Trompete | https://what-is-practice.de/tag/trompete/ BLOG Thu, 24 Oct 2024 11:36:52 +0000 de hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://what-is-practice.de/wp-content/uploads/2020/06/cropped-logo-wip-bunt-32x32.png Trompete | https://what-is-practice.de/tag/trompete/ 32 32 Wie gehst du mit negativen Gedanken um, Simon Höfele? https://what-is-practice.de/wie-gehst-du-mit-negativen-gedanken-um-simon-hoefele/ https://what-is-practice.de/wie-gehst-du-mit-negativen-gedanken-um-simon-hoefele/#respond Mon, 24 Jul 2023 08:11:05 +0000 https://what-is-practice.de/?p=5926 Wer kennt diese Gedanken nicht – einfach nicht genug geübt zu haben? Dass auch mein heutiger Gast diese hat, war mir neu, denn seine Karriere gleicht einem Bilderbuch-Verlauf. Simon Höfele kam bereits im Alter von 12 Jahren zu seinem später Professor Reinhold Friedrich und zählte damit zu seinen allerjüngsten Schülern. Inzwischen ist er als Solist… Weiterlesen »Wie gehst du mit negativen Gedanken um, Simon Höfele?

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Wer kennt diese Gedanken nicht – einfach nicht genug geübt zu haben? Dass auch mein heutiger Gast diese hat, war mir neu, denn seine Karriere gleicht einem Bilderbuch-Verlauf. Simon Höfele kam bereits im Alter von 12 Jahren zu seinem später Professor Reinhold Friedrich und zählte damit zu seinen allerjüngsten Schülern. Inzwischen ist er als Solist in der ganzen Welt unterwegs und führt nicht nur die Klassiker der Trompeten-Literatur auf, sondern immer wieder auch Jazz-Stücke und zeitgenössische Literatur. 

In unserem Gespräch wollte ich vor allem wissen, wie Simons Werdegang als Solist verlief und wie sein Üben dazu ausschaut. Wir haben über mentale Gesundheit, unseren Umgang mit Stress und schlechten Übe-Tagen gesprochen. Natürlich kamen wir trotzallem auch nicht an den Themen Kaffee und Fotografie vorbei. Überhaupt hat sich das Gespräch eher angefühlt, als würden wir uns in seinem Café treffen als virtuell. In der ganzen Euphorie kamen wir dann auch gleich auf drei Podcast-Empfehlungen für euch und ganz nebenbei hat Simon dann noch ein Geheimnis verraten, dass – Achtung Spoiler – mit genau diesem Format zu tun hat. Seid also gespannt. 

Simon Höfele mit C-Trompete
Simon Höfele (Foto: Marco Borggreve)

Mehr Informationen zu Simon Höfele

Webseite: www.simon-hoefele.de

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Simon Höfele lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

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Das Interview mit Simon Höfele

Inhalt

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

Üben heißt für mich Konzentration.

Kannst du das etwas konkretisieren?

Ich merke, immer wenn ich gut übe ist mein Handy nicht im Raum und ich bin wenig von anderen Dingen abgelenkt. Dann habe ich einfach eine ganz andere Konzentration – eine, die über das Üben hinaus geht und ich mir vorstelle, auf der Bühne zu sein und dieses Stück dort zu spielen. Ich bin also weniger im Hier und Jetzt, sondern versuche mich mit all meinen Gedanken in diese Situation zu versetzen.

Das klingt fast ein wenig nach Flow-Zustand?

I wish (lacht). Der Flow-Zustand kommt natürlich nicht immer. Vor allem dann nicht, wenn man nicht gut übt bzw. wenn man merkt, dass das Üben nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat.

Wenn ich allerdings gut übe, kann ich mich schon mal in dieser Tätigkeit verlieren. Besonders, wenn ich Stücke durchspiele und eine Generalproben-Situation simuliere.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife?

Fatoni.

Welcher Künstler hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt?

Ganz klar mein Professor, Mentor, Freund Reinhold Friedrich. Ich bin bei ihm seit ich 12 Jahre bin und seitdem war und ist er immer da. Das ist natürlich eine nie enden wollende Inspirationsquelle, für die ich sehr dankbar bin.

