Pädagogik | https://what-is-practice.de/tag/paedagogik/ BLOG Tue, 01 Oct 2024 06:12:03 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://what-is-practice.de/wp-content/uploads/2020/06/cropped-logo-wip-bunt-32x32.png Pädagogik | https://what-is-practice.de/tag/paedagogik/ 32 32 Die Audiation https://what-is-practice.de/audiation/ https://what-is-practice.de/audiation/#respond Sun, 29 Sep 2024 21:04:06 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6636 Hören, Denken & Verstehen in Musik Almuth Süberkrüb ist Professorin für Musikpädagogik und Leiterin des Studiengangs Elementare Musikpädagogik in Hamburg. Dazu ist sie Gründungsmitglied und Vorsitzende der Edwin Gordon Gesellschaft in Deutschland. Edwin Gordon gilt als Begründer der Audiation – ich bin auf seine Music Learning Theory damals im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit gestoßen. Seine Form des… Weiterlesen »Die Audiation

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Hören, Denken & Verstehen in Musik

Almuth Süberkrüb ist Professorin für Musikpädagogik und Leiterin des Studiengangs Elementare Musikpädagogik in Hamburg. Dazu ist sie Gründungsmitglied und Vorsitzende der Edwin Gordon Gesellschaft in Deutschland.

Almuth Süberkrüb vor der HfMT in Hamburg

Edwin Gordon gilt als Begründer der Audiation – ich bin auf seine Music Learning Theory damals im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit gestoßen. Seine Form des Unterrichtens rückt das Hören und Verstehen von Musik stark ins Zentrum und vergleicht das Musiklernen mit dem Erwerb der Muttersprache. Wie und, ob das funktioniert und was auditationsbasierten Unterricht ausmacht, das habe ich mit Almuth Süberkrüb besprochen. 

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Das Interview mit Almuth Süberkrüb

Inhaltsverzeichnis

Die erste Frage, mit der es immer losgeht, lautet, vervollständigen Sie folgenden Satz. Üben heißt für Sie?

In Musik zu denken und das, auf das Instrument oder die Stimme, zu übertragen.

Welches Album, Musik oder Künstler, läuft bei Ihnen gerade in Dauerschleife?

Beim Hören ist es für mich wichtig, dass es ganz viele unterschiedliche Dinge sind: verschiedene Stile und auch Epochen. Insofern würde ich mich da jetzt gar nicht festlegen, sondern ich finde es wichtig, dass es eine große Vielfalt gibt.

Sie haben selbst Klavier und Gesang studiert. Gibt es denn für Sie jemanden, der auf ihr eigenes Spiel bezogen, ein Vorbild war?

Das ist total interessant. Für mich hat tatsächlich ein Umbruch stattgefunden, als ich Edwin Gordon kennengelernt habe – obwohl der mit meinen beiden Instrumenten gar nichts zu tun hatte.

Das hing auch damit zusammen, dass ich damals Schulmusik studierte und an einem Punkt war, dass ich dachte: Hat das, was in der Schule Musikunterricht heißt, tatsächlich etwas mit aktivem Musizieren zu tun? Es ging sogar so weit, dass ich überlegt hatte, das Studium zu beenden. Ich wollte nicht nur mit Kindern über Musik sprechen, sondern mit ihnen aktiv Musik machen. Dann habe ich Edwin Gordon kennengelernt. Er hat sehr viel in meinem Denken und Handeln, im musikalischen sowie im pädagogischen, verändert. Es ging plötzlich nicht mehr nur um ein Instrument oder die Stimme, sondern um die Musik überhaupt und darum, dass man durch eine Hörvielfalt ein großes Hörrepertoire entwickeln kann. Also wenn zum Beispiel jemand Tuba bei einem Trompetenlehrer lernt, dann entwickelt er ein bestimmtes Hörrepertoire. Das kann total spannend sein, weil natürlich die Tuba einen anderen Klang hat und auch eine andere Flexibilität benötigt. Und wenn man da eine Vielfalt an verschiedenen Instrumenten hörend wahrnimmt und kennenlernt, kann man auch auf seinem eigenen Instrument mehr von dieser Vielfalt umsetzen.

„Es ist spannend, wie sehr sich das in unsere Denkweise gearbeitet hat. Man hat das Gefühl, dass man immer wieder an den Punkt kommt, Noten zu benötigen. Gerade Menschen, die schon Erfahrung mit Noten haben, empfinden dies auch als einen Sicherheitsaspekt.
Das bedeutet aber gleichzeitig oft, dass das Hören nicht mehr so stark im Vordergrund steht, sondern eher das ‚mechanische Handeln‘.“

Almuth Süberkrüb

Entweder-Oder-Fragen

Um Sie als Person ein bisschen besser kennenzulernen, habe ich mir ein paar Entweder-Oder-Fragen überlegt. Sie haben einen Joker. Wenn Sie bei einer Sache sich nicht für eins entscheiden können, dürfen Sie den Joker ziehen. Schülerin oder Lehrerin?

Schülerin.

Lernen mit oder ohne Noten?

Ohne Noten.

Das ist spannend. Bei Edwin Gordon, ich reiße die Theorie nur ganz kurz an, gibt es die These von“ sound before sight“, die sagt, dass man erst den Klang haben muss, bevor man in das Dekodieren von Noten gehen kann. Das kann aber in der Praxis unter Umständen relativ schwierig sein, wenn man Schülerinnen und Schüler hat, bei denen die Eltern das Notenlernen wünschen. All das hat darüber hinaus auch Einfluss darauf, wie ich Unterricht gestalte: Ich kann nicht mehr eine Instrumentalschule nehmen und Seite 1 aufschlagen. Ich muss mein Unterrichtskonzept komplett neu denken, oder?

Ja, und ich muss auch mein eigenes Lernen mit umdenken. Das kommt ebenfalls noch hinzu. Die meisten haben zuerst mit Noten gelernt. Ein Freund hat diese Vorgehensweise vor längerer Zeit mal in der Schule ausprobiert. Wir haben dann immer telefoniert und er berichtete, wie er gerade seinen Unterricht gestaltete. In jedem Telefonat kam am Ende die Frage auf, ob denn in der nächsten Stunde die Noten eingeführt werden würden. Er wusste nicht mehr, was er noch ohne Noten machen konnte. Wir haben dann immer gemeinsam überlegt, was eigentlich gerade Stand ist und wo die Schüler:innen stehen bzw. was sie brauchen. Und am Ende des Telefonats fanden wir dann immer noch weitere Übungen, die keine Noten benötigten. Es ist spannend, wie sehr sich das in unsere Denkweise gearbeitet hat. Man hat das Gefühl, dass man immer wieder an den Punkt kommt, Noten zu benötigen. Gerade Menschen, die schon Erfahrung mit Noten haben, empfinden dies auch als einen Sicherheitsaspekt. Da weiß man, was man hat. Ich weiß, wenn ich den schwarzen Punkt auf der Linie sehe, dann drücke ich die Taste oder dann muss ich die Seite an der und der Stelle drücken oder Ähnliches.

Das bedeutet aber gleichzeitig oft, dass das Hören nicht mehr so stark im Vordergrund steht, sondern eher das „mechanische Handeln“. Zudem stellt sich die Frage, wann was wichtig ist. Wann ist das Hören hilfreich? Wann ist vielleicht das Nachsingen oder das Nachspielen hilfreich? Und wann ist es auch mal hilfreich und notwendig, ganz bestimmte technische Aspekte entweder in Stücken isoliert zu üben?

Wahrscheinlich auch immer abhängig davon, wo die Schülerin bzw. der Schüler gerade steht und, ob das Bedürfnis da ist mit anderen zusammen zu spielen. Dann wäre es Voraussetzung zumindest Noten verstehen zu können, um mit anderen zusammen musizieren zu können.

Ja, richtig. Das ist die Frage nämlich: wann brauchen wir denn überhaupt Noten? Wie lang kann es gehen ohne? Und es gibt ja große Musiker, die gar keine Noten lesen können. Und trotzdem sind es genau solche Punkte natürlich. Wenn ich in einem Ensemble mitspielen möchte und ich kann mit den Noten, die das Ensemble nutzt, nichts anfangen, dann habe ich ein Problem. Dann kann ich nicht mitspielen. Wobei man auch mit Schülern in einer großen Gruppe ohne Noten üben und spielen kann – selbst in Konzerten. Wenn Schüler:innen über den Körper mal den Unterschied zwischen einem Zweier-Metrum und einem Dreier-Metrum erfahren haben, dann können sie es auch spielen.

Da sind wir schon mitten in der Theorie von Gordon: Das Verstehen der Musik wird mit einbezogen und nicht nur das bloße Nachspielen. Aber gleich dazu mehr. Wir sind ja heute in Hamburg, deshalb kam mir ja im Zug die Frage in den Kopf: Nordsee oder Alpen?

Oh, beides. Das ist mein Joker.

Das ist der Joker? Okay, dann bin ich gespannt auf die letzten beiden Fragen, die noch kommen. Wenig und oft oder selten und viel?

Wenig und oft.

Talent oder Fleiß?

Ich bräuchte noch einen Joker.

Aptitude – Das musikalische Potential

Die Frage ist auch ein bisschen gemein. Sie kam mir, als ich den Begriff der Aptitude gelesen habe. Wenn ich es richtig erkläre, dann sagt Gordon, dass im Alter von neun Jahren Kinder ihr musikalisches Potential erschöpft haben – ganz vereinfacht gesagt. Ist das noch Stand der Forschung? Kann man das überhaupt so sagen, oder ist das zu stark vereinfacht?

Das ist so etwas missverständlich. Wenn wir geboren werden, haben wir ein bestimmtes Aptitude – also wir haben eine bestimmte Voraussetzung. Diese entwickelt sich im Laufe der Jahre weiter oder zurück, je nachdem wie wir es nutzen und, wie der Einfluss. Das heißt: Wenn ein Kind in einem Kontext aufwächst, in dem es nie Musik hört, es aber eigentlich alle Voraussetzungen hätte, um ein hohes Potential zu entwickeln, dann ist es wahrscheinlich, wenn es fünf bis neun Jahre ist, dass es kein besonders hohes Aptitude haben wird. Das heißt, in dieser Phase des frühkindlichen Lernens (bis neun Jahre ungefähr) geht es darum, dass man ein möglichst großes Angebot macht, um die Chance zu geben, dass das, was wir als Potenzial haben, musikalisch genutzt oder ausgebaut wird.

Es geht gar nicht darum zu sagen, dass ein Kind mit z.B. sechs Jahren bestimmt ein hohes Aptitude hat, das es nun nutzen sollte. Sondern es geht eher darum zu sagen, dass eine breite Unterstützung und ein breites Angebot wichtig sind, damit das musikalische Begabungspotenzial (was Aptitude ja heißt) sich überhaupt entwickeln und aufrechterhalten werden kann. Und dann kommt tatsächlich irgendwann ein Punkt, an dem es sich verfestigt.

Nehmen wir mal an, dieser Punkt ist erreicht und es gibt eine Person, die ein tonale Aptitude im 90. Perzentil und rhythmisch im 95 Perzentil (fiktive Werte) hat. Und eine andere Person hat tonal eine Aptitude im 50. Perzentil und rhythmisch im 70. Perzentil. Dann heißt es nicht, dass die erstgenannte Person besser Musik lernt. Es heißt nur, dass diese Person ein höheres Potenzial hat, aus dem sie schöpfen kann.

Ich habe das selbst mal in einem Kurs mit einem Blechbläser erlebt. Man würde hier ein hohes Potential vermuten, da sie den Ton vorher selbst hören müssen, wofür ein hohes Potential sehr wichtig ist. Die Tests haben dann allerdings bei dieser Person ein sehr niedriges Potential ergeben. Und das Interessante war, dass es keiner gehört hat. Die Person hat einfach so intensiv geübt und so kontinuierlich seine Möglichkeiten weiterentwickelt, dass es nicht automatisch heißt, dass sie nicht in der Lage sein wird, bestimmte Dinge am Instrument zu tun. Und das ist, finde ich, etwas sehr Wichtiges: Einerseits bereit sein zu sagen, wir geben ganz viel Energie (an pädagogischen Impulsen) in dieses junge Alter. Und gleichzeitig wissen wir aber, dass es in der Realität bei den Kindern doch nicht so ankommt, wie es so schön auf dem Papier steht.

Das heißt, diese Aptitude ist am Ende eigentlich nur ein Hilfswerkzeug für Lehrer:innen, um erstmal Potential festzustellen?

Ja, das sehe ich auch so. Aber es gibt da viele Unterschiede. Ich habe da mal einen Versuch gemacht, das war ganz spannend. Ich sollte in Österreich mal für eine sehr, sehr große Gruppe an Lehrern unterrichten. Ich kannte die Kinder vorher nicht und umgekehrt. Zudem kannten die Kinder die Vorgehensweise nicht. Also es waren schon ziemlich viele Unbekannte. Ich hatte vorher überlegt, wie ich es hinkriege, dass ich trotzdem in dieser dreiviertel Stunde diesen erwartungsvoll dasitzenden Lehrern ein bisschen, von dem was möglich ist, zeigen kann. Und dann habe ich die Lehrer dieser Schüler:innen gebeten, diesen Aptitude-Test für diese Altersgruppe mit ihnen zu machen, mir zu schicken, und ich habe ihn dann ausgewertet. Aus pragmatischen Gründen habe ich die Schüler:innen so gesetzt, dass auf der einen Seite welche saßen, die rhythmisch sehr stark waren, auf der anderen Seite tonal. Ich wusste, ich kann dann gezielt dort entsprechenden Input reingeben und mit ein bisschen Chance kommt auch etwas zurück. Das hat im Prinzip auch gut funktioniert. Im Nachgespräch kam dann auch eine Frage zu Aptitude. Ich sollte sagen, welches der Kinder ein hohes Potential hätte. Ich habe das abgelehnt, aber vorgeschlagen, dass ein Lehrer doch dies beantworten könne. Die Stimme aus dem Publikum war überzeugt, dass man dies auch ohne Test feststellen könne. Also hat dieser Lehrer einen Schülernamen genannt, und ich habe dann nachgeguckt. Das Interessante war: B ei einem dieser Schüler*innen stimmte es, bei zwei stimmte es nicht. Und bei einem, bei dem ich dann gesagt habe, der hat sicher ein sehr hohes Potenzial, da meinte der Lehrer, dass dies nicht sein könne, weil er nur Quatsch macht.

Das heißt: Wenn ich das weiß, kann ich diesen Test wirklich als Werkzeug nutzen. Ich weiß dann, dass der, der Quatsch macht, mehr gefordert werden möchte. Umso größer die Gruppe, umso schwerer fällt es zu unterscheiden, ob jemand Quatsch macht weil er unter- oder überfordert ist.

Und wenn ich weiß, eine Schüler:in hat ein hohes Potenzial im tonalen Bereich, dann weiß ich, wie weit ich diese Schüler:in fordern und fördern kann. Ich kann dann differenziert unterrichten und alle auf ihrem Level fördern. Und dadurch lernen ja nicht nur die, die zum Beispiel dann improvisieren. Sondern diejenigen, die Harmoniegrundtöne singen, lernen durch die Improvisation der Anderen genauso viel. Sie setzen unbewusst das, was die anderen machen, ständig in einen Bezug zu dem, was sie singen.

Jetzt sind wir ja schon mitten in der Methode und eigentlich auch schon an einem sehr tiefen Punkt, nämlich bei ganz konkreten Übungen. Ich würde gerne nochmal einen Schritt zurück gehen und eine allgemeine Definition von Audiation versuchen aufzustellen. Wie würden Sie Audiation in einem oder zwei Sätzen versuchen zusammenzufassen?

„Das heißt, Audiation bedeutet, ich höre es im Kopf vor, ich weiß im Grunde, was da passieren soll oder wird oder passiert ist. […] Wenn wir hier von Verstehen sprechen, meinen wir, wenn ich zum Beispiel ein Musikstück höre, dass ich weiß, in welchem Metrum, Tonalität, oder welche formalen Besonderheiten (Stilrichtung etc.) erklingen. Also all die Dinge, die wichtig sind, um umfassend musizieren zu können.“

Almuth Süberkrüb

Was ist Audiation?

Audiation ist Hören und Verstehen von Musik, die nicht oder nicht mehr erklingen muss, aber kann.

Also die entweder aktuell in unserem Kopf stattfindet oder draußen wirklich hörbar ist?

Ja, oder hörbar war oder hörbar sein wird, wenn ich sie spiele. Also wenn ich zum Beispiel mein Instrument im Kopf habe, dann spielt oder singt es im Grunde das vor, was nachher durch das mein Instrument verklanglicht wird. Wenn ich das im Kopf nicht habe, dann ist es schwer möglich, Musik zu spielen, die über die Ebene des rein technischen (im Sinne von griffbezogen) hinausgeht.

Das heißt, Audiation bedeutet, ich höre es im Kopf vor, ich weiß im Grunde, was da passieren soll oder wird oder passiert ist, kann Entscheidungen treffen und kann dann entsprechend musikalisch agieren. Wenn wir hier von Verstehen sprechen, meinen wir, wenn ich zum Beispiel ein Musikstück höre, dass ich weiß, in welchem Metrum, Tonalität, oder welche formalen Besonderheiten (Stilrichtung etc.) erklingen. Also all die Dinge, die wichtig sind, um umfassend musizieren zu können. Und all das bedeutet bei der Audiation Verstehen. Das heißt, es geht nicht nur um syntaktische oder theoretische Phänomene, sondern es geht um das allgemeine Verstehen.

Vielleicht ist ein ganz guter Vergleich, wenn wir uns jetzt unterhalten, dann sage ich bestimmte Sachen zur Audiation und Sie überlegen weiter und denken: „Hab ich das schon mal gehört? Wo kann ich denn da anknüpfen? Ach ja, der und der hat das auch gesagt, aber es ist ein bisschen anders.“ Sie wägen ab und schauen, wie es sich von anderen Dingen unterscheidet. Dann werden sie wahrscheinlich ihre Netzwerke nach Sachen durchforsten, wo sie sagen, „Da reibt sich etwas, das sehe ich aber jetzt anders – da muss ich doch nochmal nachfragen.“ Und wahrscheinlich werden Sie auch weiterdenken und überlegen, worauf läuft das denn jetzt alles hinaus? Was ist denn das Ziel des Ganzen? Und wenn Sie all das jetzt tun, dann sprechen wir davon, dass sie denken. Und wenn Sie all diese Komponenten im musikalischen Mitdenken, dann spricht man von Audiation. Also es ist im Grunde ein Denken in Musik.

Da gibt es doch auch von Edwin Gordon den schönen Satz, „Audiation is to music what thought is to speech.“

Genau, der würde da gut passen.

Das ist eigentlich ganz schön, dass Sie gerade versucht haben, mir Audiation mit dieser Konversationsebene zu erklären. Ich bin in der Vorbereitung oft auf diesen Vergleich gestoßen, dass Musiklernen (im Sinne der Audiation) vergleichbar wäre mit dem Erwerb der Muttersprache. Beides ist am Anfang sehr informell und unstrukturiert. Man bekommt das einfach im Umfeld mit. Die Frage, die ich mir dann gestellt habe: Ist überhaupt das so möglich? Am Ende ist das fast schon eine strukturelle Frage. Weil, wenn man es nur in einer Blase machen würde, dann käme diese ja immer dann wieder an Grenzen, wenn ihr Umfeld nicht auf diese Art und Weise lernt. Wir hatten vorhin bereits das Beispiel mit dem Ensemblespiel. Also die erste Frage wäre: Kann man Musik wie eine Sprache erlernen? Und die zweite Frage: Das ist ja alles noch informell. Wie bekommt man dann Struktur in so etwas rein?

Ich fange mal an bei der Frage, ob das möglich ist? Ich würde sagen: Ja, auf jeden Fall. mit Im Prinzip geht es bei dem Gedanken darum, dass zunächst ein Kontext geschaffen wird. Dass in diesen Kontext Details eingebettet werden und, dass über diese Schritte zum nächsten Schritt gegangen wird, den Kontext neu zu lernen.

Um es konkret zu machen: Wenn ein Kind geboren wird, dann befindet es sich immer in einem Raum mit Menschen. Diese Menschen sprechen, streiten, freuen, lachen, diskutieren. Sie sprechen über hochkomplexe Dinge. Eltern fangen nicht an, in dem Moment, wo ein Baby geboren wird, nur noch in Drei-Wortsätzen zu sprechen. Niemand erwartet, dass dieses daliegende Baby alles hört und versteht, sondern es wird eigentlich nur gebadet in diesen verschiedenen Sprachlichkeiten. Und dadurch können Kinder ein großes Hörrepertoire anlegen, ohne dass irgendwas erwartet wird. Kein Vater, keine Mutter würde bei einem zwei Monate alten Kind hingehen und sagen, wir müssen jetzt wirklich mal üben, dass du Kindergarten sagen kannst. Das fänden alle absurd. Aber in der Musik, da ist es nicht so absurd. Wenn man diese Haltung auf das Musiklernen übertragen kann und den Kindern die Chance gibt, dass sie hören dürfen und den Eltern die Chance gibt, zu lernen, wie sie auf ihre Kinder eingehen können und das weiter unterstützen, dann ist das ein riesengroßer Schritt für alle.

Im sprachlichen Bereich wissen wir, wie wir darauf eingehen. Das Kind sagt vielleicht „Au. Ein Auto fährt vorbei und wir sagen einfach mal Auto. Entweder es stimmt oder es stimmt nicht. Das Kind reagiert vielleicht, indem es sich abwendet. Dann hat es doch etwas anderes gemeint. Oder das Kind schaut mich nochmal an und möchte mehr haben. Auf diese spielerische Weise lernen Kinder ihre Sprache. Und das geht in der Musik auch.

„Eltern fangen nicht an, in dem Moment, wo ein Baby geboren wird, nur noch in Drei-Wortsätzen zu sprechen. Niemand erwartet, dass dieses daliegende Baby alles hört und versteht, sondern es wird eigentlich nur gebadet in diesen verschiedenen Sprachlichkeiten. Kein Vater, keine Mutter würde bei einem zwei Monate alten Kind hingehen und sagen, wir müssen jetzt wirklich mal üben, dass du Kindergarten sagen kannst. Das fänden alle absurd. Aber in der Musik, da ist es nicht so absurd.“

Almuth Süberkrüb

Das ist auch eine Frage, die ich mir in der Vorbereitung überlegt habe. Ist die Audiation hauptsächlich eine Herangehensweise für Kinder? Weil dieses Baden in Musik, wie Sie es gerade so schön beschrieben haben, das stelle ich mir bei einem Erwachsenen Schüler relativ schwierig vor. Der hat im Zweifel schon 40 Jahre an Hörgewohnheiten hinter sich, ohne die eingestuft bekommen zu haben. Beziehungsweise erwartet man von ihm auch etwas anderes.

Ich bleibe mal in dem Bild: Erwachsene haben sich schon an ihren eigenen Badeduft und ihre eigene Badetemperatur gewöhnt. Und wir Menschen sind ja Gewohnheitstiere. Das ist übrigens interessant, auch Musiklehrer haben ja so ihre eigene Badetemperatur und ihren eigenen Badeduft. Das heißt aber nicht, dass wir dabei bleiben müssen. Und musikalisch, ich finde das ganz wichtig, dass Sie das ansprechen, sollten wir nicht vom biologischen Alter sprechen, sondern vom musikalischen Alter und das unterscheidet sich.

Es gibt Erwachsene, die kommen mit ihren Kindern in eine Eltern-Kind-Gruppe und sind musikalisch ähnlich wie ihr Kind im Brabbelalter. Und es gibt andere, bei denen ist das anders. Das heißt, je nachdem, wie viel wir im Leben an Musik gemacht haben, wie viel wir erleben durften, gelernt haben, befinden wir uns in einem unterschiedlichen Grad an musikalischem Alter. Und das ist unabhängig von meinem biologischen Alter.

Ich habe dazu auch ein Beispiel: Ich hatte mal eine Improvisationsgruppe, in der es eine Klarinettistin gab. Alle Personen in der Gruppe waren auf sehr unterschiedlichem Niveau. Es gab welche, die sich bereits mit Jazz-Improvisationen beschäftigt haben und es gab andere, die eher aus der Klassik kamen. Also es war eine sehr bunte Gruppe mit sechs Schüler:innen. Und da gab es eine Klarinettistin, die sehr wenig Erfahrung hatte. Ich war am Anfang skeptisch, wie wir die Gruppe zusammen bekommen sollten. Ich fing mit einer einfachen Übung an: Jeder sollte einen Ton spielen und ihn anschließend nachsingen. Die Klarinettistin meinte daraufhin, dass sie das nicht könne. Das sind natürlich wenig Voraussetzungen, um zu improvisieren. Gleichzeitig dachte ich, dass sie ja aus irgendeinem Grund hier ist. Ich habe dann mit ihr gesprochen und ihr vorgeschlagen, dass wir uns einfach mal alleine treffen könnten. Sie stimmte zu.

