Psychologie | https://what-is-practice.de/tag/psychologie/ BLOG Fri, 18 Oct 2024 13:33:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://what-is-practice.de/wp-content/uploads/2020/06/cropped-logo-wip-bunt-32x32.png Psychologie | https://what-is-practice.de/tag/psychologie/ 32 32 Wie geht Üben mithilfe der Dispokinesis, Angelika Stockmann? https://what-is-practice.de/wie-geht-ueben-mithilfe-der-dispokinesis-angelika-stockmann/ https://what-is-practice.de/wie-geht-ueben-mithilfe-der-dispokinesis-angelika-stockmann/#respond Wed, 25 Jan 2023 10:45:18 +0000 https://what-is-practice.de/?p=5565 Dispokinesis ist eine besondere Körperarbeits-Methode, die Musiker*innen unterstützt ihre Möglichkeiten vollständig auszuschöpfen. Angelika Stockmann unterrichtet diese Methode seit 30 Jahren.

Der Beitrag Wie geht Üben mithilfe der Dispokinesis, Angelika Stockmann? erschien zuerst auf what is practice.

]]>

Angelika Stockmann studierte Cello an der Folkwang Hochschule in Essen. Seit über dreißig Jahren arbeitet sie zudem auch als Dispokinetikerin mit eigener Praxis und hilft Musikerinnen und Musikerin mit fokaler Dystonie, Ausdruckshemmungen oder anderen Formen von Überblestatungssyndromen. Im letzten Jahr hat sie ein wunderbares Buch veröffentlicht, in dem sie ihre Erfahrungen zum Thema Üben ausführlich zu Papier gebracht hat. Es trägt den passenden Titel: Üben hilft eben doch*. 

Als ich das Buch zu Ende gelesen hatte, wusste ich sofort, dass ich Angelika Stockmann gerne als Gästin im Podcast begrüße möchte und ich bin sehr froh darüber, dass sie meiner Einladung sofort gefolgt ist. Wir haben über das richtige und gute Üben gesprochen, darüber wie man es schafft loszulassen und nicht zu viel zu machen und natürlich wie die Dispokinesis hier helfen kann.

*Affiliate Link: Wenn du das Buch über diesen Link kaufst erhalte ich 5% Provision. Für dich bleibt der Preis gleich – allerdings unterstützt du damit ganz automatisch meine Arbeit. Vielen Dank also! 🙂

Angelika Stockmann (Dispokinesis-Trainerin)
Angelika Stockmann (Foto: Katarzyna Salamon)
Üben hilft eben doch - Buch Angelika Stockmann
Üben hilft eben doch – Angelika Stockmann

Mehr Informationen zu Angelika Stockmann:

Webseite: http://www.dispokinesis-praxis.de

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Angelika Stockmann lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

Spotify

Apple Podcast

Apple Podcasts

YouTube

Das Interview

Übersicht

Vervollständigen Sie folgenden Satz: Üben heißt für Sie….

Erstmal möchte ich vorausschicken, dass ich sehr gerne übe. Üben heißt für mich spüren, was gerade ist. Sowohl was mein Instrument als auch mein Körper betrifft, um es dann im zweiten Schritt beeinflussen zu können. Üben heißt also auch für mich zu gestalten, beeinflussen und möglicherweise sogar zu verändern. Daraus entsteht dann ein intensives Selbstgespräch, weshalb ich es liebe zu üben.

Am Ende steht dann eine Vorstellung, die mir hilft, am nächsten Tag nicht am gleichen Punkt erneut anzufangen. Es gibt also eine Erinnerung in mir, wenn ich mit diesem Spüren übe.

Das mit dem Selbstgespräch ist ein interessanter Aspekt, der auch im Buch oft vorkam. Darauf werden wir sicher im Verlauf nochmal zu sprechen kommen. Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei Ihnen gerade in Dauerschleife?

Aktuell gerade nichts. Aber es gab eine Zeit, in der ich viel die Händel Cembalo Suiten gehört habe. Besonders die in D-Moll hat es mir besonders angetan.

Welche CD hat Sie musikalisch (auf Ihr Spiel bezogen) am meisten geprägt?

Nein, den gibt es nicht. Ich wusste ja, dass Sie mir diese Frage stellen werden (lacht) und bin dem deshalb etwas nach gegangen. Im Nachhinein würde ich sagen, dass mich mein erster Cello-Lehrer in der Art und Weise, wie er mit Musik umging, sehr geprägt hat.

Es gibt die schöne Episode, als er mir mal im Sommer sagte, dass üben wichtig und richtig sei, ich aber auch mal entspannen sollte. Mich unter einen Baum legen und ein Buch lesen solle. Daraufhin habe ich (damals gerade 14 Jahre alt) ihn gefragt, was ich denn lesen könne. Sie werden es nicht glauben: Er empfahl mir der Glöckner von Notre Dame. Ich hatte keine Vorstellung davon, was das ist. Erst viel später habe ich verstanden, was er damit erreichen wollte. 

„Üben heißt für mich spüren, was gerade ist. Sowohl was mein Instrument als auch mein Körper betrifft, um es dann im zweiten Schritt beeinflussen zu können. Üben heißt also auch für mich zu gestalten, beeinflussen und möglicherweise sogar zu verändern.“

(Angelika Stockmann)

Die Besonderheit der Dispokinesis – die Geschichte von Gerrit Onne van de Klashorst

Eine schöne Geschichte. Sie können glücklich sein, früh einen Lehrer gehabt zu haben, der Musik als etwas ganzheitliches begreift und nicht nur die technische Perfektion sieht. Nach Ihrem Cello-Studium haben Sie eine Ausbildung in Dispokinesis begonnen und arbeiten seit mehr als 30 Jahren in eigener Praxis als Dispokinetikerin. Über die Jahre haben Sie darüber hinaus auch einige Lehraufträge an deutschen Musikhochschulen wahrgenommen.

Können Sie in ein paar Sätzen erklären, was Dispokinesis ist und wie es Musiker*innen helfen kann?

Vielleicht ist es hierfür am besten, den Werdegang des Begründers der Dispokinesis, Gerrit Onne van de Klashorst, zu skizzieren. Van de Klashorst war Pianist und hat durch einen tragischen Unfall jung zwei Finger einer Hand verloren. Daraufhin begann er ein Studium der Physiotherapie. Wahrscheinlich auch motiviert durch seinen Vater, der Solo-Cellist am Concertgebouw Amsterdam war. Er interessierte sich stark dafür, was die Grundvoraussetzung dafür ist, dass man frei spielen kann. Gemeinsam mit einem befreundeten Neurologen, Carl Schröters, erdachten sie sich regelmäßig Übungen. 

Sie stellten dabei fest, was dem einen als sinnvoll erschien, auch den anderen jeweils weiterbrachte: Nämlich die Voraussetzung dafür zu schaffen, dass ich mich ungehemmt ausdrücken kann. Da wir als Menschen der Schwerkraft unterliegen, bedeutet dies, dass wir eine Stabilität von unten brauchen. Bei vielen Musikern habe ich allerdings manchmal das Gefühl, dass sie nicht wissen, dass sie Füße haben. Sie nutzen diese Stabilität also gar nicht. Sie fangen dann meist an dies im Oberkörper zu kompensieren, was dazu führt, dass es sich nicht frei und leicht anfühlt. 

Das bedeutet, dass die Lösung oftmals nicht in den Details am Instrument zu finden ist, sondern in erster Linie in dem körperlichen Bereitstellen von Möglichkeiten. Erst dann lässt sich, in einem zweiten Schritt, der Oberkörper feinmotorisch bearbeiten. Dispokinesis bedeutet das Bereitstellen von Möglichkeiten. Sowohl für die Bühne, aber auch für mich als Künstler*in, sodass ich meinen persönlichen Weg finden kann. Dies unterscheidet die Dispokinesis auch am meisten von allen anderen Körperarbeitsangeboten. Sie bearbeitet die konkreten Fragen immer auch am Instrument. 

Rastergrafik
Newsletter High Five

Einmal im Monat versende ich einen Übe-Newsletter

Werde Teil der wachsenden Übe-Community und erfahre einmal im Monat fünf neue Übe-Tipps & wer der nächste spannende Podcast-Gast sein wird.


Sie meinen im Gegensatz zu Feldenkrais und Alexander-Technik beispielsweise?

Genau. Auch in der Dispokinesis gibt es dieses Basis-Programm (die sog. Originals). Damit geht es immer los, um überhaupt die Voraussetzung dafür zu schaffen und die Sensomotorik zu schulen. Danach geht es dann in die Arbeit mit dem Instrument. 

Ich persönlich habe auch viel Erfahrung mit der Feldenkrais-Methode gesammelt, genauso wie der Begründer der Dispokinesis Gerrit Onne van de Klashorst – bevor er seine eigene Methode entwickelte.

Sie haben dann anschließend noch eine Ausbildung in Formativer Psychologie angeschlossen. Wie kam es zu diesem Schritt?

Ich habe eine Ausschreibung zu einem Seminar meiner beiden späteren Ausbilderinnen gelesen, das den Titel trug „Zwischen Panik und Depression“. Das fand ich sehr spannend, da ich in der Arbeit mit meinen Klient*innen täglich erlebt habe, dass sie sich in diesem Kontinuum bewegen. Nicht zuletzt die, mit Bühnenängsten. 

Ich habe festgestellt, dass der Ansatz mit der Pulsation des Organismus zu arbeiten, unglaublich hilfreich war. Die Depression ist die Rückseite der Panik. Das bedeutet, dort wo der Erregungspegel im Körper zu hoch wird, zieht das Nervensystem irgendwann den Stecker. 

Oftmals erleben Musiker*innen in ihrem Alltag das Hin-und-Herpendeln zwischen „alles ist zu viel“ und „ich rappele mich wieder auf“. Daher ist es wichtig, die frühen Anzeichen kennenzulernen und mich in meinem Alltag so zu managen, dass die Ausschläge, sowohl nach oben als auch nach unten, nicht zu stark sind. 

„Dispokinesis bedeutet das Bereitstellen von Möglichkeiten“

(Angelika Stockmann)

Kontakt zum Boden – Basisübungen (Originals)

Sie hatte es eben bereits kurz angesprochen, dass die Zentrierung in der Dispokinesis-Ausbildung sehr entscheidend ist. Auch in Ihrem Buch ist davon viel die Rede. Können Sie erklären, warum die Verbindung zum Boden so wichtig ist?

In dem Moment, in dem ein Kleinkind lernt, selbstständig auf den eigenen Beinen zu stehen, lernt es auch gestaltend auf sein Leben einzuwirken. Wir wissen, dass sich in dieser Zeit die Sprache beginnt zu entwickeln und auch das Gehirn macht nochmals einen großen Entwicklungssprung. Wenn man so möchte, ist dies die Geburtsstunde für das, was uns als Menschen auszeichnet. Im Laufe der Jahre büßen wir diese Spannkraft allerdings ein, da wir uns oftmals zu wenig bewegen. Mit dem Basisprogramm gelingt es der Dispokinesis wieder in diesen Zustand zurückzukommen. 

Können Sie uns eine Übung aus dem Dispokinesis Basisprogramm demonstrieren?

Wir beide sitzen auf unseren Stühlen vor dem Bildschirm. Wenn ich beginne mit den Fußsohlen die Schuhsohle (wenn ich Schuhe trage) anzufassen und besonders mit den Großzehenballen die Sohle nach unten zu modellieren, dann merke ich, dass eine kleine Streckreaktion durch meinen Körper fährt und sich mein Oberkörper öffnet. Gleichzeitig senken sich meine Schultern und vielleicht fällt Ihnen auch auf, dass meine Stimme tiefer wird und ich etwas langsamer spreche.

Durch diese Aufmerksamkeit, die Sie mir gerade entlockt haben, hat sich meine muskuläre Verfassung verändert. Zusätzlich bin ich in meiner Selbstwahrnehmung etwas verlangsamt. Ich nenne das gerne die Fühllupe

Wenn ich mich an Ihre erste Antwort erinnere, dass Üben für Sie wie ein Selbstgespräch ist, dann ermöglichen uns diese Übungen eine noch bessere Selbstwahrnehmung. Kann man sagen, dass die Dispokinesis lehrt sehr genau auf den eigenen Körper zu hören und zu ihm eine Verbindung herzustellen. Kann man das so sagen?

Ja, das stimmt. Denn nur wenn ich spüre, was ich tue, kann ich es beeinflussen. 

Ich möchte allerdings nochmal auf das sehr genau eingehen. Schließlich kann das auch manchmal zum Fallstrick werden. Viele Musiker*innen würden über sich sagen, dass sie sehr genau darauf achten, was sie tun. Und die Musiker*innen, die mit fokaler Dystonie in meine Praxis kommen, würden sogar sagen, dass sie in ihrer Karriere immer versucht haben an alles zu denken. Wir merken hier bereits, dass einmal von Spüren und einmal von Denken die Rede ist. Vielleicht meinen wir jedoch, wenn wir denken sagen eher kontrollieren

Kontrollieren bedeutet sehr genau spüren. Und, wenn Sie jetzt, auf dem Stuhl sitzend, sehr genau spüren, was sie da gerade tun und wie Sie sitzen, dann werden Sie feststellen, dass Sie einfrieren und versteifen. Gerade deshalb ist es so wichtig zu unterschieden: Spüren (und bewusst werden) heißt nicht alles zu kontrollieren. Sondern es kann für Musiker*innen auch heißen, sich weniger zu konzentrieren. Schließlich können wir uns sowieso nur auf eine Sache gleichzeitig konzentrieren. Der Rest wird dann sympathisierend mitlaufen.

Um diese Art der Selbstwahrnehmung zu schulen, hat der Gründer der Dispokinesis ein pädagogisches Besteck entwickelt, dass sich Entlocken nennt. Das bedeutet, dass ich z.B. eine Geschichte erzähle, ein Bild gebrauche, damit unwillkürlich eine bestimme Reaktion entsteht. Anstelle, dass ich konkrete Arbeitsanweisungen à la „tu dies“ gebe. Wenn ich in der Vorbereitung auf ein Konzert immer nur versuche alles zu kontrollieren, wird die Musik auf der Bühne nicht ins Fließen kommen. 

Sind diese Bild universell oder für jede*n Musiker*in unterschiedlich?

Diese Bilder sind für jede*n Musiker*in verschieden. Wobei ich natürlich oftmals, in meiner Arbeit, die gleichen Bilder mehrmals verwende. Am besten ist es jedoch, wenn ein*e Klient*in einen eigenen Bezug zum Bild herstellen kann („Das ist ja wie…“). Dann wird das Bild am stimmigsten im eigenen Körper resonieren.

„Übe in der Sonatenhauptsatzform „ABA“.“

(Angelika Stockmann)

Üben in der Sonatenhauptsatzform

Ich hänge noch an Ihrem Satz, dass es auch ein zu viel an Aufmerksamkeit geben kann und, dass es wichtig ist, auch das Loslassen zu trainieren. Dabei kam mir das Zitat aus Ihrem Buch in den Sinn: „Ziel des Üben ist Vergessen.“ Wie schaffe ich es denn ganz konkret dieses Loslassen im Übezimmer zu trainieren?

Im Buch schreibe ich an einer Stelle, dass das gute Üben der Sonantenhauptsatzform gleicht: A B A

A: Ich liebe das Stück / Ich lasse mich lieben vom Stück. Damit meine ich, sich von der Musik begeistern zu lassen.