„Ich versuche meistens zunächst Druck aus der Situation zu nehmen (Ich bin König darin mich selbst fertig zu machen – und wenn es mal nicht gut läuft, bin ich oft geneigt alle Instrumente aus dem Fenster zu werfen (lacht). Auch, wenn das natürlich völlig überzogen ist.). Das heißt dann eine kleine Pause zu machen und ein Glas Wasser trinken.“

Simon Höfele

Was tun, wenn es mal nicht so läuft?

Du hast es gerade schon erwähnt: Du hast in Karlsruhe bei Reinhold Friedrich studiert und hast im Laufe der Jahre die verschiedensten Förderprogramme und Preise gewonnen (warst BBC Radio 3 New Generation Artist, Rising Star der European Concert Hall Organisation). Inzwischen hast du fünf CDs unter eigenen Namen veröffentlicht – und bist als Solist in der ganzen Welt unterwegs. Eigentlich war meine Frage, ob du uns mal in einen typischen Übe-Alltag mitnehmen kannst. Nach deiner ersten Antwort interessiert mich nun allerdings viel mehr, was du machst, wenn es mal nicht so gut läuft?

Das ist natürlich immer sehr persönlich. Jeder Künstler und jede Künstlerin hat dazu ihr eigenes Notfallprogramm.

Ich versuche meistens zunächst Druck aus der Situation zu nehmen (Ich bin König darin mich selbst fertig zu machen – und wenn es mal nicht gut läuft, bin ich oft geneigt alle Instrumente aus dem Fenster zu werfen (lacht). Auch, wenn das natürlich völlig überzogen ist.). Das heißt dann eine kleine Pause zu machen und ein Glas Wasser trinken.

Mir helfen dann oft auch wieder Basic-Übungen (Gymnastik, Atem-Übungen, lange Töne, Stamp, Chicowitz, die Stellen auf dem Mundstück spielen oder singen). Auf keinen Fall weiter so machen, wie zuvor und denken, dass es nun doch klappen müsse. Das muss es nämlich nicht: Es muss nicht jeden Tag fantastisch laufen.

Dein Weg ist also sowohl die mentale Bremse zu ziehen und dir eine Pause zu gönnen als auch auf dem spielerischen Weg nochmal an den Basics zu arbeiten und später zur Stelle zurück kommen?

Jein. Wenn ich eine Stelle oder Passage habe, die nicht funktioniert versuche ich auch immer zu checken, wie ich sie besser machen kann. Meist funktioniert das auch. Natürlich muss aber auch nicht jede Stelle an einem Übe-Tag perfekt werden. Gut Ding will Weile haben. Jeden Tag eine schwere Stelle 10 Minuten extra üben und dies über ein paar Tage helfen mir.

Dein Übe-Alltag

Wenn du einen typischen Übe-Tag von dir im Kopf so durchgehst – hast du eine bestimmte Reihenfolge, wie du dich strukturierst?

Klar, natürlich habe ich auch meine „Skin-Care-Routine“ auf der Trompete (lacht). Meistens beginnt diese mit ein paar langen Tönen und Luft (vor allem abwechselnd Luft, spielen und singen). Dann geht es weiter mit Clark, Stamp und dann eine Extended Version von Chicowitz. Nach diesen 30-45 Minuten Warm-Up fühle ich mich dann fit.

Vor allem versuche ich mir dabei ständig zuzuhören. Schließlich bringt es nichts, wenn jemand anderes sagt, eine bestimmte Übung sei die beste. Ich habe meine Routine für mich so entwickelt und aktuell funktioniert sie so für mich wunderbar. Damit kann ich guten Gefühls auf die Bühne und das Potential, das ich glaube zu haben, abrufen. Deshalb bin ich auch kein Freund von gemeinsamem Einspielen – vor allem auf Meisterkursen nicht.

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Es ist auf jeden Fall auch eine große Leistung, genau diese Übung auszuwählen, die für einen selbst gut funktionieren. Vor allem, wenn man nach ein paar Tagen Pausen wieder ans Instrument kommt.