Als wir uns dann getroffen haben, habe ich gesagt: „Ich weiß, was ich mit dir machen kann. Das fühlt sich aber für dich vielleicht ein bisschen komisch an. Ich würde dir einfach erstmal was vorsingen und du hörst einfach mal zu.“ Und dann haben wir uns jede Woche getroffen und ich habe eine halbe Stunde Lieder in allen Tonalitäten und Metren für sie gesungen. Und dann habe ich irgendwann das Ende herausgezögert und habe den Tonalitätsgrundton erstmal weggelassen und dann gesungen. Und irgendwann hat sie gesagt, dass sie ihn gern singen möchte. In dem Moment wusste ich, dass sie unbewusst alles, was sie vorher gehört hat, auf diesen Ton beziehen kann, denn sonst könnte sie ihn nicht singen. Dieser Ton ist das Fundament dieser Tonalität. Und das ist ein ganz wichtiger Schritt. Von da ausgehend sind wir schrittweise weitergegangen. Und das ging sehr gut, weil sie sich darauf eingelassen hat. Und weil sie über ihren Schatten gesprungen ist und etwas erreichen wollte.

Nach einem Jahr gab es dann ein Schülerkonzert, bei dem wir zwei Impro-Stücke spielten. Beim zweiten Stück fing der Gitarrist an zu spielen und merkte, dass er den Capo vergessen hatte abzumachen. Die Klarinettistin spielte ihren ersten Ton und ich erschrak. Das Interessante war allerdings, dass sich beide angeschaut haben und die Klarinettistin ihre Grundidee weiterspielte, während der Gitarrist den Capo abmachte. Und ich dachte so, wow. Nach dem Konzert sagte sie mir, dass sie von der Situation gar nicht so geschockt war. Sie wusste, dass ihr etwas einfallen würde, was sie spielen kann. Und das fand ich total toll.

„Und musikalisch, ich finde das ganz wichtig, dass Sie das ansprechen, sollten wir nicht vom biologischen Alter sprechen, sondern vom musikalischen Alter und das unterscheidet sich.“

Almuth Süberkrüb

Das knüpft eigentlich ganz schön an meine nächste Frage an. Denn was ich so gut bzw. so logisch an der Gordon-Methode finde, ist dieser stufenweise Aufbau. Man springt, wenn man das Wort benutzen möchte, von Level zu Level, von Stufe zu Stufe. Und ich habe mich gerade auch in der Vorbereitung gefragt, was mache ich, wenn jemand, zum Beispiel etwas nicht nachsingen kann. Das heißt, die Konsequenz ist dann immer eine Stufe zurückzuspringen und zu schauen, ob die Person bspw. den Grundton hören kann. Und erst dann gehen wir wieder zur Nachsingen-Stufe.

Wenn man es ganz allgemein fassen würde: Überlegen Sie sich, welche Voraussetzungen die Schüler:innen brauchen, um das lernen zu können, was sie vermitteln wollen. Das klingt einfach, ist es aber nicht immer.

Ja, das kennt jede*r Musiklehrer*innen aus dem eigenen Unterricht. Man verzweifelt manchmal fast schon, wenn man etwas vorsingt, und die Schüler*in kann es nicht nachsingen. Wenn dann das Wissen fehlt, dass der Schülerin oder dem Schüler gerade die Voraussetzungen dafür fehlen, das überhaupt nachzumachen, sucht man den Fehler ja vergeblich an Stellen, wo er gar nicht sein kann.

Ja, genau. Und es gibt ja genug Möglichkeiten, woran es liegen kann.

Und das ist auch nochmal wichtig zu sagen: Natürlich sind alle Aspekte wichtig, auch die Stilrichtungen. Aber der systematische Aufbau bezieht sich nur auf tonale und metrisch-rhythmische Aspekte. Gordon ging davon aus, dass man in dem Moment, wo man bestimmte tonale und rhythmische Patterns kann, diese auch in verschiedenen Stilrichtungen anwenden kann. Schließlich gibt es auf der Welt nicht unendlich viele Patterns, die genutzt werden. Und gerade im Schülerbereich gibt es ja nochmal weniger als im Profibereich. Und wenn man diese Patterns gut verinnerlicht hat, dann ist der Schritt, sie in unterschiedlichen Stilrichtungen zu verwenden, relativ klein. Wenn man sie aber gar nicht kann, fehlt einem etwas.

Lernmuster und -Systeme haben auch immer etwas Vereinfachendes, was sie problematisch macht. Das heißt, es geht bei dieser Stufung im Grunde darum, dass man Schritt für Schritt geht, aber dass man auch mal Sprünge wagt. So wie im echten Leben. Und wenn man dann auf die Nase fällt beim Sprung, wenn man vielleicht doch einen zu großen Sprung gewagt hat, dann weiß man, es liegt nicht daran, weil ich gar nichts kann. Sondern ich weiß, dass ich doch noch mal auf die Stufe zurück gehen sollte, von der ich abgesprungen bin. Dann ist die Chance durchaus größer, den großen Sprung danach auch zu schaffen. Und diese Sprünge, die sind total wichtig. Und ich finde, dieses System gibt die Chance, Schritt für Schritt zu gehen und damit eine Sicherheit zu haben und gleichzeitig auch mal risikobereit zu sein. Also zu sagen: „Okay, meine Schüler:innen können jetzt zwei Patterns und ich improvisiere mit denen jetzt mal.“

Unterscheidungs- vs. Inferenzlernen

Bei den Sprüngen ist noch eine Sache sehr wichtig. Es gibt beim auditionsbasierten Musiklernen überbrückende Lernbewegungen. Das heißt, wir haben diese Systematik und es ist eingeplant, dass es Sprünge vom Unterscheidungslernen zum Inferenzlernen gibt.

Ganz kurz zur Erklärung: Beim Unterscheidungslernen wird den Kindern immer die Antwort mitgegeben. Das heißt, ich singe als Lehrer ein Pattern vor und wenn das Kind oder der erwachsene Schüler das nachsingt, singe ich mit. Das heißt, ich stelle nicht irgendwelche Fragen und erwarte irgendwelche Antworten, sondern ich frage, um zu vermitteln. Und wenn ich dann spüre, dass es gut klappt, dann fordere ich das nächste Mal zum solistischen Singen auf. Und dann ist das Pattern für diese Person ein vertrautes Pattern. Das ist ganz grob und sehr vereinfacht gesagt, das Unterscheidungslernen.

Inferenzlernen ist ein anderer Block, bei dem es darum geht, aus den Inhalten, die ich im Unterscheidungslernen gelernt habe, schrittweise auch selbstständig neue Inhalte abzuleiten. Es ist das, was man in der Schule früher als den Transfer bezeichnet hat. Dieses Transferdenken kommt oft viel zu spät. Denn wenn ich das übe, dann fange ich an, ganz anders zu denken. Und dann ist auch das Risiko des woanders Hinspringens, nicht mehr so groß. Das Springen ins Transferdenken/Inferenzlernen kann bereits ganz früh anfangen. Leider findet es im Lernen oft viel zu spät statt, was sehr schade ist.

Das klingt auf jeden Fall auch sehr spielerisch (à la exploratives Lernen). In der letzten Podcast-Folge war Wolfgang Schöllhorn zu Gast, Trainingswissenschaftler aus Mainz. Er hat über das Differenzielle Lernen gesprochen. Und das Unterscheidungslernen hat mich sehr daran erinnert, als ich es in der Vorbereitung gelesen habe. Wir hatten das Beispiel mit dem Zweier- und Dreierpuls bereits. Zu wissen, wie sich eins der beiden anfühlt, hilft mir zu differenzieren was, was ist. Von daher finde ich es ganz schön, dass sich hier nochmal ein kleiner Kreis schließt. Das Unterscheidungslernen ist sozusagen das Fundament. Und darüber gibt es mit dem Inferenzlernen nochmal eine nächste Stufe.

Ich überlege gerade. Das ist ganz spannend. Die Frage war aber etwas lang.

Die Frage ist auch eigentlich keine richtige Frage, wenn man so möchte. Ich muss vielleicht ein bisschen ausholen: Ich habe über die Audiation meine Bachelorarbeit damals geschrieben. Ich mir Jazz-Improvisationen in der Audiation und im Flow angeguckt und war sehr begeistert. Ich habe zuerst in Saarbrücken studiert und kam dann ins zweite Jahr an die Hochschule in Bern. Dort war es im ersten Jahr Aufgabe, Kinderlieder in anderen Modi zu singen. Meine ersten vier Wochen im Unterricht bestanden also darin, mir zwölf Kinderlieder zu notieren und diese in allen Modi zu üben. Das hat damals mein Leben ein bisschen verändert, wenn man so das so hoch sprechen möchte. Was ich dann während der Bachelorarbeit so spannend fand, ist, dass ohne, dass wir es im Unterricht Audiation genannt haben, die Prinzipien ganz ähnlich waren.

Das gleiche Erlebnis hatte ich nun mit dem Unterscheidungslernen und dem Differenziellen Lernen von Wolfgang Schöllhorn. Da verband sich für mich schon wieder ein Punkt. Am Ende sind es von der gleichen Sache lediglich verschiedene Betrachtungsweisen, die auf verschiedenen Wegen zum gleichen Ziel zu führen. Ich finde es immer spannend, das im Podcast herauszuarbeiten.

Das sind ja so grundsätzliche Lernprinzipien, die ganz viel verwendet werden. Also was ich so hilfreich finde an dieser Stufung, die Gordon entwickelt hat, ist, dass er Wissen aus verschiedenen Bereichen so gebündelt und strukturiert hat, dass ein musikalischer Lernprozess entstehen darf, der so stattfindet, wie es dem menschlichen Lernen entspricht. Das heißt, da wurde nicht alles neu erfunden. Also zum Beispiel die Verwendung von Solmisationssilben. Oder was Sie gerade erzählt haben, finde ich ganz spannend. Gordon kam ja auch aus dem Jazz und das merkt man auch an bestimmten Sachen immer wieder. Und es gibt ja auch von den Dozent:innen, die zum Beispiel in den USA unterrichten, einige, die im Jazz beheimatet sin. Aber im Grunde kommt diese Herangehensweise eher aus dem Jazz als aus der Klassik. Obwohl sie überall anwendbar ist.

Was sicher auch an unserer Tradition des Musikvermittelns liegt. Wenn man zurückguckt zu Beethoven, war es nicht üblich, dass Kadenzen aufgeschrieben wurden. Sie wurden damals improvisiert. Oder auch im Barock. Das heißt, dieses fixiert sein auf die Noten und davon ausgehen müssen im Lernprozess, das ist etwas, was sich später entwickelt hat. Wenn man keine Noten verwendet ist man mehr ins Hören gezwungen. Weil das Medium, was uns sehr vertraut ist (weil wir es ständig inn unserem Alltag benutzen) uns weggenommen wird: nämlich das Lesen.

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Anwendung der Audiation im Musikunterricht

Vielleicht können wir, um das Ganze ein bisschen abzurunden und den Leuten auch etwas Konkretes mitzugeben, mal gucken, was denn typische Anwendungsbeispiele im Unterricht wären? Wir hatten ja vorhin schon dieses Baden im Hören als erste Stufe. Was, wenn man jetzt nicht Audiationslehrer/ -lehrerin ist, erstmal auch ein Schritt ist, das wirklich organisch in den Unterricht einzubinden. Was wären typische Übungen oder wie sähe eine idealtypische Audiation (Music Learning Theory) Unterrichtsstunde aus?

Ich möchte ganz kurz noch etwas zu den Liedern sagen: Wenn möglich sollten die Lieder und Sprechgesänge ohne Text gesungen werden. Das ist noch etwas, was für viele sehr ungewohnt ist. Natürlich variiert es ein bisschen abhängig von der Altersstufe. Also bei ganz kleinen Kindern ist es völlig problemlos. Wenn die dann ein bisschen älter werden fordern sie auch ein bisschen mehr Text. Das macht es ein bisschen leichter. Das Prinzip ist zu gucken, wie kann ich mit möglichst wenig Text und viel Musik arbeiten.

Tonalitätsgrundton finden und singen

Jetzt aber noch mal zur anderen Frage. Nehmen wir mal an, das hat stattgefunden: Man hat die Möglichkeit ganz viel in verschiedene Metren und Tonalitäten zu hören und möchte jetzt mit Patterns arbeiten. Dann ist eine wichtige Voraussetzung erstmal, dass ich in der Lage bin den Tonalitätsgrundton zu finden. Wenn ich ihn finde, dann habe ich im Prinzip den tonalen Rahmen des Liedes unbewusst verstanden. Das ist ein ganz wichtiges Fundament, um weiterzukommen.

Raumfüllende Bewegungen

Eine zweite Sache ist, wenn ich im rhythmischen Bereich arbeite, dass ich in der Lage bin, fließende, raumfüllende Bewegungen auszuführen. Das heißt, dass ich den Raum, den ich habe, überhaupt erstmal wahrnehme und erfahre. Das unterstützt mich dabei, auch in der Musik diese Räume zuzulassen und wahrzunehmen.

Koordinationsfähigkeit Arme – Beine

Dann ist es sehr wichtig, dass eine Koordinationsfähigkeit von Beinen und Armen vorhanden. Das heißt, dass ich Hauptpuls mit den Beinen empfinden kann und gleichzeitig mit den Armen Unterteilungen ausführen kann. Wenn ich diese Koordination habe, dann habe ich auch ein Fundament für bestimmtes rhythmisches Lernen. Diese Hauptpulse (Makrobeats) bilden das rhythmische Fundament unserer Musik. Und die Mikropulse oder Unterpulse, die geben die zwischenstrukturelle Ebene.

Hinweis: Auch im Anfängerunterricht, gibt es diesen Stufenweisen Aufbau. Offbeatts, so wie sie im Podcast als Beispiel gezeigt sind, folgen erst später.

Also ich lerne Schritt für Schritt und erst lerne ich übers Hören und Wiedergeben. Also ich höre etwas und singe das Gleiche nach, dann verbinde ich das mit Solmisations- oder Rhythmussilben, um dem, was ich vorher allein hörend verstanden habe, eine zweite strukturelle Ebene zu geben. Dann bette ich es in einen größeren Kontext ein, das ist die dritte Stufe. Dann beginne ich, das, was ich vorher gehört habe, was ich mit Rhythmus oder tonalen Silben verbunden habe, in Noten zu lesen. Das heißt, die Patterns werden nicht beliebig aneinandergereiht, sondern es gibt eine bestimmte Abstufung. Ich fange nicht mit Offbeats an, sondern mit Makros und Makro-Mikro-Verbindungen. Diese baue ich dann immer weiter aus. Sobald man sich die Frage stellt, warum man diese strenge Stufung so benötigt, ist das oft ein Punkt, an dem man sie wahrscheinlich bald weglassen kann.

Inwiefern fügen sich hier instrumental spezifische Techniken in die Methode von Gordon ein? Also als Blechbläser zum Beispiel Stoßübungen oder am Klavier Handhaltungssachen?

Ja, ganz kurz dazu vorher noch: Gordon hat immer gesagt, seine Vorgehensweise ist keine Methode. Das wollte ich nur nochmal kurz sagen. Allerdings sagen das ganz viele, deshalb war es mir nochmal wichtig es zu betonen.

In den Stufen, die Gordon entwickelt hat, geht es um tonale, rhythmische und harmonische Entwicklungen. Das heißt rein technische Fragen sind hier nicht ausgearbeitet. Es gibt Hefte für die verschiedenen Instrumente, die aber eher darauf angelegt sind, Audiation in der Gruppe zu üben. Das heißt aber nicht, dass das nicht möglich ist, sondern es geht einfach darum, wenn ich ein Instrument habe und ich spiele und die Schüler lernen über das Hören so zu arbeiten, dann hören sie bestimmte Dinge auch anders und dann kann ich über das Hören die Technik verändern. Zum Beispiel über Anweisungen: „Das klang jetzt weichfließend. Ich hätte es jetzt aber gerne mal in Portato-Noten. Lass uns das doch jetzt gerade mal probieren, wie das da funktioniert.“

Was ich da total hilfreich finde, das ist aber nochmal ein ganz anderes Fass, was aufgeht, ist von Laban (Anm. d. Red: Rudolf von Laban – Bewegungslehre) verschiedene Bewegungsmöglichkeiten. Da öffnen sich, finde ich, wenn man aus der ganzkörperlichen Bewegung bestimmte Sachen aufs Instrument überträgt, nochmal ganz neue Türen. Also das kann ich nur wärmstens empfehlen.

Das ist jetzt nicht die Antwort auf die Detailtechnik, aber es gibt da verschiedene kleine Türen, die man aber als Lehrer auch selbst durchschreiten muss. Der Ansatz von Gordon ist nicht darauf angelegt ist alles zu erfüllen. Das hat er auch immer ganz klar gesagt.

Outro

Also ich glaube, wir könnten wahrscheinlich noch mal zwei Stunden hier so reden. Und wir haben ja gerade eine neue Tür aufgestoßen. Ich habe auch hier noch ein paar Fragen, zu denen wir gar nicht kamen, aber mit Blick auf die Uhr, würde ich das Schiff – wir sind ja heute hier in Hamburg – in den Hafen fahren lassen. Und ich habe immer, ähnlich wie am Anfang, zwei Fragen, die ich all meinen Gästen zum Abschluss gerne stelle. Was lernen oder üben Sie gerade, was Sie noch nicht so gut können?

Verschiedenes. (lacht)

Geduld. Manchmal denke ich auch, ich kann noch besser und offener und freier in die Zukunft schauen und die Dinge auf mich zukommen lassen kann. Es ist eigentlich alles, was wir tun, jeder Tag, den wir leben, jeder Schritt, den wir gehen, ist ein Neuer. Deshalb war es für mich vorhin auch klar, als Sie nach Lehrer oder Schüler gefragt haben, das mit Schüler zu beantworten.

Und es passieren immer neue Dinge. Und klar, manches hat sich etabliert und ist auch ganz gut so, dass wir nicht auf allen Ebenen alles immer neu erfinden müssen. Aber so dieses Offenbleiben und gucken, was es noch gibt, finde ich super wichtig. Dafür ist es, glaube ich, total wichtig, auf verschiedenen Ebenen bereit zu sein, weiter zu lernen.

Und wenn Sie an Ihre eigene Studienzeit zurückdenken und Ihrem jüngeren Erstsemester Musikstudierenden-Ich, einen Tipp aus heutiger Sicht mitgeben würden, was wäre das für ein Tipp?

Glaube daran, dass das, was du als wichtig empfindest, es auch wirklich ist, auch wenn die anderen das vielleicht anders sehen.

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Differenzielles Lernen in der Musik https://what-is-practice.de/differenzielles-lernen-in-der-musik/ https://what-is-practice.de/differenzielles-lernen-in-der-musik/#comments Sun, 25 Aug 2024 14:07:42 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6576 Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn ist Bewegungs- und Trainingswissenschaftler an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz. Er gilt als Begründer des Differenziellen Lernens. Eine Methode, die auch inzwischen Einzug in die Musik gehalten hat. Was so abstrakt klingt ist in Wahrheit recht einleuchtend und simpel. Wir lernen aus Unterschieden.  Damit ist nicht gemeint, dass wir anfangen sollten,… Weiterlesen »Differenzielles Lernen in der Musik

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Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn ist Bewegungs- und Trainingswissenschaftler an der Johannes Gutenberg Universität in Mainz. Er gilt als Begründer des Differenziellen Lernens. Eine Methode, die auch inzwischen Einzug in die Musik gehalten hat. Was so abstrakt klingt ist in Wahrheit recht einleuchtend und simpel. Wir lernen aus Unterschieden. 

Damit ist nicht gemeint, dass wir anfangen sollten, ein zweites Instrument zu lernen. Differenzielles Lernen zielt eher auf die kleinen Unterschiede ab, die beim Ausführen einer Bewegung am Instrument entstehen. Sie beschränken sich jedoch nicht nur auf Bewegungen, sondern variiert werden kann jeder musikalische Parameter von Ausdruck bis Genre. Die Frage, die sich natürlich nun stellt: Wie können wir uns das in der Musik zu nutze machen. Darüber soll es in dieser Podcast Folge gehen. 

Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn in der Sporthalle der JGU Mainz
Wolfgang Schöllhorn nach dem Interview an der JGU Mainz

In der Folge habe ich mit Wolfgang Schöllhorn den Blick aber abseits von Sport und Musik gerichtet und mein Gast gibt Einblicke zu aktuellen Forschungsfragen rund um das optimale Lernen gibt. 

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Wolfgang Schöllhorn lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

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Das Interview

Inhalt

In Anlehnung an die Musikerinnen und Musikerinterviews, die ich immer führe, würde ich Ihnen gern zum Einstieg zwei Fragen stellen: Vervollständigen Sie folgenden Satz, trainieren heißt für Sie?

Meist eine veraltete Methode, die dringend einer Überarbeitung bedarf.

Das heißt Sie trainieren nicht?

Nein. Das Wort trainieren (train – to train) kommt ursprünglich aus dem französischen und bedeutete „das Pferd aus dem Stall ziehen“.

Und ich will niemanden hinter mir herziehen, sondern für mich ist es eigentlich eine Stimulation und eine Interaktion, wo mehr Kreativität von Seiten des Lernenden mit hineinkommen kann.

Das heißt Sie sagen nicht „ich trainiere“, sondern was ist Ihr Wort für das, was man so landläufig als trainieren bezeichnet?

Also wir sind auf der Suche nach einem adäquaten Wort, aber: ich bewege mich, ich lerne.

Das finde ich schön. Bewegung oder Lernen sollte ja nicht nur monotones Wiederholen sein, sondern im besten Fall abwechslungsreich und kreativ.

Was ist denn die neueste oder letzte Idee, die Sie selber in Ihrem eigenen Bewegen, Lernen ausprobiert haben beziehungsweise an Studierende weitergegeben haben?

Das Neueste, was ich jetzt an unsere Studierenden gegeben habe, ist das Resultat unserer neuen Forschung, dass auch Differenziales Lernen mit der Zeit abstumpft.

Und das war das, was ich eigentlich auch von Anfang an vor 20 Jahren schon gesagt hatte: es geht um Variation der Variation. Variation muss individuell und situativ angepasst werden.

Es gibt Leute, die werden bei zu viel Variation verrückt. Dann gibt es andere, die werden bei zu viel Wiederholung verrückt – und dann kann das aber auch von Zeit zu Zeit wechseln. Es hat schon eine starke psychologische Komponente, wann Wiederholung Vorteile bringt. Da können wir aber später nochmal drüber reden.

„Variation muss individuell und situativ angepasst werden“

Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn

Entweder-Oder-Fragen

Sehr gerne, dazu habe ich auf jeden Fall auch ein paar Fragen vorbereitet. Für alle Zuhörerinnen und Zuhörer, die sie vielleicht noch nicht so gut kennen, habe ich mir ein paar Entweder-Oder-Fragen überlegt, um Sie vorzustellen.

Handball, Leichtathletik, Turnen oder Bobfahren?

Das ist jetzt quasi mein Lebenslauf in der Praxis.

Für mich gibt es da kein Entweder-Oder, sondern es war einfach nur die Neugierde.

Der Wechsel von Handball auf Leichtathletik war mehr oder weniger aus Gesundheitsgründen, weil ich im Handball (damals war es üblich auf Betonboden mit Linoleum zu spielen) die Knie nach zehn Jahren kaputt hatte. Während der Regeneration hatte ich die Leichtathleten kennengelernt.

Und die haben mich dann gefragt, ob ich als Handballer nicht auch mal Speer werfen könne. Wenn du Speer wirfst, dann kannst du auch Diskus und Kugelstoßen und damit war der Zehenkampf schon fast komplett zusammen.

Ich habe das dann eine Weile lang gemacht und habe dort aus Neugierde jemanden kennengelernt, der Bobfahren konnte. Ich bin dann dort relativ schnell erfolgreich gewesen und habe aber ganz am Ende, als ich schon Athleten trainiert hatte nebenher, mit meiner neuen Theorie ein Selbstexperiment gewagt.

Ich hatte dann mit Freunden von mir, Georgios und seinem Bruder Eftimios Karamitsos, der ist Nationaltrainer im Karate, einen Deal gemacht: Ich habe gesagt, ich bringe dir Sprinten bei und du bringst mir Karate bei. Aber ich will dich nur einmal die Woche sehen, weil ich den Rest dann selber mache. Und das haben wir dann gemacht. In sehr kurzer Zeit hatte ich den braunen Gurt und ich wusste, das Differenzielle Lernen funktioniert und habe es dann erst bei meinen Athleten angewandt.

