Musiker | https://what-is-practice.de/tag/musiker/ BLOG Mon, 29 Apr 2024 07:39:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://what-is-practice.de/wp-content/uploads/2020/06/cropped-logo-wip-bunt-32x32.png Musiker | https://what-is-practice.de/tag/musiker/ 32 32 Wie übt man effektiv, Benny Greb? https://what-is-practice.de/effektiv-ueben-benny-greb/ https://what-is-practice.de/effektiv-ueben-benny-greb/#respond Mon, 29 Apr 2024 07:37:58 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6504 Benny Greb gehört sicher zu den renommiertesten Drummern weltweit. Ob als Sideman - von zum Beispiel Mark Forster und Thomas D. Auch als Experte für Schlagzeug-Technik und Effektives Üben hat er sich inzwischen einen Namen gemacht. Genau darüber habe ich mit ihm gesprochen.

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Effektiv Üben – Tipps & Methoden

Benny Greb gehört sicher zu den renommiertesten Drummern weltweit. Ob als Sideman – von zum Beispiel Mark Forster und Thomas D. oder mit seinen eigenen Projekten ist er ein gern gesehener Gast auf Bühnen und Festivals rund um den Globus. Gerade bereitet er sich wieder auf Konzerte mit der Buddy Rich Bigband in London vor. 

Auch als Experte für Schlagzeug-Technik und Effektives Üben hat er sich inzwischen einen Namen gemacht. Genau darüber habe ich mit ihm gesprochen. Wir haben wichtige Voraussetzungen für gutes Üben diskutiert und Benny hat Tools und Methoden verraten, wie er an den Drums arbeitet. Die Inhalte sind aber natürlich auf allen Instrumenten anwendbar – also keine Angst, liebe Nicht-Schlagzeuger!

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Benny Greb (Foto © Gerhard Kühne)

Literatur Tipps

Effective Practicing for Musicians

Benny Buch gibt einen umfassenden Blick in das Thema „effektiv Üben“. Dabei lässt er so gut wie keine Frage unbeantwortet. Ob von der Gestaltung eurer Übe-Umgebung bis hin zur Erstellung eines 3-Monats Übe-Plan werdet ihr in diesem Buch viele spannende Aspekte entdecken. Sowohl als Profi als auch als Laie ein wichtiges Buch, um beim Üben wertvolle Zeit zu sparen und effektiv arbeiten zu können. Natürlich richtet sich das Buch an alle Instrumentalist:innen und nicht nur an Schlagzeuger:innen.

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Das Interview mit Benny Greb

Inhalt

Die erste Frage, mit der es immer losgeht, lautet: Vervollständige folgenden Satz. Üben heißt für dich?

Üben heißt für mich, meinen Output anzugucken, zu bewerten und anschließend Veränderungen vorzunehmen. Hoffentlich basierend auf meiner Realisation, was da so passiert ist und dann diese Kurskorrektur hoffentlich in meinem Spiel und in zukünftigen Sessions zu manifestieren.

Es wird oft gesagt, dass Fortschritt von viel Erfahrung kommt. Das ist meiner Ansicht nach ein Irrglaube. Er kommt von vielen Realisationen und von vielen Kurskorrekturen.

Das waren jetzt sehr viele interessante Aspekte, die wir im Laufe des Gesprächs nochmal tiefer besprechen werden. Gibt es aktuell eine Musik, ein Album oder einen Künstler, der bei dir in Dauerschleife läuft?

Ich wurde wieder eingeladen mit der Buddy Rich Big Band in London zu spielen und deswegen höre ich mir gerade oft diese Songs an. Aber das ist eher Vorbereitung.

Gibt es auf deine musikalische Karriere bezogen ein Spieler oder auch eine Spielerin, die dich sehr geprägt hat?

Ja, da gibt es natürlich viele. Aber ich würde jetzt einfach mal Steve Gadd oder Dave Weckl erwähnen.

Entweder-Oder-Fragen

Zum Warmwerden habe ich mir ein paar Entweder-oder-Fragen überlegt, um dich den Zuhörerinnen und Zuhörern vorzustellen, die dich noch nicht so gut kennen: Ghostbusters, das Original, Ghostbusters Frozen Empire?

Natürlich das Original von 1984.