Ich kenne das Gefühl, wenn man aus dem Urlaub kommt. Da habe ich wirklich Neurosen. Wenn ich einen Tag nicht übe, bekomme ich regelrechte Entzugserscheinungen. Besonders gravierend ist es an Tagen, an denen ich eigentlich hätte üben müssen. Deswegen habe ich eben auch noch geübt (lacht).

Du hast in deinen Antworten jetzt ein paar Mal das Stichwort Luft erwähnt. In einem Podcast mit dir habe ich gehört, dass du hier ein besonderes Konzept von Kristian Steenstrup verfolgst. Was ist hieran so besonders und wie hat dir diese Methode geholfen?

Ich kenne Kristian ganz gut und hatte bei ihm ein paar Mal Unterricht. Seine Spezialität ist es den „Flow der Luft“ gesondert zu betrachten. Diese Einsichten sind, meiner Meinung nach, für jeden Instrumentalist spannend. Im Prinzip begründet sich seine Methode in der Arnold Jacobs Schule. Er animiert seine Schüler*innen sich vorzustellen, wo sie die Luft hin atmen und wie sie sie wieder ausatmen. Grob gesagt also: Wie effizient kann ich mit Luft arbeiten. Vieles davon ging in eine gleiche Richtung, wie ich sie auch schon von Reinhold Friedrich kannte bzw. sie ganz natürlich bereits anwandte.

Er hat auch ein paar Bücher geschrieben, die sich ebenfalls zu lesen lohnen.

Bücher von Kristian Steenstrup bei Amazon

Karriere als Solist

Im gleichen Podcast hast du auch erzählt, dass du kurz vor dem Abi doch noch die Schule abgebrochen, um dein Studium in Karlsruhe zu beginnen. Hattest du jemals Zweifel, dass dies die richtige Entscheidung gewesen ist?

Ja. Ich wäre gerne so naiv gewesen und hätte geglaubt, dass alles schon laufen würde.

Dieses Risiko war am Anfang natürlich da. Allerdings hatte ich damals noch nicht die Konsequenz im Kopf, was es heißt ohne Abitur zu studieren. Andererseits dachte ich mir, dass ich selbst mit Abitur Musik studiert hätte, und mit dem abgeschlossenen Studium kann man ebenso etwas anfangen. So war ich dann mit meinem Bachelor fast fertig, als meine Mitschüler*innen gerade zu den Abiturprüfungen kamen.

Natürlich kann man mit einem BWL-Studium mehr anfangen. Jedoch ist auch nicht so, dass es nur den Weg in Orchester oder an die Musikschule gibt. Das finde ich sowieso problematisch. Schließlich gibt es ganz viele andere Dinge, die man mit einem Musik-Studium noch machen kann, die nicht im Studium besprochen (gar belächelt) werden.

Absolut. Da stimme ich dir ganz zu. Auch Eckart Altenmüller hat auf diesen Punkt in unserem Gespräch deutlich hingewiesen. Wahrscheinlich war bei dir auch nicht von Anfang an klar, dass du mal Solist wirst?

Nein. Ich habe natürlich unter der Prämisse angefangen, irgendwann mal eine Stelle im Orchester zu besetzen. Das hat sich dann gewandelt, als ich ein paar Wettbewerbe gewonnen hatte. Nachdem ich den Deutschen Musikwettbewerb 2016 gewonnen hatte, beschloss ich es zu probieren und habe mir ein Management gesucht. Das ermöglicht mir natürlich eine weitere Art der Absicherung in dieser Form der Freiberuflichkeit.

Am Ende gibt es aber so viele verschiedene Arten mit dem Wissen der Musik was anderes anzufangen. Und selbst wenn nicht: Wenn man mit einer gewissen Begeisterung an Sachen herangeht, kann man sehr viel machen. Bei mir ist das die Baristarei und die Fotografie. Aber, ich werden demnächst auch einen eigenen Podcast an den Start bringen.

„Am Ende gibt es aber so viele verschiedene Arten mit dem Wissen der Musik was Anderes anzufangen. Und selbst wenn nicht: Wenn man mit einer gewissen Begeisterung an Sachen herangeht, kann man sehr viel machen.“

Simon Höfele

Heißt das, das du jetzt schon perspektivisch im Blick hast, dass es mal ein „Leben danach“ geben wird?