Also alles, worüber ich rede, das stammt aus praktischer Erfahrung. Nicht nur als Athlet, sondern weil ich mein Studium selbst finanzieren musste, auch als Trainer.

Haben Sie eine Lieblingssportart, obwohl Sie so breit aufgestellt sind?

Nein, also womit ich mich schon ein bisschen schwertue, ist Wasser. Ich schwimme auch ab und zu, aber dann möchte ich wirklich schnell wieder raus. Alles, was so in den Ausdauer Bereich geht, ist jetzt nicht so mein Favorit.

Man hört Sie sind Schwabe, also: Mainz oder Ulm?

Also zum Studieren und Arbeiten gerne hier in Mainz.

Ich bin gern in Ulm, aber für die damalige Zeit war es wichtig, davon wegzukommen, weil Ulm für die Zeit nach der Schule doch eher etwas konservativ war. Da war die Gegend hier im Rhein-Main Gebiet ideal.

Erklären oder vormachen?

Weder noch. Fragen stellen.

Heute oder morgen?

Jetzt.

Wir hatten es davon eben schon im Vorgespräch. Ich kam auf die Frage, als ich ein Video von Ihnen gesehen habe, in dem Sie vor den deutschen Fußballlehrern sprechen. Da zitierten Sie am Anfang ein chinesisches Sprichwort, was wohl besagt: „Wenn du unglücklich sein möchtest, dann vergleiche dich mit anderen.“

Das ist vollkommen richtig. Das „andere“ kann man sogar weglassen. Wenn du unglücklich sein willst, dann vergleiche. Das reicht schon.

Das ist für mich im Sport, aber auch in der Musik ganz wichtig: Wenn ich ein Musikstück höre und will es genauso reproduzieren, dann fange ich schon an zu vergleichen. Oder wenn mir mal ein Stück gut gelingt, dann fange ich an zu vergleichen. Und der Vergleich, das wissen wir inzwischen, aktiviert den Frontallappen und damit wird die meist die Leistung reduziert. Das hindert uns auch daran im Moment maximal Leistung zu bringen.

Waren Sie immer schon frei davon oder war es bei Ihnen auch ein Prozess?

Nein, das war klar ein Prozess. Ich bin die klassische Schule durchgegangen.

Ich habe auch für 10 Jahre Oboe gelernt. Bei den Wiederholungen der Tonleiter in der anfangs viertel Stunde wusste ich damals schon nicht wozu.

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Was ist Differenzielles Lernen?

Können Sie beschreiben, was das Differenzielle Lernen auszeichnet, beziehungsweise wie es sich vor allen Dingen vom klassischen Lernen unterscheidet?

Wie das Wort es eigentlich schon sagt, liegt darin die Erkenntnis, dass wir prinzipiell nur, aus Differenzen lernen können.

Die zugrundeliegende Definition von Lernen: Lernen ist eine zeitlich überdauernde Verhaltensänderung oder Wissensänderung. Das heißt also das, was im Abitur stattfindet, ist kein Lernen. Das ist Kurzzeit-Reproduktion. Lernen ist eigentlich das, was wir auch ein Jahr danach noch wissen.

Zeitlich überdauernde Verhaltensänderung geht nur über Differenzen. Das hat auch einen informationstheoretischen Hintergrund: Wenn wir zweimal die gleiche Information erhalten, was sollen wir daraus lernen? Unser Körper ist auch darauf abgestimmt. Unsere Neuronen können sich sehr schnell an Wiederholungen anpassen.

Das merken wir immer, wenn wir morgens die Kleidung anziehen. Das ist für die Haut noch neu, aber sobald sich der Reiz beim Tragen wiederholt, sind wir uns der Kleider nicht mehr bewusst. Wiederholung stumpft ab.

Das Wort „differenziell“ rührt auch noch aus meiner Physikausbildung her und leitet sich von der Differential- und Integralrechnung ab. Es deutet darauf hin, dass es im Ursprung des Differenziellen Lernen eigentlich um die kleinen Differenzen ging.

Das bedeutet, wenn ich schon in einer Bewegung bin (wir haben damals mit Kugelstoßen gearbeitet), dann geht es nicht darum, dass ein Kugelstoßer noch zusätzlich Rad fahren und schwimmen soll, sondern dass er innerhalb des Kugelstoßens noch sehr viele Variationen drin hat.

Also, dass er nach rechts oben oder nach links unten stoßen kann. Er kann es in den Vorwärtsbewegen machen, er kann es in den Rückwärtsbewegen machen, mit dem Kopf nach links, Kopf nach rechts, Ellenbogen unten, Ellenbogen oben, etc.

Das heißt, wir haben damals gesagt, dass keine zwei aufeinanderfolgenden Wiederholungs- oder Bewegungsausführungen identisch sein sollten. Wir erzeugen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Bewegungen Differenzen, wodurch unser System eine Chance hat, einen Vergleich anzustellen um zusätzliche Informationen zu erhalten.

Interessanterweise nutzt unser Gehirn genau diesen Mechanismus ständig: Nämlich beim Sehen. Wenn wir also unser linkes und rechtes Auge abwechselnd auf und zu machen und eine Linie angucken, dann sehen wir, dass die Linie hin und her springt. Das heißt, unser Gehirn nutzt die Differenz der beiden Abbilder, um die Entfernung zu bestimmen. Das Gleiche macht es auch beim Gehör. Wenn ein Schall zuerst auf das linke Ohr und dann aufs rechte Ohr kommt, gibt uns die zeitliche Differenz die Orientierung, woher der Schall kommt.

„Das bedeutet, wenn ich schon in einer Bewegung bin (wir haben damals mit Kugelstoßen gearbeitet), dann geht es nicht darum, dass ein Kugelstoßer noch zusätzlich Rad fahren und schwimmen soll, sondern dass er innerhalb des Kugelstoßens noch sehr viele Variationen drin hat.“

Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn

Landläufig gibt es diese Vorstellung, dass wenn man etwas lernt und wiederholt, dass sich Myelin um die Synapsen bildet und eine Art Datenautobahn entsteht. Ist dann diese Vorstellung falsch?

Jein.

Also ich glaube, da liegt ein großes Missverständnis vor. Dieses auch als Binding- Problem bekannte Phänomen hatte ich damals schon bei Prof. Wolf Singer in Frankfurt am Max-Planck-Institut für Gehirnforschung gesehen: Wenn im Gehirn von vorne links die Frequenz kommt und dann hinten rechts ist – dann, so die Theorie fängt es an sich zu verbinden. Das stimmt für kurze Entfernungen, nur interessanterweise war das aber auch das einzige Lern-Design, was sie untersuchen konnten. Man hat kein anderes Lernen untersucht. Man hat quasi das Experiment so gestaltet, dass das rauskommt, was eigentlich rauskommen muss.

Und jetzt gibt es ja verschiednste Formen des Lernens, auch das sog. AHA-Lernen was wir zum Beispiel Fahrradfahren erleben. Das können wir damit nicht erklären. Balancieren können Sie damit nicht erklären. Es ist nur eine, und zwar eine der wenigsten Formen des Lernens, die man untersucht hat.

Hinzukommt, dass wir wissen dass sich unser System von selbst ändert. Also schon wenn ich nachts schlafe, schon wenn ich irgendeinen Gedanken habe, habe ich im Gehirn schon nicht mehr die gleichen Synapsen. In der Pubertät kommt zusätzlich Wachstum und die Veränderung des Hormonhaushalts dazu. Das heißt eigentlich, dass ich niemals wieder dieselbe Situation habe. Wozu soll ich dann wiederholen? Also, wiederholen macht Sinn – allerdings aus anderen Gründen, die meist mit einem Bedürfnis nach Sicherheit und Kontrolle in Verbindung stehen.

Was wir inzwischen leider wissen ist, wenn zu viele Wiederholungen stattfinden und das ist ganz bekannt in der Musik, besteht die Gefahr der Fokalen Dystonie. Diese Krankheit tritt häufig bei enormem Ehrgeiz gepaart mit vielen Wiederholungen auf. Wir sehen dies nie bei viel Variation. Im Sport ist es übrigens ähnlich, zum Beispiel beim Golf das Yips. Es ist immer die Paarung viel Ehrgeiz mit viel Wiederholung.

Das heißt nicht prinzipiell, dass man keine Wiederholung zu lange machen sollte. Es muss allerdings differenziert werden. Im absoluten Top-Bereich ist Wiederholung und Ehrgeiz zudem etwas ganz anderes als beim Anfänger. Wenn ein Anfänger wiederholt, dann habe ich da immer noch genügend Variation drin. Deswegen lernen sie auch noch bei Wiederholung.

Allerdings je länger sie in unserem klassischen Schulsystem, im Ausbildungssystem etc. drin sind, desto weniger Varianz sieht man bei den Wiederholungen. Dies ist unter anderem auch der Grund warum es älteren Menschen schwerer fällt, Neues zu lernen. Sie glauben immer noch, die gleichen Methoden wie in der Schule anwenden zu müssen, weil es dort ja auch funktioniert hat. Der Unterschied war nur, dass in dieser Zeit viel Variation im Leben war und stets Neues erfahren wurde. Im Alter sind die Bedingungen anders und deshalb funktionieren auch Methoden aus früheren Jahren nicht mehr. Es geht einfach darum, genügend Variation weiter im Gesamtsystem zu halten.

(Warum) ist Differenzielles Lernen universell übertragbar?

Wir haben vorhin schon in Ihrer Biografie die Sportarten aufgezählt, die Sie selbst aktiv gemacht haben, aber auch die Sportarten, die inzwischen differenzielles Lernen anwenden. Jetzt kann man ja weder von der Musik noch im Sport von dem Sport reden. Wieso lässt sich das differenzielle Lernen trotzdem auf so viele Disziplinen anwenden?

Wir haben 2014 mit Stefan Albrecht (Querflöte) eine Studie gemacht. Wir luden die besten Flötisten aus dem Rhein-Main-Gebiet hier ein und ließen sie im Labor Mozarts zweites Konzert für Querflöte spielen. Alle Finger- und Körperbewegungen wurden mit Kameras und einer Kraftmessplatte aufgenommen.

Und obwohl die alle genau das gleiche Stück spielten (sie mussten es fünfmal an einem Tag spielen und kamen an drei Tagen hintereinander) konnten wir anhand jeder Fingerbewegung erkennen wer spielt. Wir konnten anhand der Körperbewegung erkennen wer spielt und das, ohne dass wir irgendeinen Ton aufgenommen hätten. Ich hätte es auch vom Ton her sagen können wer spielt. Allerdings konnten wir nicht die Tage voneinander unterscheiden. Das heißt, da war dann eine Überlappung.

Inzwischen haben wir Verfahren über unsere Deep Learning Netzen, mit denen wir auch die Tage unterscheiden können. Das heißt, wir sehen eigentlich, dass unser System selbst sich ständig verändert. Und das ist genau das, warum Wiederholungen nur wenig bringen. Sie helfen uns allerdings in Bezug auf psychische Sicherheit. Sie geben mir das Gefühl von Kontrolle. Und deswegen gibt es Personen, die das brauchen. Und diese Phänomene treten nicht nur im Sport oder der Musik auf, sondern scheinen grundlegend.

Warum das Differenzielle Lernen auf alle Bereiche zu übertragen ist, liegt wohl daran, dass hier physikalische Theorien gepaart  mit neurophysiologischen Grundlagen zugrunde liegen, und keine weitere Meisterlehre. Also sprich, jedes System, was noch am Leben ist, zeigt diese Phänomene, wie z.B. Schwankungen, Stabilitäten, Instabilitäten, Phasenübergänge etc. Und solange das System Schwankungen hat, am Leben ist, sind diese Theorien anwendbar.

Anwendungsbeispiele des Differenziellen Lernens in der Musik

Wenn ich jetzt ein Trompeter bin, dann weiß ich, dass die Finger niemals identisch auf die Ventile kommen. Die Lippenbewegung, Atmung, Stütze ist nicht immer gleich. Und vor allen Dingen sind sie in Kombination nicht immer identisch: Welchen Gedanken habe ich da gerade mit drin? Wie ist meine Stimmung? Wie ist mein Ernährungszustand?

Das heißt, die ständigen Variationen, die dort hinzukommen, die ignorieren wir bislang einfach. Wir denken, wir spielen Trompete, weil da vorne Noten sind. Nein, der Teufel steckt im Detail. Allerdings kann ich das im Prinzip nutzen, um die Variation aufrechtzuerhalten.

Das heißt, ich kann mal mit gebeugten Fingern, ich kann mit gestreckten Fingern spielen, ich kann mit hohem Ellbogen spielen, ich kann mit Ellbogen unter der Trompete spielen, ich kann mit Rücklage spielen, ich kann mit Vorlage spielen, ich kann das Spiel in Seitlage machen, ich kann den Nacken stärker beugen, ich kann in Überstreckung gehen Es gibt verdammt viele Möglichkeiten, wo man variieren kann.

Das heißt aber, Sie beschränken ganz bewusst die Differenzen, also die Variationen, auf dem Bewegungsapparat?

Nein, nicht nur auf die Bewegung. Das hat Professor Martin Widmaier mal wunderschön am Flügel des Peter-Cornelius-Konservatoriums in Mainz vorgeführt.

Er hatte zwei Flügel nebeneinander aufgestellt und Musikschulkinder Stücke im Vorbeigehen, nicht am Sitzen, spielen lassen. Die Spielaufforderungen variierten: Spiel doch mal wie Hagelkörner. Jetzt spiel doch mal wie Schneeflocken. Oder wie in einem Liebeslied. Und jetzt mal arrogant-aggressiv. Also Emotionen ausdrücken in der Musik ist ein ganz großer Bereich von Variation. Für die Bläser kommt noch hinzu, dass ich in kürzeren Rhythmen atmen kann, abwechselnd zwischen Bauch und Brustatmung, durch die Nase oder den Mund einatmen, und beliebige Kombinationen davon, oder ich könnte laut und langsam oder schnell und leise spielen, die hohen Töne leise, die tiefen Töne Laut und umgekehrt. Wenn man das noch mit den Bewegungen kombiniert, dann sieht man schnell die große Anzahl an Möglichkeiten. Wenn man dann noch an die Stücke rangeht und nur jeden zweiten Takt spielt, das Stück rückwärts spielt, in verschiedenen Rhythmen, dann öffnet sich noch ein ganz anderes Feld. Was häufig erst spät gemacht wird, könnte man schon am Anfang machen, die Stücke z.B. in verschiedenen Stilen spielen, Bach’s Tocatta im Blues-stil, oder Satchmo’s What a wonderful day klassisch interpretieren. Vieles davon wird vereinzelt schon angewandt, aber leider noch nicht systematisch und nicht bei allen in die Grundschule eingebaut. Herr Albrecht zum Beispiel lässt seine Flötenschüler von Beginn an auch Flageolett (Spielen mit Obertönen) mit Erfolg spielen, das klassisch erst spät wenn überhaupt eingeführt wird.

Ist ein variantenreiches Üben und Differenzielles Lernen im weitesten Sinne das Gleiche?

Ja. Wir hatten das Wort differenziell eigentlich nur aus dem Grund gewählt, weil es im Sport eine sogenannte Variability of Practice Theorie gab. Diese ging davon aus, dass wir sogenannte invariante Elemente haben. Die Invarianten, die kann man kombinieren mit variablen Parametern, damit die Invariante stabiler wird. Das wäre dann zum Beispiel Gehen mit langem Schritt, mit kurzem Schritt, schnell oder langsam – aber ich darf nicht meinen Stil verändern. Ich darf nicht federn oder schleichen gehen. Der Rhythmus muss jedoch drin bleiben. Wie sich mittlerweile allerdings rausstellte, ist die Theorie nur für kleinmotorische Bewegungen gedacht.

Und weil dort das Variable schon quasi benutzt war, haben wir nach einem Alternativbegriff geguckt. Und eigentlich ist es auch der Kern von allen anderen Lernansätzen: auch dort gilt: Wir lernen nur aus den Differenzen.

Umgangssprachlich würde ich variabel sagen. Allerdings nicht variabel im Sinne von „geblockt“ (10x Variante A, dann 10x Variante B) – sondern es geht auch darum, dass wir jede Bewegung oder jeden Ton anders machen. Ich kann dann im Übrigen auch, was viele Musikerinnen und Musiker machen, ein Musikstück erstmal nur mit punktierten Achtel durchspielen oder das Stück mal schnell, mal in Lento oder mal in Adagio.

Ich würde sagen, wenn am Anfang die Technik das Problem ist, dann fange ich an dort zu variieren. Wenn es dann um Ausdruck des Musikstücks geht, dann geht es mehr um Emotionen zu variieren.

„Wenn wir das Gehirn in diesen Alpha-Theta-Zustand kriegen, dann lernen wir optimal. Genau dafür ist Bewegung ideal und es muss nicht unbedingt Ausdauersport sein, sondern jede Form von Bewegung, allerdings Ganzkörperbewegungen. Fingerbewegungen alleine scheinen nicht zu genügen“

Prof. Dr. Wolgang Schöllhorn

Differenzielles Lernen im Vergleich zur O.P.T.I.M.A.L Theorie

Ich habe die ganze Zeit die Differenzielle Theorie oder das Differenzielle Lernen sogar ein bisschen weiter aufgefasst. Sie hatten es vorher schon angesprochen, dass Sie das Lernen ja auch in dieser zeitlichen Komponente sehen. Also nicht nur in der zeitlichen Komponente im Laufe des Lebens, sondern auch in der zeitlichen Komponente innerhalb des Tages (wir sind morgens anders aufnahmefähig als abends). Vielleicht kennen Sie aus der Musik Susan Williams?

Nein.

Susan Williams ist eine Barocktrompeterin, aus Holland, die in Bremen lehrt. Sie hat die O.P.T.I.M.A.L Theorie von Gabriele Wulf versucht auf die Musik zu adaptieren. Sie geht auch über das variantenreiche Üben hinaus und sagt, dass Lernen dann gut funktioniert, wenn man intrinsisch motiviert ist. Die beiden Theorien sind aber nicht so verknüpft, wie man auf den ersten Blick wahrscheinlich denken würde?

Wir sind gerade daran eine indirekte Verknüpfung herzustellen. Diese ist, dass man in beiden Fällen versucht, einen optimalen, jetzt ohne Akronym, einen optimalen Gehirnzustand zu erzeugen, der Lernen optimiert.

Ich bin allerdings ein bisschen skeptisch, weil gerade vor einem Jahr kam eine Meta-Analyse zum External Focus raus, die Bestandteil von der OPTIMAL-Theorie ist und die zeigt eigentlich, dass es keine systematischen Effekte gibt.

Und das ist auch das, was wir in Verbindung mit einem anderen System, Action-Type-System von Bertrand Theraulaz und Ralph Hipolite, feststellen.

Für manche Menschen, und deswegen bin ich immer mehr auf individuelle Geschichten aus, ist es förderlich, wenn sie extern fokussieren. Für andere ist es besser, wenn sie intern fokussieren.

Was heißt extern und intern in diesem Zusammenhang?

External Focus bedeutet sich auf einen Punkt, der außerhalb meines Körpers liegt, zu fokussieren. Intern entsprechend ein Punkt in meinem Körper. Da wird häufig, in meinen Augen, in der Wissenschaft viel kaputt gemacht, indem man Mittelwerte nimmt und dann ist es gerade Zufall, welche Art von Stichproben man hat.

Und was das O.P.T.I.M.A.L. Theorie betrifft, da sind noch zwei andere Sachen integriert worden, bei denen es um Motivation geht. Aber das sind sehr stark psychologische Elemente. Ich würde es gerne mal zusammen untersuchen.

Zum optimalen Lernen sehen wir, dass ein bestimmter Gehirnzustand notwendig ist. Und um diesen herstellen zu können, muss ich sehr individuell rangehen. Deswegen habe ich Schwierigkeiten mit an Mittelwerten orientierte Theorien generell (auch der O.P.T.I.M.A.L Theorie), die sagen, dass sie für alle gleich sind.

Für mich ist das ein ganz wichtiger Bestandteil der Differenziellen Theorie. Sie sagt nicht, dass das für alle gleich ist, sondern differenziell. Da ist noch ein ganz wichtiger Aspekt im differenziellen Lernen mit drin, nämlich die stochastische Resonanz. Wo ich die Differenzen anlege, muss ich meinem Lernenden gegenüber anpassen. Also wenn ich weiß, dass jemand abends müde ist, dann muss ich das anders machen, als wenn jemand gerade wach mit drei Tassen Kaffee ist.

Allerdings das ist ein großes Forschungsgebiet. Gemeinsam mit meinem Mitarbeiter Dr. Horst entwickeln wir daher gerade ein quantitatives Analyseverfahren zur Mustererkennung.

Mit Differenziellem Lernen setze ich die Grenzen weiter, damit ich eine höhere Chance habe zu interpolieren. Weil, wenn ich zu eng übe und dann kommt etwas außerhalb, dann muss ich extrapolieren und darin ist unser System nicht gut.

Jetzt könnte man ganz polemisch fragen, wenn das Differenzielle Lernen so überlegen ist, warum machen das nicht eigentlich alle so?

Die Frage höre ich öfters, vor allem am Anfang. Das ist immer so, wenn neue Sachen kommen. Zuerst wird es am Anfang bekämpft, dann wird es belächelt und am Schluss wussten es alle schon. Es ist und war schon immer schwierig, bestehende Lebensphilosophien und Überzeugungen zu ändern.

Und ja, unter dem Deckmantel des Lernens ist es leider so, dass in erster Linie Gehorsam beigebracht wurde.

Im Sport kommt hinzu, dass es schon viele anwenden, es aber aufgrund des Wettkampfcharakters und der Konkurrenzsituation nicht kundtun. Selbst ich erfahre es dann oft erst 10-15 Jahre danach, dass der Erfolg auf Differenzielles Lernen zurück ging.

An diesem Punkt waren wir schon ein paar Mal im Podcast: am Ende läuft es eigentlich immer darauf hinaus, dass man bestmöglich lernt oder weiterkommt, wenn man sich selbst sehr gut kennt und ein sehr genaues Bild von sich selber hat.

Allerdings wird wahrscheinlich gerade diese Fähigkeit zu wenig in Schul- und Musikausbildung kultiviert. Von daher wäre es ja eigentlich wünschenswert, wenn das eine Qualität wäre, die man den Leuten vermittelt oder?

Also jetzt wird es richtig philosophisch. Das ist eigentlich genau das, auch was schon über dem Orakel von Delphi stand und von vielen Philosophen wiederholt wurde: erkenne dich selbst.

Jetzt bin ich schon ein bisschen älter und ein bisschen mehr in der Welt rumgekommen, aber meine Beobachtung ist wirklich, alles, was wir machen, dient eigentlich nur dazu, uns selbst kennenzulernen und dann eventuell mal über den Sinn unseres Daseins nachzudenken.

Und jetzt komme ich ja von der Oboe und aus verschiedenen Sportarten mit Physik und Philosophiehintergrund und man wird eigentlich in allen Gebieten immer nur mit Problemen konfrontiert. Entweder stellt man sich ihnen und löst sie oder man läuft immer weiter in die kleinen Probleme rein und endet dann in Krankheiten. Das war auch einer meiner beeindruckendsten Sätze, die ich in einer Vorlesung in Physik von Carl Friedrich von Weizsäcker gehört hatte: „Warum muss der Mensch immer erst physisch erkranken, damit er psychisch gesunden kann.“

Ein anderer Spruch war für mich immer: das Schicksal hat so gewisse Winks und wenn man den Wink nicht versteht, dann kommt er das nächste Mal halt als Zaunpfahl daher. Ein anderer Spruch in eine ähnliche Richtung, der aus dem Indischen kommt: wenn du Gott zum Lachen bringen willst, dann mache einen Plan.

Das haben wir in Indien in unserer Ausbildung ständig gehört. Und es ist inzwischen auch klar, dass Pläne im überwiegend Frontallappen produziert werden. Deswegen steht es auch schon in der Bibel drin, dass wir zu Kindern werden müssen, um in das Reich Gottes zu gelangen. Und damit ist nicht gemeint kindisch zu sein. Sondern es geht darum, nicht zu planen, im Moment zu sein und nicht zu urteilen. Aus diesem Grund lernen auch Kinder so schnell.

Kinder bis zum fünften Lebensjahr zeigen im Gehirn nur die niedrigen Frequenzen, die theta und alpha). Die hohen Frequenzen, Beta und gamma kennt das kindliche Gehirn nicht. Die niedrigen Frequenzen sind aber genau diejenigen, die wir brauchen, um zu lernen. Und dies versuchen wir seit längerem für andere Bereiche zu nutzen, indem wir die niedrigen Frequenzen provozieren: Erwachsene wieder in den Gehirnzustand zu bringen, damit optimales Lernen stattfindet. Wenn wir das Gehirn in diesen Alpha-Theta-Zustand kriegen, dann lernen wir optimal. Genau dafür ist Bewegung ideal und es muss nicht unbedingt Ausdauersport sein, sondern jede Form von Bewegung, allerdings Ganzkörperbewegungen. Fingerbewegungen alleine scheinen nicht zu genügen. .

