, manchmal Geduld. Manchmal schlicht eine Pause.
Auch Kontrabassistin Lisa Wulff betont: Es geht darum, immer wieder in echte Verbindung mit sich selbst und dem Instrument zu treten.
Tipp: Stelle dir die Frage: „Was braucht meine Verbindung zum Instrument heute?“ Vielleicht intensive Technikarbeit, vielleicht freies Spielen. Vielleicht auch einfach Stille.
5. Variation der Routine durch kreative Ansätze
Wolfgang Schöllhorn (der Begründer des Differenziellen Lernens) nennt Üben „Bewegung und Lernen“. Und Bewegung heißt Veränderung. Statt sturem Drill empfehlen er und auch Susan Williams, das Üben als Forschungsreise zu gestalten.
Das hält nicht nur den Geist frisch – es stärkt auch deine kreative Problemlösungskompetenz.
Tipp: Baue gezielt Abwechslung ein: Sowohl innerhalb deiner Übe-Woche (Heute Technik, morgen Repertoire, übermorgen zehn Minuten Improvisation) – aber auch in den Methoden, die zum Erarbeiten schwieriger Stellen nutzt.
Oder erfinde kleine Challenges wie einen „Techniküberraschungstag“. Alles, was dich lebendig hält, stärkt letztlich auch deine Skills.
Deine individuelle Routine als Wachstumsgarten
Eine gute Übe-Routine ist kein starres Korsett – sie passt sich ständig unseren Bedürfnissen, unserer Zeit und unseren Zielen an. Realistisches Selbstverständnis, kleine Ziele, Struktur mit Flexibilität, bewusste Verbindung zum Instrument und kreative Erneuerung: Diese fünf Prinzipien können dir dabei helfen, deinen eigenen Weg zu gestalten.
Und denk daran: Deine Routine darf wachsen, sich verändern und dich begleiten. Sie soll dich tragen, nicht fesseln.
Willst du tiefer einsteigen?
Dann schau in die ausführlichen Gespräche mit Fola Dada, Benny Greb, Lisa Wulff, Theresia Philipp und vielen anderen spannenden Musiker:innen!
Weitere Leseempfehlungen:
- Wie Benny Greb Üben und Spielen trennt
- Die Beziehung zum Instrument: Theresia Philipp über nachhaltiges Üben
- Stressfreies Üben lernen mit Fola Dada
Wer schreibt hier eigentlich..?
Patrick Hinsberger studierte Jazz Trompete bei Matthieu Michel und Bert Joris und schloss sein Studium im Sommer 2020 an der Hochschule der Künste in Bern (Schweiz) ab.
Seit seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema musikalisches Üben und hostet seit 2021 den Interview-Podcast "Wie übt eigentlich..?"