Das sowieso. Ich weiß nicht, ob ich mit 64 noch der große Trompeten-Solist sein werde. Klar gibt es Menschen, die das können. Reinhold Friedrich zum Beispiel.

Allerdings sind wir, biologisch gesehen, auf dem absteigenden Ast. Natürlich hilft uns dann viel unsere Erfahrung weiter. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass ich meine Peak Performance davor habe.  

Als Solist bist du natürlich maximal exponiert. Viele Menschen kommen extra wegen dir zu den Konzerten. Hast du Lampenfieber oder bist aufgeregt?

Im Prinzip geht’s. Ich habe Lampenfieber, allerdings habe ich noch nie darüber nachgedacht Beta-Blocker zu nehmen. Ist auch wirklich nicht empfehlenswert.

Ich hatte das Glück bisher noch nie schlimme Erfahrungen auf Bühnen sammeln zu müssen. Das ist aber wirklich Glück. Ich erinnere mich noch an ein Rezital in der Elbphilharmonie, das super entspannt lief. Ich war fast nicht aufgeregt und freute mich einfach Musik zu machen. Am nächsten Tag spielten wir das gleiche Programm in einer kleinen Konzertlocation an einem anderen Art. Ich war plötzlich so nervös dort. Warum auch immer. Zum Glück lief alles gut und ich konnte spielen. Allerdings konnte ich mir diesen Unterschied nicht erklären.

Würdest du sagen, dass du nervöser bist wenn du Leute im Publikum kennst bzw. die Konzerthallen kleiner sind?

Ich bin nervöser, wenn ich jemand im Publikum kenne. Den zweiten Punkt, finde ich, kann man nicht so pauschal sagen. Aber ich weiß, was du meinst.

Ich hatte so coole Konzerte in großen Hallen, aber auch andere, bei denen ich sehr nervös war. Zum Beispiel in der Philharmonie in Berlin einmal. Oftmals sind einfach Nuancen, die dich nervöser werden zu lassen oder eben nicht. Dann hilft natürlich unsere Professionalität weiter.

Hast du eine bestimmte Technik, um dich an solchen Tagen besonders zu fokussieren?

Nein. Ich schaue, dass ich zumindest etwas gegessen habe davor. Harte Fakten schaffen also: Habe ich genug getrunken? Bin ich unterzuckert? Besonders genügend Wasser trinken ist für mich sehr wichtig.

Wenn ich auf der Bühne dann mal nervös bin, versuche ich mich darauf zu konzentrieren extrem viel Luft einzuatmen und mich besonders hierauf zu fokussieren. Manchmal hilft es auch sich zu vergegenwärtigen, dass andere Musiker*innen ebenfalls mal schlechte Tage hatten und das dies nicht schlimm ist. Diese Relativierung hilft mir.

Was paradoxerweise ebenfalls hilft – obwohl ich mich lange Zeit davor gefürchtet habe – ist in Konzerten zu sprechen. Mir nimmt das viel Nervosität ab. Dabei ist gar nicht so wichtig was ich sage, Hauptsache ich sage etwas.

Wie gelingt es dir abzuschalten?

Um an dieser Stelle nochmal den Bogen zum Üben zu schlagen: Du erwähntest eben, dass es dir schwer fällt mal einen Tag Pause einzulegen. Was machst du um abzuschalten?

Das ist immer die Frage. Ich bin da leider keine gute Ansprechperson und muss schauen, dass ich mental gesund bleibe. Dazu helfen mir auch die Gespräche mit meiner Therapeutin.

Danke, dass du das öffentlich sagst. Ich finde es wichtig, dass man akzeptiert, dass man Zweifel nicht mit sich selbst aushandeln muss.

Ja, das kann ich jedem und jeder nur empfehlen. Natürlich kann es so etwas kostspielig werden, sofern es die Krankenkassen nicht übernehmen. Aber für mich lohnt sich es.

Generell das Thema „Zur Therapie“ gehen zu entdämonisieren, finde ich sehr wichtig und ist inzwischen mehr als an der Zeit. Dazu braucht es noch viel mehr gesellschaftliche Akzeptanz.

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst? Bei dir darf weder die Fotographie noch die Baristarei sein.

Das ist unfair (lacht).