„Das Ziel ist nur, die Hindernisse und die Blockaden, die euch antrainiert wurden wegzukriegen.“

Prof. Dr. Wolfgang Schöllhorn

Wie viel Variation ist zu viel?

Ich würde gerne zum Abschluss noch einmal rauszoomen, um den Leuten ein paar Handwerkszeuge mitgeben, wie sie beim Selbstbeobachten schauen können, in welche Richtung das Differenzielle Lernen bei Ihnen geht. Sie hatten das Wie in der Musik bereits etwas skizziert. Ich versuche mal zwei weitere Ebenen anzuschließen:

Die erste, die zeitliche, die hatten wir vorher schon ganz kurz umrissen. Ich habe hier nochmal einen anderen Blickwinkel drauf, den ich Ihnen gerne vorstellen würde, nämlich das Credo des „Viel hilft viel“.

Wahrscheinlich ist es nicht schlau, den ganzen Tag differenziell zu üben, denn so ein gewisses Maß an Wiederholung ist ja auch schon sinnvoll. Sie hatten das eben mit diesem psychologischen Aspekt umrissen. Ich weiß, Herr Widmaier hat das in so einem schönen Rechteck beschrieben, wo es um Konstanz und Varianz geht.

Können Sie beschreiben, inwiefern das differenzielle Lernen in so einem Alltag ausmachen kann, um nicht in einen Überforderungszustand zu geraten?

Das waren gleich mehrere Fragen. Der erste ist, Sie wollen jetzt, dass ich mich selbst ins Knie schieße. (lacht)

Hoffentlich nicht.

Das klingt so ein bisschen nach der Frage nach einem Rezept. Und das widerspricht ja eigentlich der Theorie des Differenziellen Lernens. Es war auch ein Ansatz gleich von Anfang an, dass ich gar nicht so viel publizieren wollte, weil ich erstmal die Leserschaft dazu anregen wollte, wieder mehr zu experimentieren. Und nicht nur irgendwas blind zu übernehmen, was in irgendwelchen Büchern steht.

Und da war auch ein schöner Spruch von mir, den ich übernommen habe von Schopenhauer: „Wer viel liest, lernt nur mit anderen Köpfen zu denken.“ Also denk bitte erst selbst nach, bevor du liest. Und nur, wenn es gar nicht mehr geht, dann schaue nach etwas anderem. Einige haben dies dann missbraucht und das Differenzielle Lernen irgendwie völlig schief interpretiert. Das war der Grund, warum wir dann anfingen, wieder etwas zu veröffentlichen.

Also prinzipiell: ich weiß es nicht, wie viel Variation notwendig ist. Allerdings besagt ein Teil der Theorie, dass man die beobachtenden Schwankungen langsam anfangen soll.

Weniger ist mehr

Und eigentlich war schon ein Ansatz des differenziellen Lernens, dass man nicht die gleiche Menge variabel trainiert, sondern dass man den Umfang des Übens massiv reduzieren kann. Und das sehen wir inzwischen auch bei Studien im Sport: Probanden wurden über zwei Monaten zu zwei Stunden mehr Schlaf gezwungen. Die Vergleichsgruppe trainierte in diesen zwei Stunden. Sie können sich vorstellen, was rauskam? Diejenigen mit mehr Schlaf haben die Leistungsfortschritte gemacht und nicht die, die trainiert haben in der Zeit.

Und das wissen wir auch aus anderen Studien. Kinder, die in der Grundschule täglich eine Stunde Sport hatten, zulasten von Deutsch, Mathe etc., sind in Mathe und Deutsch besser geworden als die anderen, die keinen täglichen Sport hatten.

Jetzt kam ich halt auch aus dem Mehrkampf, wo es ganz wichtig war zu ökonomisieren. Ich kann nicht jeden Tag einen Zehnkampf machen. Wenn ich eine Variation zum richtigen Zeitpunkt bringe, dann muss ich gar nicht mehr so viel üben.

Und das ist genau, was kleine Kinder schon spüren. Wenn es zu viel wird, schlafen sie wieder. Deswegen schlafen Kinder so viel – bis zu 16 Stunden. Das ist die Basis des Lernens. Es ist nicht das Aktive. Nein, sehr häufig ist das blinder Aktionismus.

Auswirkung von Mittagsschlaf auf den Lerneffekt

Und das zeigen auch andere Studien. Mittagsschlaf, wenig populär in Deutschland, hat große, positive Auswirkungen für anschließende Dinge.

Und was man sogar inzwischen beobachtet hat: Wir untersuchen das gerade parallel in einer großen mediterranen Ernährungsstudie von meinem Kollegen Dr. Ammar. Eine der Ursprünge der mediterranen Ernährung kam aus Kreta. Viel Olivenöl etc. Jetzt hat man das Ganze wiederholt und hat aber drauf geachtet, wer denn einen Mittagsschlaf macht. Und wenn man den rausnimmt, dann gibt es keine Vorteile mehr. Das heißt, die ganzen Effekte gingen auf den Mittagsschlaf zurück.

Also, noch mal ganz zurück zum Differenziellen Lernen. Ich würde sagen, wer es ausprobiert, soll wirklich mal eine gewisse Zeit lang probieren, soll experimentieren. Mal gucken, wie der Körper darauf reagiert.

Es ist ein großes Problem, dass wir so lange Zeit eingetrichtert bekommen haben, dass man unter 10.000 Wiederholung nicht auf die Landesmeisterschaften kommt; unter 2 Millionen Wiederholungen nicht zu Olympia. Das kenne ich aus der Musik auch: du musst 10 Stunden üben am Tag. Ich bezweifle das. Also ich glaube, wenn man es entsprechend variabel gestaltet, dass mindestens kleine Effekte rauskommen.

Oder, was wir eingangs schon besprochen haben, einfach mal andere Möbel drumherum probieren oder nur auf unebenem Grund mal zu trainieren. Da sehen wir schon Rieseneffekte in Bezug auf unsere Konzentration. Also für mich gilt es eigentlich, die Kleinigkeiten zu finden, die dann Riesenauswirkungen haben.

Diese Schlafstudie gibt es auch in der Musik von Eckart Altenmüller, wenn mich nicht alles täuscht.

Ja, würde ich ihm zutrauen. Er war auch bei unserem ersten Treffen vor zirka 15 Jahren dem Differentiellen Lernen gegenüber sehr aufgeschlossen.

Die Rolle des Lehrers im Differenziellen Lernen

Wie verändert sich denn die Rolle des Lehrers im Differenziellen Lernen? Denn der Fehler im klassischen Sinn, die gibt es ja nicht mehr. Das sind alles Schwankungen, bzw. Sie sagen Rauschen dazu. Aber wie geht man damit um als Pädagoge?

Das ist schwer, wenn man aus der alten Schule kommt.

Als Trainer bin ich nicht nur für die Ausführung des Sports zuständig, sondern für die Persönlichkeitsentwicklung. Bei mir in der Gruppe mit 20 Athleten war immer auch Austausch darüber, wie es in der Schule und privat läuft. Und die Persönlichkeitsentwicklung schließt für mich ein, auch im Sport zu lernen Verantwortung zu übernehmen.

Am Anfang gab ich viele Instruktionen, um ihnen auch klarzumachen, dass etwas anderes möglich ist. Sie kamen ja alle aus der klassischen Schule. Ich habe ihnen dann oft eine Variante gezeigt und sie aufgefordert selbst drei weitere Varianten zu entwickeln. So wurde es interaktiv. Das ist ein bekannter Lehrstil in der Pädagogik.

Ich endete oft in meinen Vorträgen mit der Frage, was die Take-Home-Message sei. Die Antwort darauf: Nichts, weil ihr wusstet alles schon.

Das Ziel ist nur, die Hindernisse und die Blockaden, die euch antrainiert wurden wegzukriegen. Das Verhalten, was ihr zeigt, war gut gewesen um als Kinder zu „überleben“. Aber jetzt erkennt es und fangt an daran zu arbeiten, um davon wegzukommen.

Outro

Ich hätte, ähnlich wie am Anfang, zwei Fragen für den Abschluss: Was lernen oder üben Sie gerade, was Sie noch nicht so gut können?

Ich bin am Lernen von Spanisch. Ich bin am überlegen, ob ich Kajakfahren noch lerne.

Ich probiere ständig neue Koordinationsübungen aus und bin jetzt aber gerade dran, den Einfluss von Erd-Magnetfeldern auf unser Gehirn mir anzugucken. Es zeigt sich, dass das einen wesentlich größeren Einfluss hat, als wir glauben, weil wir keine Sensoren dafür haben, die Efffekte sind aber vorhanden. Zudem stellt es unmittelbar die Verbindung zur Astrologie her. Da steckt verdammt viel Wissen drin, was einfach aus Ignoranz und Arroganz quasi unter den Tisch fällt. Also man kann da viel davon lernen.

Ja, das ist ein sehr spannender Punkt, den ich auch schon in der Vorbereitung gehört habe. Also wenn es da was Neues gibt, dann bin ich sehr neugierig.

Und wenn Sie jetzt in Ihre eigene Studierendenzeit zurückblicken, hätten Sie einen Tipp für jüngeres Ich aus heutiger Perspektive, um den Sie damals froh gewesen wären?

Nein, das ist vorbei. Es widerspricht auch dem „Im Moment sein“. Ich habe immer mein Bestes probiert, mehr ging nicht. Also was soll ich da ändern? Studien zeigen auch, dass man fast nur Dinge bereut, die man nicht gemacht hat. Ich habe viel ausprobiert.

Und dann jemandem Empfehlung zu geben? Nein, das mache ich nicht. Ich kann erzählen, was ich mache und gemacht habe, und dann kann jeder für sich entscheiden, ob er es nimmt oder nicht.

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Übeplan für dein Instrument https://what-is-practice.de/uebeplan-fuer-dein-instrument/ https://what-is-practice.de/uebeplan-fuer-dein-instrument/#respond Tue, 23 Apr 2024 15:25:33 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6484 Die größte Herausforderung beim Üben auf dem Instrument ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Schließlich gibt es so viel zu üben. Ein Tool an der zu haben, dass dir beim Visualisieren deiner Stärken und Schwächen hilft und dich beim Erreichen deiner Ziele unterstützt, ist für jede… Weiterlesen »Übeplan für dein Instrument

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Die größte Herausforderung beim Üben auf dem Instrument ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Schließlich gibt es so viel zu üben. Ein Tool an der zu haben, dass dir beim Visualisieren deiner Stärken und Schwächen hilft und dich beim Erreichen deiner Ziele unterstützt, ist für jede Musikerin und für jeden Musiker Gold wert. Die „Wie übt eigentlich..?“ Übeplan-Vorlage soll dir genau dabei helfen.

Übeplan Vorlage what is practice
Gestalte persönliche Übeplan-Vorlage für dein Instrument

Effektives Üben von Anfang an

Schon bevor du wirklich mit deinem Instrument loslegst, ist es wichtig sich darüber im Klaren zu sein, was genau in der folgenden Session geübt werden soll. Nimm dir eine bestimmte Sache vor, an der du konzentriert für eine bestimmte Zeit (S.M.A.R.T Ziel) üben möchtest. Im besten Fall verfolgst du natürlich ein langfristiges Ziel und deine nächste Übe-Session zahlt genau darauf ein.

Dein Ziel wählst du natürlich ganz individuell: sei es das anstehende Jahreskonzert, ein wichtiges Probespiel oder generell die Verbesserung deiner Leistung auf deinem Instrument. Mache dir vor dem Üben Gedanken, was du in der nächsten Zeit erreichen möchtest.

Die Übeplan-Vorlage unterstützt dich bei der Fokussierung auf deine Ziele. Coachingtools wie das Fokusrad verschaffen dir einen Überblick über deinen aktuellen Leistungsstand und machen Stärken und Schwächen sofort sichtbar.

Zeitmanagement für Musikerinnen und Musiker

Selbst als Profimusiker:in ist deine Übe-Zeit begrenzt. Du unterrichtest vielleicht noch oder bist durch Proben oder Orchesterdienste in deiner persönlichen Übe-Zeit eingeschränkt. Umso wichtiger ist es in deinen Übe-Sessions sofort zu wissen was zu tun ist und keine Zeit zu verlieren. Ein Journal kann dir dabei sehr helfen. Du kannst darin sowohl festhalten, was du alles getan hast (retrospektive) und aufschreiben, an welchen Details du in deiner nächsten Übe-Session arbeiten möchtest (prospektiv).

3 Tipps, wie du den Übeplan am besten nutzt

  1. Erstellen deine Übeplan-Vorlage nicht kurz bevor du in deine Übe-Session startest. Nimm dir bewusst Zeit dafür und mache dir Gedanken darüber, welche Ziele in nächster Zeit auf deinem Instrument für dich realistisch und wichtig sind. Als Musikerinnen und Musiker sind wir eher Marathon-Läufer und keine Sprinter – also lass den Input der Übeplan-Vorlage arbeiten in deinem Kopf.
  2. Halte deinen Fortschritt und deine (Zwischen-)Ziele fest – am besten sogar mit einer Tonaufnahme. Musik entsteht im Moment und ist ebenso schnell wieder verklungen, wie sie geschaffen worden. Es sei denn, du nimmst sie auf. Nutze dein Smartphone oder einen Zoom-Recorder, deinen Fortschritt und deine (Zwischen-)Ziele zu dokumentieren. Das wird dich langfristig weiter motivieren!
  3. Plane Pausen ein. Natürlich bist du gerade super motiviert – umso wichtiger ist es, dass du schon jetzt daran denkst genügend Pausen in deinen Plan zu integrieren. Schließlich entsteht Fortschritt und Weiterentwicklung genau dann. Unterscheide zwischen Mikro-(kleine Pausen innerhalb deine Übe-Session bzw. deines Übe-Tages) und Makro-Pausen (innerhalb deines 4-Wochen-Plans).

Los geht’s – Erstelle deinen Übeplan für dein Instrument

Also, worauf wartest du noch? Die Übeplan-Vorlage hilft garantiert auch dir deine Stärken und Schwächen zu visualisieren und deine Ziele zu erreichen. Wenn du noch unsicher sein solltest, lies dir zuerst noch die Bewertungen im Shop durch. Wenn du Fragen hast, freue ich mich natürlich auch über eine Email von dir.

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Wie geht mentales Üben, Christian A. Pohl? https://what-is-practice.de/mentales-uben-christian-pohl/ https://what-is-practice.de/mentales-uben-christian-pohl/#respond Sun, 24 Mar 2024 11:18:51 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6394 Christian Pohl ist Professor für Klavier und Klaviermethodik an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Dort habe ich ihn kürzlich auch besuchen dürfen, um mit ihm über ein weiteres seiner Forschungsfelder – das mentale Üben – zu sprechen. Gemeinsam haben wir versucht Licht in das Feld dieser Übe-Technik zu bringen, die zwar oft… Weiterlesen »Wie geht mentales Üben, Christian A. Pohl?

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Christian Pohl ist Professor für Klavier und Klaviermethodik an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig. Dort habe ich ihn kürzlich auch besuchen dürfen, um mit ihm über ein weiteres seiner Forschungsfelder – das mentale Üben – zu sprechen. Gemeinsam haben wir versucht Licht in das Feld dieser Übe-Technik zu bringen, die zwar oft genannt wird – deren konkrete Ausführung aber oftmals vage bleibt. 

Wir sind tief in das Thema eingestiegen und haben uns angeschaut, welche Möglichkeiten und konkreten Methoden es gibt, mentales Training  in unserem täglichen Üben einzusetzen. Christian Pohl hat sich dazu sogar während der Folge ans Klavier gesetzt. Natürlich haben wir das Thema versucht auch in den größeren Kontext des Übens ingesamt zu setzten und Christian Pohl hat immer wieder auch ganz konkrete Übe-Tipps gegeben. Übrigens, ein Blick in seine Klaviermethodik lohnt sich defintiv nicht nur für Pianistinnen und Pianisten.

Link zur digitalen Version der Klaviermethodik

Christian Pohl am Klavier
Christian Pohl nach unserem Interview über das mentale Üben (© Foto: Patrick Hinsberger)
Christian Pohl am Klavier
Christian Pohl am Klavier in der HMT Leipzig
(© Foto: Patrick Hinsberger)

Literatur-Tipps

Klaviermethodik Christian Pohl

Klaviermethodik

Christian Pohls eigene Klaviermethodik. Sie beinhaltet die Quintessenz aus seiner langen und intensiven Beschäftigung mit dem Thema Üben. Ein paar der Inhalte stellt Christian Pohl auch kurz im Podcast vor.

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Christian Pohl lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

Spotify

Apple Podcast

YouTube

Das Interview

Inhalt

Die erste Frage, mit der es immer losgeht, lautet: Vervollständigen Sie folgenden Satz. Üben heißt für Sie?

Sich selbst durch Musik zu entdecken.

Das heißt, es ist eine sehr mit sich selbst beschäftigende Art. Ein sich kennenlernen und in sich hineinhorchen. Also, etwas sehr selbstreferentielles?

Ja. Ich glaube, grundsätzlich können wir ja nicht wissen, was in einem anderen Menschen vorgeht, wenn er Musik hört oder Musik macht. Wir können immer nur auf das eigene Erleben referenzieren und die Beschäftigung mit Musik, sei es am Klavier, sei es rein mental, sei es im pädagogischen Kontext, ist immer auch eine Beschäftigung mit sich selbst.

Denn was wir in der Musik erleben, ist etwas, das wir selbst in uns tragen und das durch Musik lebendig werden kann. Und deswegen ist die Beschäftigung mit Musik, ob Üben oder eben Unterrichten, immer auch eine Beschäftigung mit vielleicht teils verborgenen Seiten des Selbst.

Das finde ich einen spannenden Punkt. Darauf werden wir sicher im Anschluss ein bisschen genauer eingehen. Gibt es ein aktuell bei Ihnen einen Künstler, eine Künstlerin, den Sie in Dauerschleife hören.

Das Fauré Requiem in der Aufnahme mit Celibidache. Das höre ich in letzter Zeit sehr, sehr gerne und sehr oft. Es gibt einen Probenmitschnitt auf YouTube. Und wie erprobt und wie sich die Musik in der lebendigen Probe verändert, das beeindruckt mich so tief, dass das etwas ist, was eine ständige Faszination auf mich ausübt.

Spannend, Das kenne ich nicht. Das werde ich mir auf jeden Fall im Nachgang anschauen. Wenn Sie es auf Ihr eigenes Spiel zurückschauen. Gibt es da einen Künstler, eine Künstlerin, der Sie sehr stark geprägt hat?

Da gibt es zwei. In meiner Jugend war ich, wie so viele andere auch, fasziniert und geradezu hypnotisiert von Horowitz. Bis heute ist dieser Pianist ein Phänomen für mich, das ich kaum zu ergründen vermag. Es ist auf der einen Seite von einer solchen Natürlichkeit und Unmittelbarkeit geprägt und auf der anderen Seite aber so weit entfernt von allem Fassbaren, dass das eine stete Faszination auf mich ausübt. Und dann natürlich auch Emil Gilels, der Lehrer meines Lehrers, dessen Kunst für mich bis heute ebenfalls etwas ganz Unergründliches hat.

Entweder – Oder

Ich habe mir, bevor wir gleich wirklich in unser heutiges Thema, das mentale Üben, einsteigen etwas überlegt, um Sie ein wenig besser kennenzulernen. Ich habe mir ein paar Entweder-oder-Fragen überlegt. Sie haben einen Joker, da dürfen Sie sich der Antwort entziehen.

Wir haben gerade schon vorhin vor der Aufnahme darüber gesprochen. Ich glaube, jetzt kenne ich Ihre Antwort darauf: Leipzig oder Freiburg?

Leipzig.

Lernen oder Lehren?

Das sind für mich Synonyme.

Das ist schon der Joker?

Das war der Joker.

Dann bin ich gespannt, wie es weiter geht. Unterrichten oder Konzerte spielen?

Unterrichten.

Viele kleine Übe-Einheiten oder Üben am Stück.

Kleine Übe-Einheiten.

Morgens oder abends üben?

Morgens.

Sie sind seit 2009 Professor hier. Können Sie einen typischen Übe-Alltag nachzeichnen?

Also wenn Sie sehr stark in der Lehre verhaftet sind, dann ist das, was den Übe-Alltag angeht, schwierig. Ich habe für mich persönlich festgestellt, dass ich abends nach dem Unterrichten einfach zu müde bin. Das heißt, wenn ich übe, dann vor dem Unterricht. Und wenn der Unterricht beispielsweise um elf beginnt, dann übe ich davor. Manchmal gehe ich dann um acht in die Hochschule. Wenn es Konzertverpflichtungen gibt, auch schon früher. Und dann versuche ich, das Pensum vor dem Unterrichten zu absolvieren.

Struktur oder Chaos?

Struktur.

„Wenn ich ein Übertagebuch führe, dann habe ich zumindest den schriftlichen Beweis, was ich getan habe.“

Christian Pohl

Das dachte ich mir auch schon. Sind Sie ein Typ, der Übertagebuch führt?

Jein. Ich habe keinen Joker mehr…

Das gehört nicht zu den Entweder-Oder-Fragen. Darauf dürfen Sie ein bisschen länger antworten.

Ich habe die Erfahrung gemacht, je weniger Zeit zur Verfügung steht, desto besser ist das Üben. Zumindest bei mir. Also ganz freie Tage, die über zwölf Stunden hinweg eine Carte blanche bieten, sind jene Tage, die am gefährlichsten sind. Denn dann, denkt man immer, man hätte den ganzen Tag Zeit, etwas zu tun. Wenn allerdings nur ein enges Zeitfenster zur Verfügung steht, 2, 3 oder 4 Stunden, dann möchten die besonders gut genutzt werden.

Ich habe für mich selbst die Erfahrung gemacht, dass ich mich sehr schwer damit tue, ins Blaue hinein zu üben. Das passt nicht zu mir. Deshalb mache ich, bevor ich zu Üben beginne, einen Plan. Ich nehme mir allerdings auch die Freiheit, von dem Plan abzuweichen. Was ich üben möchte. Wie ich das üben möchte. Schlicht und ergreifend auch, um nach dem Üben nachvollziehen zu können, was ich eigentlich gemacht habe.

Während meiner Studienzeit war es manchmal sehr schwer für mich zu akzeptieren, dass man teilweise sehr hart (8-9 Stunden) arbeitet und sich dennoch abends zu Hause fragt, was man den ganzen Tag getan hat. Das war sehr frustrierend. Wenn ich ein Übertagebuch führe, dann habe ich zumindest den schriftlichen Beweis, was ich getan habe. Das ist ein positiver Aspekt.

Und der andere positive Aspekt, gerade in den ersten Jahren, als ich das Üben für mich entdeckte und auch die Klaviermethodik entwickelte ist, dass mir das Übertagebuch geholfen hat, besser verstehen zu können, welches Üben besonders gut funktioniert und welches nicht. Denn wenn Sie nach einigen Tagen an eine bestimmte Stelle zurückgehen und dann spüren, dass funktioniert oder eben nicht, dann ist es ohne Übertagebuch schwer im Rückblick zu sagen, wie ich das erarbeitet habe. Das hilft mir dann, das weitere Üben zu planen.

Das heißt, Ihr Tagebuch geht über den Schritt des „Was“ hinaus und beinhaltet immer auch die ganz konkrete Methode?

Genau. Also in der von mir entwickelten Klaviermethodik sind 27 verschiedene Methoden dargestellt. Die sind in vier Lerngebiete eingeteilt und decken somit einen großen Teil des Übens ab. Das Üben, das man methodisch gut fassen kann. Irgendwann, wenn man all die grundlegenden Aufgaben gelöst hat, wird es so speziell (wenn es um künstlerische Suche oder auch um ein Hineinleuchten in emotionale Prozesse geht), dass sich das mit solchen Standardmethoden nicht mehr lösen lässt. Aber bis dahin, um erst mal ein wirklich gutes Niveau zu erreichen, helfen diese Methoden sehr. Allerdings helfen sie nicht in isolierter Form, sondern sie möchten von Anforderungen zu Anforderungen in Kombinationen angewendet werden.

Kombination bedeutet, dass Sie beispielsweise zwei Methoden kombinieren: zum Beispiel ein Metronom Aufbau kombinieren Sie mit der Idee schwarz-weißen Übens. So eine Kombination von Konzepten und Methoden nennen wir in der Methodik ein Übe-Modell. Im Übertagebuch schreibe ich dann meistens in stenografischer Form eben diese Modelle auf.