B: Ich organisiere das Stück. Das ist natürlich mit A verbunden, da ich bereits eine Vorstellung des Stücks habe. In dieser Phase bin ich sehr aufmerksam und picke mir konkrete Stellen heraus, mit denen ich etwas tun möchte. 

A: Ich liebe das Stück. Das bedeutet, dass ich meine Aufmerksamkeit wieder etwas herunterschrauben kann. Wenn ich das tue, werde ich feststellen, dass ich in meinem Blick sofort defokussiere (mein Blick ist nicht mehr so scharf gestellt). Ich beginne dann anders zu denken: ich fühle beispielsweise eher wie ich spreche/singe/spiele. Allerdings kontrolliere ich mich dabei nicht, sondern spüre/ beobachte es lediglich.

Sollte man, damit der Prozess der Automatisierung auch einsetzen, diese drei Schritte jeweils Schritte in eine Übe-Session einplanen oder über einen längeren Zeitraum verteilen?

Sowohl als auch. Natürlich wird es in der Vorbereitung auf ein neues Programm gefühlt mehr mit B beschäftige. Ich werde täglich versuchen die Stellen, die ich noch nicht gut kann, zu verbessern. Jedoch, umso näher das Konzert rückt, ist es gut mich wieder mehr mit A zu beschäftigen. Ich sage sogar, dass Musiker*innen A üben sollen, da wir dies tatsächlich verlernen. Das kann natürlich bedeuten, dass ich jeden Tag versuche mit A zu enden. 

Mein erster Cello-Lehrer, von dem ich eben bereits erzählte, pflegte jede Übe-Session beispielsweise mit einer Bach Suite zu beenden. Seine Frau sagte darüber so schön, das sei sein „Abendgebet“.

„Im Übrigen sollten wir spätestens nach 25 Minuten sowieso eine Pause machen.“

(Angelika Stockmann)

Das Üben einteilen

In Ihrem Buch schreiben Sie auch, dass man mit dem Üben dann aufhören sollte, wenn es sprichwörtlich am schönsten ist. Wieso ist das so?

Üben hat mit Wiederholungen zu tun. Wir wissen, dass unser Gehirn eine gewisse Anzahl an Wiederholungen benötigt, um zu merken, dass es sich um eine wichtige Information handelt. Wenn wir also etwas Neues lernen, bilden sich zunächst vorübergehende Synapse-Verbindungen, die sich auch wieder lösen können – sofern wir nicht dranbleiben.

Gleichzeitig hat die Wissenschaft festgestellt, dass sich unser Gehirn schnell beginnt zu langweilen. Bereits nach wenigen Wiederholungen verliert es „das Interesse“. Das bedeutet, dass ich den „Geschmack“ der Tätigkeit von Mal zu Mal weniger intensiv wahrnehme. Meine Ausführung wird mechanischer und der Fühl-Input, den ich eigentlich brauche, wird weniger deutlich. Das ist der Grund, warum wir nicht zu lange an etwas bleiben sollen. Im Übrigen sollten wir spätestens nach 25 Minuten sowieso eine Pause machen. Das lernt heutzutage jeder Studierende in der Embodiement-Vorlesung.

Wenn ich viel zu arbeiten habe, ist es gut oft zu wechseln. Dazu ist es wichtig zu wissen, dass unser Gehirn weiter mit unseren Erfahrungen arbeitet, auch wenn wir die Tätigkeit nicht mehr ausüben und uns beispielsweise mit Freunden treffen. Wenn es dann zu wenig Pausen gibt, verpassen wir die Chance dieses „Einspeicher-Vorgangs“.

Demnach wäre sinnvoll weiterhin die Dinge zu wiederholen, die ich bereits kann. Somit könnte unser Gehirn kontinuierlich die Synapsen-Verbindungen stärken. Lässt sich das so sagen?

Genau. Das ist zum Beispiel auch genau das, was Kinder im Anfänger-Unterricht oft tun. Besonders, wenn sie sehr jung sind. Sie kommen dann nach einer Woche wieder in den Unterricht und haben alles gespielt, was sie bereits können – nur das, was noch nicht gut lief, wurde ausgelassen. Allerdings tut das Kind intuitiv genau das richtige. Nämlich die Grundlagen seines Spiels – das was leicht ist und Freude macht – weiter verfestigen. 

In Ihrem Buch stellen Sie am Anfang Ihren Leser*innen die Fragen, wann sie bereit zum Üben sind. Also welche Rahmenbedingungen müssen erfüllt sein, damit gutes Üben möglich ist. Welche Antwort haben Sie für sich hier gefunden?

Sicherlich Ruhe und ein guter Aufmerksamkeitsmodus. In Erschöpfung und Müdigkeit können wir nicht gut üben. Im gegenteiligen Fall, wenn wir übererregt sind, allerdings auch nicht. Es gibt zudem das Phänomen von Morgen- und Abendmenschen. Darauf sollten wir, sofern es uns möglich ist, Rücksicht nehmen. 

Ich kann mir jedoch vorstellen, dass der Permanentanspruch von Musiker*innen ständig üben zu müssen, dazu führt, dass sie glauben „viel helfe viel“. Das führt dazu, dass sie Zeit in der Übekabine vergeuden, weil sie sich nicht bewusst machen, ob sie bereit zum Üben sind. Wahrscheinlich würde es sogar reichen, von einem zwei Stunden Zeitfenster, was ihnen bspw. zur Verfügung steht, die ersten 5-10 Minuten mit einer Körperübung zu verbringen und lediglich die übrige Zeit zum Üben zu nutzen. Das kann einerseits bedeuten, dass ich mich sammle und etwas wacher werde oder meine Erregung herunter regle, sodass die verbleibende Zeit wirklich zur Verfügung steht. 

Das betrifft natürlich auch die Dauer des Übens. Es gibt Musiker*innen, die sagen, wenn ich nur 20 Minuten zur Verfügung habe, fange ich gar nicht erst an. Jedoch können 20 Minuten ein wunderbares Zeitfenster sein, um etwas („Slow-Food mäßig“) durchzufühlen. Wir alle kennen das sicher auch, dass wir nach einer solchen Sequenz hoch zufrieden sein können. 

„Dazu ist es wichtig zu wissen, dass unser Gehirn weiter mit unseren Erfahrungen arbeitet, auch wenn wir die Tätigkeit nicht mehr ausüben.“

(Angelika Stockmann)

Die Grenzen der Dispokinesis

Wir haben jetzt sehr viel gehört über die Möglichkeiten der Dispokinesis. Hat die Dispokinesis Grenzen? Oder anders gefragt: Wenn Forschung sehr viel über das Üben zusammengetragen hat und die Dispokinesis das Üben weiter verbessern kann, dann sollte der erfolgreichen Musiker*innen-Karriere nichts mehr im Wege stehen, oder?

Die Entwicklung in der Musikwelt zeigt uns, dass immer bessere Unterrichtsmethoden und Techniken dazu führen, dass Musiker*innen sich schneller weiterentwickeln können. Und das ist schön. Gleichzeitig müssen wir sagen, dass Musik ein menschliches Ausdrucksmittel ist – damit zitiere ich Heinrich Jacoby. Er meinte damit, dass Musik in diesem Sinne erst einmal keine Kunst und keine Profession ist.

Natürlich spielt auch Begabung eine Rolle. Das habe ich im Studium ebenfalls erlebt. Es gab Kommiliton*innen, die mit einer großen Leichtigkeit und wenig Aufwand ihre Ziele erreicht haben. Ob ich das nun Begabung nenne, oder die Summe meiner Möglichkeiten ist dabei zweitrangig.

Die Frage, die Sie mir hier nun zum Schluss stellen ist symptomatisch und sie berührt mich. Sie berührt mich in dem Sinne, weil ich hier oft Musiker*innen sitzen habe, die mit einer Vorstellung von dem, was sie erreichen wollen, unterwegs sind, die sie jeden Tag deprimiert. Mit der Vorstellung in eine Ausbildung zu gehen (oder gar in ein Leben), es sei alles erreichbar, wenn ich mich nur genug anstrenge und optimiere, ist etwas ganz Schwieriges. Das Einzige, was hilft ist zu schauen, was aktuell gerade ansteht. Es kann ungeheuer lähmend sein, sich jeden Abend an dieser Messlatte zu messen. 

Meine Erfahrung mit Musiker*innen ist die, dass es hilft herauszufinden, welcher Typ man eigentlich ist und wohin es mit einem geht. Dort, wo ich mit Freude übe und spiele, werde ich mich schnell entwickeln. Mit Sicherheit! Aber das ist etwas anderes als zu sagen, es gibt optimale Bedingungen und es muss dann das optimale Ergebnis dabei herauskommen.

„Meine Erfahrung mit Musiker*innen ist die, dass es hilft herauszufinden, welcher Typ man eigentlich ist und wohin es mit einem geht. Dort, wo ich mit Freude übe und spiele, werde ich mich schnell entwickeln. Mit Sicherheit! Aber das ist etwas anderes als zu sagen, es gibt optimale Bedingungen und es muss dann das optimale Ergebnis dabei herauskommen.“

(Angelika Stockmann)

Was lernen (üben) Sie gerade, was Sie noch nicht können?

Ich muss gestehen, dass ich aktuell mehr das Singen, als das Cello spielen übe. Das mache ich noch nicht so lange. Dort stelle ich fest, dass das, was ich in meiner Praxis meinen Klient*innen vermitteln möchte, für mich selbst immer wieder eine Herausforderung ist. Ich kenne kein Instrument, bei dem es so wichtig ist, seine Möglichkeiten unmittelbar zur Verfügung zu stellen, wie beim Singen. Und immer wieder diese gute Präsenz zu finden, ist auch für mich wie eine Lebensübung habe ich das Gefühl. 

Welchen Tipp würdest Sie Ihrem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Sie damals froh gewesen wären?

Nimm deine Zeit. Vergleiche dich nicht mit andern und gehe deinen Weg. Und bringe dich aktiv in den Unterrichtsprozess ein.

Der Beitrag Wie geht Üben mithilfe der Dispokinesis, Angelika Stockmann? erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/wie-geht-ueben-mithilfe-der-dispokinesis-angelika-stockmann/feed/ 0
Your mind is an instrument https://what-is-practice.de/your-mind-is-an-instrument/ https://what-is-practice.de/your-mind-is-an-instrument/#respond Thu, 12 May 2022 11:57:00 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3948 Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern In Deutschland sind jährlich 17,8 Millionen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen1. Diese Zahl ist so unvorstellbar groß, dass sich ein Vergleich mit einem Bundesland lohnt: Denn so viele Menschen wohnen aktuell in Nordrhein-Westfalen. Leider gibt es keine Statistik darüber, wie viele Musiker*innen hier einbegriffen sind. Jedoch fragte im… Weiterlesen »Your mind is an instrument

Der Beitrag Your mind is an instrument erschien zuerst auf what is practice.

]]>
Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern

In Deutschland sind jährlich 17,8 Millionen Menschen von einer psychischen Erkrankung betroffen1. Diese Zahl ist so unvorstellbar groß, dass sich ein Vergleich mit einem Bundesland lohnt: Denn so viele Menschen wohnen aktuell in Nordrhein-Westfalen. Leider gibt es keine Statistik darüber, wie viele Musiker*innen hier einbegriffen sind. Jedoch fragte im Jahr 2019 die schwedische Record Union ihre Nutzer*innen wie es um ihre mentale Gesundheit steht. Dabei gaben 73% der Befragten an, bereits negative Gefühle wie Angst oder Stress im Bezug auf Ihre Musik erfahren zu haben. Und lediglich 1 von 10 Befragten kann hierüber mit seinen Bandkolleg*innen sprechen2.

73 Prozent Studie Mentale Gesundheit
10 Prozent sprechen mit Bandkollegen über mentale Gesundheit

Übungen zur Stärkung der mentalen Gesundheit als Musiker:in

Diese Tipps stammen aus dem Gespräch mit Barbara Barth:

Barbara Barth
Barbara Barth (Foto-Copyright: Juliane Guder)

Barbara Barth

Jazz-Sängerin und studierte Pyschologin.

Sie ist Dozentin an der Hochschule für Musik Saar und der Folkwang Universität der Künste in Essen, an der Sie unter anderem ein Resilienztraining für Studierende anbietet.

„Gut umgehen [mit sich] bedeutet nicht, dass man keinen Stress hat oder nie Rückschläge erlebt. Sondern eher, dass man – über Rückgriff auf seine eigenen Ressourcen – mit Krisen und ganz alltäglichem Stress so umgehen kann, dass man gesund bleibt und dazulernt oder möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorgeht.“

(aus dem Interview mit Barbara Barth)

Als studierte Psychologin vermittelt Barbara Barth in ihrem Resilienztraining für Musiker*innen Studierenden Strategien und Techniken, wie sie mental gut aufgestellt in das Berufsmusiker*innen-Leben starten. Im Interview mit ihr hat sie Teile ihrer Methoden dazu verraten:

  1. Bewusstsein schaffen (Welche Ressourcen und Strategien im Umgang mit negativen Gefühlen habe ich bereits?)
  2. Entspannungs- & Atemübungen (meistens wirkt sich Stress ja auch körperlich aus)
  3. Pausen machen
  4. Sport treiben & gute Ernährung
  5. Welche Glaubenssätze (und Annahmen) über mich und andere stecken in meinem Verhalten?

„Dazukommt, dass man in andern Berufen abends nach Hause kommt und dort eine ganz andere, private Person ist. Ich glaube wir als Musiker*innen kommen nie nach Hause. Wir sind immer mit unserer Musik und unserem Instrument verbunden. Das lässt sich nur schwerlich trennen. Als Musiker*in erlebt man eine musikalische Niederlage auch immer als eine persönliche.“

(aus dem Interview mit Barbara Barth)

food for thoughts – Empfehlungen


Diese Tipps stammen aus dem Gespräch mit Peter Laib:

Peter Laib mit Tuba

Peter Laib

Tubist unter anderem bei Moop Mama & Ernst Hutter und den Egerländer Musikanten.

Neben seiner musikalischen Tätigkeit hat er gerade seinen Masterstudium in Mentalcoaching an der Universität Salzburg abgeschlossen.

„So ein Werkzeugkoffer mit mentalen Interventionen ist wie eine Geheimwaffe, die niemand sieht – aber die man trotzdem immer bei sich trägt“

(aus dem Interview mit Peter Laib)

In seiner Masterarbeit zum Thema Mentalcoaching hat sich Peter Laib mit den Möglichkeiten von sogenannten Rollenspielen beschäftigt. Das bedeutet: Wie verändert es meinen Gemütszustand, wenn ich mich in eine bestimmte Situation hineinversetze und versuche, dieses Gefühl wieder zu erleben. Diese „Theater“ hat sich Peter Laib als Motivationsmöglichkeit angeschaut, um besser mit dem Üben anfangen zu können.

Sein Tipp um generell besser auf negative Stimmungen zu reagieren sieht so aus:

„Man schnappt sich einen Song, mit dem man positiv verbunden ist. Bei Peter wäre das Stevie Wonder „You are the sunshine of my life“.

Man zählt während des Liedes auf, entweder laut oder in Gedanken, wofür man gerade dankbar ist. Sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext.

  • Ich bin happy, dass ich bei den Egerländern spiele.
  • Ich bin unglaublich glücklich, dass ich mit einer Band wie Moop Mama auf so großen Festivals spielen kann.
  • Ich bin dankbar, dass ich Musiker bin.
  • Ich freue mich, dass ich so eine tolle Partnerin habe.