Indirekt hat es natürlich wieder mit dem Üben zu tun. Nämlich, dass was wir gerade besprochen haben: nicht verrückt werden.

So schreibe ich mir oft in mein Tagebuch, mich weniger zu stressen und die kleinen Dinge mehr wertzuschätzen. Wie zum Beispiel, wenn ich gut geübt habe. Oder einen schönen Spaziergang gemacht habe.
Wenn man sich dies regelmäßig vor Augen führt, geht man, finde ich, mit einem ganz anderen Gefühl zu Bett.

„Mehr Mut zum Scheitern und sich auch neue Sachen trauen.“

Simon Höfele

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst?

Weniger in Schubladen denken und offener sein. Ich war sicher bis circa 2016/17 ein „Fachidiot“, der wenig anderes gemacht hat. Ausgenommen der Fotographie. Vor allem, dass man etwas ganz anderes machen kann und, dass es nicht nur die klassischen Wege gibt.

Mehr Mut zum Scheitern und sich auch neue Sachen trauen. Ich bin andererseits aber auch nicht traurig, wie mein Studium verlaufen ist. Aber vielleicht hätte ich mir, an der ein oder anderen Stelle, etwas mehr Freche und Mut gewünscht.

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Wie übt eigentlich Martin Hutter? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-martin-hutter/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-martin-hutter/#comments Wed, 09 Dec 2020 14:07:35 +0000 http://what-is-practice.de/?p=2973 Der Trompeter Martin Hutter gilt als Weltenbummler zwischen traditioneller Blasmusik und moderner Musik (MOOP MAMA).

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Martin Hutters Tätigkeit als Musiker und Trompeter könnte man recht zweifelsfrei auch in einem Wort beschreiben: Weltenbummler. Seit nunmehr zehn Jahren ist er Gründungsmitglied und Trompeter der Brass-Band „MOOP MAMA“. Gleichzeitig kann man ihn aber ebenso leidenschaftlich bei „Ernst Hutter & Die Egerländer Musikanten – Das Original“ hören. Auch in der SWR Big Band trifft man ihn hin und wieder an. Kurzum ein viel beschäftigter Musiker, der in der übrigen (knappen) freien Zeit, auch gerne noch Workshops gibt und sein Wissen um die Trompete an andere Musiker vermittelt. Wie übt er eigentlich für all diese Projekte?

Martin Hutter
Martin Hutter

Darüber hinaus ist Martin seit zwei Jahren im familieneigenen Label HUTTER MUSIC aktiv.

Das Interview

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich…. 

Seine Routine täglich zu wiederholen und sich als Instrumentalist täglich optimieren zu wollen.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife ? 

Momentan alles was mit der Band „BrassTracks“ zu tun hat.

Welche CD hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt ? 

Das ist für mich sehr schwer zu beantworten, da ich von klein auf unzählige, verschiedene Musikrichtungen gehört habe. Ich kann gerne einige Trompeter, die es mir sehr angetan haben, erwähnen: Bobby Show, Chuck Findley, Derek Watkins, Wayne Bergeron, Miles Davis, Freddie Hubbard … 

Die Alben von Bobby Shew & Chuck Findley mit dem Metropole Orkestra hab ich vermutlich an die 1.000x gehört. Die haben mich sicher geprägt, da ich ein ganz großer Fan von ihrem Trompetenspiel bin.

Du bist aktuell mit Eurem Verlag „Hutter Music“ sehr aktiv und ansonsten das Jahr über viel mit Moop Mama auf Tour. Da klappt das Planen der Übezeit, so wie man es sich gerne wünscht, sicher nicht immer. Hast Du an solchen Tagen eine „Minimal-Routine“, auf die Du dann zurückgreifst ? 

Das ist in der Tat hin und wieder sehr spannend die Zeit fürs Instrument effektiv zu nutzen. Aber ich habe mir ein Übeprogramm entwickelt, das mir hilft schnell zwischen all meinen Welten als Musiker & Trompeter zu wechseln. Bei mir geht es hier viel um mentale Vorbereitung, deswegen gilt für mich die Zeit am Rechner, oder auf Tour sinnvoll zu nutzen, in dem ich ständig Musik höre. Ich weiss genau, welche Musik mich fürs Instrument sensibilisiert und gerade in solchen Stresssituationen hilft mir diese Musik für die Übeeinheit vorbereitet zu sein.