Rastergrafik
Übeplan Vorlage what is practice

Lade dir die Übeplan-Vorlage herunter

Die größte Herausforderung beim Üben ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft dir die what is practice Übeplan-Vorlage.

  • Definiere deine Ziele
  • Coaching-Tool zum Visualisieren deiner Stärken und Schwächen
  • Auswertungs-Vorlage, die dich beim Erreichen deiner Ziele unterstützt
  • Übe-Tipps

Jetzt haben Sie gerade schon Ihre Methode angesprochen: Gedrucktes Buch oder Online-Methode?

Ich möchte einen zweiten Joker kaufen (lacht).

Als ich das Buch schrieb, war mir von Beginn an klar, dass sich das geschriebene Wort nur sehr bedingt eignet, um über Musik etwas zum Ausdruck zu bringen. Das ist einfach ungeheuer schwer. Wenn es beispielsweise darum geht, zu verschriftlichen, was ein weicher Klang ist. Was ein geerdeter Anschlag ist. Deswegen war mir von Anfang an klar, dass es zu dem Buch auch ein digitales Produkt braucht. Während ich das Buch schrieb, skizzierte ich bereits gedanklich die digitale Klaviermethodik. Die Inhalte des Buches werden aufgegriffen und in vertiefter Form, mithilfe von Lehrvideos, im Internet zugänglich gemacht.

Nun hat das Buch Vorzüge, die ein digitales Projekt nicht hat. Das Buch nämlich ermöglicht Ihnen, die gesamte Klaviermethodik wortwörtlich in den Händen zu halten. Das heißt Aspekte wie einen Überblick zu gewinnen oder Referenzen zu suchen geht mit so einem Digitalprojekt nur schwer. Auch das Medium Video in der zeitlichen Bindung ermöglicht es Ihnen nur bedingt, mal schnell etwas nachzuschlagen. Insofern ist das aus meiner Sicht die perfekte Ergänzung.

Das Buch kam vor ziemlich genau drei Jahren raus. Wie kam es zur Idee? Hatten Sie vorrangig an Ihre Studierenden gedacht, die so eine Komplettübersicht in den Händen halten sollten?

Die Grundidee entstand noch während meiner Studienzeit. Mich beschäftigte von Beginn an immer die Frage, wie denn eigentlich das musikalische Lernen, das instrumentale Lernen genau funktioniert. Wie arbeitet das Gehirn? Wie sind diese Prozesse zu beschreiben, die am Ende im Konzert zu diesem unglaublichen Zustand des selbstvergessenen Aufgehens in der Musik führen? Wie funktioniert das? Ich habe dann alles gelesen, was ich finden konnte, und habe festgestellt, dass der Anfängerbereich sehr, sehr gut elaboriert ist. Es gibt Hunderte von Klavierschulen, die Anleitung geben, wie man so in den Anfängen sich dem Klavierspiel widmen kann. Und dann gibt es faszinierende Bücher auf der anderen Seite – teils von Profis, in denen es eher um Musik allgemein geht und mir keine Antworten zur konkreten Erarbeitung eines neuen Stücks gegeben werden konnten.

Ich sprach daraufhin mit unzähligen Pianisten, die weit besser spielten als ich. Ich sprach mit unzähligen Professoren und ich las alles, was ich in die Hände bekommen konnte. Und daraus hat sich dann ein Kanon von Methoden geformt. Ich habe das dann angefangen auszuprobieren, auch an den eigenen Studierenden. Und so hat sich im Laufe von 25 Jahren dann ein einmaliges Portfolio an Methoden geformt.

Jetzt sind wir auch schon mitten im Thema drin. Ich habe noch eine abschließende Entweder-oder-Frage: Mental oder physisch üben?

Das sind gute Fragen, die Sie stellen. Ich muss den dritten Joker reklamieren. (lacht)

Glenn Gould sagte in seinem berühmten Zitat: „Man spielt mit dem Kopf Klavier, nicht mit den Händen.“

Was wir am Klavier üben, kann man in zwei Ausprägungen erfahren: Entweder es ist eine Art intuitive Suche, bei der wir uns durch den lebendigen Kontakt mit dem Instrument inspirieren lassen. Das heißt, das, was unsere Hände manchmal ungeplant tun, befruchtet unsere Intuition. Wir entdecken plötzlich am Instrument Dinge, die uns sonst verborgen geblieben wären.

Das andere Üben am Instrument aber folgt der Realisierung einer hochpräzisen Vorstellung, einer Imagination. Etwas, was wir innerlich an Musik repräsentiert vorfinden. Sozusagen das geistige Bild der Musik. Und das Üben ist dann die Klangwerdung dieses geistigen Bildes. Und für mich ist dieser zweite Aspekt der, der vielleicht 95 % der Arbeit darstellt, weil ich glaube, dass das Nachdenken über Musik den Hauptteil der Beschäftigung mit Musik ausmacht.

„Mentales Üben bedeutet auch, die eigenen Gedanken zu verschriftlichen.“

Christian Pohl

Was ist mentales Üben?

Das ist spannend, dass Sie das doch so stark zu einer Seite gewichten. Um an dieser Stelle einzuzäunen, worüber wir ganz konkret sprechen, wenn wir das mentale Üben oder das mentale Training hier erwähnen. Wo geht für Sie mentales Üben los? Sie haben gerade das Nachdenken über Musik angesprochen – ist das schon eine Form des mentalen Übens für Sie?

Ich glaube, wenn Sie morgens unter der Dusche stehen und eine Melodie singen oder pfeifen oder in Ihrem Kopf hören, dann ist das bereits mentales Üben. Es ist vielleicht nicht bewusst gesteuert, aber Sie arbeiten in diesem Moment schon an der Musik. Wenn Sie sich dann vornehmen, dies oder jenes gedanklich zu durchgehen, dann trifft das, was wir mit mentalem Üben meinen. Aber jegliche Form geistiger Beschäftigung mit Musik möchte ich unter dem Begriff des mentales zusammenfassen.

Würden Sie sagen, dass es eine Voraussetzung für das mentale Üben gibt?

Das ist eine gute Frage. Ich weiß nicht, ab welchem Alter die rein geistige Beschäftigung mit Musik in einem professionellen Kontext beginnen kann.

Sie haben in Ihrem Aufsatz in „Handbuch Üben“ von Ulrich Mahlers drei Säulen beschrieben: Konzentration, Imagination und Suggestion. Ich habe diese als eine Art Grundfähigkeiten verstanden, damit das mentale Üben möglichst erfolgreich ist. Könnte man diese als Schlüsselqualifikationen nehmen, damit mentales Üben gelingt?

Also ich glaube die Konzentration, dass man sich, in einen Zustand versetzt, in dem man etwas, das man zuvor am Instrument erlebt hat, gedanklich reproduzieren kann, ist die erste Voraussetzung in frühen Stadien.

Im zweiten Stadium kann man auch das, was man noch nicht am Instrument getan hat, gedanklich – über eine Fokussierung der Gedanken – vorbereiten. Dass Sie beispielsweise, wenn Sie ein Stück erarbeiten, eine Technik des mentalen Übens verwenden, die anspruchsvoll ist, die aber meiner Erfahrung nach wirklich tolle Wirkung zeigt: Wenn Sie beispielsweise zwei Takte eines Stückes memoriert haben, Sie sie dann einmal gedanklich transponieren. Das ist zumindest für mich sehr anspruchsvoll. Ich habe aber die Erfahrung gemacht, wenn mir das gelingt, dann erscheint mir der Notentext in einer Transparenz, die für mich einfach überwältigend ist.

Wie kann ich denn zwei Takte gedanklich so transponieren? Wie geht das eigentlich? Und ich habe für mich die Erfahrung gemacht, dass mithilfe einer strukturellen Reduktion nach Schenker dies gut funktioniert. Das heißt, dass man zuerst die Struktur transponiert und später die Prolongation gedanklich nachvollzieht. Also ganz einfach gesagt:

Notenbeispiel aus Podcast - Struktur und Prolongation
Transposition nach E-Dur mithilfe einer strukturellen Reduktion

Wir haben diese Akkordbrechung. Jeder einzelne Ton ist mit dieser chromatischen Nebennote ornamentiert. Die gedankliche Transposition würde jetzt folgendes machen: Wir vergegenwärtigen uns zunächst die Struktur – also den Dur-Akkord. Zunächst transponieren wir anschließend gedanklich diesen Dreiklang, beispielsweise nach E-Dur. Wenn mir das gelingt, dann kann ich im nächsten Schritt die Prolongation, also die Ornamentation der einzelnen Akkordtöne, gedanklich vollziehen.

Das ist sehr spannend, dass Sie das an dieser Stelle schon ansprechen. Diese Frage habe ich mir in der Vorbereitung sehr intensiv gestellt. Das setzt bei allen Studierenden oder bei allen Menschen, die diese Technik anwenden voraus, dass sie ein sehr starkes inneres Gehör haben. Für jemand, der vielleicht hier Schwierigkeiten hat, bzw. sich damit noch ein bisschen schwer tut; der würde dann immer an dieser Stelle Schwierigkeiten bekommen. Und das Tückische dabei ist, dass er den Fehler wahrscheinlich gar nicht selbst merkt. Wissen Sie, was ich meine?

Ich glaube, man muss hier unterscheiden. Wenn wir von innerem Hören oder wenn wir von Denken sprechen. Das innere Hören bewegt sich in einer anderen Dimension als das, was ich gerade versucht habe zu demonstrieren. Ich glaube, hier geht es vielmehr um Denken. Das heißt, wie genau sieht die Imagination aus? Sie können verschiedene Imaginationstechniken verwenden, zum Beispiel:

Was heißt es, sich einen Dreiklang vorzustellen? Sie sagten: Ich kann ihn mir über das innere Gehör vorstellen. Ich kann mir die Intervalle vorstellen. Ja, das ist eine Art und dann haben Sie vollkommen recht, wenn ich das dann transponieren muss und eben innerlich nicht so gut hören ist das schwierig. Aber Sie können im Hinblick auf die Imagination sich auch der visuellen Imagination bedienen. Das heißt, Sie stellen sich innerlich die Klaviatur vor und sehen die entsprechenden Tasten aufleuchten. Transposition bedeutet dann, dass Sie sich die entsprechenden Tasten des E-Dur Akkords vorstellen. Das heißt, das ist eine Visualisierungstechnik.

Christian Pohl am Klavier
Christian Pohl am Klavier (© Foto: Patrick Hinsberger)

Eine andere Visualisierungstechnik bezieht sich auf das Notenbild. Das heißt, Sie stellen sich den C-Dur Dreiklang auf den Notenlinien vor. Um sich dann später den E-Dur Dreiklang auch auf den Notenlinien vorzustellen. Und dadurch, dass wir von Kindesbeinen an am Klavier saßen und auch Noten gelesen haben, sind das Dinge, für die man wenig Vorbildung braucht.

Kurz dazwischengefragt: Würden Sie eine Art Gewichtung vornehmen, also, dass die eine Methode mehr oder weniger erfolgsversprechender ist als eine andere?

Wenn wir von innerem Hören sprechen, dann habe ich den Eindruck, dass das sehr stark den Bereich des intuitiven Musizierens berührt. Sie können die gleiche Person bitten, den Dreiklang nicht innerlich zu hören, sondern einfach zu singen – in C-Dur und dann in E-Dur. Ich glaube, das hätte einen ähnlichen Effekt. Für das strukturelle Verständnis von Musik, für das Verständnis der Komposition an sich ist, glaube ich, die Vorstellung auf der Klaviatur oder in den Noten (die kognitive Beschreibung) vielleicht sogar noch wichtiger als die Referenz an die Intuition und Musikalität. Beides ist unerlässlich.

Wahrscheinlich unterscheiden sich die Herangehensweisen auch stark zwischen den verschiedenen Instrumentengruppen. Ich als Bläser bin wahrscheinlich stärker auf eine auditive Vorstellung angewiesen als ein Klavierspieler.

Genau. Ich glaube, da unterscheiden sich die Herangehensweisen im Hinblick auf die unterschiedlichen Instrumentengruppen ganz wesentlich.

Beispiel: Chopins Nocturne in C#-Moll (opus post.)

Strukturen erfassen und Gestaltungsschichten

Nocturne - Chopin Notentext

Um es für die Zuhörer:innen etwas anschaulicher zu machen, lassen Sie uns das Beispiel aus Ihrem Artikel nehmen: Chopins Nocturne in C#-Moll. Wir haben das „Strukturen erfassen“ (Decodieren) bereits angesprochen. Wäre das ein erster Schritt, um sich ein Stück mental zugänglich zu machen?

Sie haben die Möglichkeit die unterschiedlichsten Schichten eines Werkes mental zu durchdringen. Und die Schicht, auf die wir jetzt gerade zu sprechen kamen, ist eben diese strukturelle Schicht. Und meiner Erfahrung nach ist es empfehlenswert, dass man versteht, womit man sich beschäftigt (in kompositorischer Hinsicht) und dann weiter geht. Manche machen es auch umgekehrt. Wir treffen dann, wenn wir das Stück strukturell in uns aufgenommen haben, natürlich auch auf andere Gestaltungsschichten. Beispielsweise ist eine Gestaltungsschicht die Artikulation. Dass wir gedanklich reflektieren, wie denn eigentlich der eine in den anderen Ton übergehen möchte. Und mentales Üben, was diese Gestaltungsschicht angeht, bedeutet, sich einfach nur Fragen zu stellen, das heißt den entsprechenden Teil innerlich zu spielen.

Eine andere Gestaltungsschicht, die es zu hinterfragen gilt, ist eine meiner Liebsten. Das Thema Brems- und Strebekräfte. Das heißt, Musik im zeitlichen Kontinuum kann ganz unterschiedliche Kräfte freisetzen. Strebende Kräfte, das heißt, die Musik fließt voran. Sie ist wie ein leichter Gebirgsbach, der sich seinen Weg sucht, sozusagen vorantreibend.

Musik kann widerständig sein, als ob sie im tiefsten Winter durch hohen Schnee laufen würde. Das ist wahnsinnig mühevoll. In den Kunstwerken treffen wir auf unterschiedlichste Ausprägungen dieser sogenannten Brems- und Strebekräfte. Und mentales Üben bedeutet, was diese Gestaltungsschicht angeht, sich zu fragen, wie entfaltet sich denn die Musik in dieser und jener Episode? Mentales Üben bedeutet auch, die eigenen Gedanken zu verschriftlichen. Das hilft mir oft sehr. Ich habe im Buch verschiedene Visualisierungstechniken beschrieben. Beispielsweise, wenn die Musik sehr stark im Vorwärtsdrang begriffen ist, dass Sie einen Pfeil, der sich ein bisschen nach rechts neigt, über die Musik zeichnen.

Um es ein wenig einzuordnen und zu strukturieren: Wir haben jetzt Techniken kennengelernt, wie wir uns das Werk einteilen können. Im Buch beschreiben Sie anschließend Techniken des „Sprechens und Verbalisierens“. Nach dem Einteilen in logische Lernabschnitte und Übe-Abschnitte kommen wir jetzt an dem Punkt, wo wir mitsprechen und verbalisieren (Aufschreiben von diesen Informationen). Verstehe ich das richtig?

Ja, ich glaube, dieser ganze Prozess, über den wir im Moment sprechen, ist ein sehr individueller und sehr fluide. Obwohl ich mich als sehr systematischen Menschen sehe ist es für mich wichtig, eine Vielzahl an Angeboten zu kennen und dann eben jeden Tag sehr intuitiv das eine oder das andere beleuchten zu können. Zum Beispiel weiß ich nicht, ob ich so systematisch im Hinblick auf das mentale Üben vorgehen würde. Ich glaube, diese verschiedenen Schichten wird man im Laufe der Werkerarbeitung je nach Lust und Laune beleuchten. Ich würde das jetzt nicht so systematisch aufbauen: Erst mache ich das, dann mache ich das…

Ich glaube, wichtig ist, dass man es kennt, um dann, wenn man Freude dran hat, drauf zugreifen zu können. Und ich würde gerne noch etwas zum Analytischen sagen: Ich glaube, je mehr wir denken, desto weniger müssen wir denken. Ich erlebe dann Unsicherheiten (ein Gefühl des unbefriedigt seins auf der Bühne), wenn ich mir noch nicht ganz sicher bin. Wenn ich noch nicht alle Fragen für mich wirklich geklärt habe. Das heißt, je mehr ich im Vorfeld darüber nachdenke ,desto weniger muss ich später denken.

Ist es nicht eigentlich genau umgekehrt? Umso mehr man sich mit etwas beschäftigt, umso mehr Fragen entstehen, umso unsicherer wird man irgendwann? Das kennt man auch aus ganz vielen verschiedenen anderen Bereichen im Leben,

Ich kann immer nur, wie wir alle, aus dem eigenen Erfahrungshorizont heraus berichten. Ich glaube, dass die Zahl der Fragen im Hinblick auf die Komposition begrenzt sind. Die hat man irgendwann absorbiert und dann gibt es keine Fragen mehr.

Sie haben vollkommen recht, dass bspw. die Bedeutungsebene, wahrscheinlich nie zu einem Abschluss kommt. Es ist so wie eine Pyramide. Es wird immer feiner und feiner und es zeigt sich mehr und mehr durch viele kleine Aspekte.

So zeigt sich das, was der Adorno als das Auratische bezeichnete, nämlich der dahinter liegende Geist und den entdeckt man in der Beschäftigung mit all diesen Fragen. Je klarer sich dann dieser Geist zeigt, desto flexibler ist man auch wieder in der Formung dieses oder jenes Details. Das heißt, um auf Ihre Frage zu antworten ich erlebe es genau umgekehrt.

Je mehr ich mir die Fragen stelle und je mehr ich mich mit einem Werk beschäftige, desto mehr wird das Werk meins und desto mehr wird es zum auch Ausdruck meiner musikalischen Intuition. Eine letzte Bemerkung. Was bedeutet denn Nachdenken? Was bedeutet denn Analyse? Es bedeutet nichts anderes als Bewusstmachung von Intuition. Das heißt, wenn ich über etwas nachdenke, leuchte ich ins Dunkel des Unbewussten hinein. Mache es greifbar und lasse es zurück ins Unbewusste sinken. Aber dadurch habe ich es sozusagen destilliert. Und dann, wenn ich einmal entdeckt habe, dass das ein bspw. Dreiklang ist, dann stellt sich die Frage nicht mehr. Wenn ich einmal entdeckt habe, wie das gebaut ist, stellt sich die Frage nicht mehr. Sehen Sie, und deswegen möchte ich doch nach wie vor ein Plädoyer für das Nachdenken proklamieren. Ich glaube nicht, dass man zu viel nachdenken kann. Ich glaube aber, dass man, wenn man falsch rangeht, man in eine Art von Verstopfung hineinkommen kann.

Aufgabenorientiertes Üben

Sie haben in Ihrem Aufsatz von zwei Schritten gesprochen – und das fand ich zumindest im Geschriebenen sehr gut gegliedert (auch, wenn ich verstehe, dass sich diese Trennung nicht so scharf im eigentlichen Üben vollziehen lässt). Den Decodier-Schritt haben wir bereits hinreichend besprochen.

Das heißt, wenn wir diese Stellen alle so für uns herausgefiltert haben und wollen aus dem Spielmodus wieder in einen Arbeitsmodus kommen, wie findet dieser Übergang statt? Also wie gehen wir handwerklich im nächsten Schritt vor?

Das ist eine wunderbare Frage. Wir nehmen mal an, wir haben jetzt eine Nocturne von Chopin und wir haben all diese grundlegenden Aufgaben erledigt. Also wir kennen das Stück. Wir haben auch schon eine ungefähre Vorstellung entwickelt. Wir wissen, wie wir mit den Brems- und Strebekräfte arbeiten, wie wir artikulieren usw. Jetzt treten wir in ein neues Stadium des Übens ein, wo wir mit solchen Standard-Patterns nicht mehr weiterkommen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn wir in diesem Stadium arbeiten, wir den Spielmodus brauchen.

Ich beginne meinen Übetag, indem ich mich uneingespielt ans Klavier setze, das Aufnahmegerät anschalte und den Satz oder das Werk spiele. Egal was passiert. Egal wie gut oder schlecht ich mich fühle. Ich spiele, als ob Publikum vor mir sitzt. Das gibt mir dann am Morgen sozusagen den „Worst Case“. Anschließend nehme ich die Aufnahme und setze mich in den Sessel und höre mir die gesamte Aufnahme an. Takt für Takt.

Ich höre, was ich spiele. Und dann vollzieht sich, wenn ich dann beispielsweise nach wenigen Sekunden stoppe, eine Synchronisation. Ich versuche zu synchronisieren, was ich mit meiner Vorstellung höre und gespielt habe. Und ich frage mich, wo sind die beiden Bilder inkongruent? Wo klingt es nicht so, wie ich will? Das schreibe ich mir auf. So erstelle ich mir eine Arbeitsliste, die kann manchmal circa 30 bis 40 Punkte umfassen kann.

Im zweiten Schritt stelle ich mir dann die Frage, wie erarbeite ich mir nun die einzelnen Punkte? Üben bedeutet wiederholen. Was Wiederholungen angeht gibt es zwei strategische Ausrichtungen: Entweder ich arbeite mit Wiederholungsbegrenzung (z.B. 20 Mal spielen) oder ich arbeite mit zeitlicher Begrenzung (z.B. drei Minuten spielen). Und so arbeite ich mich durch die ganze Arbeitsliste durch, lasse die Aufnahme nebenher laufen und höre dann immer ganz kurz die letzten Sekunden ab.

Vom Was zum Wie

Ich hatte die die Gelegenheit gehabt, ihre digitale Klaviermethodik ein wenig vorab zu testen. Vielen Dank noch mal an der Stelle. Und weil ich kein Pianist bin, haben mich natürlich besonders die Übe-Konzepte interessiert. Weil wir es gerade von Wiederholungsbegrenzungen hatte: Wann ist der entscheidende Zeitpunkt weiterzugehen? Also wann ist die Gefahr der Monotonie zu groß? Denn es gibt ja auch den von Prof. Eckart Altenmüller beschriebenen Penelope Effekt, dass man auch zu viel üben kann und sich dann schlechte Bewegungsmuster einprägen.

Das ist ein wichtiger Punkt, der den großen Bereich metakognitive Lernstrategie betrifft. Das heißt: wie ich einzelne Tools, einzelne Werkzeuge benutze, ist das eine – sie aber dann innerhalb des Tages zur richtigen Zeit, in der richtigen Intensität, anzuwenden, ist das andere.

Als sehr wirkungsvoll hat sich herausgestellt, dass Sie eine Aufmerksamkeitsspanne von 25 bis 30 Minuten in Ihr Üben einbeziehen sollten. Das heißt: Teilen Sie Ihren Übe-Tag ein in sogenannte Slots von 25 bis 30 Minuten ein. Wenn Sie fünf Stunden Zeit haben, haben Sie zehn Slots. Natürlich nicht alle hintereinander, sondern mit kleinen Pausen.

Wie fülle ich einen Übe-Slot? Sie haben gefragt, ob es Richtwerte im Hinblick auf die Wiederholungszahl gibt. Wenn Sie bezugnehmend auf das Thema Übe-Tagebuch am Anfang unseres Gespräches Buch führen, wie viel Wiederholungen Sie bei einem Punkt gemacht haben (z.B. im Rahmen des aufgabenorientierten Übens) dann wissen Sie, diese Wiederholungszahl war gut. Wenn Sie merken, der gleiche Fehler passiert wieder, dann wissen sie, da muss ich mit höherer Intensität oder mit mehr Variabilität ran.

Ich erinnere mich noch gut an meinen Pädagogikprofessor Professor Dr. Anselm Ernst „Lehren und Lernen“.

Lehren und Lernen im Instrumentalunterricht

Anselm Ernst

Das Handbuch begründet erstmalig eine allgemeine Didaktik des Instrumentalunterrichts. Es beschreibt fächerübergreifend Ziele, Lerninhalte und Lehrmethoden und bietet eine Fülle von detaillierten Vorschlägen für die Praxis. Der Leser erfährt Wesentliches über die Gestaltung der Lehrer-Schüler-Beziehung, das körpersprachliche Verhalten im Unterricht und die Förderung von Lernprozessen. Der instrumentale Gruppenunterricht wird in einem ausführlichen Kapitel behandelt. Das Buch stellt somit umfassend die zentralen Aspekte pädagogischer Professionalität dar.

Er hat ja doch schon etwas Legendenhaftes mittlerweile. Und ich erinnere mich noch gut daran, wie wir einmal über das Thema Over Learning sprachen. Das heißt weiter zu üben, obwohl Sie etwas schon können. In meiner Klaviermethodik findet sich dieser Punkt am ehesten in der sogenannten Stabilisierungsmethode.