So kann man es schaffen, innerhalb von kurzer Zeit, negative Gedanken auszublenden und eine sogenannte positive Affektlage herzustellen.

Jeder kennt es ja: Wenn du schlecht gelaunt bist, fällt alles viel schwerer. Und seitdem ich diese Übung entdeckt habe, mache ich sie auch selbst bevor ich anfange zu üben.“


food for thoughts – Empfehlungen


Diese Tipps stammen aus dem Gespräch mit Daniel Scholz

Daniel Sebastian Scholz mit Gitarre

Daniel Sebastian Scholz

Daniel Sebastian Scholz ist seit dem Wintersemester 2022/23 Professor für Musizierendengesundheit an der Musikhochschule in Lübeck. Die Hochschule widmet sich, erstmals in ganz Deutschland, auch ganz dezidiert den mentalen Herausforderungen als Musiker:in


Tipps zum Umgang mit Lampenfieber als Musiker:in

Atmen im 3/4 Takt

„Also könnten Sie zum Beispiel Lippenbremse machen oder Atmen im 3/4 Takt.

Es geht dann so, dass Sie einen 3/4 Takt einatmen und dann zwei 3/4 Takte lang durch den Mund aus. Dann machen Sie einen 3/4 Takt Pause und fangen dann wieder von vorne an.

Machen Sie so viele Zyklen, bis Sie merken, das es einen Effekt auf Sie hat. Ganz wichtig ist, dass Sie das in Ihre Übelroutinen einbauen, damit Sie darauf ganz automatisch zugreifen können und nicht in einer Aufregungssituation das alles über den Haufen werfen.“

Der Beitrag Your mind is an instrument erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/your-mind-is-an-instrument/feed/ 0
Wie übt eigentlich Peter Laib? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-peter-laib/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-peter-laib/#respond Fri, 11 Feb 2022 16:12:52 +0000 http://what-is-practice.de/?p=4321 Peter Laib kennen die meisten sicher durch Ernst Hutter & seine Egerländer Musikanten - oder als Groove-Maschine bei Moop Mama. 

Der Beitrag Wie übt eigentlich Peter Laib? erschien zuerst auf what is practice.

]]>

Peter Laib kennen die meisten sicher durch Ernst Hutter & seine Egerländer Musikanten – oder als Groove-Maschine bei Moop Mama. Zufällig bin ich im letzten Jahr über seinen Aufruf zur Teilnahme an der Studie zu seiner Master-Arbeit in Mentalcoaching gestoplert. Als er diese kürzlich abgegeben hat, war ich natürlich neugierig, wie die Studie so gelaufen ist und, ob seine Methode erfolgreich war.

Mit Peter hatte ich aber nicht nur einen Mentalcoach als Gast, sondern natürlich auch einen fantastischen Musiker. Die Gelegenheit habe ich genutzt, um möglichst viel über seinen Übe-Alltag zu erfahren. 

Peter Laib mit Tuba
Peter Laib (Foto © Felix Steiner)

Aber keine Angst, auch für alle nicht Blechbläser ist die Folge super interessant.

Mehr zu Peter könnt ihr hier finden:
www.peterlaib.com

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Peter Laib lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören:

Das Interview

Übersicht

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

Üben bedeutet für mich Spaß haben, kreativ sein und immer wieder auch dasselbe tun.

Das ist interessant. Darauf kommen wir später in jedem Fall noch zu sprechen. Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife?

Bei mir läuft immer Motown-Musik in Dauerschleife. Ganz gleich welche: Jackson 5, Stevie Wonder. Hier habe ich immer Playlists, die regelmäßig laufen.

Welche CD hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt?

Ich glaube tatsächlich Stevie Wonder. Was Groove-Musik angeht ist er auf jeden Fall mein Hero.

Im Speziellen ein Album oder einfach alles?

Ich glaube alles einfach. Ich habe so ziemlich jedes Album auf Vinyl – aber ein Spezielles könnte ich nicht nennen. Generell sein Stil einfach, wie er singt und wie musikalisch das ist. Vor allem wie perkussiv und groovig alles gespielt ist, gefällt mir wahnsinnig.

Übe-Alltag: „Der Realitätscheck“

Gerade gestern (wir nehmen am Montag, 17.01.2022 auf) habe ich gesehen, hast du mit Ernst Hutter & den Egerländer Musikanten in Biberach gespielt. Hast bist vor kurzem an deiner Master-Arbeit gesessen und das Hörspiel „Der Ulm-Träumer“ produziert. In Nicht-Pandemie-Zeiten tourst du zusätzlich noch mit Moop Mama viel. Kannst du uns mal mitnehmen in einen typischen Übe-Alltag von dir?

Außerhalb der Pandemie sah das eigentlich immer so aus, dass man am Wochenende auf Tour beim Spielen war. Montags war dann erst einmal gar nichts angesagt, sondern: Erholen, Pause machen, Lippen ausruhen.

Von Dienstag bis Donnerstag habe ich dann immer richtig geübt. Vormittags immer zwischen zwei und drei Stunden. Freitagmorgens, falls noch Zeit war und man nicht bereits Donnerstagabend abreiste, noch so viel Üben, wie möglich. Aber meistens eher in Richtung warm spielen, Mundstück spielen. Circa 20 Minuten.

Wenn wir mit Moop Mama dann manchmal über eine längere Zeit am Stück unterwegs sind, muss man sich natürlich ganz anders vorbereiten. Und natürlich auch auf der Tour täglich bestimmte Sachen machen, um durchzuhalten und damit die spielerische Qualität gleichbleibt.

Dann bist du eher der Early Bird, der morgens früh um 9h dann mit seiner Routine beginnt?

Genau, das hat sich letztlich so ergeben. Für mich persönlich sind Routinen im Allgemeinen auch total wichtig. Ohne feste Zeiten klappt es bei mir nämlich meistens nicht. Wenn ich sage „Ich übe heute mal eine Stunde“, habe dann aber keine feste Uhrzeit zum Starten, dann wird es oft verschoben und die Prokrastination gewinnt.

Aktuell in der Corona-Zeit verschwimmen diese Routinen etwas und ich übe eher projektbezogen. 

Morgens übe ich dann eher die Sachen, bei denen ich das Gefühl habe, total wach sein zu müssen. Die kreativen Dinge übe ich dann eher am Abend.

„Ohne feste Zeiten klappt es bei mir nämlich meistens nicht. Wenn ich sage „Ich übe heute mal eine Stunde“, habe dann aber keine feste Uhrzeit zum Starten, dann wird es oft verschoben und die Prokrastination gewinnt.“

(Peter Laib)

In deiner ersten Antwort hast du vorhin bereits etwas Spannendes gesagt, nämlich „Üben heißt für dich immer auch dasselbe zu machen“.
Würdest du sagen, dass du beim Üben dann versucht Routinen bewusst einzustudieren? Oder bist du auch jemand, der versucht das gleiche Ziele über verschiedene Wege und Tools zu erreichen?

Ich versuche es mal zu erklären: Für mich hat sich eine kurze, feste Übe-Routine inzwischen bewährt. Diese ändere ich in der Regel alle drei Monate.

Diese Routine (circa 30 Minuten) kann ich dann nach ungefähr zwei bis drei Wochen ganz gut. Sie ist dann meine Referenz, wie fit ich aktuell bin.

In dieser Routine sind Atem-Übungen, Mundstück und Tuba spielen enthalten. Nach den 30 Minuten weiß ich dann ziemlich genau, in welchen Bereich es gerade „klemmt“. Zum Beispiel Bindeübungen, die nicht so gut klappen – ein Anstoß, der etwas indirekt ist. Oder der Sound, der etwas zu eng ist.

Anhand dieser Erkenntnis kann ich dann entscheiden, was ich genau an Übungen brauche, um mich an diesen, eben ausgemachten Schwachstellen, zu verbessern. Andernfalls übt man ja oftmals irgendetwas, ohne Konzept.

Für mich ist immer wichtig, dass Üben Sinn macht. Ich möchte immer daran arbeiten, wo ich aktuell Defizite habe bzw. wo ich vorhabe, mich wirklich zu verbessern. Das ist im Grunde meine Idee beim Üben.

Also am Ende wie ein kleiner „Realitätscheck“, der dir verrät, wo du gerade stehst. Anschließend gehst du dann gezielt ein Problem (deep-dive mäßig) an.

Genau. Und dadurch, dass man diese halbe Stunde über einen längeren Zeitraum macht, bekommt man ein gutes Gefühl dafür wie gut etwas geht.

In dieser Zeit wird alles abgedeckt: von pianissimo bis fortissimo, schnell, langsam, Technik, Chromatik, ein paar Tonleitern, Bindeübungen und Naturtonreihen – eben alles, was man so macht als Bläser. Das ist dann der Check-Up und dann geht es, wie du sagst, deep-dive in einen Bereich.

Hast du immer schon nach diesem Konzept geübt oder ist das eher etwas Neues?

Nein, das Konzept habe ich vor circa vier bis fünf Jahren für mich entdeckt. Und sicher ist es auch keine Neuerfindung.

Mir ist es irgendwann einmal auf Tour mit den Egerländern aufgefallen. Hier sind wir ja im Grunde zwei Generationen: einmal meine Generation und dann Musiker, die circa 25-30 Jahre älter sind. Vor allem die älteren Kollegen, die schon lange im Business sind, spielen sich immer mit den gleichen Sachen ein.

Ich habe damals immer wieder neue Übungen zum Einspielen genommen. Dann kam aber die Erkenntnis, dass man nur an den gleichen Übungen erkennt, wie fit man eigentlich gerade ist.

„Für mich ist immer wichtig, dass Üben Sinn macht. Ich möchte immer daran arbeiten, wo ich aktuell Defizite habe bzw. wo ich vorhabe, mich wirklich zu verbessern. Das ist im Grunde meine Idee beim Üben.“

(Peter Laib)

Atmung, Atmung, Atmung

Deine Bachelor-Arbeit ging über die Atumung. Auf deinem Patreon-Kanal habe ich gesehen, dass du die Arbeit damals mit deinen Arnold Jacobs Zitat über das Autofahren begonnen hast. Was war denn damals die größte Erkenntnis dieser Arbeit?

Meine größte Erkenntnis danach war, dass 99% des Könnens als Bläser*in von der Atmung abhängt. Und, dass für mich Begriffe wie Ansatz oder Ähnliches, fast vernachlässigbar sind, wenn die Atmung gut funktioniert.

Gerade auch die Schule von Arnold Jacobs verfolgt im Grunde diese Herangehensweise. Wenn man sich damit viel beschäftigt, lösen sich ganz viele Probleme quasi von selbst.

Hattest du damals auch konkrete Übungen dazu entwickelt oder was war deine Herangehensweise?

In der Bachelor-Arbeit habe ich nur den Unterschied zwischen der Blechbläser-Atmung und der normalen Atmung herausgearbeitet.

Dazu kamen noch mögliche Ursachen, die die Blechbläser-Atmung verschlechtern können. Zum Beispiel, wenn man eine schwere Skoliose oder ein schweres Asthma hat.

Allerdings hatte Arnold Jacobs, meines Wissens nach, bloß einen Lungenflügel. Er war dennoch sehr lange Mitglied im Chicago Symphony Orchestra. Wenn man sich Aufnahmen von ihm anhört, ist sein Sound wirklich unglaublich. Er hat quasi bewiesen, dass mit der richtigen Atemtechnik alles super gut funktionieren kann.

Rastergrafik
Also sprach Arnold Jacobs (Buch)

Arnold Jacobs war Tubist und spielt 44 Jahre im Chicago Symphony Orchestra. Das „Buch“ von dem wir hier sprechen heißt „Also sprach Arnold Jacobs“.* Denn neben seiner musikalischen Tätigkeit, galt Jacobs auch als exzelenter Pädagoge. 

Die Anekdote mit nur einem Lungeflügel konnte ich nicht bestätigen. Allerdings muss er wohl, aufgrund von Asthma und einer Krebsbehandlung später, nur ein sehr eingeschärnktes Lungenvolumen gehabt haben.

Seine Hauptphilosophie war daher, die Atmung und die Atmentechnik in den Vordergrund zu rücken. 

*Stretta-Affiliate Link Wenn ihr über diesen Link bestellt, erhalte ich eine kleine Provision. Für Euch ändert sich am Verkaufspreis nichts. Im Gegenteil. Ihr unterstützt mit ein paar Cents die Arbeit meines Blogs. 🙂


Ich habe das Buch selbst vor Jahren mal gelesen und extra für die Folge wieder aus dem Schrank gekramt. Was ich damals schon bemerkenswert fand, dass er oft schreibt, man solle „vom Ziel her denken“. Also nicht die Methode diktiert das Spiel, sondern die Musik. Ist das auch dein Credo geworden?

Ja, das würde ich schon sagen. Wobei, seitdem ich mich mit Mentaltraining so viel beschäftige, würde ich noch ergänzen: Das Mindset und der Sound gehen über alles!

Bei mir ist so, dass ich auf der Tuba zuerst schaue, dass ich gut klinge. Denn das ist unser Job. Und dann kommt erst alles andere: der Rhythmus, die Töne, die Technik usw.

Andernfalls interessiert es niemand, wenn ich zum Beispiel wahnsinnig schnell und rhythmisch komplex spiele, aber es schlecht klingt. Daher steht der Sound für mich ganz weit oben.

Aber inzwischen eben auch das Mindset. Weil, was bringt mir der schöne Sound, wenn man beispielsweise keine Liebe oder keine Authentizität in der Musik spürt. Das kommt für mich noch hinzu.

„Meine größte Erkenntnis danach war, dass 99% des Könnens als Bläser*in von der Atmung abhängt. Und, dass für mich Begriffe wie Ansatz oder Ähnliches, fast vernachlässigbar sind, wenn die Atmung gut funktioniert.“

(Peter Laib)

„Das Instrument im Kopf“

Das ist spannend. In dem Arnold Jacobs Buch gibt es am Ende ebenfalls eine Stelle, an der er sagt, dass man im Grunde zwei Instrumente spielt. Das Instrument im Kopf und das, was man in der Hand hält. War Arnold Jacobs dann ein Grund für das Mentalcoaching-Studium?

Nein, das kam woanders her. Allerdings war Arnold Jacobs definitiv die Initialzündung umzudenken. Mehr in Richtung Atmung und weniger „mache ich alles perfekt mit der Muskulatur um den Mund“.

Das mit dem Mentaltraining kam bei einem privaten Spaziergang. Ich spiele leidenschaftlich gerne Alphorn und schreibe auch gelegentlich für Alphorn-Ensemble.

Da, wo ich herkomme, ist ein großer Wald und dieser ist mein Kraft- und Ruheort. Bei einem Spaziergang durch diesen Wald, kam der Gedanke, dass ich gerne irgendwann mal – anstelle des auf die Dauer anstrengenden Tourlebens – etwas machen möchte, wo ich zu Hause wäre und in der Natur bin. Daraufhin entstand die Idee mit ein bis zwei Personen Alphorn-Kurse im Wald zu geben.

Damit dies allerdings nicht rein musikalisch bleibt, wollte ich die Kurse um ein Kommunikationstraining ergänzen. Allerdings hatte ich Bedenken, dass es dann schnell zu esoterisch klingen würde. So kam ich zu dem Entschluss, dass ich noch zusätzlich eine gute und fundierte Ausbildung in der Richtung Mentaltraining brauche.