„Ich musste auch lernen Fehler zuzulassen und umso besser das jemandem fällt, desto einfacher wird es zu wachsen.“

(Martin Hutter)

Wie gehst du mit Fehlern um ? 

Fehler gibt es? Spaß beiseite. Eine meiner Regeln lautet tatsächlich „lass Fehler zu“.
Auch ich bin oft genug nervös vor heiklen Passagen, aber im Umkehrschluss weiss ich immer, was ich in den letzten 15 Jahren als Profi gemacht habe: Spiel ich für mich ein super Konzert, fahre ich nach Hause und möchte das noch besser hinbekommen. Spiele ich ein für mich schlechtes Konzert mit „Fehlern“, passiert dasselbe. Ich musste auch lernen Fehler zuzulassen und umso besser das jemandem fällt, desto einfacher wird es zu wachsen.

Die andere Frage ist: Was sind Fehler? Sind Fehler falsche Töne oder die Herangehensweise wie ich Musik mache? Als Zuhörer ist für mich eher das Zweite ein großer Kritikpunkt, aber auch an mich selbst. Fehler sind dazu da um zu wachsen und das verstehe ich eher positiv 🙂 Deswegen gibt es tonal keine Fehler. Man muss immer zwischen den Zeilen lesen und sich auf die Musik konzentrieren.

Viele kleine Übe-Einheiten oder lieber ein paar längere am Stück ? Und warum ?

Regeneration ist ebenso wichtig wie die Zeit am Instrument. Wenn nicht sogar einen Tick wichtiger. Es gibt ganz verschiedenen Möglichkeiten, aber ich präferiere ganz klar kleine Übe-Einheiten von 30 Minuten, die aber ebenso kleine Pausen beinhalten. Gerade wenn nicht viel Zeit ist sich vorzubereiten, sollte man sich niemals zwingen und „over the top“ gehen. 

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Übst Du Gehörbildung, Harmonielehre oder Rhythmik noch gesondert in Deiner Überoutine ? Oder falls nicht, wie schaffst Du es, bewusst diese Bereiche in Dein Üben einzubauen ?

Ich trainiere eigentlich nur meine Physis, aber klar mit Metronom und Groove. Meine Gehörbildung übe ich in dem ich ständig Musik höre. Hin und wieder schmeiss ich mich ins kalte Wasser und versuche Jazz Standards über die Anlage laufen zu lassen und beginne ohne Noten das zu erörtern. Aber Gehörbildung habe ich das letzte Mal in der Hochschule gemacht.

Wie schaffst du es / Wie hast du es geschafft Dein Üben langfristig zu strukturieren ?

Über die Jahre habe ich mein „Workout“ und Übungen für bestimmte Bereich zusammengestellt, aber suche auch täglich nach neuen Hilfsmitteln. Ein Tagebuch in diesem Sinn habe ich nie geführt, aber über die Jahre wurde meine Struktur immer klarer, welche ich jetzt auch als Heft Band 1 veröffentlichten werde. Aber das dauert noch bis Januar. Aber es geht bei mir zu 80 Prozent um mentales Training.

Wie hat sich das Üben im Laufe Deiner Musiker-Karriere verändert ? 

Eigentlich recht radikal. In jungem Alter habe ich nie geübt. Da bin ich nur zum Üben in den Keller, damit meine Eltern nicht sauer wurden. Hier habe ich nie mit Fokus auf bestimmten Regeln geübt, sondern einfach nur gedaddelt. Irgendwann habe ich das aber umgestellt und festgestellt, wie schnell man (wenn man diszipliniert ist) mit bestimmten Regeln ans Ziel kommen kann. Seither macht mir das großen Spass. Also eigentlich wirklich radikal geändert. Aber auch die Einteilungen ändern sich immer wieder. Ich probiere gerne neue Sachen aus und wir müssen uns immer wieder anpassen, da wir uns auch ändern.

Seit kurzen kann man sich von Dir regelmäßig Übetipps über Deinen Patreon-Kanal holen. Hast Du den Eindruck, dass sich durch diese Beschäftigung (oder durch Unterrichten allgemein) Dein Üben verändert hat ? 