Die Methode arbeitet mit Wiederholung (begrenztem Üben). Das heißt, Sie arbeiten makroskopisch. Sie nehmen, wenn Sie etwas schon ziemlich gut können, zum Beispiel eine 3/4 Seite. Die Aufgabe besteht darin, keinen Parameter, der gedankliche Frische bringen könnte, zu verändern. Sie versuchen sich zehn Mal in die Empfindung dieser Episode hineinzuversetzen. Da habe ich unglaubliche Erfahrungen gemacht. Was passiert? Sie fangen an und die erste Wiederholung klappt super. Sie arbeiten auch in einem bequemen Tempo. Auch die zweite Wiederholung klappt super. Die dritte Wiederholung: Jetzt beginnt es Ihnen schon langweilig zu werden. Aber es klappt aber immer noch. Vierte Wiederholung: Nun passieren die ersten Fehler, weil sie nicht mehr aufmerksam sind.

Sie brauchen allerdings zehn fehlerfrei Wiederholungen. Klingt auf den ersten Blick stupid – ich weiß. Warten Sie. Jetzt kommen Sie in eine Situation, die emotional der Konzertsituation entspricht. Sie können im Konzert nämlich auch nicht beliebig oft wiederholen. Die einzige Möglichkeit, damit Sie bis zur zehnten Wiederholung kommen, besteht darin, dass Sie sich wieder und wieder in diese Episode verlieben. Das heißt, Sie beginnen dann wieder zu spielen und sie richten die Aufmerksamkeit plötzlich auf eine Zwischenstimme. Das machen sie ganz intuitiv. Allein das Durchführen dieser zehn fehlerfreien Wiederholungen führt dazu, dass Sie in die Lage versetzt werden, Musik tiefer zu entdecken.

Wissen Sie, wenn Sie mit einem mit einem Ihnen nahestehenden Menschen zu tun haben, verbringen Sie ja auch Zeit mit ihm, obwohl Sie ihn schon gut kennen. Sie entdecken plötzlich Dinge an diesem Menschen, die Sie nur dann entdecken können, wenn sie weiter mit ihm Zeit verbringen. So ist es auch mit der Musik.

Wenn man es auf den Menschen überträgt, wird das Bild recht stimmig. Es braucht eine Offenheit gegenüber dem Werk, um es wieder auf die Musik zu übertragen. Dass man nicht mit der Haltung an das Werk geht „Ich kann es schon, da gibt es nichts mehr zu entdecken für mich.“. Sondern, dass man sich jedes Mal neu inspirieren, berauschen und emotionalisieren lässt. Das finde ich ganz schön. Es ist faszinierend Ihnen dabei zuzusehen, wie Sie darüber sprechen.

Und genauso wichtig wie diese Beschäftigung, dieses sich immer wieder Einlassen auf eine Episode oder ein Werk ist, ist das Weglegen und das Vergessen. Wir wissen aus den Briefen von Brahms, dass er Kompositionen monatelang ruhen ließ, bevor er wieder zurückkehrte. Ich glaube, dass das eine sehr gute Art ist zu arbeiten ist. Wenn es die Lebensumstände zulassen.

Wir reden ja gerade davon, das Werk wirklich durchzuspielen. Also wir reden von physischem Üben. Beim mentalen Üben geht es ja – wenn wir an den Auftritt, das Probespiel oder den Wettbewerb denken – immer auch darum, dass wir in die Lage versetzt werden sicherer aufzutreten und mit einer größeren Souveränität vorzuspielen. Gibt es nach diesen physischen Übe-Methoden bei Ihnen auch nochmal den Punkt zurück zum mentalen Üben? Also, dass Sie sich vorstellen, wie sich die ganz konkrete Situation vor Publikum, vor der Jury anfühlen wird?

Ich glaube, wenn wir von mentalem Üben und mentaler Vorbereitung einer Konzertsituation sprechen, dann müssen wir unterscheiden: Bereiten wir innerlich das konkrete Konzertereignis vor, in dem wir beispielsweise uns den Konzertraum vorstellen, in dem wir antizipieren, wie wir uns fühlen usw.

Auf der anderen Seite steht die mentale Arbeit am Werk selbst. Und was die konkrete mentale Arbeit angeht, so ist diese gar nicht zu trennen vom Üben am Instrument. Das heißt, das geschieht mit ebensolcher Regelmäßigkeit wie auch das Üben am Instrument. Das mentale Üben und das instrumentale Üben sind wie Einatmen und Ausatmen. Das eine geht nicht ohne das andere. Insofern ist das nicht etwas, was man zu einem bestimmten Zeitpunkt im Arbeitsprozess tut. Sondern es durchzieht den gesamten Arbeitsprozess. Es ist sogar eher so, dass wenn Sie etwas schon sehr gut auch manuell beherrschen, das dann vielleicht sogar weniger Zeit am Instrument und mehr Zeit rein mental mit dem Werk verbracht wird. Das ist eine sehr individuelle Sache.

Andere Methoden

Ich würde gern abschließend den Blick weiten und auf andere Methoden schauen. Ich habe zum Beispiel die Methode von Tanja Orloff Tschekorsky in der Vorbereitung gefunden. Ich weiß nicht, ob sie Ihnen vertraut ist. Gibt es Besonderheiten an Ihrer Methode, die Sie von anderen unterscheidet, oder würden Sie sagen, das ist im Üben so individuell, dass es sich das gar nicht abgrenzen lässt?

Mir persönlich ist es wichtig, dass man als Musiker vieles kennt. Ich glaube, nur wenn man vieles kennt, kann man entscheiden, was man selbst braucht. Oder zu brauchen glaubt. Im Hinblick auf die Klaviermethodik, auf die 27 Methoden, 13 Konzepte und auf die Formulierung von über 50 Lernzielen, die ich entwickelt habe, ist es wichtig (und neu), dass ich versucht habe, es jeweils auf den kleinsten denkbaren Bausteinen herunterzubrechen. Denn das ermöglicht es den Übenden und den Lehrenden diese verschiedenen Vorgehensweisen wirklich unmittelbar nutzen zu können und direkt auszuprobieren.

Sie haben bestimmt gesehen, dass die ganze Klaviermethodik an sogenannten kleinen Lernkarten festgemacht ist. Und auf diesen Lernkarten steht in teilweise ikonographisch aufgehübschter Form der, für den jeweiligen Punkt wichtigen, Aspekt. So kann man sich sehr einfach durch die Vorgehensweisen hindurcharbeiten und entdeckt dann was für einen selbst funktioniert.

Ja, absolut. Das fand ich auch in Ihrer Online-Methode sehr gut. Alle Lektionen weisen unten auf das jeweilige Lernziel hin, auf welches sie einzahlen. Das ist eine Sache, die sich die Musik noch mehr vom Sport abschauen könnte – man denke nur an die Abbildungen an den Geräten im Fitnessstudio, die genau zeigen, welche Muskelgruppen gerade trainiert werden. Am Ende ist das ein sehr hilfreiches Wissen für jeden Musiker, aber auch für jede Person, die unterrichtet.

Also besser könnte ich es nicht zum Ausdruck bringen.

Wir könnten sicher noch weitere Stunden über das Thema sprechen. Das macht sehr großen Spaß Ihnen zuzuhören und die Leidenschaft zu sehen, mit der Sie über das Thema sprechen. Ich würde noch zwei Fragen zum zum Abschluss stellen. Was üben oder lernen Sie gerade, was Sie noch nicht so gut können?

Also im Musikalischen beschäftige ich mich gerade mit der sechsten Partita von Bach. Das lerne ich gerade und das fällt mir schwer, weil es so wenig Zeit außerhalb der Aktivitäten gibt, sich damit zu beschäftigen.

Und wenn Sie jetzt auf Ihre eigene Musikstudierenden-Zeit zurückschauen und sich aus heutiger Sicht einen Tipp mitgeben würden, um welchen Tipp Sie früher als Erstsemester froh gewesen wären. Was wäre das?

Ich würde vielleicht meinem jungen Ich mit auf dem Weg geben wollen, dass für die Raupe die Zerstörung des Kokons eine Zerstörung der umliegenden Welt bedeutet. Und erst später versteht sie, dass sie zu dem wunderbaren Schmetterling werden musste – werden konnte – nur indem der Kokon gerissen ist und zerstört wurde.

Künstlerische Entwicklungsprozesse sind schmerzhaft. Wenn man über sich hinauswächst, gibt es Wachstumsschmerzen. Und deshalb ist es so wichtig, dass man als Lehrer ganz behutsam begleitet, auch psychologisch einen angstfreien Raum schafft, in dem diese Prozesse stattfinden können. Dass man als Lernender versteht, dass ein Scheitern immer eine Chance ist, etwas zu lernen. Wenn ich nur Erfolg habe, wie kann ich da etwas lernen? Durch das Scheitern lerne ich und kann wachsen.

Der Ursprung der gesamten Klaviermethodik ist an ein solch schmerzliches Erlebnis gebunden. Ich hatte einen internationalen Wettbewerb zu spielen. Mein Lehrer schickte mich während meines Grundstudiums dorthin. Ich weiß nicht wie, aber irgendwie bin ich ins Finale gekommen und war krank vor Nervosität. Nicht nur im übertragenen Sinn. Ich weiß, ich war der Situation überhaupt nicht gewachsen und bin mit wehenden Fahnen untergegangen. Ich spielte die zweite Sonate von Rachmaninow. Das ist ein irrwitzig schwieriges Stück und ich weiß nicht mehr, wie ich da das Ende erreichte. Das war der Beginn der Klaviermethodik.

Nachdem ich mich da von diesem Schock erholt hatte, stellte ich mir die Frage, wieso ich im Finale nicht auf mein gesamtes Leistungspotential zugreifen konnte. Ich hatte nicht weniger geübt als die anderen.

Dann habe ich angefangen, die Klaviermethodik zu entwickeln. Und wegen der Klaviermethodik konnte ich Professor werden. Wegen dieser Klaviermethodik konnte ich seit 2009 unzählige Seminare geben. Und auch wegen dieser Klaviermethodik haben jetzt meine Studenten die Möglichkeit, ihr Talent noch besser zu entfalten. Das heißt, der Ursprung war in etwas Negativem, aber die Frucht ist ganz positiv.

Das heißt, wenn wir beim Bild bleiben wollen, ist aus der Raupe inzwischen der Schmetterling entwachsen und fliegt seit mehreren Jahren und Jahrzehnten.

Ja und mal schauen, wie sich dieser Schmetterling dann zu etwas anderem wieder transformiert. Es geht ja immer weiter. Man hört nie auf zu lernen. Das ist das Schöne in unserem Beruf. Und dann gibt es natürlich auch außerhalb des Musischen unendlich viel, was es neu zu entdecken, neu zu lernen gibt.

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Buchtipp: Reflect! https://what-is-practice.de/buchtipp-reflect/ https://what-is-practice.de/buchtipp-reflect/#respond Sun, 26 Nov 2023 18:38:30 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6235 Ein Beobachtungs- und Reflexionstool für Instrumental- und Gesangslehrende Reflect! von Silke Kruse-Weber (unter Mitarbeit von Margareth Tumler und Elizabeth Bucura) ist der vierte Band der Grazer Schriften zur Instrumental- und Gesangspädagogik. Spielerisch verbindet es auf besondere Art und Weise didaktisches, theoretisches Wissen mit Musikpraxis. Das Kartenset soll die systematische Reflexion über den eigenen Unterricht anregen.… Weiterlesen »Buchtipp: Reflect!

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Ein Beobachtungs- und Reflexionstool für Instrumental- und Gesangslehrende

Reflect! von Silke Kruse-Weber (unter Mitarbeit von Margareth Tumler und Elizabeth Bucura) ist der vierte Band der Grazer Schriften zur Instrumental- und Gesangspädagogik. Spielerisch verbindet es auf besondere Art und Weise didaktisches, theoretisches Wissen mit Musikpraxis. Das Kartenset soll die systematische Reflexion über den eigenen Unterricht anregen. Silke Kruse-Weber, die bereits Gast im Podcast „Wie übt eigentlich..?“ war, denkt allerdings noch weiter. Reflect! soll nicht nur Optimierungswerkzug sein, sondern kann auch bei Kommunikation und Kollaboration an Musikschulen, Hochschulen oder in Bewerbungsverfahren unterstützen. Auch im Austausch mit Kolleg*innen oder in Lehrer*innen-Elterngesprächen kann Reflect! zum Einsatz kommen.

Reflect! Buchcover
Reflect! von Silke Kruse-Weber

*Affiliate Link: Wenn du das Buch über diesen Link kaufst erhalte ich 5% Provision. Für dich bleibt der Preis gleich – allerdings unterstützt du damit ganz automatisch meine Arbeit. Vielen Dank also! 🙂

Kompetenzen spielerisch stärken

Mithilfe von offenen Fragen werden Lehrkräfte in

  • sozial-kommunikativen-
  • didaktisch-methodischen-
  • künstlerischen-
  • Selbstlernkompetenzen

zur Selbstreflexion angeregt. Diese bilden für Silke Kruse-Weber die Grundlage eines guten Unterrichts. Denn obwohl wir oftmals viel über den idealen Unterricht wissen, hemmen uns eigene Schülererlebnisse.

„Teachers teach as they were taught, not as they were taught to teach“

H.B Altmann

Arbeitsblätter runden das Buch ab

Neben dem Kartenset helfen auch Arbeitsblätter über das eigene Unterrichten und Arbeiten als Musiker*in ins Nachdenken zu kommen. Das Balance Wheel (in Anlehnung an das Coaching-Tool „Wheel of Life“, das es in ähnlicher Form auch bei Susan Williams „Optimal Üben“ gibt) ist dabei ein hervorragendes Werkzeug sich übersichtlich über eigenen Stärken und Schwächen klar zu werden. Dabei überzeugt, dass es nicht beim ersten Übersichtsschritt (Balance Wheel) bleibt, sondern auch Anregungen zur Veränderung (in Form von weiteren Nachfragen) gegeben werden. Die Arbeitsblätter existieren für alle vier Kompetenzbereiche.

Fazit

Für die Autorinnen um Silke Kruse-Weber steht bei Reflect! nicht weniger als ein erfüllendes Berufsleben im Vordergrund. Mehrmals wird im Buch darauf verwiesen dass, „wenn Denken, Fühlen und Handeln von uns Lehrenden in einem begründeten und sinnstiftenden Zusammenhang stehen, […] daraus Berufszufriedenheit folgen“ kann. Damit erweitert sich der Einflussbereich von Musiklehrenden auf mehr als nur eine technische und musikalische Ausbildung. Reflect! bringt sie in größere Zusammenhänge wie „Makers in Society“ oder Hartmut Rosas „Resonanztheorie“ (ein googeln dieser Theorie lohnt sich – ich empfehle des weiteren auch den Podcast „Hotel Matze“, in dem Hartmut Rosa bereits zu Gast war).

Mir persönlich gefällt diese weite Auffassung sehr gut. Das Kartenset, damit es seine vollumfängliche Wirkung entfalten kann, funktioniert allerdings nur bei kompletter Ehrlichkeit des Lesers/ der Leserin. Andernfalls verfehlt es sein Ziel. Richtig angewandt ist es jedoch ein sehr gutes Tool, dass uns nicht nur als Lehrkraft sondern uns auch als Musiker*in insgesamt weiterbringen kann.

Auf einen Blick

Reflect! Buchcover

Sprache: Deutsch
Verlag: Waxmann Verlag
Umfang: 113 Seiten
Für wen: Musiklehrer*innen, Musiker
Sonstiges:

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Was lernen wir aus unseren Fehlern, Silke Kruse-Weber? https://what-is-practice.de/fehlermanagement-aus-fehlern-lernen-silke-kruse-weber/ https://what-is-practice.de/fehlermanagement-aus-fehlern-lernen-silke-kruse-weber/#respond Mon, 20 Nov 2023 11:04:38 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6200 Fehlermanagement in der Musik Wir alle machen Fehler. Doch was verraten sie uns über unser Üben und wie können wir daraus die richtigen Schlüsse ziehen? Ihr merkt schon: In der heutigen Folge dreht sich alles um das „aus Fehlern lernen“ – oder anders formuliert: Das Fehlermanagement in der Musik. Mit Prof. Silke Kruse-Weber habe ich… Weiterlesen »Was lernen wir aus unseren Fehlern, Silke Kruse-Weber?

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Fehlermanagement in der Musik

Wir alle machen Fehler. Doch was verraten sie uns über unser Üben und wie können wir daraus die richtigen Schlüsse ziehen? Ihr merkt schon: In der heutigen Folge dreht sich alles um das „aus Fehlern lernen“ – oder anders formuliert: Das Fehlermanagement in der Musik.

Mit Prof. Silke Kruse-Weber habe ich mir ich das Thema von drei Seiten angeschaut: Zu Hause beim Üben, bei Konzerten auf der Bühne und natürlich aus der Sicht einer Lehrperson. Welche Tipps Prof. Silke Kruse-Weber aus ihrer langjährigen Forschung zum Umgang mit Fehler hatte, erfahrt ihr in dieser Folge.

Silke Kruse-Weber war bis Ende September 2022 Professorin für Instrumental- und Gesangspädagogik an der Kunstuniversität Graz. Seit Oktober 2023 ist sie Vertretungsprofessorin für Musikpädagogik/Instrumental- und Gesangspädagogik am Leopold Mozart College für Musik der Universität Augsburg. Vor ihrer akademischen Laufbahn studierte sie Klavier und Evangelische Kirchenmusik und arbeitete als Pianistin sowie Instrumentallehrerin für Klavier. Im Podcast erzählt sie von ihrem persönlichen Weg in die Wissenschaft.

Silke Kruse-Weber (Foto: Aleksey Vylegzhanin)

Literaturempfehlungen

Reflect! Buchcover

Reflect!

Ein Beobachtungs- und Reflexionstool für Instrumental- und Gesangsunterricht

Mithilfe eines Kartensets entwickelte Silke Kruse-Weber ein Beobachtungs- und Reflexionstool für den Musikunterricht. Erschienen in den Grazer Schriften zur Instrumental- und Gesangspädagogik (Waxmann Verlag).

Das Buch erschien im Juli 2023.


Exzellenz durch differenzierten Umgang mit Fehlern

Kreative Potenziale beim Musizieren und Unterrichten

In diesem Sammelband finden sich verschiedene Aufsätze, rund um den Umgang mit Fehlern. Es entstand im Rahmen des Symposiums „Exzellenz durch Umgang mit Fehlern“.

Der Sammelband erschien im Jahr 2012.


Die Kunst der Lehre - Waloschek, Gruhle

Die Kunst der Lehre

Ein Praxishandbuch für Lehrende an Musikhochschulen

In diesem Sammelband von Maria Anna Waloschek und Constanze Gruhle findet sich ein Aufsatze von Prof. Dr. Silke Kruse-Weber und Victoria Vorraber . Thema: Umgang mit Fehlern im Spannungsfeld zwischen Fehlerfreundlichkeit und Perfektionsstreben

Die Kunst der Lehre erschien 2022 und fasst damit einen sehr aktuellen Stand der Forschung zusammen.

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Prof. Silke Kruse-Weber lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

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Das Interview mit Silke Kruse-Weber

INHALT

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Sie….

Die Musik und mich umfassend erforschen.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei Ihnen gerade in Dauerschleife?

In Dauerschleife gibt es aktuell keine Musik. Aber Martha Argerich mit den Bach Sonaten für Violoncello und Klavier, bzw. im Original für Gambe, höre ich sehr sehr oft. Sie begleiten mich seit Jahrzehnten durch mein Leben.

Welche CD / Welcher Künstler*in hat Sie musikalisch (auf Ihr Spiel bezogen) am meisten geprägt ?

Um ehrlich zu sein gibt es hier eine Schallplatte, die ich als Konfirmandin geschenkt bekommen habe: Die Balladen von Frédéric Chopin mit Artur Rubinstein. Die g-Moll Ballade hatte es mir damals so angetan, dass ich Klavier studieren wollte.

Von der Musikerin zur Musikpädagogin

Sie haben zunächst Evangelische Kirchenmusik und später Klavier studiert. Und haben dann– wenn man so möchte – Ihre akademische Laufbahn mit einem Musikwissenschaftsstudium und einer Promotion in Musikpädagogik fortgesetzt. Daneben waren Sie lange Zeit auch weiter künstlerisch aktiv. Beides ist sehr zeitintensiv. Wie sah Ihr persönliches Üben über diese Zeit aus?

Als ich bereits mehrere Jobs innehatte, fand mein Üben zumeist in Blöcken statt. Für bestimmte Konzerte habe ich mich in den Monaten zuvor gezielt und intensiv vorbereitet. Aber es war nicht mehr das tägliche Üben direkt nach dem Aufstehen am Morgen, so wie es zuvor war. Das konnte es nicht mehr sein, da meine Zeit auch mit anderen Dingen ausgefüllt war.

Wie hat Ihr Üben von Ihrer Forschung profitiert?

Meine Forschungstätigkeiten sind erst seit ca 2000 im Rahmen meiner Dissertation dazugekommen. Allerdings, wenn ich jetzt erneut mit dem Musizieren anfangen sollte, dann würde dies ganz sicher Auswirkungen auf mein Üben haben.

Wie anders würden Sie heute üben?

Ich würde bewusster, noch spielerischer und weniger eng fokussierend auf nur ein bestimmtes Ziel üben. Viel mehr erforschen, was alles möglich ist. Kurz um: umfassender üben.

Wie haben Sie sich entschieden, die aktive musikalische Karriere für die wissenschaftliche einzutauschen? Gab es hierfür einen speziellen Anlass?

Das war in der Tat ein langer Prozess. Als ich damals noch Pianistin und Klavierlehrerin war, erhielt ich ein Stipendium für eine Promotion. Zunächst war dies ein externaler Grund diese sehr reizvolle Arbeit aufzunehmen. Gleichzeitig war ich zu dieser Zeit auch bereits Mutter und suchte nach Wegen, mein Leben weniger stressig zu gestalten. Ich hatte Probleme mit Aufführungsangst und wollte dies nicht so stark auf die Familie projizieren. Also suchte ich nach neuen Perspektiven.

Im Laufe der Zeit fand ich ein Dissertationsthema: es waren Schriften über das Lernen und Lehren im Klavierunterricht im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Zunächst verstand ich diese kaum, da ich nicht wusste auf was es zu achten galt. Wer ist wer? Was ist überhaupt wichtig? Mit der Zeit fand ich dann aber einen Zugang.

Gleichzeitig unterrichtete ich bereits und stellte fest, dass mir das Unterrichten (und auch das eigene Üben) viel mehr Spaß bereiten. Ich hatte zunehmend mehr „theoretische Brillen“, mit denen ich das Unterrichten begründen und beobachten konnte. Das hat mir nicht nur sehr viel Freude gegeben, sondern wirkte sich auch positiv auf die Schülerinnen und Schüler aus. Weiter und weiter habe ich mich dann zu einer Musikpädagogin transformiert und dies dann schließlich auch bis in die wissenschaftliche Arbeit ausgedehnt.

„Ich hatte zunehmend mehr „theoretische Brillen“, mit denen ich das Unterrichten begründen und beobachten konnte. Das hat mir nicht nur sehr viel Freude gegeben, sondern wirkte sich auch positiv auf die Schülerinnen und Schüler aus.“

Silke Kruse-Weber

Fehler im eigenen Üben (zu Hause)

Von Fehlerfreundlichkeit und Risikomanagement

Also man kann sagen, ein sehr persönlicher Beweggrund letztlich. Irgendwann hat sich Ihr Forschungsschwerpunkt auf das Themengebiet „Fehler“ ausgeweitet. Die naheliegendste Frage ist da natürlich: Was war Ihr letzter Fehler und wie sind Sie damit umgegangen?

Ich habe gerade vor fünf Minuten einen Fehler entdeckt (lacht).

Anlässlich dieses Podcasts habe ich in einem meiner Artikel geschaut und gesehen, dass dort ein Wort nicht stimmt. Nun gut, ich kann darüber inzwischen schmunzeln. Es regt mich nicht besonders auf, aber ich habe es festgestellt. Es lässt sich jetzt nicht mehr korrigieren. Ich denke aber, man versteht die Message dennoch.

Man könnte sagen, dass Sie also eine gute Gelassenheit mit der Zeit entwickelt haben. Wenn wir die Frage nun auf die Musik übertragen, stellen wir fest, dass an Hochschulen und im Musikunterricht oftmals das Prinzip „Fehlervermeidung“ praktiziert wird. Das überträgt sich dann logischerweise auf das eigene Üben zu Hause. Warum ist dieses Prinzip nicht förderlich?

Vor allem für das eigene Musizieren nicht förderlich. Es ist ein erster Schritt hin zur Entwicklung einer möglichen Auftrittsangst.