Meine Idee war es, dass ich ein Team von einer Firma mit in den Wald nehme und dort ein Kommunikationstraining mit Alphörnern anbiete. Das war im Jahr 2017.

Wie lief das damals dann konkret ab, dass du mit einem musikalischen Bachelor den Master of Science in Mentalcoaching an der Universität Salzburg machen konntest?

Das Institut, an dem man studiert, nennt sich „Mental College Bregenz“ und ist eine Mentaltrainier Schule, die mit der Universität Salzburg kooperiert. Dadurch erhält man schlussendlich auch den akademischen Abschluss.

Das Studium ist ein nebenberufliches Studium. Der Master-Zulassung erhält man dann, wenn man ein Bachelor-Studium, oder Diplom Studium, in einem pädagogischen oder psychologischen Fachbereich absolviert hat. Ich hatte mein Studium mit dem Dipl. Musiklehrer abgeschlossen.

Das Besondere an dem Master-Studium ist, dass man sowohl bei Professor*innen als auch Mentaltrainer*innen, die viel Erfahrung unter anderem mit Sportler*innen haben, Unterricht erhält.

Ich musste selbst insgesamt 200 Praxisstunden machen. Das heißt, ich habe mir immer Freunde und Bekannte gesucht und sie nach möglichen Themen gefragt, an denen sie mental arbeiten wollen.

Inzwischen mache ich das auch bereits nebenberuflich und habe ein paar „Mental-Kunden“.

„Seitdem ich mich mit Mentaltraining so viel beschäftige, würde ich noch ergänzen: Das Mindset und der Sound gehen über alles!“

(Peter Laib)

Ich durfte ja Teil deiner Studie sein (ich hoffe, ich darf das an dieser Stelle sagen) – und dein Ziel war es ja mit verschiedenen „Theatern“ (Starttheater, Jetzt-Erst-Recht-Theater) einen besseren Start ins Üben zu finden. Kannst du nach deiner Arbeit nun sagen, dass diese Methode funktioniert?

Die Arbeit besteht auf einer bereits bestehenden mentalen Intervention, die sich Rollenspiel nennt. Leider kann ich aktuell noch keine finalen Ergebnisse sagen, da noch geprüft wird, ob ich mich nicht eventuell verrechnet habe.

Allerdings das Rollenspiel „Starttheater“ sah in der Auswertung so aus, als ob es gewirkt habe. Also eine signifikante Verbesserung.

Bei der Intervention tut man so als ob, körperlich und physisch erlebend, und steigert sich letztlich in eine Rolle hinein. Es scheint so, als ob dann die Chance höher sei wirklich mit dem Üben zu beginnen und es nicht zu verschieben.

Übst du selbst nach diesem Muster?

Auf jeden Fall benutze auch ich diese Methoden.

Ich sehe das so: Ich habe einen Werkzeugkoffer mit ganzen vielen mentalen Interventionen. Da alle Tage sich auch ein wenig voneinander unterscheiden.

Der eine Tage ist mal total schlecht, weil man einen Misserfolg gehabt hat und dann benötigt man eine bestimmte mentale Intervention.

Dann gibt es aber auch tolle Tage, an denen alles wie selbst zu laufen scheint. Natürlich braucht man dann keine Intervention.

So ein Werkzeugkoffer mit mentalen Interventionen ist wie eine Geheimwaffe, die niemand sieht – aber die man trotzdem immer bei sich trägt. Dadurch hat man große Vorteile, weil man flexibel auf bestimmte Ereignisse reagieren kann.

Peter Laib mit Tuba
Peter Laib (Copyright © Felix Steiner)

Mein Werkzeugkoff

Kannst du uns dafür mal ein Beispiel geben?

Da gibt es eine Übung, die ich auch gerade selbst mache. Und zwar geht es darum wie man der generell negativen Stimmung, auch wegen der Pandemie, etwas entgehen kann.

Man schnappt sich einen Song, mit dem man positiv verbunden ist. Bei mir wäre das Stevie Wonder „You are the sunshine of my life“. Ich empfehle einen Song, der nicht länger als drei Minuten geht.

Man zählt während des Liedes auf, entweder laut oder in Gedanken, wofür man gerade dankbar ist. Sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext.

  • Ich bin happy, dass ich bei den Egerländern spiele.
  • Ich bin unglaublich glücklich, dass ich mit einer Band wie Moop Mama auf so großen Festivals spielen kann.
  • Ich bin dankbar, dass ich Musiker bin.
  • Ich freue mich, dass ich so eine tolle Partnerin habe.

So kann man es schaffen, innerhalb von kurzer Zeit, negative Gedanken auszublenden und eine sogenannte positive Affektlage herzustellen.

Jeder kennt es ja: Wenn du schlecht gelaunt bist, fällt alles viel schwerer. Und seitdem ich diese Übung entdeckt habe, mache ich sie auch selbst bevor ich anfange zu üben.

Man investiert einfach zwei Minuten und schon schafft man es, gute Laune zu haben.

Gerade in unserer Branche ist es brutal mit Existenzängsten und Sinnkrisen. Deshalb finde ich es wichtig, dass man zur Zeit solche kleinen Interventionen macht, um vorzubeugen und sich das Leben etwas leichter zu machen. Weil es geht. Man kann es sich leichter machen, wenn man möchte.

„So ein Werkzeugkoffer mit mentalen Interventionen ist wie eine Geheimwaffe, die niemand sieht – aber die man trotzdem immer bei sich trägt.“

(Peter Laib)

Das ist ein guter Tipp. Vor allem, um dann im Übezimmer auch direkt in den Fokus zu kommen und sich nicht nochmal durch äußere Faktoren (wie Handy oder Ähnliches) ablenken zu lassen.

Ja, absolut. Ich finde solche kleinen Interventionen auch perfekt, um diesen Rollenwechsel zu schaffen. Also der Peter, der gerade in der Rolle des Partners am Frühstückstisch saß, geht jetzt in die Rolle Peter, der Berufsmusiker und beginnt zu üben. Dann spiele ich diese Rolle zwei Stunden und versuche alle anderen Rollen dabei auszublenden.

Das ist natürlich ein wenig vereinfacht gesagt – und vielleicht auch ein bisschen hart – aber für solche Situationen finde ich diese Intervention super, um einen Transfer beim Ankommen zu haben.

Normalerweise mache ich das auch gerne mit Atemübungen. Das kann ja auch eine meditative Geschichte sein.

Aber ich finde es auch zu schön, diese Intervention zu üben. Manche tun sich schwer, einfach mal zwei Minuten nur positive Dinge aufzuzählen. Dagegen zwei Minuten über die Pandemie jammern, ist ganz leicht. Natürlich kann ich das verstehen. Schließlich sind es auch heftige Probleme, die manche haben.

Du hast vorhin die Rollenteilung zwischen Partner und Musiker angesprochen. Ist das auch unter anderem ein Grund für deinen freien Tag in der Woche?

Vor der Pandemie war das definitiv so. Jetzt versuche ich das ebenfalls beizubehalten, auch wenn gerade keine Konzerte stattfinden.

Es sind dann aber eher kleine Dinge, wie das Handy bewusst beim Spazierengehen zu Hause lassen. Um nicht ständig an den Wahnsinn erinnert zu werden.

Wenn ich es dann mal nicht schaffe, kann es dann auch mal passieren, dass mich meine Freundin freundlich daran erinnert.

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst ? (gerne auch nicht musikalsich)

Ich habe mir gerade ein Buch gekauft, in dem es darum geht, alle Akkorde kennenzulernen. Das Buch ist speziell für Musiker*innen, die bereits eine Ausbildung hinter sich haben. Und hier möchte ich mich gerade weiterbilden, vor allem auch als Komponist. Weil ich mir denke, wie soll ich etwas komponieren, wenn mir die Vorstellungskraft für bestimmte Klänge nicht in meinem Kopf habe.

Rastergrafik Newsletter
Newsletter High Five

Einmal im Monat versende ich einen Übe-Newsletter

Werde Teil unserer wachsenden Newsletter-Community und erfahre einmal im Monat neue Übe-Tipps & exklusive Einblicke hinter den Podcast.


Ich möchte diese Akkorde vor allem auch auf dem Klavier drücken können. Obwohl ich schon für das Studium Klavier geübt habe, bin ich hier nicht so der „Hero“.

Das Buch ist vor allem deshalb auch gut, weil es wie ein Workbook aufgebaut ist.

Außerdem steht noch die Abschlussprüfung an. Das heißt ich habe auch noch ein Buch, zum Thema Differentielle und Persönlichkeitspsychologie, vor mir liegen.

Was motiviert dich?

Generell erst einmal die Freude an der Sache selbst. Mir macht es jedes Mal großen Spaß Tuba zu spielen.

Dann ist es natürlich eine große Motivation, sobald man wieder auf die Bühne darf, fit zu sein. Wieder Vollgas geben zu können und Leute mit Musik glücklich zu machen. Ich glaube, das ist eigentlich meine größte Motivation.

Und – eine ganz andere Motivation ist, es einfach zu schaffen. Ich will durch die Krise durch als Musiker und danach auch wieder als Musiker weiterarbeiten. Für mich ist es keine Option mein ganzes Leben umzukrempeln.

Obwohl du ja ein „sicheres Backup“ in der Hand hättest. Auf deiner Homepage habe ich gesehen, dass du eine Ausbildung als IT-Systemelektroniker mal gemacht hast.

Ja, richtig. Aber ganz ehrlich – da will ich eigentlich nicht mehr hin. Das war damals (2004/2005) so. Erst einmal, ganz schwäbisch, eine Ausbildung machen Aber ich habe hierzu keinen Bezug mehr.

Ich glaube, ich würde dann heute eher etwas in Richtung Mentaltraining machen. Hier möchte ich auch Gas geben, weil es macht mir mega Spaß mit Leuten zusammen zu arbeiten, deren Probleme herauszufinden, um dann die richtigen Interventionen zu erarbeiten.

Vor allem auch in der Kombination mit anderen Musiker*innen stelle ich mir das sehr gewinnbringend vor?

Absolut. Ich kann es auch nur jedem empfehlen.

Das Mentaltraining, so wie ich es jetzt gelernt habe, kratzt ja nicht nur an der Oberfläche, sondern man schaut schon ein wenig genauer hin. Was sind die eigentlichen Themen und die Ursachen? Meistens haben die gar nichts damit zu tun, warum man auf der Bühne steht und plötzlich nervös ist. Die Ursachen liegen dann manchmal im Privaten, oder anderswo und die Intervention gehen dahin.
Ganz viele melden anschließend zurück „Wow, hätte ich das dann schon vor zehn Jahren gewusst.“

Leider wird dieses Thema in der Musikszene noch viel zu sehr unterschätzt. Die Sportler haben hier bereits ein ganz anderes Verhältnis. Unter Musiker*innen traut man sich das noch gar nicht so recht zu sagen. Aus Angst zugeben zu müssen, das andere denken, man hätte hier vielleicht ein Problem.

Dieses Schubladendenken aufzulockern, das ist meine Mission in den nächsten Jahren.

„Und – eine ganz andere Motivation ist, es einfach zu schaffen. Ich will durch die Krise durch als Musiker und danach auch wieder als Musiker weiterarbeiten. Für mich ist es keine Option mein ganzes Leben umzukrempeln.“

(Peter Laib)

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst?

Halt dir alle Optionen offen und stelle dich auf alles ein. Übe so viel, wie es geht im Studium – danach hat man die Zeit nicht mehr. Wenn man es von Herzen macht, wird es so oder so gut.

Und generell als Tipp: Kümmert Euch ein wenig um das Selbstmanagement – genau das, was man an der Hochschule nicht lernt. Rechnungen schreiben beispielsweise. Das macht am Ende viel aus.

„Dieses Schubladendenken aufzulockern, das ist meine Mission in den nächsten Jahren.“

(Peter Laib)

Empfohlen

Der Beitrag Wie übt eigentlich Peter Laib? erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-peter-laib/feed/ 0
Wie übt eigentlich Barbara Barth? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-barbara-barth/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-barbara-barth/#respond Tue, 16 Nov 2021 14:17:00 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3965 Barbara Barth und ich kennen uns noch von der Hochschule für Musik in Saarbrücken. Was ich allerdings lange nicht wusste, sie studierte vor ihrem Gesangsstudium an der Folkwang Universität der Künste in Essen auch bereits erfolgreich den Bachelor-Studiengang Psychologie. Heute verbindet sie ihre beiden Leidenschaften und arbeitet einen Tag pro Woche als Psychologin in einer… Weiterlesen »Wie übt eigentlich Barbara Barth?

Der Beitrag Wie übt eigentlich Barbara Barth? erschien zuerst auf what is practice.

]]>

Barbara Barth und ich kennen uns noch von der Hochschule für Musik in Saarbrücken. Was ich allerdings lange nicht wusste, sie studierte vor ihrem Gesangsstudium an der Folkwang Universität der Künste in Essen auch bereits erfolgreich den Bachelor-Studiengang Psychologie.

Heute verbindet sie ihre beiden Leidenschaften und arbeitet einen Tag pro Woche als Psychologin in einer Praxis und bietet ein spezielles Resilienztraining für Musiker*innen an.

Was der Begriff genau meint, was man sich von ihrem Training erhoffen darf und warum aktuell das Thema mentale Gesundheit in der Musikbranche so präsent ist, darüber haben wir im Podcast gesprochen. 

Barbara Barth
Barbara Barth
(Foto-Copyright: pgwiazda Photographie)

Dieses Interview ist besonders, denn es steht auch noch ganz im Zeichen einer neuen Rubrik, die es seit Oktober hier auf dem Blog gibt. Nämlich dem Format „In der Sprechstunde“. 

Darin beantworten Expert*innen Eure Fragen zu einem halbjährlich, wechselnden Thema. Den Anfang machte der große Themenkomplex „Mentale Gesundheit“. An dieser Stelle nochmal ein herzliches  Dankeschön an die Psychologin Nathalie Mong, die als Expertin die ersten Fragen beantwortete.

Wenn ihr euch nun noch fragt, was mentale Gesundheit mit Eurem Übe-Alltag zu tun hat, dann seid auf das Gespräch gespannt.

Mehr Informationen zu Barbara Barth findet Ihr unter: www.barbarabarth.de

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Barbara Barth lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören:

Das Interview

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

Ein Ziel haben und verfolgen. Also vorher zu wissen was möchte ich eigentlich lernen und wie komme ich dahin. Üben bedeutet für mich daher auch immer Struktur haben. Das habe ich im Studium ganz viel gebraucht und ist auch das, was ich heute den Studierenden vermittle. 

Deshalb bedeutet Üben für mich erst einmal klar haben was, wie, wann und auch wie lange. Es braucht für mich immer auch einen guten Rahmen.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife ?

Ich höre nach wie vor, quasi eine Art Dauerbrenner seit ich angefangen habe Jazz zu singen, die Sängerin Tierney Sutton. Ich mochte sie von Anfang an und habe sie mit der Zeit immer mehr schätzen gelernt, da ich mich immer mehr reinhören konnte was sie und ihre Band da eigentlich macht.

Würdest du sagen, dass sie dann auch die Musikerin ist, die dich für dein Spiel am meisten geprägt hat?