Mir hat schon immer alles, was mit meinem Instrument zu tun hat, Spaß gemacht. Somit auch das Unterrichten. Ich liebe es anderen dabei zu helfen sich schnell zu optimieren. Für mich sind diese Momente sehr wichtig, da sie meine Methode entweder bestätigen oder mir selbst dabei helfen den Fokus zu erlangen. Aber das kommt ganz darauf an, wie man persönlich dazu steht. Wie gesagt, macht mir eigentlich alles großen Spaß.

Hast Du eine bestimmt Routine, mit der Du an ein neues Stück, das Du gerne lernen möchtest, herangehst ? 

Auf jeden Fall. Wenn ich mir das Stück anschaue, weiß ich welche Übungen ich zu üben habe, damit es mir leichter fällt. Angenommen man entscheidet sich für den „Hummelflug“ gibt es für mich nur „CLARKE“. Entscheide ich mich für Gordon Goodwins Big Band Charts, weiss ich auch was ich zu tun habe: „Caruso“, „Stamp“ und vieles mehr 🙂

Üben sollte ja nicht nur monotones Wiederholen, sondern im besten Fall auch Abwechslung und Kreativität sein. Was war die letzte (neueste) Idee, die Du bei deinem eigenen Üben in letzter Zeit ausprobiert hast ?

Ich lege mir sehr sehr gerne eigene Übungen auf. Die letzte Übung war eine echt coole Flexibilitätsübung, in der ich alles reingepackt hab, was ich trainieren muss. Höhe, Anstoss, Technik, Triolenzunge, … Insgesamt geht diese Übung durch alle Tonarten dann circa 10 Minuten. Aber man hat eigentlich alles geübt – aber sie fällt mir noch sehr schwer.

„Jedem muss klar sein, dass alles seine Zeit braucht. Das heisst man sollte immer entspannt, aber diszipliniert an sich weiter trainieren und genau das machen, was man liebt.“

(Martin Hutter)

Hast Du einen bewusst gewählten freien Tag in der Woche ? Wie leicht fällt es Dir guten Gewissens diesen Tag auch wirklich frei zu halten ? 

Diese Frage ist sehr gut. Ich hab das jahrelang immer wieder vergessen. Aber wie oben schon erwähnt, braucht man Regeneration. Ich teile mir das eigentlich so ein, wie es sich anfühlt. Aber um es an einem Beispiel zu zeigen:

Wenn dieser Optimalfall eintreten sollte schaut meine Vorbereitung für ein Konzert am Freitag so aus, dass ich Montag ganz entspannt eine Stunde übe und das jeden Tag um 15 – 30 Minuten verlängere. Am Donnerstag ist dann tagsüber eine Pause, dennoch versuche ich abends für 5 Minuten kurz ranzugehen. Entweder um das schlechte Gewissen zu besänftigen, zu sehen, dass ich tatsächlich Pause brauche, oder meine Vorfreude auf den folgenden Tag zu steigern. 

Early Bird oder lieber spät am Abend üben ? 

Ganz egal. Morgens fällt es manchmal leichter… manchmal auch nicht. Für mich ganz klar Kopfsache.

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst ? 

Momentan versuche ich meine Triolenzunge zu optimieren. Die rennt mir schon zu lange weg 🙂

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst ? 

Von klein auf habe ich durch mein Vater und seine Kollegen das Privileg gehabt schon früh gute Tipps zu bekommen. Vor allem die menschlichen Tipps haben mir immer am meisten geholfen. Jedem muss klar sein, dass alles seine Zeit braucht. Das heisst man sollte immer entspannt, aber diszipliniert an sich weiter trainieren und genau das machen, was man liebt. Sei musikalisch so vielfältig, wie du sein kannst. Jede Musikrichtung (sei es Klassik, Jazz, Blasmusik, Pop), zu komponieren oder zu unterrichten hilft dir auf deinem Weg ein besserer Musiker zu werden. Es gibt keinen schlechten Input, es kommt nur darauf an, was du damit machst. 

„Es gibt keinen schlechten Input, es kommt nur darauf an, was du damit machst.“

(Martin Hutter)

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