Bevor unsere Vorfahren Werkzeuge zur Klangerzeugung entdeckten, war ihr Körper ihr erstes Instrument: Klatschen, Stampfen, Summen und Singen legten den Grundstein für die Musik. Erst später kamen Knochenflöten und Steininstrumente hinzu. Doch eines hat sich bis heute nicht geändert: Der wichtigste Teil jeder musikalischen Darbietung ist der Körper des Musikers.
Musizieren ist weit mehr als nur Technik und Interpretation – es ist eine körperliche Gesamtleistung. Egal, ob du singst, Klavier spielst oder zur Gitarre greifst: Haltung, Atmung, Koordination und innere Balance bestimmen dein musikalisches Ausdrucksvermögen. Um langfristig gesund und mit Freude musizieren zu können, solltest du daher nicht nur dein Instrument, sondern auch deinen Körper pflegen und bewusst wahrnehmen.
Die Bedeutung eines strukturierten Übens
Über die Jahre sammeln sich unzählige Stunden am Instrument. Eine Stunde täglich summiert sich auf 365 Stunden im Jahr – das entspricht 15 vollen Tagen. Wer über Jahrzehnte hinweg musiziert, investiert Jahre seines Lebens ins Üben. Umso wichtiger ist es, diesen Prozess bewusst und gesund zu gestalten. Ein durchdachtes Übekonzept verhindert Überlastung und sorgt für kontinuierlichen Fortschritt.
Eine effektive Übe-Session besteht aus drei essenziellen Phasen:
1. Warm-up – Bereite Körper und Geist vor
Ein gutes Warm-up verhindert Verspannungen, steigert die Effizienz deiner Bewegungen und sorgt für einen konzentrierten Start. Dazu gehören:
- Körperliche Aktivierung: Sanfte Dehnungen oder Mobilisationsübungen für Schultern, Arme und Hände
- Atemübungen: Besonders wichtig für Bläser, Sänger und Streicher, aber auch für alle anderen Instrumentalisten hilfreich
- Mentale Fokussierung: Eine kurze Achtsamkeitsübung oder Visualisierung hilft, den Fokus zu schärfen
2. Hauptteil – Effizient und gesund üben
Gezieltes Üben spart Zeit und maximiert den Fortschritt. Anstatt ein Stück einfach immer wieder durchzuspielen, nutze bewährte Methoden wie:
- Intervall-Methode
- Rhythmische Variationen und Variationen von Artikulation und Dynamik
- Mentales Üben
- Kettenüben
- Sequenzielles Üben
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Plane deine Übe-Einheit bewusst mit klaren Zielen und festen Zeitfenstern. Und vergiss die Pausen nicht! Dein Körper arbeitet in natürlichen Leistungszyklen. Eine kurze Dehnung nach 45 Minuten und eine längere Pause nach eineinhalb Stunden hilft, Erschöpfung zu vermeiden.
3. Cool-down – Den Körper wieder in Balance bringen
Nach dem Üben abrupt aufzuhören, kann zu Verspannungen führen. Ein kurzer Cool-down hilft, den Körper zu lockern und das Gelernte besser zu verankern. Besonders hilfreich sind:
- Dehnübungen für Schultern, Arme, Hände und Rücken
- eine entspannende Finger- und Handmassage
- Beruhigende Atemübungen zur mentalen Entspannung
Und natürlich eine kurze Reflexion: Was lief gut? Was könnte verbessert werden?
Fazit: Die wichtigsten Punkte auf einen Blick
- Dein Körper ist dein Hauptinstrument – je besser du ihn pflegst, desto leichter und gesünder wird dein Musizieren.
- Strukturiertes Üben mit Warm-up, Hauptteil und Cool-down beugt Überlastung vor und sorgt für effizienteres Arbeiten.
- Zielführende Übemethoden steigern den Fortschritt und bringen mehr Abwechslung.
- Regelmäßige Pausen sind essenziell – sie erhöhen die Konzentration und schützen vor Erschöpfung.
- Eine dynamische Haltung ermöglicht freie Beweglichkeit und eine effiziente Nutzung deiner Kräfte.
- Achtsamkeit und Körperbewusstsein machen den Unterschied zwischen gesundem und belastendem Üben.
Wenn du diese Prinzipien in dein Üben integrierst, wirst du nicht nur gesünder, sondern auch effektiver üben und musizieren – und das mit mehr Freude und Leichtigkeit!
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Wer schreibt hier eigentlich..?
Ute-Gabriela Schneppat
Ute-Gabriela Schneppat ist Flötistin, engagierte Flötenpädagogin und Spezialistin für Musikergesundheit und Stressmanagement. Ihre Mission: Musizieren mit Freude – ganz ohne Stress, Schmerzen oder Überlastung.
Schon früh stand sie zwischen zwei Welten – Medizin oder Musik? Die Musik gewann, doch das Interesse an medizinischen Zusammenhängen blieb. Eigene Erfahrungen mit Schmerzen, Verspannungen und einem beidseitigen Karpaltunnelsyndrom führten sie zu einer tiefen Auseinandersetzung mit dem Thema Musikergesundheit.
Durch fundierte Ausbildungen in Dispokinesis, Spiraldynamik und bei Liebscher & Bracht entwickelte sie einen ganzheitlichen Ansatz für ein gesundes, effizientes Üben und Musizieren. Heute gibt sie dieses Wissen mit großer Begeisterung an Berufsmusiker:innen, Musikstudierende und ambitionierte Laien weiter – im Einzelcoaching, in Workshops und im Unterricht.
Mehr als 20 Jahre stand sie als Solistin und mit Ensembles wie „Flöte an Tasten“, „voice meets flute“ und „flauta-gitarra“ auf der Bühne – heute widmet sie sich ganz ihren Schüler:innen und Coachees.