Nein, am meisten nicht. Aber sicherlich stark – vor allem was das Komponieren und Arrangieren betrifft. Ich merke das auch, wenn ich Studierenden jetzt Beispiele geben möchte, dann lande ich oft bei Arrangements ihrer Band. 

Man kann dann schön zeigen: das war der Standard, das hat die Band daraus gemacht und warum klingt der auf einmal so anders.

Wen ich auf jeden Fall ganz speziell nennen kann sind Maria Pia De Vito, Theo Bleckmann, Sidsel Endresen oder ganz traditionell Fay Claassen und Al Jarreau.

Aktuell bist du Teil von zwei Trios, einem Duo mit dem Pianisten Manuel Krass, deinem Quintett, dem JassLabb de Cologne und singst im Blue Art Orchestra. Daneben hast du einen Lehrauftrag in Saarbrücken und an der Hochschule Osnabrück und bist Teil des PENG Kollektivs. Wie kann man sich Deinen typischen Übe-Alltag vorstellen ?

Die Zeit, in der ich am meisten geübt habe in meinem Leben ist wirklich das Studium und die Zeit davor gewesen. Da hatte man jeden Tag Zeit und es ist ja auch sozusagen deine „Aufgabe“. Wenn man dann mit beiden Beinen im Berufsleben steht – und du hast ja gerade schon ein paar Projekte aufgezählt – ist schon viel, viel Zeit ausgefüllt. Das heißt, man muss sich dann schon hier und da die Zeit „abzwacken“. 

Natürlich ist das auch immer sehr davon abhängig, was gerade ansteht. In der vergangenen Woche habe ich beim Fuchsthone Orchester mitgesungen, wofür ich ein riesen Programm lernen musste. Da alle Stück neu für mich waren, habe ich mir natürlich in der Vorbereitung sehr viel mehr Zeit zum Üben genommen.

„Üben bedeutet für mich daher auch immer Struktur haben.“

(Barbara Barth)

Ich übe also meistens auf Konzerte hin. Wenn ich dann mal mehr Zeit habe, merke ich, dass auch wieder Raum da ist um Dinge zu üben, die mich interessieren. Dann transkribiere ich gerne ein Solo oder nehme ein transkribiertes Solo wieder aus dem Regal.

An meiner Stimmtechnik arbeite ich dagegen aber weiter regelmäßig. Einmal im Monat bin ich hierfür bei meiner Technik-Lehrerin. Die Stunde nehme ich dann meistens auf und versuche sie dann im Anschluss nochmals nachzuvollziehen.

Ich kann dir also gar keinen genauen Übe-Alltag sagen, der dann immer auf eine bestimmte Art und Weise ist. Ich kann nur sagen, dass zum Üben auch immer Pausen dazu gehören. Und Üben ist auch alles, was du bewusst aufnimmst und reflektierst. Gerade bei Stimmtechnik geht es auch viel darum physiologische Prozesse zu verstehen, oder zu empfinden was passiert, wenn ich dies oder jenes denke. Wie reagiert mein Körper ? Wie reagiert meine Stimme? Dies ist dann auch viel mentales Üben.

Übst du dann auch bewusst mental, wenn du beispielsweise unterwegs bist ?

Nein, wenn ich jetzt konkrete Stücke übe, dann übe ich diese schon immer am Instrument. Aber zur Frage „Wie funktioniert eigentlich mein Instrument und wie bringe ich es zum Klingen?“ – hier passiert viel mehr vor dem eigentlichen Singen. Beispielsweise mit der Einstellung zum Instrument, wie fühlen sich meine Muskeln an – bin ich frei oder macht etwas die Stimme eng? Diese Fragen haben auf jeden Fall sehr viel mit dem Kopf zu tun. 

Meine Technik-Lehrerin sagt beispielsweise, sie übe nur noch denkend. Sie hat vor einer Weile aufgehört zu singen beim Üben. Sie denkt nur noch die Töne und die Vokale und hat eine ganz starke Empfindung, was dabei an den Stimmlippen und im Kehlkopf passiert. Sie trainiert quasi nur noch Ruhe zu bewahren. Sie ist klassische Sängerin und daher ist es hier auch nochmal etwas anderes.

Aber ich kann ja auch eine Stunde am Tag meine Tonleitern auf und ab singen und dabei nichts geübt haben. Oder ich denke ein paar Mal das Richtige und programmiere auf diese Weise meinen Körper und habe dann viel mehr erreicht im Vergleich.

Spannenderweise habe ich gerade vor zwei Wochen das Buch von Renate Klöppel „Mentales Training als Musiker“ entdeckt und mich in dem Zusammenhang erstmals mit mentalem Üben auf meinem Instrument beschäftigt. Es ist super spannend sich in dieses Mindset zu bringen und sich vorzustellen „Wie fühlen sich meine Muskeln an, wenn ich spiele“. Also in jedem Fall ein super interessantes Thema, welches aber vielleicht zu ausufernd für diesen Rahmen nun wird.

Aber weil du nun gerade zur Konzertvorbereitung gefragt hast. Das eine sind die Töne lernen. Die Stücke lernen. Habe ich eine Stelle, an der ich improvisiere? Dann übe ich diese Stelle.
Aber das andere ist sich darauf einzustellen, was habe ich zum Beispiel für Befürchtungen, Zweifel und Ängste – und was macht das dann wieder mit meiner Stimme und meiner Musikalität. Das ist mindestens genauso wichtig, wie die richtigen Töne zu üben.

„Man sollte das Vertrauen haben, dass wenn ich mich mit etwas bewusst beschäftige, dies einen Effekt haben wird – auch, wenn dieser noch etwas Zeit braucht.“

(Barbara Barth)

Wie schaffst du es / Wie hast du es geschafft Dein Üben langfristig zu strukturieren ?

Puh, das ist eine sehr allumfassende Frage (lacht). Ich habe mir dann immer Übungen gebaut. Für mich stand immer im Vordergrund, dass ich improvisieren lernen möchte. Es fließt ja letzten Endes so viel zusammen bei dem was und wie man etwas übt und was man dabei lernt. 

Wenn ich jetzt improvisieren übe, dann lerne ich etwas über Harmonielehre, ich muss mich am Klavier begleiten – ich übe also Klavier-Spielen – ich lerne Gehörbildung und lerne Intervalle und Skalen hören. Man übt ja zumeist ganz vieles miteinander und schaut dann auf dem Weg, wo einen das Ganze hinbringt.
Wichtig ist dabei auch, dass man in der Lage sein sollte sein Ziel von Zeit zu Zeit anzupassen. Man kann jetzt nicht sagen „ich möchte in zwei Jahren dies und jenes erreichen“ und merkt dann auf dem Weg, dass sich möglicherweise das Interesse verändert hat. Große Ziele sind daher auf jeden Fall wichtig. Aber noch wichtiger, bezogen auf das Üben und vor allem zum Durchhalten, sind die kleinen Ziele. Das man zum Beispiel sagt, dass man ein eigenes Stück schreiben möchte, ein bestimmtes Stück gerne mal lernen will oder auch mehr Chromatik in der Improvisation nutzen möchte.

Hast du das dann damals auch in einer Art Übetagebuch festgehalten?

Ja, ich habe mir immer die Übungen ganz konkret aufgeschrieben, um Anhaltspunkte zu haben und auch dann Schritt für Schritt voran zu kommen. Man sieht dann „jetzt kann ich das schon und kann dann einen Schritt weiter gehen“.

Ich glaube viele wissen gar nicht so recht wie sie üben sollen und singen/spielen dann „einfach so rum“. Sie wundern sich dann, dass es nicht besser wird und verlieren schnell die Motivation. Daher ist es so unglaublich wichtig sich eine Struktur zu geben.

Zum Beispiel, wenn ich nun mit einer bestimmten Skala über ein Stück improvisieren lernen möchte, dann reicht es unter Umständen nicht, sich nur den Akkord hinzulegen und dann zu singen und zu schauen, was passiert. Besser ist wirklich konkret die Töne zu üben und mir eine Struktur zu schaffen, wie ich das machen kann. 

Ich glaube, dann muss man auch akzeptieren, dass Üben nicht unbedingt bedeutet sich kreativ am Instrument ausleben zu können. Sondern vielleicht erst einmal etwas herunter zu brechen und einmal das Gefühl zu haben, kurzzeitig auch schlechter zu werden. Das kennt man ja sicher: Wenn man sich mit etwas intensiv beschäftigt, fallen einem plötzlich die ganzen Dinge auf, die man noch nicht kann. Oder man ist so fokussiert darauf es richtig machen zu wollen, dass man das Gefühl hat, sich zu verschlechtern. Aber ich glaube, dass gehört fest zum Üben dazu. Man sollte das Vertrauen haben, dass wenn ich mich mit etwas bewusst beschäftige, dies einen Effekt haben wird – auch, wenn dieser noch etwas Zeit braucht.

Ich glaube Üben – oder besser werden – ist etwas, dass nicht einfach so passiert, sondern, dass ich mir wirklich erarbeiten muss.

Barbara Barth
Barbara Barth (Copyright © Juliane Guder)

Das hat ja auch ganz viel mit Wahrnehmung zu tun. Wie nehme ich mich selbst wahr beim Üben? Habe ich überhaupt eine gute Selbstwahrnehmung?

Genau, mache ich mir das eigentlich bewusst, was ich da singe. So ist es zumindest für den Prozess „Ich kann etwas noch nicht und möchte es üben“. Natürlich gibt es auch ganz viel, dass sich entwickelt, wenn man mit anderen Musiker*innen zusammen spielt, wenn man Musik hört oder auf Konzerte geht.

Aber wenn man eine bestimmte Sache übt, dann bin ich der Meinung, dass dies auf jeden Fall bewusst und strukturiert passieren sollte.

Rastergrafik
Newsletter High Five

Werde Teil der kleinen Newsletter-Community und erfahre einmal im Monat neue Übe-Tipps & wer der nächste spannende, Podcast-Gast sein wird.


Du hattest eben ja bereits angesprochen, dass du einen Tag in der Woche noch als Psychologin arbeitest. Würdest du sagen, dass dieses Studium dir als Musikerin geholfen hat eine besser Selbstwahrnehmung und Selbsteinschätzung zu entwickeln?

Es ist natürlich eine total persönliche und individuelle Sache, wie jemand in ein Studium geht und damit letztlich zurechtkommt. Und warum es bei mir so war, hat natürlich bestimmt auch mit dem Psychologie-Studium zu tun. Mir hat es auch geholfen, bereits vorher mal einen Studiengang gemacht zu haben. Daher war ich auch jemand, die immer recht strukturiert gewesen ist.

Das andere, was du vielleicht meinst, ob ich dadurch nun reflektierter war, oder schon besser mit mentalen Dingen umgehen konnte, weiß ich gar nicht. Ich glaube, das hängt auch immer stark an der persönlichen „Ausstattung“ und wie sich jemand damit auseinander setzten möchte. 
Ich fand es für mich total bereichernd dieses Studium gemacht zu haben. Man lernt in einem Psychologie-Studium ja immer auch die Dinge von verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Und dann realisiert man, dass immer viele Faktoren zusammen eine Rolle spielen und wir alle verschieden sind. Das war in jedem Fall grundsätzlich sehr bereichernd. 

Inzwischen verbindest du nun diese beiden Fachgebiete in einem speziellen Resilienztraining für Musiker*innen. Kannst du ganz kurz erklären was der Begriff meint und uns einen kurzen Einblick in das Seminar geben?

Resilienz ist, wenn man so möchte, das seelische Immunsystems unseres Körpers. Quasi die Abwehrkräfte der Psyche. Das bedeutet, wenn man resilient ist, kann gut mit Rückschlägen und Alltagsstress umgehen.

Gut umgehen bedeutet nicht, dass man keinen Stress hat oder nie Rückschläge erlebt. Sondern eher, dass man – über Rückgriff auf seine eigenen Ressourcen – mit Krisen und ganz alltäglichem Stress so umgehen kann, dass man gesund bleibt und dazulernt oder möglicherweise sogar gestärkt daraus hervorgeht.

„Resilienz ist, wenn man so möchte, das seelische Immunsystems unseres Körpers. Quasi die Abwehrkräfte der Psyche. Das bedeutet, wenn man resilient ist, kann gut mit Rückschlägen und Alltagsstress umgehen.“

(Barbara Barth)

Natürlich ist dies für alle Menschen wichtig. Warum es aber gerade für Musik-Studierende (oder Studierende allgemein) wichtig ist? 
Das Studium ist eine ganz besondere Lebensphase. Zum ersten Mal kommt man aus dem Elternhaus heraus, hat gerade Abitur gemacht und fängt allmählich an auf eigenen Beinen zu stehen. Alleine daher macht man bereits ganz viele Veränderungen mit und muss sich erstmal neu finden.

Dann kommt man in einen Pool von anderen Mitmusiker*innen und merkt plötzlich, dass man sich anfängt zu vergleichen. Man bekommt sehr viele Aufgaben von den unterschiedlichen Dozierenden mit und möchte diese natürlich auch gut erfüllen. Möglicherweise möchte man genauso gut sein, wie jemand bestimmtes und beginnt sich dann zu fragen, wieso man die Aufgabe noch nicht kann. Oder man etwa für ein Projekt nicht gefragt wird. Damit lernen so umzugehen, dass man psychisch gesund und motiviert bleibt ist in jedem Fall eine Herausforderung. Aber gleichzeitig auch total wichtig, weil es sonst sein kann, dass man seinen Beruf nicht weiter ausüben kann.

Geht es in dem Kurs dann auch darum, konkrete Übungen zu vermitteln oder hauptsächlich erst einmal ein Bewusstsein hierfür zu schaffen?

Beides. Ein Bewusstsein zu schaffen ist ja bereits eine Übung. Zum Beispiel geht es schon damit los, ein Bewusstsein zu schaffen, welche Ressourcen und Strategien (also Resilienzfaktoren) wir bereits alle haben. Wenn man sich hier im Kurs umhört, gibt es immer eine große Sammlung an Dingen, die die Studierenden machen, wenn es ihnen nicht gut geht. An Wegen, wie sie sich motivieren und wie sie mit Rückschlägen umgehen. Eigentlich alle haben hier bereits Erfahrungen und somit auch Fähigkeiten „im Gepäck“, über die sie sich gar nicht bewusst sind. Vor allem, weil sie oftmals denken, dass diese Strategien ja selbstverständlich seien. 

Andere, konkrete Übungen, die im Kurs vermittelt werden, sind Entspannungs- oder Atemtechniken. Meistens wirkt sich Stress oder Leistungsdruck ja auch körperlich aus. Darüber hinaus sind generell Pausen machen, Sport, gesunde Ernährung wichtig.

Auf der mentalen Ebene schauen wir uns dann an, welche Glaubenssätze und Annahmen (über mich und andere) stecken hinter meinem Verhalten. Dieses Zusammenspiel von Gedanken, Gefühlen und Verhalten – also, dass meine Gedanken Gefühle auslösen können. Dies wiederum beeinflusst, wie ich mich in bestimmten Situationen dann verhalte werde und bestätigt unter Umständen wieder meine Gedanken.

Würdest du sagen, dass man als Musiker*in hier mehr gefährdet ist, da man sich ja quasi immer am Vergleichen ist? Sowohl mit seinen Mitstudierenden, als auch mit seinen Idolen.

Ich glaube, es ist immer auch eine Persönlichkeits- und Kontextfrage. Auch in anderen Berufen gibt es diese Vergleiche.