Bayern oder Hamburg?

Beides. In Bayern leben meine Eltern und es ist meine Heimat sozusagen. Hamburg, weil ich hier schon seit über 25 Jahren lebe und das mein Zuhause ist.

Ist das dein Joker bei den Entweder-oder-Fragen?

Ich bin immer völlig outlaw-mäßig bei diesen Fragen. Ich muss dich vorwarnen.

Wir lassen das mal so stehen. Spielen oder Üben im Sinne von „Playing“ oder „Practicing“, wie du es in deinem Buch beschrieben hast.

Beides. Hauptsache man trennt es und lässt es sich nicht gegenseitig kaputt machen.

Clinics halten oder selbst Konzerte spielen?

Ich bin kein guter Kandidat für diese Entweder-oder-Fragen. Ich liebe beides und könnte mich da nicht entscheiden. Ich habe immer wieder Zeiten, in denen ich das eine mehr mache als das andere. Es ist wie bei einem Pendel, das hin und her geht.

Es sind auch schwierige Fragen. Kommen wir zur Letzten: Struktur oder Chaos?

Auch beides. Das Chaos hat eine enorme schöpferische Qualität. Struktur ist wichtig, um das zu bündeln. Das wäre, wie wenn man sagen würde „Ein Wildbach oder Laserkater“. Es ist eben beides toll und es kommt darauf an, was man damit machen will.

Das Problem ist, wenn Leute eins dem anderen vorziehen wollen und sagen, sie müssten sich entscheiden und dann die Qualitäten von dem einen in dem anderen haben wollen. Das geht nicht. Das eine ist das eine, das andere ist das andere. Und beides ist wunderschön – wenn man es richtig einsetzt.

„Aber was gleich bleibt ist, dass ich mein Üben immer in Spielen und Üben aufteile.“

Benny Greb

Bennys Übe-Alltag

Wir wollen heute vor allen Dingen übers Üben sprechen und uns anschauen, wie sich deine Übe-Karriere über die Jahre entwickelt hat. Kannst du uns mal in einen typischen Übe-Alltag mitnehmen?

Die Zeiten, wie lang ich am Tag oder in der Woche übe, müssen leider variieren, je nachdem, was ich mache und je nachdem, was familiär los ist (oder ob ich auf Tour bin oder ob ich gerade ein Seminar halte). Aber was gleich bleibt ist, dass ich mein Üben immer in Spielen und Üben aufteile. Dass ich, wenn ich übe, immer ein paar Tools dabei habe, die mir ganz wichtig sind und, die mir helfen.

Was sind das für Tools?

Also zum Beispiel ein Timer oder mein Journal. Ich führe wirklich Buch. Das klingt unromantischer als es ist. Und ich brauche auf jeden Fall entweder mein Handy oder einen Zoom Recorder. Irgendwas, um ein Vorher-Nachher Recording aufzunehmen.

Daneben nutze ich auch ein paar interne Tools. Egal ob ich jetzt am Pad spiele oder mir im Bus etwas überlege, mental übe oder, ob ich wirklich an meinem Instrument bin. Das sind Mechanismen, die mir gut dienen. Insofern ist es gar nicht so wichtig, wie lange ich übe. Ich habe gemerkt, dass es für mich wichtiger ist, wie ich übe. Und das macht dann das Üben effektiv, egal wo und wie lange.

Du hast am Anfang, auf die erste Frage, schon viele von diesen Punkten angeschnitten. Ich habe das für mich unter „Reflexion“ und „Veränderung“ zusammengefasst. Ist das eine Art und Weise zu üben, die dir so einfach naheliegt und immer schon so war oder ist das etwas, was du dir über die Jahre hart erarbeiten musstest?

Nein, das war definitiv anders am Anfang. Ich habe als Autodidakt angefangen und es war sehr chaotisch. Ich musste eigentlich die Struktur später mit reinnehmen, weil ich gemerkt habe, dass mir sonst ein paar gute Sachen verloren gehen. Ich habe gemerkt, dass ich ganz oft etwas anderes geübt habe und dadurch diesen Aufbaueffekt nicht hatte. Ich hatte dadurch keinen Überblick.