Wenn ich, wie ich es eingangs bereits geschildert habe, daraufhin übe keine Fehler mehr zu machen, wird der Spielraum, in dem ich musizieren kann, immer enger. Das löst Angst aus. Andererseits möchte man natürlich ein großartiges Ergebnis abliefern und freut sich, über ein gelungenes Konzert. Allerdings sind die Wege dorthin nicht linear.

Was sind Ihrer Meinung nach bessere Strategien, um im eigenen Üben mit Fehlern umzugehen?

Da gibt es viele Ansätze. Bekannt ist die sogenannte Fehlerfreundlichkeit bei der man sich mit Fehlern auseinandersetzt und Gelegenheiten bietet, sie zu verbessern.

Zur Vorbereitung einer Aufführung ist das sogenannte Risikomanagement wichtig. Das heißt, dass ich eine Aufführung nicht so plane, als dass sie ideal verläuft und ich mich nicht darauf vorbereite, welche Störfaktoren eintreffen könnten. Sondern im Gegenteil: Je mehr mögliche Störfaktoren ich mir kreativ im Vorfeld überlege und den Umgang mit ihnen beim Üben trainiere, desto emotional entspannter meine Haltung während der Aufführung.

Meine Klavierschüler*innen haben diese Art des Risikomanagement im Unterricht besonders geliebt. Eine kleine Anekdote dazu: Kurz vor einer Aufführung haben wir im Unterricht eine Aufführungssituation simuliert, bei der ich mit Papier geraschelt oder als Höhepunkt vom Klavier-Hocker gefallen bin. Die Schüler*innen sollten möglichst weiterspielen und sich nicht ablenken lassen.

Lassen Sie uns gerne hier einmal einsteigen. Den Effekt, auf den Sie hier gerade anspielen ist der sogenannte „Rumpelstilzchen-Effekt. In Ihren Büchern geben Sie noch weitere Störbeispiele, wie z.B. direkt nach dem Sport spielen (mit hohem Puls) oder mit verschiedenen Raumtemperaturen experimentieren.

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Fehlermanagement

Nicht den Fehler vermeiden, sondern die daraus resultierenden negativen Konsequenzen

Fehler sollten einfach, schnell und ohne Stress behoben werden. Nehmen wir das Beispiel einer Etüde, die wir gerade neu lernen. Im Erarbeitungsprozess verspielen wir uns in Takt 17. Wie würden wir nun im besten Fall vorgehen?

Fehlermanagement brauche ich dann, wenn ich mich auf der Bühne verspiele. Das bedeutet keine Grimassen machen, nicht aufhören, sondern einfach weiterspielen. Ein gutes Vorbild hierzu sind Expert*innen, die ebenfalls Fehler machen. Allerdings hört man sie nicht mehr so stark.

Im Erarbeitungsprozess eines neuen Stücks verhält es sich anders. Es gibt das deliberate practice. Darin teilt man das Stück in verschiedene Bereiche auf und schaut, welche Schwierigkeiten wo liegen.

Zum einen kann man sich harmonisch und satztechnisch mit der Fehlerstelle beschäftigen. Man kann sie in verschiedenen Varianten spielen. Man kann versuchen zu erforschen, wie man die Stelle bewegungstechnisch anders / besser musizieren kann. Auch die Frage, welche Aussage mit dieser Stelle getroffen werden soll, ist ein wichtiger Punkt. Also den Fokus auch auf die musikalische Intention legen und nicht nur auf die Bewegung.

Ich finde, man kann gar nicht oft genug betonen, wie wichtig dieses variantenreiche Üben ist. Können Sie erklären, warum dies so erfolgsversprechend ist?

Es gibt nicht nur ein Ziel, sondern es kommt darauf an, verschiedenes, also auch verschiedene Ziele und Foki zu explorieren. Es geht darum, weniger bewertend zu sein und nicht mehr EIN Richtig oder Falsch aufkommen zu lassen. Stattdessen werden die Spielräume geöffnet und im Hinblick auf eine Erweiterung exploriert. Wie könnte ich es spielen? Was will ich sagen? Wie könnte ich es anders spielen? was könnte ich noch ausprobieren? Das heisst es, umfassend zu üben und zu forschen. Die Folge ist, dass wir im Musizieren dann flexibler und emotional entspannter gegenüber sogenannten „Fehlern“ sind und kreativer mit Ihnen umgehen können, weil wir uns freier fühlen.

An dieser Stelle vielleicht kurz der Verweis auf das Interview mit Susan Williams, die in ihrem Buch „Optimal Üben“ mit den Spielkarten eine ähnliche Übe-Strategie vorschlägt. Ein typisches Gegenargument, dass sofort kommen könnte wäre, dass sobald man einmal einen Fehler eingeübt hat, es umso länger braucht, bis man ihn wieder überschrieben hat. Würde das nicht für eine sofortige Korrektur sprechen?

Man muss unterscheiden: wir sprechen nicht von einer gewissen Nachlässigkeit. Es gibt von Gerhard Mantel den schönen Ausdruck „Das Prinzip Hoffnung“ – also nur zu hoffen, dass es besser wird, muss unterschieden werden von einem bewussten und umfassenden Üben. Bei einem nachlässigen Üben können sich in der Tat Fehler einschleichen.

Fehler als Lehrkraft – Wie ermögliche ich Erfolg bei meinen Schüler*innen?

Wir haben den Fall ein Schüler, eine Schülerin oder im Hochschulkontext ein Student oder eine Studentin verspielt sich. Was wäre die beste Art zu reagieren als Lehrkraft? Sofort korrigieren, ignorieren und darauf setzen, dass der Schüler den Fehler sowieso selbst bemerkt hat?

Wenn Lernende aus Fehlern lernen sollen, dann müssen wir sie dazu aktivieren, selbst über ihre Fehler nachzudenken. Bei falschen Tönen habe ich meinen Klavierschülern mit dem sogenannten C-Turm eine gewisse Hilfestellung aufgebaut. Durch Fragen habe ich dann, vor allem die Anfänger-Kinder, hingeleitet, wie sie die richtige Tonhöhe finden können. Es ist wichtig, nicht sofort das Ergebnis zu verraten. Sonst ist ein Lernen aus Fehlern nicht möglich. Leider passiert dies immer noch viel zu häufig – besonders aus Zeitersparnisgründen.

Setzt das jeweils voraus, dass sich die Schüler*innen über ihren Fehler bewusst sein müssen?

Die Nachfragen funktionieren auch dann, wenn die Schüler*innen ihren Fehler vielleicht gar nicht selbst bemerkt haben. Natürlich: Je neuer man in einer Sache ist, desto weniger weiß man möglicherweise, welche Fehler man macht. Selbstverständlich muss ich ihnen dabei Orientierungshilfen an die Hand geben. Einen Weg zum Ziel, den sie spüren und nachvollziehen können.

Im Vorgespräch hatten wir kurz über die Podcast-Folge mit Prof. Eckart Altenmüller gesprochen. Auch bei ihm ist „spüren“ ein sehr wichtiger Punkt. Die Aufgabe von uns Musikpädagogen ist es daher, dieses „spüren“ bei unseren Schüler*innen im Unterricht erlebbar zu machen.

Zum Abschluss dieses Themenkomplexes hätte ich noch eine Nachfrage zum Bereich „Angst“. In ihrem Buch „Exzellenz durch differenzierten Umgang mit Fehlern“ beschreiben, Sie dass das richtige Maß an Angst auch durchaus etwas positives sein kann. Wie ist das gemeint?

Man sagt, dass ein mittleres Maß an Angst das Ideal ist. Bei einem zu geringen Grad an Anspannung ist man gelangweilt (zu wenig Erregung) und bei einem zu viel an Anspannung tritt Überforderung ein, die bis zur Aufführungsangst gehen kann.. .  

Grafik zu Yerkes Dodson Gesetz

Mehr Informationen dazu:

Robert M. Yerkes and John D. Dodson (1908): the relation of strength of stimulus to rapidity of habitformation. Journal of Comparative Neurology and Psychology, 18, 459-482.

Unterschiedliche Rollen der Lehrkraft

In Ihrer Literatur beschreiben Sie sehr ansprechend die verschiedenen Rollen einer Lehrkraft. Besonders gut hat mir der Vergleich Meister und Gärtner gefallen: Also der Lehrer wie ein Gärtner, der Rahmenbedingungen für seiner Schüler*innen schafft versus der Lehrer als Meister. Was steckt hinter diesen beiden Vergleichen?

Das sind zwei Rollen, die man als Lehrperson einnehmen kann. Und beide haben ihre Berechtigung. Es wird häufig polarisiert und gesagt, dass die Meister-Schüler-Lehrer vorbei sei und es nur noch die Ermöglichungsdidaktik geben sollte. Allerdings sind es bestimmte Momente, Stadien und Situationen, und vor allem die Bedürfnisse der Lernenden, die darüber entscheiden, welche Rolle ich einnehme.

Ich denke, dass wir schon weiterhin die Meisterin oder der Meister in unserer jeweiligen Domäne bleiben müssen. Zum Problem wird es, wenn man einseitig unterrichtet und nicht in der Lage ist diese Rollen zu wechseln.

Im Sinne der Ressourcenorientierung, wo man von Fehlern ausgeht, liegt es doch auch nahe auch den Lehrkräften diese Fehler zuzugestehen bzw. wäre es nicht sogar „förderlich“ – im Sinne von „ich verspiele mich selbst und zeige dir, dass Fehler völlig ok sind“?

Für mich klingt das komisch (lacht). Aber man muss sich gar nicht anstrengen, um sich zu verspielen. Das passiert von ganz allein. Es ist dann nur wichtig, mit diesen Situationen authentisch und offen umzugehen. Die Fehler also anzusprechen. Schülerinnen und Schüler mögen das.

„Es geht nicht um ein Automatisieren, sondern es geht darum sich intensiv mit der Musik auseinanderzusetzen und das Vertrauen darin zu haben, sie bestmöglich (nach seinen Möglichkeiten) vorbereitet zu haben. Es geht darum, eine Haltung zu entwickeln, die es mir ermöglicht auch während der Aufführung eine Gelassenheit und Flexibilität zu haben. Nicht nur meinen Fehlern gegenüber, sondern auch im Duktus des Werkes und der Musik.“

Silke Kruse-Weber

Fehler auf der Bühne

Passiert ein Fehler auf der Bühne, gibt es oft zwei unterschiedliche Umgangsformen, die man beobachten kann.

  • Ich verspiele mich und lasse mir anmerken, dass ich mich verspielt habe (denke weiter über den Fehler nach und verspiele mich in der Folger weiter)
  • Ich verspiele mich und sehe den Fehler als Motivation mich noch mehr anzustrengen

In Ihrer Literatur beschreiben Sie das erste Szenario als den sogenannten „Tausendfüßler-Effekt“…

Ja, der Tausendfüßler-Effekt kann passieren, wenn plötzlich eine Störung in einem vermeintlich automatisierten Ablauf auftritt. Wenn ich mich bspw. zu wenig umfassend (besonders auch kognitiv) mit einem Stück auseinandergesetzt habe, sind Blackouts nahezu vorprogrammiert, da ich das Stück nur motorisch gelernt habe.

Wenn Sie einen Tausendfüßler fragen, welchen Fuß er zuerst nimmt, kann er das plötzlich nicht mehr sagen. Beim Musizieren ist dies allerdings anders und daher ist auch die Vorbereitung so entscheidend. Besonders das wie wir üben.

Es geht nicht um ein Automatisieren, sondern es geht darum sich intensiv mit der Musik auseinanderzusetzen und das Vertrauen darin zu haben, sie bestmöglich (nach seinen Möglichkeiten) vorbereitet zu haben. Es geht darum, eine Haltung zu entwickeln, die es mir ermöglicht auch während der Aufführung eine Gelassenheit und Flexibilität zu haben. Nicht nur meinen Fehlern gegenüber, sondern auch im Duktus des Werkes und der Musik.

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Das Entscheidende ist also nicht nur das (motorische) Zusammenschütteln, wie wir eben besprochen haben, sondern das Werk zugleich auf vielfältige Weise kognitiv zu erfassen (harmonisch, historisch, satztechnisch…).

Genau. Dadurch lässt sich der Tausendfüßler-Effekt minimieren. Und vieles mehr. Man gewinnt Selbstwirksamkeit, insofern das Musizieren auf einem Durchdringungsprozess aller wesentlichen Parameter basiert.

Typisch ist beispielsweise, dass man sich nur die schweren Stellen anschaut und die vermeintlich leichten Stellen werden übersprungen. Das ist schade, denn genau dort kann der Tausendfüßler-Effekt auftreten.

Auf die folgende Frage widersprechen mir in den meisten Fällen meine Gäste. Ich würde allerdings wetten, dass Sie hingegen mir zustimmen würden: Das klingt nach einem sehr analytischen Vorgehen in der Vorbereitung auf ein Stück, oder?

Ich denke ja. Das Analytische ist wichtig.

Also eine Art „Fahrplan“ im Vorfeld zum Üben zu entwickeln ist durchaus sinnvoll?

Sie meinen, dass man sich dies vorher alles aufschreibt?

Nein, nicht zwangsläufig verschriftlichen – aber zumindest gedanklich einen Überblick im Vorfeld haben, bevor man an sein Instrument geht.

Sich im Vorfeld Ziele zu setzten und mögliche Wege dahin, das ist sehr wichtig. Noch wichtiger ist es allerdings sich im Nachhinein zu reflektieren, inwiefern die eigenen musikalischen Ziele erreicht wurden und wie ich mich dabei gefühlt habe. Dadurch verhindere ich zum Beispiel, dass sich ungünstige Bewegungen einschleifen.

Das Verschriftlichen dieses Prozesses ist nochmals eine größere Herausforderung. Ich habe dies einmal mit Studierenden versucht, die das sehr ungern gemacht haben. Jedoch haben einige im Nachhinein festgellt, wie hilfreich diese Arbeit war. In der Theorie ist dies von sehr großem Vorteil, allerdings wird es in der Praxis noch wenig umgesetzt. Möglicherweise steht hier noch ein Paradigmenwechsel vor uns…

Abschließend zum Thema: Gäbe es auch Ihrer Sicht einen Wunsch, wie sich die Fehlerkultur im Musikunterricht ändern sollte oder sehen Sie hier, dass sich bereits ein Wandel zum besseren vollzieht?

Ich denke ein Paradigmenwechsel hat bereits stattgefunden, jedoch ist er noch nicht überall angekommen. Es wird zunehmend mehr geforscht und es entstehen weiter Professuren für Instrumental- und Gesangspädagogik. In kleinen Schritten geht es vorwärts…

Wenn es einen Wunsch gibt, dann, dass die Polarisierung zwischen Theorie und Praxis weiter miniert wird und sie als etwas Zusammengehöriges begriffen werden.

Outro

Was lernen (üben) Sie gerade, was Sie noch nicht können? Gerne auch nicht musikalisch.

Kochen.

Welchen Tipp würden Sie Ihrem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Sie damals froh gewesen wären?

Es geht nicht um das wie viel des Übens, sondern um ein umfassendes und tiefgehendes Forschen.

„Es geht nicht um das wie viel des Übens, sondern um ein umfassendes und tiefgehendes Forschen.“

Silke Kruse-Weber

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Wie geht effektives Üben? https://what-is-practice.de/wie-geht-effektives-ueben/ https://what-is-practice.de/wie-geht-effektives-ueben/#respond Fri, 17 Nov 2023 10:29:00 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6168 Üben ist nicht gleich Üben. Das wissen wir alle. Aber was genau zeichnet effektives Üben aus? Die Wissenschaftlerin Susan Hallam hat hierzu viel geforscht und eine Definition vorgelegt. In diesem Artikel stelle ich vier Tipps und Tricks vor, wie richtiges Üben gelingt. Effektiv Üben heißt… Susan Hallam definiert effektives Üben als das, was uns zum… Weiterlesen »Wie geht effektives Üben?

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Üben ist nicht gleich Üben. Das wissen wir alle. Aber was genau zeichnet effektives Üben aus? Die Wissenschaftlerin Susan Hallam hat hierzu viel geforscht und eine Definition vorgelegt. In diesem Artikel stelle ich vier Tipps und Tricks vor, wie richtiges Üben gelingt.

Effektiv Üben heißt…

Susan Hallam definiert effektives Üben als das, was uns zum gewünschten „Endprodukt“ führt und zwar in so wenig Zeit wie möglich, ohne dabei negative Auswirkungen auf unsere langfristigen Ziele zu haben. Sehr frei übersetzt könnte man auch sagen: Effektives Üben ist eben das, was funktioniert, ohne uns dabei zu schaden (z.B. durch Antrainieren einer ungünstigen Haltung o.Ä.).

Effektives Üben ist eben das, was funktioniert, ohne uns dabei zu schaden.

Diese Definition zeigt, wie stark effektives Üben von unseren persönlichen und individuellen Fähigkeiten abhängt. Eine Übe-Strategie, die für Person 1 funktioniert, bewährt sich noch lange nicht in gleichem Maße für Person 2. Zum anderen wird jedoch auch deutlich, wie stark der Erfolg beim Üben von der Beschäftigung mit uns selbst abhängt. Was ist damit gemeint?

Um überhaupt einordnen zu können, wie effektiv meine Übe-Einheit war, muss ich mir vor dem Instrumentalspiel Gedanken über das machen, was ich erreichen möchte. Soll ein bestimmtes Lied gelernt oder eine schwere Passage gemeistert werden? Möglicherweise möchte man in der Übe-Einheit auch nur einen Lick in verschiedenen Tonarten spielen können. Wichtig ist, sich darüber im Vorfeld Gedanken zu machen. Noch wichtiger ist es dann allerdings, nach dem Üben selbstkritisch zu schauen, inwiefern die zurückliegende Übe-Einheit auf dieses Ziel eingezahlt hat.

Üben geht nicht mit dem Auspacken des Instruments los

Tipp 1: Der Fahrplan

Studien zeigen, dass es sogar in Musikhochschulen nicht immer gelingt, Studierenden effektive Übe-Strategien an die Hand zu geben, mit denen eine Weiterentwicklung der eigenen musikalischen Fähigkeiten möglich ist . Das betrifft vor allem die Länge unser Übe-Einheiten. Denn, was oftmals unterschätzt wird, ist das ein zu viel üben nicht nur gesundheitliche Folge (z.B. Verletzungen) haben kann, sondern auch negative Auswirkungen auf das gelernte Material hat (siehe: Penelope-Effekt).

Wichtig ist daher auch die kognitive Beschäftigung mit dem Stück:

  • Wo liegen schwierige Passagen, die mehr Aufmerksamkeit benötigen?
  • Wie teile ich schwierige Stellen sinnvoll unterteilen?
  • Wie kann ich eine schwere Stelle schneller spielen? (siehe: 2 zu 1 Technik)
  • Welche Funktion hat meine Stimme?

Unser Üben sollte daher nicht erst mit dem Auspacken des Instruments starten. Die kognitive Beschäftigung mit dem Stück (harmonisch, satztechnisch, historisch etc.) stärkt unser Üben ungemein. Ganz nebenbei können sie auch dabei helfen dem Tausendfüßler-Effekt vorbeugen – dazu mehr in der Podcast-Folge mit Prof. Dr. Silke Kruse-Weber.

Möglicherweise hilft es sogar, sich eine Art „Fahrplan“ zu notieren. Welche Passagen benötigen mehr Aufmerksamkeit? Welche Techniken stehen mir zur Verfügung. Bis wann möchte ich das Stück können?

Üben in Chunks

Tipp 2: Schwierige Stellen sinnvoll aufteilen

Ist eine Passage in einem neuen Stück schwierig zu spielen, ist eine gängige Vorgehensweise wiederholen, wiederholen, wiederholen. Effektiv ist dies allerdings nur bedingt. Forschungen aus anderen Fachrichtungen haben gezeigt, dass unser Kurzzeitgedächtnis nur einen begrenzten Speicherplatz hat. Ungefähr sieben „Items“ können darin zeitgleich gespeichert werden.

Für unser musikalisches Üben bedeutet das, dass wir die Länge der zu übenden Stelle (auch Chunk genannt) sinnvoll auswählen sollten. Möglicherweise empfiehlt es sich, die Phrasenlänge anfangs etwas kürzer zu wählen, bevor man sie in größere Chunks überführt. So meistert man nach und nach die einzelnen Schwierigkeiten, ehe die ganze Passage fehlerfrei spielbar ist.

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Üben ohne Ablenkung

Tipp 3: Aus den Augen, aus dem Sinn

In einer Studie beobachteten Wissenschafler*innen 260 Studierende beim Lernen. Im Schnitt wurden sie alle 6 Minuten von ihrem Smartphone oder Laptop aus der Konzentration gerissen. Besonders Social Media Benachrichtigungen sorgten dabei für regelmäßige Ablenkung. Das Smartphone in den Flugmodus zu schalten, sobald man mit dem Üben starten möchte, ist also bereits ein guter Start. Ich arbeite zudem gerne mit der Pomodoro-Technik und verbanne in diesen 25-Minuten Übe-Einheiten mein Handy ganz aus meiner Nähe. Sonst werden die kleinen, fünf-minütigen Pausen doch meist ungewollt länger…

Mini-Pausen während des Übens

Tipp 4: Die richtige Erholung für unser Gehirn

Eine Studie aus dem Jahr 2021 konnte zeigen, dass kleine Pausen von 10-Sekunden einen immensen Einfluss auf den Speichervorgang in unserem Gehirn und somit auch auf unseren Lernerfolg haben. 

Studie zur 10 Sekunden Pause

Wie man in der Abbildung deutlich sehen kann, fand der Lernerfolg ausschließlich in den 10-Sekunden Pausen statt. Nicht jedoch während der 10-Sekunden Übezeit. Im Gegenteil: Mit nachlassender Konzentration sank die  Fähigkeiten der Teilnehmer*innen die Aufgabe korrekt auszuführen. Um also effektiv zu üben, sind nicht nur die „großen“ Pausen wichtig. Zum richtigen Üben gehören auch kleine Mini-Pausen für unser Gehirn.

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Down the rabbit hole

Literatur

Hallam, Susan: What do we know about practising? Towards a model synthesising the research lit- erature, in: H. Jørgensen & A. Lehman (Hrsg.), Does practice make perfect? Current theory and research on instrumental music practice (pp. 179–231).

Susan Hallam,Tiija Rinta, Maria Varvarigou and Andrea Creech: The development of practising strategies in young people.

Hallam, Susan: What predicts level of expertise attained, quality of performance and future musical aspirations in young instrumental players? Psychology of Music.

Foto-Credit: Cristina Gottardi

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Buchtipp: Music – Step by Step https://what-is-practice.de/buchtipp-music-step-by-step/ https://what-is-practice.de/buchtipp-music-step-by-step/#respond Mon, 06 Nov 2023 14:22:11 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6113 Das Thema Audiation spielt im Podcast „Wie übt eigentlich..?“ spätestens seit der Folge mit Corinna Danzer eine wichtige Rolle. Das Konzept von Edwin E. Gordon ist eine Lern- und Unterrichtsmethode, die sich stark auf die Arbeit mit dem Gehör fokussiert. Die Idee: Musik lernen soll ähnlich dem Spracherwerb geschehen. Um Lehrkräfte hier mit weiterführenden Informationen… Weiterlesen »Buchtipp: Music – Step by Step

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Das Thema Audiation spielt im Podcast „Wie übt eigentlich..?“ spätestens seit der Folge mit Corinna Danzer eine wichtige Rolle. Das Konzept von Edwin E. Gordon ist eine Lern- und Unterrichtsmethode, die sich stark auf die Arbeit mit dem Gehör fokussiert. Die Idee: Musik lernen soll ähnlich dem Spracherwerb geschehen. Um Lehrkräfte hier mit weiterführenden Informationen und dem entsprechenden Unterrichtsmaterial auszustatten, empfiehlt sich ein Blick in „Music – Step by Step“ von Werner Jank und Gero Schmidt-Oberländer (Hrsg.).

*Affiliate Link: Wenn du das Buch über diesen Link kaufst erhalte ich 5% Provision. Für dich bleibt der Preis gleich – allerdings unterstützt du damit ganz automatisch meine Arbeit. Vielen Dank also! 🙂

Audiation in der Sekundarstufe 1

Das Handbuch für Lehrpersonen gliedert sich in vier große Bereiche:

  • Bereich A: Metrische Kompetenz
  • Bereich B: Rhythmische Kompetenz
  • Bereich C: Tonale Kompetenz
  • Unterrichtsvorhaben

Ergänzt wird die Publikation durch eine Gebrauchsanleitung sowie einen umfangreichen Anhang.