Allerdings scheint unter Musiker*innen immer noch mehr dieses „Einzelkämpfertum“ zu existieren – komischerweise. Eigentlich sollte man sich viel mehr zusammentun. Zwar spielt man mal in einer Band zusammen, aber ansonsten bleibt jeder meistens für sich. In anderen Berufen gibt es sicher mehr ein „Nebeneinander“ – wohingegen in der Musik weiter gilt: entweder du oder ich. Entweder werde ich gefragt, oder jemand anderes. Selbst wenn man das gar nicht möchte und wir alle Kolleg*innen sind. 

Dazukommt, dass man in andern Berufen abends nach Hause kommt und dort eine ganz andere, private Person ist. Ich glaube wir als Musiker*innen kommen nie nach Hause. Wir sind immer mit unserer Musik und unserem Instrument verbunden. Das lässt sich nur schwerlich trennen. Als Musiker*in erlebt man eine musikalische Niederlage auch immer als eine persönliche.

„Ich glaube viele wissen gar nicht so recht wie sie üben sollen und singen/spielen dann „einfach so rum“. Sie wundern sich dann, dass es nicht besser wird und verlieren schnell die Motivation. Daher ist es so unglaublich wichtig, sich eine Struktur zu geben.“

(Barbara Barth)

Was in diesem Zusammenhang jedoch ganz schön festzustellen ist, dass spätestens seit Corona hier ein größeres Bewusstsein geschaffen wurde. Inzwischen gibt es ja auch den Mental-Health in Music (MiM) Verband und auch unter Musiker*innen stelle ich eine andere Wahrnehmung bei diesem Thema fest.

Ich glaube auch, dass nur wir alle zusammen das verändern können indem wir offen damit umgehen und aufhören uns gegenseitig etwas vorzumachen. Es nützt ja niemandem, wenn man versucht ständig eine „Hackordnung“ einzuführen.

Du hattest eben selbst Sport für dich als einen Resilieztipp angeführt. Was hilft dir nach einem anstrengenden Probe- oder Gigtag um abschalten und „runterkommen“ zu können?

Für mich ist immer super wichtig, dass ich genügend Schlaf habe und ausreichend Pausen mache. Einfach, dass ich mir den Tag nicht so voll packe. Wenn ich beispielsweise weiß, dass ich abends spät nach Hause komme, schaue ich, dass ich den nächsten Vormittag frei habe. Mir ist wichtig, dass ich gut für mich sorge. Dazu zählt natürlich auch gutes Essen irgendwohin mitzunehmen, wenn ich länger unterwegs bin. Überhaupt mir vorher zu überlegen, wann ich essen kann.

Für mich ist das Regenerative eher die Entspannung. Das heißt also auch in die Sauna gehen, oder in Ruhe auf der Couch zu liegen, oder etwas zu kochen.

„Ich glaube wir als Musiker*innen kommen nie nach Hause. Wir sind immer mit unserer Musik und unserem Instrument verbunden. Das lässt sich nur schwerlich trennen. Als Musiker*in erlebt man eine musikalische Niederlage auch immer als eine persönliche.“

(Barbara Barth)

Also Freiräume schaffen, das wäre dein Tipp?

Ja, auch für Freunde. 

Wenn ich merke, dass ich nicht gut drauf bin und beim Üben feststelle, dass es nicht besser wird, dann weiß ich, dass ich besser aufhören sollte. Vielleicht höre ich dann sogar für die nächsten drei Tage auf. Und schaue dann nochmal, wenn ich in einer besseren Stimmung bin und netter mit mir umgehe, was dann herauskommt.

Üben sollte ja nicht nur monotones Wiederholen, sondern im besten Fall auch Abwechslung und Kreativität sein. Was war die letzte (neueste) Idee, die Du bei deinem eigenen Üben in letzter Zeit ausprobiert hast ?

Vor kurzem neu entdeckt kann ich nicht sagen, aber was ich immer super gerne mache ist transkribieren und Transkriptionen singen. Dabei möchte ich diese so verinnerlichen, dass ich sie nicht einfach nur einmal zur Aufnahme mitsingen kann, sondern Ton für Ton wirklich so „reingehen“, dass ich verstehe was der/ die Komponist*in hier gemacht hat. Natürlich auch Licks herausnehmen. Es macht richtig Spaß, wenn man merkt, dass die Dinge dann in sein eigenes Improvisieren übergehen.

Was mich inzwischen schon seit sechs Jahren beschäftigt (daher auch nicht unbedingt mehr neu), ist die Funktionale Stimmtechnik. Sie hat mir so viel über mein Instrument, die Stimme, erst einmal beigebracht. Ich kann hier ganz in mir ruhend und mit ganz viel Aufmerksamkeit drei Mal „A“ singen und habe dabei so viel gelernt, wie ich mein Instrument benutzen sollte. Das ist für mich immer noch „neu“ und faszinierend.

Was ich vor allem während Corona schätzen gelernt habe, ist die Fülle an Übe-Material bei Youtube oder tolle Apps, wie von deinem letzten Interview Gast Steffen Weber. Dass es hier so viel gutes Material gibt, mit dem es Spaß macht zu üben. Vor allem, wenn man durch ausbleibende Konzerte nicht so viel Routine hat. 

Hast Du einen bewusst gewählten freien Tag in der Woche ? Wie leicht fällt es Dir, guten Gewissens diesen Tag auch wirklich frei zu halten ?

Ich versuche schon zu schauen, dass es insgesamt ausgeglichen ist. Das heißt ich achte schon darauf, dass ich frei habe und vor allem Freiräume für mich habe, um meine Sachen zu machen. Also um mich mit meinen Projekten zu beschäftigen, um in Ruhe üben zu können, um meine Technik-Übungen machen zu können. Das ist bei mir zum Beispiel immer der Freitag. Mittwochs habe ich ähnliches Zeitfenster für mich. Aber, dass muss ich mir dann auch bewusst in den Kalender schreiben.

Bei Terminen, beispielsweise zur Organisation des PENG-Festivals, versuche ich dann dafür konsequent zu sein und zu sagen „Sonntag geht nicht“.

Early Bird oder lieber spät am Abend üben ?

Das kommt total auf die Tagesform an. Wenn ich viele andere Sachen erst einmal anfange, fällt es mir schwer nochmal ins Üben zu kommen.

Ein ziemlich guter Tipp, den ich selbst mal bekomme habe, ist: Das Erste am Tag sollte etwas Kreatives sein. Anschließend kann man dann den anderen Kram machen.

„Ein ziemlich guter Tipp, den ich selbst mal bekomme habe, ist: Das Erste am Tag sollte etwas Kreatives sein.“

(Barbara Barth)

Allerdings geht es mir manchmal so, wenn die Sonne schon untergegangen ist, dass ich dann nochmal Lust bekomme von 20h bis 22h Üben zu gehen. Und dann läuft es voll. Manchmal ist es einfach unberechenbar. Ich glaube was für mich gut ist ist, aufmerksam zu sein, für das, was gerade in mir passiert und was mir gut tut. Besonders rechtzeitig zu merken, wann ich aufhören sollte. Das ist auch unabhängig von der Tageszeit. 


Ich hab hierauf schon wieder keine pauschale Antwort, wie du merkst (lacht).

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst ? (auch gerne nicht-musikalisch)

Ich glaube, ich muss ganz viel üben nicht so sehr mit mir zu hadern. Und dranzubleiben und weiterzumachen, auch wenn ich die Dinge einfach nicht perfekt kann. Dann zu sagen: „Ok, es ist trotzdem gut.“ Vor allem nicht die ganzen Dinge, die ich gut kann, plötzlich auch nicht mehr gut genug zu finden. Das ist für mich mitunter das Wichtigste.

Ich glaube das Wichtigste ist zu lernen zufrieden zu sein, auch wenn man ganz viele Dinge noch nicht kann. Davon sich nicht grundsätzlich demotivieren zu lassen – sondern mit den Dingen, die man bereits gelernt hat zu sagen: „Damit kann ich doch jetzt schon mal gut weitermachen.“

Das schließt ja nun auch den Kreis zur Selbstwahrnehmung und dem vorhin angesprochenen Resilienztraining.

Ja. Für mich hat sich die Frage „was ist üben?“ wirklich dahingehend verändert. Im Studium habe ich es immer durchgezogen. Jeden Tag. Das ist auch total gut gewesen, weil ich dadurch auch eine gute Basis mitnehmen konnte. 

Aber ich merke inzwischen immer mehr, dass es total wichtig ist, mit mir gut umzugehen und auch Abstand vom Üben nehmen zu können. 

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst ?

Eigentlich habe ich immer davon profitiert im Studium, dass ich so strukturiert geübt habe. Aber was ich gebraucht hätte, wäre ein Person gewesen, die sich eher den mentalen Themen mit mir gewidmet hätte und mich da besser aufgefangen hätte.

„Ich glaube, ich muss ganz viel üben nicht so sehr mit mir zu hadern. Und dranzubleiben und weiterzumachen, auch wenn ich die Dinge einfach nicht perfekt kann.  Vor allem nicht die ganzen Dinge, die ich gut kann, plötzlich auch nicht mehr gut genug zu finden. Das ist für mich mitunter das Wichtigste.“

(Barbara Barth)
Bildnachweis:

Titelbild von pgwiazda Photographie

Der Beitrag Wie übt eigentlich Barbara Barth? erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-barbara-barth/feed/ 0
Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern https://what-is-practice.de/mentale-gesundheit-nathalie-mong/ https://what-is-practice.de/mentale-gesundheit-nathalie-mong/#respond Mon, 11 Oct 2021 18:00:22 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3888 Mental Health mit Dipl. Psych. Nathalie Mong Die Expertin Die Expertin für die erste Sprechstunde zum Thema Mentale Gesundheit („Mental Health“) ist Nathalie Mong. Rock- und Popmusik spielte im Leben von Nathalie schon immer eine bedeutende Rolle. In ihrer Jugend war sie Sängerin in Popbands. Beeinflusst von dem, was MTV zu der Zeit zu bieten… Weiterlesen »Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern

Der Beitrag Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern erschien zuerst auf what is practice.

]]>

Mental Health mit Dipl. Psych. Nathalie Mong

Die Expertin

Die Expertin für die erste Sprechstunde zum Thema Mentale Gesundheit („Mental Health“) ist Nathalie Mong.

Rock- und Popmusik spielte im Leben von Nathalie schon immer eine bedeutende Rolle. In ihrer Jugend war sie Sängerin in Popbands. Beeinflusst von dem, was MTV zu der Zeit zu bieten hatte. Auch ihre Praktika beim Radiosender Fritz in Potsdam-Babelsberg brachten sie stärker mit der Welt der Musik in Kontakt. Bis heute singt sie leidenschaftlich gern und arbeitet an ihrer Stimme.

Dipl. Psych. Nathalie Mong
Dipl. Psych. Nathalie Mong

Nathalies zweites großes Interesse ist die Psychologie. Nach ihrem Diplomstudium in diesem Fach und einer Ausbildung zur Psychotherapeutin wollte sie diese beiden für sie wichtigen Felder zusammenbringen. Bei ihrer Suche nach neuen Ansätzen hierzu stieß sie auf die Musikermedizin, die sich mit speziellen körperlichen und psychischen Erkrankungen dieser Berufsgruppe befasst und bildete sich darin weiter.

Die Forschung auf diesem Gebiet interessiert sie ebenfalls sehr. Als Autorin für Fachzeitschriften setzt sie sich mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen aktiv auseinander. Bis 2020 bot Nathalie eine Spezialsprechstunde für Berufsmusiker*innen am Psychotherapeutischen Gesundheitszentrum in München an, wo sie parallel als stellvertretende Leitung tätig war.

Aktuell bietet Nathalie private Psychotherapie und Coaching speziell für Rock-/Pop-Musiker*innen an und gibt Workshops zum Thema mentale Gesundheit. 

Mehr zu Nathalie auf Instagram: musicandsoul_nathalie

Die Sprechstunde

Das Thema mentale Gesundheit ist in der Musik-Branche  aktuell sehr präsent. Wie kommt es, dass gerade (selbstständige) Musiker*innen so oft mit psychischen Problemen zu tun haben?

Es gibt eine Kombination von Risikofaktoren, die speziell in der Musikbranche auftreten. Diese führen nicht zwangsläufig zu Beschwerden, da jeder Mensch anders reagiert. Sie kann aber, ohne das Bewusstsein dafür und geeignete Coping Strategien im Umgang damit, die Wahrscheinlichkeit von psychischen Problemen erhöhen.

Zu diesen Faktoren gehören u.a.:

  • extremes Arbeitspensum und Arbeitszeiten
  • unregelmäßige Schlafenszeiten oder zu wenig Schlaf,
  • schlechte Ernährung und andere Folgen von vielem (low Budget) Reisen
  • hoher Druck auf den Punkt zu performen
  • mangelnde finanzielle Sicherheit- und Planbarkeit
  • niedrige Gagen, leichte Verfügbarkeit und hohe Akzeptanz von Alkohol sowie Drogen
  • in der Regel hohe Identifikation mit der eigenen Arbeit
  • Erwartung der ständigen Verfügbarkeit
  • weniger Grenzen zwischen Privatem und Arbeit, evtl. komplett gleicher Freundeskreis
  • wenig Verständnis und Unterstützung von Menschen außerhalb der Branche 

Selbstwirksamkeit und Resilienz sind uns als Stichworte spätestens seit der Corona-Pandemie sehr vertraut. Gibt es hier spezielle Strategien und Techniken für Musiker*innen, die auch der Tatsache Rechnung tragen, dass musikalische Resultate meist langfristige Prozesse sind?

Ich kenne ehrlich gesagt, zu den beiden Bereichen keine Strategien, die nur für Musiker*innen anwendbar wären. Eine hohe Selbswirksamkeitserwartung (=Die subjektive Gewissheit, neue oder schwierige Anforderungen souverän bewältigen zu können) ist u.a. ein wichtiger Bestandteil von Resilienz (psychische Widerstandsfähigkeit einer Person).

Zur Verbesserung der Selbstwirksamkeit, ist es wichtig, sich gut zu kennen, damit man sich (Übungs-) Ziele setzt, die zwar eine Herausforderung, aber keine Überforderung sind. Umgib dich mit unterstützenden Menschen, die an dich glauben. Es hilft auch, sich Mentor*innen zu suchen, die schon das erreicht haben, was du möchtest (oder lies Bücher von ihnen/höre Podcasts). Positive Modelle, in Bezug auf sein Ziel im Leben zu haben, hilft.  

Für den Bereich Resilienz finde ich persönlich wichtig, sich Humor und Optimismus zu erhalten. Man kann sich in einer schwierigen Situation gezielt fragen, wie diese aussehen würde, wenn man sie mit Humor betrachtet. Investiere in ein positives, ehrliches und unterstützendes Umfeld und lerne Achtsamkeit.   

Wie gehst du mit negativen Gedanken während des Übens um?  (Typisches „Heute klappt gar nichts.“)

Ich mache mir klar, dass ich kein Roboter bin. Es ist ok, dass meine Leistungen daher in Abhängigkeit der Tagesform schwanken können. Da ich achtsam bin, versuche ich den Gedanken „Heute klappt gar nichts“ und den Frust darüber nur zu registrieren. Mit einem Fokus auf die Gegenwart versuche ich nicht in diese Abwärts-Grübel-Selbstabwertungsspirale zu geraten.