Ich wollte dann zum Beispiel etwas ausprobieren und wusste gar nicht, ob es in meinem Repertoire überhaupt drin ist. Ich wusste zwar, es kommt mir irgendwie bekannt vor, aber es hatte immer so ein „schauen wir mal“- Gefühl. Und das hat mich ganz schön frustriert, weil es zu etwas noch Schlimmerem führt: nämlich, dass man immer vorsichtiger wird und immer konservativer spielt.

Wenn man nicht aufpasst, kommt man dann nicht mehr raus. Und ich habe gemerkt, desto weniger Zeit ich zum Üben hatte, desto effizienter musste ich üben, wenn ich weiterkommen wollte. Man könnte auch sagen, dass vielleicht auch die Themen komplexer wurden. Aber ich glaube, das ist ein kleinerer Faktor.

Ich hätte mir früher niemals Sachen aufgeschrieben, mich gefilmt oder mich aufgenommen und dann angeguckt und danach kritisiert. Mir kam das zu spießig und zu unromantisch vor. Und ich habe gedacht, ich bin Künstler, ich brauche doch Chaos und den Zufall. Allerdings habe ich irgendwann gemerkt, dass wenn ich keine Struktur habe, ich nicht der Künstler werden kann, der ich gerne sein würde.

Später habe ich dann gemerkt, dass es mir eigentlich Druck nimmt und, dass es mir Überblick schenkt.

„Ich hätte mir früher niemals Sachen aufgeschrieben, mich gefilmt oder mich aufgenommen und dann angeguckt und danach kritisiert. Mir kam das zu spießig und zu unromantisch vor. Allerdings habe ich irgendwann gemerkt, dass wenn ich keine Struktur habe, ich nicht der Künstler werden kann, der ich gerne sein würde.“

Benny Greb

Tipps zum effektiven Üben

Bestandsaufnahme – sich selbst beim Üben aufnehmen

Du hast vor ein paar Jahren ein Buch zu diesem Thema veröffentlicht: „Effective practicing for musicians“ – auch für alle Nicht-Schlagzeuger:innen sehr empfehlenswert. Ich habe mich in der Vorbereitung gefragt, was zuerst da war. Frustration, Methoden, das Journal? Hast du von außen Methoden an die Hand bekommen, die dir geholfen haben, das für dich so zu ordnen? Das Problem ist ja, dass wahrscheinlich viele insgeheim spüren, dass Fortschritt ausbleibt. Aber es ja eine Sache, dies unterbewusst zu merken oder durch Aufschreiben sich wirklich bewusst vor Augen zu führen und einzugestehen.

Aus schierer Frustration. Aus tiefer, pechschwarzer Frustration. Und ich kann das teilweise so witzig formulieren, aber es war wirklich ernst. Ich war wirklich richtig frustriert und habe mich auch gefragt, warum das denn so schwer ist. Oder warum es andere gibt, bei denen man den Eindruck hat, dass es ihnen total leicht von der Hand geht. Und wenn man diese Gefühle eine Zeit lang köcheln lässt, geht es meistens noch tiefer. Man stellt sich Fragen, ob man nicht talentiert genug ist oder man vielleicht hätte früher anfangen sollen.

Schon bevor ich studiert habe, bestand kein Mangel daran, neue Sachen zum Üben zu entdecken. Da hatte ich ganz viel Input. Bei der Frage wie ich üben soll, war teilweise wirklich Brachland. Es wurde erwartet, dass man das irgendwie umsetzt. Aber ehrlich gesagt, wie man das machen soll, im Detail, das hat mir wirklich gefehlt. Und das war einer der Gründe, weshalb ich selbst auf die Suche gegangen bin. Als ich damit angefangen habe, wurde das Thema immer so behandelt, als wäre das eine sehr individuelle Sache. Aber wie ich herausgefunden habe, ist das nicht unbedingt richtig. Es gibt ein paar Sachen, bei denen sind wir individuell. Manche Leute üben morgens besser, manche Leute üben abends besser usw. Aber wenn es dann wirklich mal ums Üben geht, dann gibt es ein paar Sachen, die immer funktionieren. Und es gibt auch ein paar Sachen, die definitiv nie funktionieren. Die wären natürlich cool zu wissen.