Besonders die Bereiche A, B und C überzeugen durch ihre klare Struktur und ihren guten Aufbau. Die einzelnen Bereiche unterteilen sich jeweils nochmal in Bausteine, die detailliert die Übungen vorstellen und Anleitungen für den Unterricht geben. Jeder Baustein steigert sich in seiner Schwierigkeit. Notenbeispiele sind selbstverständlich ebenfalls inklusive. Mir hat jeweils gut gefallen, dass jedes Kapitel weitere Literaturempfehlungen gibt. Sofern man sich noch intensiver mit den einzelnen Bereichen beschäftigen möchte.

Gebrauchsanleitung für Quereinsteiger*innen

Gerade für Instrumentalpädagog*innen, die neu in die Schullaufbahn einsteigen, überzeugt die Gebrauchsanleitung für das Handbuch. Neben 12 Tipps, die sich an dem Konzept der Audiation orientieren (z.B. Tipp 4 „Sound before Sight“) existiert für die Sekundarstufe 1 auch eine langfristige Planung für den Unterrichtsaufbau sowie eine Empfehlung für die Gliederung einer Einzelstunde.

Fazit

Das Konzept der Audiation ist ungemein wertvoll – ganz unabhängig davon, welche musikalische Laufbahn Schüler*innen anstreben. Daher finde ich „Music – Step by Step“ eine sehr große Bereicherung für den Musikunterricht in der Sekundarstufe 1 (selbstverständlich gibt es auch ein Äquivalent für die Sekundarstufe 2). Lediglich die Auswahl der Lieder hätte gerne etwas moderner sein dürfen. Allerdings haben viele Unterrichtswerke für Kinder und Jugendliche dieses Problem. In „Music – Step by Step“ dominieren Traditionals („What shall we do with the drunken sailor“) und Eigenkompositionen. Natürlich eignen sie sich perfekt für die angestrebten Ziele der Unterrichtsbausteine – baut die Audiation generell viel auf Pattern-Stücke. Positiv hervorzuheben sind an dieser Stelle allerdings die vielen klassischen Werke (z.B. Mozarts Rondo alla Turca). Dank des klaren Aufbaus und der sehr guten Einführung profitieren Quereinsteiger*innen ebenso wie studierte Pädagog*innen für den Musikunterricht.

Auf einen Blick

Music Step by Step Cover

Sprache: Deutsch
Verlag: Helbling Verlag
Umfang: 304 Seiten
Für wen: Musiklehrer*innen
Sonstiges: 

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Wie geht Jazz-affines Unterrichten, Corinna Danzer? https://what-is-practice.de/wie-geht-jazz-affines-unterrichten-corinna-danzer/ https://what-is-practice.de/wie-geht-jazz-affines-unterrichten-corinna-danzer/#comments Wed, 30 Aug 2023 09:41:25 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6019 Corinna Danzer hat 2023 den Hessischen Jazz Preis gewonnen. Im Podcast habe ich mit ihr über Jazz-affines Unterrichten, Music Learning Theory von Edwin Gordon und Motivation an schlechten Tagen gesprochen.

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Corinna Danzer ist Musikerin, Pädagogin und Musikvermittlerin, die gerade mit dem Hessischen Jazzpreis 2023 ausgezeichnet wurde. Nachdem sie erst mit 21 Jahren zur Musik kam ging sie – wie sie selbst sagt – die Jazz-Geschichte einmal rückwärts durch. Während des Studiums hat sie dann natürlich versucht ihre geringe Spiel- und Übe-Praxis möglichst schnell aufzuholen und entwickelte dabei ein paar interessante Strategien. 

Auch in ihrem Unterricht verfolgt sie eine sehr besondere Methode, angelehnt an die Music Learning Theory von Edwin Gordon. Dazu habe ich auf dem Blog bereits einen Artikel veröffentlicht. So lernen ihre Schülerinnen und Schüler ganz spielerisch Melodien nach Gehör und wagen bereits sehr früh erste Improvisationsversuche. Jazz-affines Unterrichten eben. Heute fällt ihr manchmal der Einstieg ins eigene Üben schwer – wer kennt es nicht. Aber auch hierfür hat sie ein paar gute Tipps parat, um sich selbst zu überlisten. Seid also gespannt.

Corinna Danzer mit Saxofon
Corinna Danzer (Foto: Katrin Schander)

Mehr Informationen zu Corinna Danzer

Webseite: www.corinnadanzer.de

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Corinna Danzer lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

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Das Interview mit Corinna Danzer

Inhalt

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

Das ist ein sehr komplexes Thema -aber vielleicht in drei Stichwörtern: meine Ruhe haben; Zeit haben; nur das Instrument und ich.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife?

Nein, aktuell nicht. Das war früher eher so. Allerdings gibt es ein paar Musiker, auf die ich immer wieder zurückkomme: Wayne Shorter, Miles Davis. Vor allem Shorter – besonders die Platten aus den 1960er Jahren, gemeinsam mit Herbie Hancock und Tony Williams.

Im Moment höre ich gerade für ein Swing-Projekt ein Stück von einer Frau heraus: Irene Higginbotham „The Bottle is empty“. Inzwischen versuche ich bei meinen Projekten vermehrt darauf zu achten, auch die weiblichen Anteile in der Jazz-Geschichte sichtbar zu machen.

Das ist auf jeden Fall ein sehr wichtiges, und auch populäres, Thema. Ich nenne hier immer gerne Melba Liston als Beispiel, die unter anderem viel für Count Basie geschrieben hat. Du hattest eben bereits Wayne Shorter angesprochen – würdest du sagen, dass er zu den Künstlern gehört, die dich auf dein Spiel bezogen am meisten geprägt haben?

Ich wünschte man würde diesen Einfluss noch mehr hören (lacht).

Gibt es möglicherweise einen anderen Hero, den du früher häufig transkribiert hast?

Transkribieren und Licks üben ist tatsächlich ein wunder Punkt bei mir. Ich habe damals in den 1980er mit 21 Jahren, also sehr spät, mit dem Saxofon spielen angefangen. Damals war in der Göttinger Szene, wo ich herkomme, die Ansicht sehr verbreitet gewesen, dass man niemals andere Musiker kopieren sollte. Diese Haltung hat sich bei mir sehr stark eingeprägt. Im Nachhinein bereue ich dies allerdings, da ich diese Zeit natürlich nicht wieder aufholen kann und daher viel zu wenig transkribiert und Licks geübt habe.

Ich habe in einem Interview mit dir gehört, dass dein erster Berührungspunkt mit dem Jazz ein Free Jazz Konzert war. Ist diese Einstellung auch dadurch geprägt gewesen?

Nein, tatsächlich nicht. Ich bin letztlich die Jazz-Geschichte rückwärts gegangen.

Du sprichst gerade das „Gunter Hampel“-Meeting in Göttingen an. Das war wirklich ein krasser Zufall. Er lief mir in der Fußgängerzone entgegen und ich fand ihn einfach schön. Ein langer, schlaksiger Mann mit grauen Locken. Als ich dann ein paar Meter weitergelaufen bin, sah ich ein Plakat von ihm, dass er dort wohl gerade angebracht hatte. Ich bin anschließend in den nächsten Plattenladen und hörte mir eine seiner Alben („Birth records“) an. Ich fand es allerdings schrecklich. Trotzdem bin ich auf sein Konzert gegangen und war geflashed von ihm und seiner Band. Mir war dann relativ schnell bewusst, dass die Musiker dort das Konzert komplett frei improvisierten. Daraufhin bin ich auf jedes Jazz Konzert in der Region.

„Erst durchs Selbstspielen habe ich dann später begriffen, dass es im Jazz eine Liedform gibt, die sich wiederholt. Und, dass die Melodie mit der Harmonie zusammenhängt. Erst dann konnte ich das auch hören.“

Corinna Danzer

Nach drei Jahren wollte ich dann wissen, was in den Köpfen der Musiker vorgeht, während sie spielen. Das war der Grund, warum ich mit dem Saxofon spielen angefangen habe.

Erst durchs Selbstspielen habe ich dann später begriffen, dass es im Jazz eine Liedform gibt, die sich wiederholt. Und, dass die Melodie mit der Harmonie zusammenhängt. Erst dann konnte ich das auch hören.

Das möchte ich heute früher an meine Schülerinnen und Schüler vermitteln. Um ihnen diese Liedform (und das dazugehörige Akkordschema) verständlich zu machen, mache ich immer ein einfaches Experiment: Wir singen dazu „Alle meine Entchen“ und ich sage ihnen, dass sie automatisch Akkorde zur Melodie hören. Natürlich glauben sie mir das nicht. Wir singen daraufhin das Stück und ich begleite mit falschen Akkorden am Klavier die Melodie. Alle stellen natürlich sofort fest, dass das nicht passt. Wenn ich dann die „richtigen“ Akkorde spielen, merken sie, dass sie genau diese Harmonien im Ohr hatten.

Dein Übe-Alltag

Du bist Musikerin, Pädagogin, Musikvermittlerin – auf diesen Teil möchte ich gern später noch genauer eingehen. Kannst du uns zuerst mal mitnehmen in einen typischen Übe-Alltag von dir?

Ehrlich oder unehrlich? (lacht)

Gerne ehrlich.

Möglicherweise bin ich die Erste in deinem Podcast, die nicht mehr gut und strukturiert übt. Ein typischer Alltag ist, dass ich meist zu wenig übe und oft Schwierigkeiten habe, meinen inneren Schweinehund zu überwinden. Allerdings gelingt es mir ihn zu besiegen, in dem ich mir selbst sage, dass ich nur mal eben spielen gehe. Meist lege ich mir dann ein Aebersold-Playalong auf und improvisiere dazu.

Nach ein paar Minuten merke ich dann, wo es klemmt und welche Dinge ich gern vertiefen möchte: z.B. Sound, Timing oder ein Pattern, dass ich mir gefallen hat und, das ich in andere Tonarten transponiere. Sehr schnell überlege ich dann, welche Gigs demnächst anstehen und ich versuche die Inhalte zu kombinieren. Dann bin ich im Üben angekommen. Also eine Mischung aus lustgeleitetem und planvollem Üben.

Früher hatte ich dagegen einen sehr strukturierten Übe-Plan.

„Nachdem ich ein paar Jahre wenig effizient geübt habe, habe ich eine Mindmap erstellt, auf der ich aufgeschrieben habe, was alles zum guten Saxofon spielen dazugehört. Dort habe ich alles notiert, was mir eingefallen ist.“

Corinna Danzer

Wie hat dieser Plan früher ausgesehen? Hast du zum Beispiel Übe-Tagebuch geschrieben?

Ja, ich habe Zettel geschrieben, sie dann allerdings meist wieder verworfen. Dennoch war es wichtig diese Zettel geschrieben zu haben.

Nachdem ich ein paar Jahre wenig effizient geübt habe, habe ich eine Mindmap erstellt, auf der ich aufgeschrieben habe, was alles zum guten Saxofon spielen dazugehört. Dort habe ich alles notiert, was mir eingefallen ist: Artikulation, Atmung, Zunge, Griffe, Stücke…

Mind Map zu gutem Instrumentalspiel
Auch ich habe mich mal an einer Mind Map versucht. Alle Punkte lassen sich natürlich noch beliebig ergänzen. Was fällt euch noch ein?

Ich habe diese Punkte in drei Felder gegliedert: eine mentale und eine motorische Seite.

Zur mentalen Seite gehören die Felder Gehörbildung, Harmonielehre, Rhythmik, etwas erfinden können.

Die motorische Seite bildet dann Geläufigkeit, Ideen umsetzen können, Atmung, Zunge etc.

Die dritte Säule war dann „the real stuff“ wie Repertoire, wie trete ich auf, wie baue ich ein Solo auf, wie baue ich ein Set auf.

Für alle diese Punkte habe ich mir anschließend überlegt, wo ich dort aktuell stehe und was ich machen muss. Daraus habe ich dann Übe-Pläne geschrieben, die natürlich viel zu lang waren. Dennoch war es extrem wichtig sie als Leitplanke im Kopf zu haben. Dadurch konnte ich effektiver üben.

Ich habe mir beim Üben ein zeitliches Limit vorgegeben, in denen ich bestimmte Dinge gemacht habe. Zum Beispiel 2 Minuten (ohne Ablenkung) Töne aushalten, oder 10 Minuten alle Major-Arpeggios. Anstatt zu sagen „ich übe jetzt mal Major-Akkorde“ hat mir diese Herangehensweise sehr geholfen.

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Jazz-affines Unterrichten

Das kommt dir sicher ja heute bei deinem eigenen Unterrichten sehr gute, weil du weißt, wie kleinteilig du mit Schüler*innen werden musst. Du hast in dem oben bereits angesprochenen Interview beim HR zum „Welt-Jazz-Tag“ deinen pädagogischen Stil als „jazzafines Unterrichten“ bezeichnet hast? Wie kann man sich das vorstellen?

Oftmals ist das Ziel von „klassischem“ Musikunterricht einen „reproduzierenden Musiker“ auszubilden. Das bedeutet, dass man gleichzeitig zum Instrument auch die Notation lernt. Natürlich ist das nur wenig Jazz förderlich.

Das führt uns zu Edwin Gordon und Music Learning Theory (MLT) und Audiation. Also die Leitplanke, dass Musiklernen wie das Lernen unserer Muttersprache erfolgen kann. Hier gibt es sehr viele Parallelen. Gerade für den Jazz ist es sehr viel naheliegender und förderlicher auf diese Art und Weise die Musik zu lernen: Hören, experimentieren und imitieren.

Was ebenfalls dazugehört ist, von Anfang an zu improvisieren (mithilfe von kleinen Pattern-Stücken) und Synkopen zu spielen. Im klassischen Unterricht werden besonders Synkopen erst spät eingeführt, da sie schwer zu lesen sind. Daraus folgt, dass man lange Zeit Melodie spielt, die wenig animierend für die Schüler*innen sind und auch weit weg von ihren Hörgewohnheiten. Alle Kinder hören Synkopen. Dadurch, dass ich ohne Noten am Anfang arbeite, kann ich gleich von Beginn an Synkopen in meinen Unterricht integrieren.

Also was macht Jazz förderlichen Unterricht aus? Keine Noten im ersten Jahr (natürlich gibt es auch Ausnahmen), swingig, Synkopen und improvisieren. Und ganz wichtig: singen first – und zwar alles. Auch Akkorde.

Jetzt sind wir ja mittendrin in der Music Learning Theory von Gordon. Das heißt du verfolgst dieses Konzept „sound before sign“ sehr stringent und gibst deinen Schüler*innen im gesamten ersten Jahr keine Noten?

Ähm, ja. (lacht)

Ich setze die Lehre nicht so streng um, wie sie damals von Gordon erdacht wurde. Bei mir läuft vieles parallel. Das bedeutet, dass die Kinder bereits Stücke lernen, die sie noch nicht audiieren können. Dennoch zieht sich der rote Faden von Gordon durch meinen gesamten Unterricht. Besonders durch die Pattern-Arbeit, sowohl tonal als auch rhythmisch.

Was die Arbeit mit Noten angeht, nutze ich oftmals Gedächtnisstützen und notiere meinen Schüler*innen die Tonnamen. Bei älteren Schüler*innen kann man alternativ auch sehr gut mit Playalongs arbeiten.

„Hören, experimentieren und imitieren.“

Corinna Danzer

Nutz du Audiation auch selbst für dein eigenes Üben? Du hast am Anfang ja erwähnt, dass dein Üben oft mit Improvisation beginnt und du dann Pattern, die dir gefallen in andere Tonarten überträgst. Audiierst du diese dann jeweils?

Vielleicht sollten wir zunächst mal klären, was audiieren genau meint. Audiieren ist ja mehr als nur Voraushören, sondern schließt gleichzeitig auch das Verstehen mit ein. Was die MLT damit meint, ist den Kontext der Musik zu begreifen.

Ein Beispiel: Du erkennst (hörend) und kannst benennen in welcher Tonalität wir uns befinden (Dur oder Moll oder phrygisch, lokrisch etc.) und du erkennst, auf welcher Stufe die Melodie anfängt, z.B. auf der 5. Stufe (so) der Tonleiter. Rhythmisches verstehen meint dann, dass man immer weiß, wo die 1 ist und in welcher Taktart wir uns befinden.

Ein guter Test hierzu ist, „Happy Birthday to you“ in Moll zu singen. Kann man das, ist das Musik-Verstehen nach Gordon.

„Also was macht Jazz förderlichen Unterricht aus? Keine Noten im ersten Jahr (natürlich gibt es auch Ausnahmen), swingig, Synkopen und improvisieren. Und ganz wichtig: singen first – und zwar alles. Auch Akkorde.“

Corinna Danzer

Nutzt du diese Techniken dann für dein eigenes Üben?

Ja, natürlich.

Du singst dir dann alles vor?

Das ist eine meiner liebsten Übungen. Und auch nicht nur Melodien, sondern auch Akkorde. Das ist auch etwas, das ich bereits vor meinem Studium verstanden habe.

Während meines Schulmusik-Studiums in Oldenburg hatte ich einen langen Weg zur Hochschule. In dieser halben Stude Fußweg habe ich geübt, Walking-Bass-mäßig, Stücke auswendig zu lernen durch singen. Wenn ich mir dann an einer Stelle unsicher war, habe ich mich an der Hochschule dann direkt ans Klavier gesetzt und diese Stelle geübt.

Ich kam hierauf, als ich feststellte, dass besonders die Rhythmusgruppen-Kollegen viel seltener aus der Form geflogen sind, als wir Bläser. Das ist natürlich logisch, wenn man sich überlegt, dass sie die Form nicht nur 2–3-mal spielen sondern 20-mal. Also wusste ich, dass ich auch 20-mal die Form durchgehen musste. Am Saxofon später dann auch.

In meinem Unterricht mache ich das meinen Schüler*innen bereits sehr früh klar.

Hessischer Jazz Preis & Musikvermittlung

Du hast im März diesen Jahres den Hessischen Jazz Preis erhalten – dazu nochmal ganz herzlichen Glückwunsch. Und du hast diesen Preis nicht nur als Instrumentalistin erhalten, sondern auch für deine Rolle als Musik- und natürlich besonders als Jazz-Musikvermittlerin – in dem du dich bereits seit mehr als 20 Jahren engagierst. Woher kommt die Leidenschaft dich gerade hier so einzubringen? Die Musikvermittlung – gerade im Jazz – ist noch ein sehr wenig bekanntes Feld und eher junges Feld oder?

Ich glaube, du täuschst dich. Es gibt schon seit einger Zeit, auch im Jazz, Musikvermittlungsprojekte. Allerdings nur sehr wenige. Ich war auf sehr vielen dieser Kinderkonzerte – und auch in der Klassik sind sie immer nach dem gleichen Muster aufgebaut. Damit war ich nie ganz zufrieden.

Oft funktionieren sie so, dass eine Geschichte erzählt wird, die als roter Faden durch das Konzert führt. Danach richten sich die ausgewählten Stücke. Im Wechsel hören die Kinder dann die Geschichte mit der Musik. Gerade bei den Kinder-Jazzkonzerten fand ich oft die Geschichte sehr ablenkend. Ich als Kind hätte viel lieber gewusst, wie die Geschichte nun weiter geht, als der Musik zu lauschen. Dazu kommt, dass die Musik die dort gespielt wurde, meist kein Jazz war (Sting, Stevie Wonder). Das hat mir nicht gereicht.

Daraufhin habe ich mit einer Freundin und Kollegin, Ulrike Schwarz, gemeinsam überlegt, was wir gern anders machen würden und folgende vier Punkte festgelegt: „echte“ Jazz-Stücke; keine ablenkende Kinder-Geschichte, sondern wenn eine Geschichte erzählt wird, dann sollte sie um die Musik sich drehen; Bildungsauftrag. Und der vierte Punkt war, dass die Kinder Teil des Konzerts sein sollten. Das war besonders Ulrike Schwarz wichtig. So kam es zu unserem Projekt „Jump into Jazz“.

Das zweite Vermittlungsprojekt heißt „Harlem am Main“. Dort geht es um die Swing Jugend in Frankfurt während der Nazi-Zeit.

Dazu gibt es auf deiner Homepage auch ein spannendes Video, in dem ein paar Ausschnitte daraus gezeigt werden. Lass uns zu den letzten beiden Fragen kommen: Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst?

Im Moment lerne ich gerade freies spielen. Meine neue Einspielübung ist „einfach reinblasen und schauen, was kommt“. Auch mit Klappengeräuschen etc. und damit versuchen einen Spannungsbogen von 2-3 Minuten zu erzeugen.

Das andere sind Odd-Meter und Polyrhythmen. Besonders 7er oder 11er Rhythmen mit ihren ungewöhnlichen Aufteilungen. Davor habe ich mich lange Zeit gedrückt.

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst ?

Transkribieren und Licks üben. Keine Angst davor haben, dass wir alle gleich klingen. Darauf kam ich viel zu spät. Es ist völlig in Ordnung zu kopieren und zu imitieren.

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Vortragsreihe gestartet https://what-is-practice.de/vortragsreihe-gestartet/ https://what-is-practice.de/vortragsreihe-gestartet/#respond Wed, 19 Jul 2023 22:18:51 +0000 https://what-is-practice.de/?p=5961 Im Podcast möchte ich mit meinen Interview-Gästen übers Üben ins Gespräch kommen. Die Erkenntnisse über Methoden und Techniken möchte ich nun ebenfalls mit euch teilen. Live und vor Ort - im Workshop "Das Üben der Meister".

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Das Üben der Meister

Wir verbringen im Laufe unserer Musiker*innen-Karriere unzählige Stunden mit unserem Instrument. Und auch, wenn die 10.000 Regel von Ericsson inzwischen in Teilen widerlegt ist, so trifft sie doch einen wahren Kern. Niemand kommt ohne Üben aus. Umso erstaunlicher ist es, wie wenig wir uns aktiv über dieses wichtige Thema austauschen.

Mit dem Podcast „Wie übt eigentlich..?“ habe ich vor 2 Jahren den Versuch gewagt dies zu ändern. Gemeinsam mit meinen Interview-Gästen wollte ich übers Üben ins Gespräch kommen und andere dazu einladen, dies ebenfalls zu tun. Beim Schneiden und Transkribieren der Folgen stelle ich immer wieder fest, wie sehr der Übe-Alltag von der Musiker-Biografie beeinflusst ist. Je nach Anforderungsprofil des Jobs, fällt auch der Übe-Alltag „sportlicher“ oder „freier“ aus. Ein Beispiel?

Mein Interview-Gast Peter Laib berichtete, dass für ihn Üben auch bedeutet, immer wieder das Gleiche zu tun. Dieser repetitive Charakter des Übens spiegelt sich natürlich auch in seinen täglichen Herausforderungen wieder.

Ausschnitt aus der Präsentation „Das Üben der Meister“

Die Vortragsreihe „Das Üben der Meister“ möchte jedoch nicht nur diese Verknüpfungen aufzeigen. Viel eher möchte ich ausgewählte Übe-Techniken meiner Interview-Gäste vorstellen und die zugrundeliegende (wissenschaftliche) Methode dahinter vorstellen.

Erste Station: Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz

Kurz vor dem Start der Sommerferien durfte ich Station im Landesmusikgymnasium Rheinland-Pfalz in Montabaur machen. Gemeinsam mit dem dortigen Kollegium wagten wir den Versuch und entwickelten eine praxisnahe Definition des Übens. Grundlage: Antworten meiner Gästen aus mehr als 20 Podcast-Folgen.

Präsentation „Das Üben der Meister“

Die 6 Bestandteile dieser Definition (Zeit, Spüren, Individualität, Struktur, Spaß, Selbständigkeit) bildeten den roten Faden meines Impuls-Vortrags. Ausgehend davon widmeten wir uns in Exkursen dem Bewegungslernen, der Lernpsychologie und Motivationskonzepten.

Nach einer Stunde Vortrag, und gut gestärkt aus der Mittagspause, begann mit der Gruppenarbeit der praktische Teil des Vortrags. In Kleingruppen erarbeiteten wir strategisch gute Übe-Ziele, die langfristig motivieren. Darüber hinaus schauten wir uns an, wie sich das Üben am besten auf- und einteilen lässt. Dabei bedienten wir uns aus Erkenntnissen aus ganz verschiedenen Disziplinen, wie Sport- oder Wirtschaftswissenschaften.

Auf Theorie folgt Praxis

Um ein gutes Übe-Ziel zu formulieren hilft die S.M.A.R.T. Formel. Sie besagt, dass man sich leichter zur Umsetzung eines Ziels motivieren kann, wenn es diesen fünf Kriterien entspricht:

  • spezifisch
  • messbar
  • attraktiv
  • realistisch
  • terminiert

Aus den verschiedenen Sichtweisen (Schüler*innen & Lehrer*innen-Perspektive) haben wir gemeinsam geschaut, wie solche Ziele formuliert sein könnten. Dies erleichterte nicht nur den Einstieg in eine Diskussion, sondern motivierte einzelne Kolleg*innen sogar, diese Genauigkeit mit in die kommende Stunde zu nehmen.

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