Praktisch würde ich mir eine Pause gönnen und etwas machen, was mir einfach „nur“ Freude und Spaß bringt z.B. Tanzen und mich voll darauf konzentrieren. Danach probiere ich es nochmal mit dem Üben. 

Barbara Barth

Sind Musiker*innen gefährdeter für psychische Probleme, Barbara Barth?

“Ich glaube wir als Musiker*innen kommen nie nach Hause. Wir sind immer mit unserer Musik und unserem Instrument verbunden. Das lässt sich nur schwerlich trennen. Als Musiker*in erlebt man eine musikalische Niederlage auch immer als eine persönliche.”

Hat sich der Druck auf junge Musiker*innen durch die sozialen Netzwerke erhöht oder überwiegen weiter die Vorteile?

Es gibt Risiken, die mit der übermäßigen und unreflektierten Nutzung von sozialen Medien zusammenhängen. Die Stimmung sinkt bis hin zu einer erhöhten Wahrscheinlichkeit für Depressionen. Durch die ständigen (unrealistischen) Vergleiche sinkt der Selbstwert. Sogar die Beziehung zum eigenen Körper kann sich verändern.

Auf der anderen Seite sind soziale Medien momentan das unmittelbarste Marketing Tool von Musiker*innen. Bei einem bewussten Umgang (z.B. Limitierung der Zeit in sozialen Medien, Erhalt eines sozialen Netzwerks im realen Leben / klare Social Media Strategie / Wie will ich mit Hasskommentaren umgehen?) überwiegen aus meiner Sicht aktuell die Vorteile. 

„Positive Modelle, im Bezug auf sein Ziel im Leben zu haben, hilft.“

(Nathalie Mong)

Was wäre dein Rat gegen zu viel Perfektionismus?

Sich zuerst bewusstmachen, was genau meine Erwartung an mich selber ist und warum ich das ändern will. Ist die Erwartung z.B. ich muss immer 120% geben, dann würde ich mir gezielt Situationen in meinem Alltag suchen, wo ich mich traue mal „nur“ 100% zu geben und achtsam die Folgen beobachten. Passiert das, was ich befürchte (andere mögen mich nicht mehr, halten mich für schlampig etc.)? Diese Experimente sehr oft wiederholen, am besten aufschreiben und evtl. das Ganze sogar auch mit 80% probieren.

Kann starkes Lampenfieber vor Auftritten schon ein Indiz für ein psychisches Problem sein?

Lampenfieber und Auftrittsangst bilden ein Kontinuum bei dem Aufrittsangst eine sehr extreme Ausprägung ist (mit massiven körperlichen Symptomen, Vermeidungsverhalten etc.). Das alleinige Auftreten von Lampenfieber führt nicht zwangsläufig zu einer Auftrittsangst – es kommt aber darauf an, wie mit dem Lampenfieber umgegangen wird.

Wird das Lampenfieber zunehmend als negativ bewertet und führt es zu tatsächlichen negativen Auftrittserfahrungen, kann sich mit der Zeit schon eine Auftrittsangst aufbauen. Allerdings kann man einen guten Umgang mit Lampenfieber – auch mit starken Lampenfieber – lernen, so dass es sich nicht zu Auftrittsangst entwickelt.

Die letzte Frage wurde durch Melissa Salinas beantwortet (https://www.melissa-salinas.de/).

food for thoughts – Empfehlungen

Der Beitrag Mentale Gesundheit bei Musikerinnen und Musikern erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/mentale-gesundheit-nathalie-mong/feed/ 0
Buchtipp: Alles Kopfsache? https://what-is-practice.de/buchtipp-alles-kopfsache/ https://what-is-practice.de/buchtipp-alles-kopfsache/#respond Fri, 13 Aug 2021 15:07:12 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3757 Alles Kopfsache von Joachim J.K. Kunze beschreibt den Einfluss von Motorik und Psyche auf das Spiel von Holz- und Blechbläser*innen. Er zeigt auf, wie eine "musikalische Resilienz" entwickelt werden kann.

Der Beitrag Buchtipp: Alles Kopfsache? erschien zuerst auf what is practice.

]]>
Alles Kopfsache? Joachim J.K. Kunze

Wenn man sich aus Schüler*innen-Perspektive fragt, was wohl die wichtigsten Eigenschaften eines guten Lehrers sind, so stechen neben der fachlichen Kompetenz gewiss gleichermaßen die Fähigkeit zu Motivieren und Begeistern heraus. Jemand, der in seinen Schüler*innen „ein Feuer entfachen“ kann. Möglicherweise lässt sich der Dreiklang aus fachlicher Kompetenz, Motivations- & Begeisterungsfähigkeit noch um eine weitere, wichtige Eigenschaft ergänzen: die Fähigkeit aus eigenen, instrumentalen Rückschlägen gestärkt weitermachen zu können. Wenn man so möchte eine Art musikalische Resilienz. Letzteres charakterisiert gewiss auch Joachim J.K. Kunze und die Erfahrungen die er in seinem Buch Alles Kopfsache? beschreibt.

Über den Autor

Joachim J.K. Kunze studierte Instrumentalpädagogik bei Malte Burba in Mainz. Trotz dieser klassischen Ausbildung spielte er bereits seit seiner Studienzeit in verschiedenen Bigbands und Jazz-Formationen in der Rhein-Main-Region. Seine eigenen Erfahrungen am Instrument sowie als Pädagoge inspirierten ihn, wie dem Vorwort zu entnehmen ist, zu Alles Kopfsache?.
Daneben erschienen drei weitere methodische Bücher zur Verbesserung des Trompetenspiels, sowie eine Anfänger-Schule.

Mehr zum Autor: www.jo-kunze.de

Alles Kopfsache?

Die knapp fünfzig Seiten des Bandes teilen sich im Wesentlichen in zwei Kapitel auf: Motorik und Psyche. Dazu gibt es noch ein kleines Glossar (fünf Seiten) am Ende.

Die wahrscheinlich größte Schwäche des Buches nimmt Kunze gleich zu Beginn selbst vorneweg: Seine Notizen verstehen sich nicht als eine konkrete Übemethode oder gar eine wissenschaftliche Abhandlung, sondern schildern einzig und alleine seine persönlichen Erfahrungen in diesen beiden Themenbereichen. 

Dies ist insofern schade, da viele der beschriebenen Gedanken Lust auf tiefergehende Informationen machen. So zum Beispiel seine Unterscheidung zwischen natürlichem Lernen und der Programmierung des prozeduralen Gedächtnisses.

„Wenn wir uns in dieser Hinsicht verbessern wollen, also über unseren natürlichen Bewegungsablauf, den wir nur durch Anschauen und Nachahmen erlernt haben, hinauswollen, dann funktioniert das nur durch bewusstes Programmieren des prozeduralen Gedächtnisses zu einem effizienteren Bewegungsablauf.“

(Joachim J.K. Kunze, Alles Kopfsache? – Seite 19)

Die Schwerpunkte, die er allerdings setzt, wie beispielsweise Analogien aus dem Sport suchen, lassen dem Leser*in so jedoch viel Raum zur eigenen Umsetzung. Eine Einladung zum Machen eigener Erfahrungen und zum Experimentieren. Dies ist sicherlich die größte Stärke von Kunzes Buch.

Einen ähnlichen pädagogischen Ansatz verfolgte auch Steffen Weber. Er berichtete hiervon im Podcast „Wie übt eigentlich..?

Wie übt eigentlich Steffen Weber?

Dem Umfang angemessen umreißt er die Themen motorisches Lernen und die Zusammenhänge von Psyche und Lernen. Als Leser*in gewinnt man einen ersten, allgemeinen Einblick, der einem Fachliteratur definitiv wesentlich leichter zugänglicher macht.

Konsequent kontextualisiert Kunze seine eigenen Erfahrungen und beschreibt Situationen, die wohl den meisten Holz- & Blechbläser*innen so oder so ähnlich bereits mehrfach widerfahren sein dürften. Besonders die Macht unserer „inneren Stimme“ beschreibt er sehr treffend. Es scheint, dass durch die unmittelbare Nähe zum Instrument es gerade für Bläser*innen wichtig ist, auch regelmäßig an mentaler Stärke zu arbeiten.

Darüber hinaus fallen als Blechbläser auch die Einflüsse Malte Burbas in seiner Ausführungen auf. Der Band lässt sich so auch als kleine „Einführung“ in diese Methodik lesen. 

*Partner-Link zu Amazon. Ich bekomme eine kleine Provision, wenn Ihr das Buch über diesen Link bestellt. Am Preis für Euch ändert sich dadurch nichts.

Auf einen Blick:

Sprache: Deutsch
Verlag: DVO-Verlag
Umfang: 48 Seiten
Für wen: Holz- & Blechbläser*innen
Sonstiges: Kompakter Start in ein sehr komplexes Themenfeld. Perfekt als Einstiegsliteratur.

Der Beitrag Buchtipp: Alles Kopfsache? erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/buchtipp-alles-kopfsache/feed/ 0
Motivation: „Fähig ist, wer viel dazulernt“ https://what-is-practice.de/faehig-ist-wer-viel-dazulernt/ https://what-is-practice.de/faehig-ist-wer-viel-dazulernt/#respond Tue, 09 Mar 2021 20:46:00 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3297 Wie schaffen wir es langfristig motiviert zu bleiben? Worin unterscheiden sich Erfolgsmotivierte von Misserfolgsmotivierten Menschen?

Der Beitrag Motivation: „Fähig ist, wer viel dazulernt“ erschien zuerst auf what is practice.

]]>
Wie wir langfristig motivierter werden

Inhalt.

  1. Das Motivationsdilemma – und was dieser Artikel will
  2. Den inneren Schweinehund überwinden – oder die Angst vorm Scheitern
  3. Was die Wissenschaft sagt
  4. Huhn oder Ei
  5. Vom Finden des richtigen „Gegners“
  6. Gesetz von Ursache und Wirkung
  7. Fähig ist wer viel dazu lernt – Letzter Akt in drei Teilen
  8. Zum Abschluss

Warum können wir Menschen eigentlich nicht ständig top motiviert sein? Diese Frage dürfte sich wohl bereits ein jeder von uns gestellt haben, der für eine Klassenarbeit, ein Referat oder nur für einen Test lernen musste. Kurzum: Wahrscheinlich alle.

Das Problem beim „ständig-top-motiviert-sein“ ist allerdings, dass wir all unsere Ziele plötzlich gleichzeitig erledigen wollen. Also während wir Kaffee-trinkend beim Frühstück sitzen und im Hintergrund die Radio-Nachrichten hören, lesen wir uns Rezepte für das Mittagessen durch, besprechen parallel dazu mit unserem Partner*in den Ausflug fürs Wochenende und planen im Kopf bereits die nächste Unterrichtsstunde für einen neuen Schüler am Ende des Monats. Niemand würde dieses Grundrauschen im Kopf wohl auf Dauer aushalten. Unser Körper muss also priorisieren und abwägen, für welche Ziele wir uns sofort motivieren sollten und welche wir noch etwas hintanstellen könnten. 

Das Motivationsdilemma – Und was dieser Artikel will

Das Dilemma der Motivation ist dabei, dass sich der Lohn unserer Arbeit – wenn überhaupt – erst später einstellen wird, während Anstrengung und Verzicht sofort erfolgen müssen. Es gilt also, den eigenen Geist so zu „manipulieren“, dass wir unsere Motivation langfristig am Leben halten können und nicht entmutigt, auf halber Strecke, unsere Ziele fallen lassen.

Allerdings so individuell unser aller Leben ist, so individuell fallen selbstverständlich auch Lösungen für unsere ganz eigenen, großen und kleinen, Motivationskrisen aus. Dieser Artikel versucht dem indes nicht markige Kalendersprüche à la #getmotivated entgegenzusetzen, sondern Empirie und aufbereitetes psychologisches Fachwissen. Am Ende kann jedoch immer nur das „In-Sich-Hineinhorchen“ eines jeden Einzelnen stehen, um das zu finden, was einen wirklich antreibt. Ein paar Tricks dahin, kann ich hingegen schon verraten.

Auf meinen Instagram-Kanal habe ich für diesen Artikel eine kleine Umfrage gestartet.

Wie leicht fällt es Euch gerade den inneren Schweinehund zum Üben zu überreden?

    

Den inneren Schweinehund überwinden – oder die Angst vorm Scheitern

Die Frage warum wir uns für manche Aufgaben sehr leicht motivieren können und es uns bei anderen so unsagbar schwer fällt, beschäftigt wohl Künstler*innen seit jeher. Der amerikanische Autor und ehemalige Marine-Soldat, Steven Pressfield, formulierte in seinem Buch „The War of Art dazu die These der „Resistance“. Die Grundidee dabei: Je wichtiger uns eine Aufgabe ist, desto größer unser Widerstand („Resistance“) ihr gegenüber. An einer Vielzahl von Beispielen versucht er diese These daraufhin zu untermauern. So führt er beispielsweise die amerikanische Talkshow „Inside the Actors Studio“ an, in der Host James Lipton regelmäßig seine Schauspieler-Gäste fragt, warum sie bestimmte Rollen annehmen. Nach Pressfields Auswertung der Gespräche scheint sehr häufig Angst als Hauptmotivation gedient zu haben.

Lässt sich in der Konsequenz also die These aufstellen, dass der innere Schweinehund nur durch die Angst vor dem Scheitern überwunden werden kann?

Was die Wissenschaft sagt

Die Psychologie unterscheidet zwischen Erfolgsmotivierten (HE) und Misserfolgsmotivierten Menschen (FM).

Während die erste Gruppe dabei Ziele bevorzugt, die den früheren Leistungsstand leicht überschreiten, lässt sich bei den Misserfolgsmotivierten Menschen eine Teilung in zwei Untergruppen beobachten: Diejenigen, die sich unrealistisch hohe und diejenigen, die sich dagegen unrealistisch niedrige Ziele setzen. An dieser Stelle ist gleichwohl anzumerken, dass beide Motivtendenzen (korrelationsstatistisch) unabhängig voneinander sind. Dies führt dazu, dass es sowohl Personen gibt, deren Verhalten durch das Streben nach Erfolg, als auch durch die Vermeidung von Misserfolg geprägt ist.

Wahrscheinlich würden wir die von Steven Pressfield ausgewerteten Schauspieler-Interviews (die, getrieben von ihrer Angst zu scheitern) daraufhin, zumindest in diesem Aspekt, der Gruppe der Misserfolgsmotivierten Menschen zuordnen.

Das Wissen um diese beiden verschiedenen Gruppen alleine hilft uns jedoch noch nicht weiter. Erst wenn wir uns die Gründe ansehen, wie wir Erfolg oder Misserfolg erklären, kommen wir unserer Motivation etwas näher.

Wie hat sich Eure Übequalität in den letzten Monaten verändert?

Huhn oder Ei

Wir wissen nun, dass sich Erfolgsmotivierte und Misserfolgsmotivierte Menschen im Formulieren ihrer Ziele unterscheiden. Gemäß dem Prinzip von Ursache und Wirkung entsteht so ein Kreislauf aus Zielsetzung, Ursachenzuschreibung (je nach Erfolg oder Misserfolg), Selbstbewertung und einem Resultat für unser Verhalten (entweder ein Meiden von Leistungssituationen oder ihr Aufsuchen).

Kreislauf von Misserfolgsmotivation
Kreislauf von Erfolgsmotivation

Der erste Schritt hieraus kann also nur an seinem Ursprung liegen: der (realistischen) Zielsetzung. Hierzu bedarf es natürlich neben einer genauen Vorstellung, was wir erreichen möchten, auch einer exakten Bestimmung unseres Status-Quos. 

Vom Finden des richtigen „Gegners“

Vor ein paar Jahren löste die Netflix-Serie „Das Damengambit“ einen echten Schach-Boom in Europa aus. Ausverkaufte Schachbretter und eine immens hohe Download-Zahl an Schach-Apps verzeichneten die unterschiedlichen Anbieter. Seit dieser Zeit dürfte vielen blutigen Schach-Anfängern (mich eingeschlossen) beim Begriff „Elo-Zahl“ weniger Fragezeichen in die Augen schießen, als noch vor einem Jahr. Für alle anderen ein kurzer Exkurs: 

Mit der Elo-Zahl misst man die Spielstärke von Schachspielern. Bei Turnieren werden dann die Teilnehmer gemäß dieses Wertes kategorisiert und tragen Partien gegeneinander aus. Entsprechend realistisch ist die Zielsetzung den Gegner in den ersten Runden nocch schlagen zu können.

Für unsere Übemotivation folgt daraus, dass wir nicht nur unsere eigene Elo-Zahl kennen sollten, sondern auch die unserer Gegner (den Übungen) – um im Schach-Bild zu bleiben. Hierzu empfiehlt die Psychologie die sogenannte Zielsetzungstheorie nach Gary Latham und Edwin Locke. Beide Wissenschaftler formulierten in den 1990er Jahren die bekannte S.M.A.R.T. – Formel. Hierzu erschien im letzten Jahr bereits ein ausführlicher Beitrag auf diesem Blog, der an dieser Stelle nochmals verlinkt ist.

Rastergrafik
Übeplan Vorlage what is practice

Lade dir die Übeplan-Vorlage herunter

Die größte Herausforderung beim Üben ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft dir die what is practice Übeplan-Vorlage.

  • Definiere deine Ziele
  • Coaching-Tool zum Visualisieren deiner Stärken und Schwächen
  • Auswertungs-Vorlage, die dich beim Erreichen deiner Ziele unterstützt
  • Übe-Tipps

Gesetz von Ursache und Wirkung

Finden wir Übungen die unserer eigenen Elo-Zahl gleichkommen, ist das schon einmal ein vielversprechender Anfang. Die Aufgabe entspricht unserem aktuellen Kenntnisstand und ist somit für uns ein realistisches Ziel. Um nun zu vermeiden, dass wir in den Misserfolgskreislauf geraten, sollten wir vor allen Dingen unseren Wert als Person nicht mit dem Erfolg oder Misserfolg einer Aufgabe gleichsetzen.

Was heißt das?

Misserfolgsmotivierte Menschen erklären ausbleibende Erfolge oftmals mit mangelnder Begabung, wohingegen Erfolgsmotivierte Menschen zu wenig Anstrengung hierfür verantwortlich machen. Der Unterschied scheint subtil, hat aber enormen Einfluss auf unsere Motivation. Während Erfolgsmotivierte Menschen sich in Zukunft einfach mehr anstrengen werden, werden Misserfolgsmotivierte Menschen sich wieder Aufgaben suchen, die entweder viel zu leicht (hier werden sie sehr wahrscheinlich Erfolg haben), oder viel zu schwer (hier wäre ein Scheitern weniger schlimm) sind. 

Fähig ist wer viel dazu lernt – Letzter Akt in drei Teilen

Die Schlussfolgerung scheint nur logisch. Wenn wir es schaffen Misserfolgsmotivation in Erfolgsmotivation umzuwandeln kann es uns gelingen langfristig mehr Freude am Lernprozess zu haben und weiter engagiert unsere Ziele zu verfolgen. 

Der erste Schritt ist oben bereits beschrieben: Unsere Ziele müssen realistisch formuliert sein. Im zweiten Schritt müssen wir die Ursachen für unseren Erfolg oder Misserfolg genauesten hinterfragen. Wichtig ist dabei vor allen Dingen die richtige Bezugsgröße. Als Musiker*in vergleicht man sich oftmals mit seinen Vorbildern, mit Kolleg*innen, die einen selbst inspirieren. Und gewiss mag dieser Vergleich auch wichtig, richtig und im ausgewogenen Maß auch sehr motivierend sein. Der soziale Vergleich alleine, quasi als Dauerbezugsgröße, bewirkt allerdings das genaue Gegenteil. Es spiegeln sich hier lediglich Fähigkeitsunterschiede wider, die man in der Psychologie als „Leistungsdeterminanten“ bezeichnet. Sprich: Sie sind kurzfristig nicht wesentlich zu beeinflussen.

Besser ist es eine individuelle Bezugsnorm zu entwickeln: Ich bin fähig, weil ich viel dazulerne. Wir disziplinieren uns sozusagen selbst und entwickeln darüber hinaus realistischere Leistungserwartungen. Versagensängste und Scham machen Gefühlen wie Freude und Stolz über das Erreichen der eigenen Leistung Platz (Schritt drei).

Zum Abschluss.

Der Glaube an die eigene Lehrfähigkeit – TED TALK von Carol Dweck

Literaturverzeichnis / Endnoten

 Pressfield: The War of Art, S. 40.

Heckhausen (Hrsg.): Motivation und Handeln, 5. Auflage, S.171.

https://www.sueddeutsche.de/stil/schach-damengambit-boom-1.5181978 (letzter Zugriff: 10.03.2021)

Heckhausen, S. 206.

Heckhausen, S. 208.

Bak (Hrsg.): Lernen Motivation und Emotion. Allgemeine Psychologie II, 2019.

Der Beitrag Motivation: „Fähig ist, wer viel dazulernt“ erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/faehig-ist-wer-viel-dazulernt/feed/ 0
S.M.A.R.T Üben https://what-is-practice.de/wie-geht-smart-ueben/ https://what-is-practice.de/wie-geht-smart-ueben/#respond Wed, 02 Dec 2020 15:35:01 +0000 http://what-is-practice.de/?p=2887 Verknüpfung von Zielsetzungstheorie & Musik „Die Qualität von Zielen hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Motivation.“ (Zielsetzungstheorie (Locke/Latham)) Was schwarz auf weiß notiert möglicherweise noch etwas trivial daherkommt, bildete allerdings nichts weniger als den Grundstein der Zielsetzungstheorie von Edwin Locke und Gary Latham. Die beiden Psychologen formulierten in ihrer Theorie, vor dreißig Jahren, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Leistung… Weiterlesen »S.M.A.R.T Üben

Der Beitrag S.M.A.R.T Üben erschien zuerst auf what is practice.

]]>

Verknüpfung von Zielsetzungstheorie & Musik

„Die Qualität von Zielen hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Motivation.“

(Zielsetzungstheorie (Locke/Latham))

Was schwarz auf weiß notiert möglicherweise noch etwas trivial daherkommt, bildete allerdings nichts weniger als den Grundstein der Zielsetzungstheorie von Edwin Locke und Gary Latham. Die beiden Psychologen formulierten in ihrer Theorie, vor dreißig Jahren, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Leistung und Motivation einerseits sowie, den dazugehörigen Zielen und deren Rückmeldung andererseits besteht. 

Weitaus bekannter als die Theorie in ihrer Gänze ist sicher die S.M.A.R.T. – Formel, die vor allem im Projektmanagement häufig zum Einsatz kommt. Wie lassen sich nun aber diese Erkenntnisse für unseren Übealltag nutzen?

Was ist die S.M.A.R.T. – Formel?

Wohlwollende Aufforderungen wie „Gib Dein Bestes“ oder „Streng dich an“ mögen zwar in aller Regel auf eine gute Absicht des Sprechers hindeuten, sind aber, wenn wir kurz selbst im Kopf diese Situationen abklappern, nur in den seltensten Fällen zielführend. Hinter der S.M.A.R.T – Formel verbergen sich jedoch die empirischen Forschungsergebnisse von Locke und Latham. 

S.M.A.R.T Formel nach Locke und Latham

Wie lassen diese Erkenntnisse nun beim Üben nutzen?

Schritt 1: Ziel formulieren  – Das Prinzip der Pyramide

Am Anfang steht also unser Ziel. Dies kann einerseits kurzfristig (die Vorbereitung der nächsten Unterrichtsstunde), oder bereits langfristig sein. Möchte ich zum Beispiel dreißig Jazz-Standards auswendig lernen ist dies offenkundig kein Ziel, welches ich problemlos in einer einzelnen Lerneinheit an einem Tag erreichen kann. Ich sollte also zunächst versuchen dieses Ziel möglichst realistisch für mich in kleinere Portionen zu zerlegen. Dabei ist zum einen wichtig, bis wann mein Gesamtziel, also die dreißig Standards, erreicht werden soll. Habe ich diese Deadline für mich festgelegt, geht es im zweiten Schritt darum zu schauen, wie viele Stücke ich pro Woche schaffen kann. Im Sinne eines spezifischen und messbaren Fortschritts hilft hier, sich nicht bloß eine Zahl an Stücken pro Woche zu notieren, sondern die Stückeauswahl bereits für die einzelnen Übeeinheiten festzulegen.

Darüber hinaus kann es von Vorteil sein, auch eine konkrete Tempo-Angabe für manche Stücke zu bestimmen. Je besser ich meine Ziele in Worte zusammenfassen kann, desto leichter fällt später die Kontrolle. Und diese hilft uns schließlich dabei weiter motiviert zu bleiben.

Ich stelle mir bei langfristigen Zielen oftmals eine Pyramide vor, welche ich versuche von oben nach unten zu konkretisieren. An der Spitze steht mein „Wuschziel“ – gerne an dieser Stelle auch noch etwas vage formuliert. Je weiter ich in der Pyramide nach unten gehe, desto spezifischer und terminierter werden meine Angaben.

Das Prinzip der Pyramide (SMART-Formel)

Schritt 2: Zielfortschritt dokumentieren

Am effektivsten üben wir als Musiker, wenn wir es schaffen die Musik (und unsere Ziele), statt in stumpfsinnigen Wiederholungen, analytisch zu betrachten. Durch das Zerlegen in kleinere Portionen fällt es uns entsprechend leichter konkrete Rückmeldungen von Außenstehenden – oder natürlich im besten Fall von uns selbst – zu erhalten. Aufgrund dessen, dass wir im ersten Schritt unsere Ziele so exakt definiert haben, können wir nun sehr genau unseren Fortschritt festhalten, Schwachstellen notieren und Erkenntnisse auflisten. 

Möglicherweise kann an dieser Stelle ein Übetagebuch helfen, welches auf der einen Seite unsere Agenda für den Tag bereithält und direkt daneben Platz lässt, um uns selbst Rückmeldung zu geben. 

Selbstverständlich können auch Aufnahmen vom eigenen Üben sehr hilfreich sein. Oftmals erlauben diese nochmals einen neutraleren Blick auf das eigene Tun, als dies während des Übens möglich ist. 


S.M.A.R.T Üben Worksheet

Kostenlose Schritt-für-Schritt Anleitung zum Download

Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.“ – Das wusste auch schon der gute Goethe.

Diese kostenlose Schritt-für-Schritt-Anleitung hilft dir deine Ziele smart zu erreichen.

* Angaben erforderlich

Obwohl Wissen über die Wichtigkeit von Pausen gesellschaftlich recht weit verbreitet ist, scheint es innerhalb der Forschung hier noch konkreten, empirischen Nachholbedarf zu geben. Besonders für das musikalische Lernen existieren bis heute nur einige wenige Studien. 

Planung & Lernpausen

Klar ist, viele kürzere Einheiten sind sinnvoller als wenige längere. Dies leuchtet vor allem auch daher ein, dass wir uns für kurze Lernsequenzen sehr konkrete Ziele vornehmen und diese entsprechend am Ende auch leicht überprüfen können. Darüber hinaus deutet eine Studie von Carla Davis Cash darauf hin, dass auch die zeitliche Platzierung der Pause innerhalb einer Lerneinheit einen Einfluss auf unseren Fortschritt haben kann. 

Um dies zu untersuchen sollten 36 Nichtmusiker eine Fünfton-Sequenz auf dem Klavier möglichst schnell und fehlerfrei lernen. Unterteilt in jeweils drei Vergleichsgruppen unternahmen zwölf der Teilnehmer eine Pause nach dem ersten Viertel der Gesamtübezeit (die betrug insgesamt 12x 30-Sekunden – entsprechend unternahm diese Gruppe ihre Pause zwischen dem dritten und vierten 30-Sekundenblock), eine weitere Gruppe machte gar keine Pause und schließlich die letzte Gruppe pausierte zwischen Block neun und zehn.

Interessanterweise machte besonders die Gruppe mit der frühen Lernpause besonders gute Fortschritte in der Studie. Cash vermutete hier, dass die anfängliche Erholung die lerninduzierten neuronalen Prozesse unterstützt, die ansonsten durch das stetige Wiederholen gehemmt worden wären. Darüber hinaus schnitt insbesondere auch am Folgetag, beim Wiederholungstest, diese Gruppe besser ab, als ihre Vergleichsgruppen. 

Studienergebnisse zur Wichtigkeit von Pausen (Carla Davis Cash)
Studienergebnisse von Carla Davis Cash (aus: Journal of Research in Music Education 3 (2009), S. 259)

Fazit

Die Versuchung liegt nahe unsere Gesamtübezeit als „Erfolgsgröße“ zu nehmen. Nach dem Motto: Je mehr ich geübt habe, desto besser werde ich schon werden. Aber schon in der Schule fordern uns die Lehrer nicht dazu auf, eine Stunde Hausaufgaben jeden Tag zu machen, sondern geben uns ganz gezielt eine Aufgabe für den Folgetage. Wie lange wir schlussendlich dafür brauchen ist sekundär und hängt stark von jedem Einzelnen ab.

Dieser Vergleich zeigt, dass nicht unsere Übezeit alleine den entscheidenden Unterschied macht. Es geht vor allen Dingen um die Qualität des Übens. Dies betrifft einerseits natürlich die Frage, wie unser Verhalten in der Übekabine aussieht (Externe Ablenkungen abgeschaltet? Gehen wir direkt auf Fehler ein? etc.). Andererseits meint dies selbstverständlich auch die Frage nach unserem Ziel der Übeeinheit. An dieser Stelle lohnt es sich ein paar Minuten pro Tag in die Planung zu investieren. Denn, an dieser Stelle schließt sich der Kreis, durch die konkrete Rückmeldung über das Erreichen unserer Ziele, erzielen wir langfristig eine höhere Motivation.


Quellen:

Cash, Carla Davis: Effects of Early and Late Rest Intervals on Performance and Overnight Consolidation of a Keyboard Sequence, in: Journal of Research in Music Education 3 (2009), S. 252-266.

Cash, Carla Davis; Duke, Robert; Simmons, Amy: It’s not how much, it’s how. Characteristics of Practice Behaviour and Retention of Performance Skills, in: Journal of Research in Music Education 4 (2009), S. 310-321.

McFarland, Elizabeth Hogan: Faclitating Lifelong Success. Teaching Middle School Choristers to Practice, in: The Choral Journal 9 (2014), S. 59-64.

Recherchiert bei jstor.org

Der Beitrag S.M.A.R.T Üben erschien zuerst auf what is practice.

]]>
https://what-is-practice.de/wie-geht-smart-ueben/feed/ 0