Ein Schlüsselmoment war, dass ich einmal aus Versehen eine komplette Session von mir aufgenommen habe und sie mir dann, nicht aus Versehen, angehört habe. Komplett. Das hatte ich vorher nie gemacht. Viele schaffen das fast gar nicht, weil da viel Scham und viel Selbstkritik dabei ist. Allerdings kann ich das nur empfehlen. Das ist für mich der Ground Zero, der Startpunkt für jeden, wenn man sich noch nie mit Übe-Technik beschäftigt hat. Während man sich das anschließend anhört, kann man sich einfach ein paar Notizen machen und sich fragen „Hey, was nervt mich da denn eigentlich?“. Der Witz ist, in dieser Beobachterrolle sind wir meist recht gut darin herauszufinden, was Quatsch ist und was vielleicht zielführend ist.

Die erste Sache, die mir auffiel, war, dass ich immer so ein Starten und Stoppen hatte. Ich nenne es „Starting Stopping Syndrome“. Also sich zu viel aufhalsen, es versuchen und dann bricht es zusammen und muss man wieder von vorne anfangen. Dabei kann man wahnsinnig viel Zeit und viel Kraft verschwenden. Aber es gab natürlich noch ein paar andere Sachen. Aber das umreißt es ein bisschen, was der der Ausgangspunkt war.

Rastergrafik
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Die größte Herausforderung beim Üben ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft dir die what is practice Übeplan-Vorlage.

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Effektive Übe-Methoden

Checklist-Cycle und Startzeit verkürzen

Wenn man diesen Gedanken ein bisschen weiter fortspinnen würde, dann hätten wir mit so einer Aufnahme unser Was gefunden. Wir wüssten, wenn wir uns selbst mal in einer Session aufnehmen, wo unsere Schwachpunkte sind. Du hast vorhin die Frage nach dem Wie bereits angedeutet. Was sind denn Methoden, die dir im Laufe der Zeit unter die Finger gekommen sind, die für dich den Zugang zum Üben verändert haben und damit auch den Fortschritt möglich gemacht haben?

Also ich würde natürlich mein Buch empfehlen, um alle Methoden mitzubekommen, aber eine, die ich rauspicken würde, wäre die Startzeit zu verkürzen. Wenn man vom letzten Üben den Ist-Stand dokumentiert hat und sich das am Anfang einer neuen Session anguckt und anschließend direkt dort loslegt, kann man wirklich schon mal 10-20 Minuten sparen. Am liebsten ist mir tatsächlich eine Aufnahme zu haben. Und wer zum Beispiel in den Proberaum fahren muss, und das immer verteufelt hat, ist dann wirklich im Vorteil, weil man auf dem Weg dorthin sich die Aufnahme nochmal anhören kann.

Eine andere Methode heißt der Checkliste Cycle. Das ist eine rein mentale Sache, wo man seine Aufmerksamkeit hinrichtet. Wenn ich zum Beispiel eine Übung habe, gehe ich in meinem Kopf die Checkliste durch. Ähnlich wie ein Bildhauer, der auch nicht eine Stelle zur Perfektion bohrt und dann zur nächsten geht und diese zur Perfektion bohrt, sondern ein kleines Stück hier wegnimmt, dann seine Position verändert, ein kleines Stück dort wegnimmt, sich das Gesamtbild anguckt und dann wieder ein bisschen was abschlägt. So kommt er seiner idealen Form immer ein Stück näher.

Die Checkliste startet zum Beispiel physisch: Kann ich noch aufrechter und entspannter sitzen? Kann ich meine Schultern entspannen? Atme ich noch regelmäßig? Wie würde es aussehen, wenn es einfach wäre? Das ist eine magische Frage, die echt bei vielen Leuten eine ergonomischere und natürlichere Technik in Erscheinung bringt, ohne dass man das man etwas bewusst korrigiert.

Und dann geht es weiter in Timing und Accuracy. Also wie ist die Subdivision? Wie ist der Puls? Kann ich mir den Puls dazu denken oder singen? Und der Witz ist: ich verbringe nicht ewig bei jedem Punkt, sondern nur kurz. Wenn die Liste dann am Ende ist, dann fange ich wieder von oben an und so geht das ständig weiter. So wird es immer ein bisschen besser. In kleinen Schritten eben. Und es beschäftigt auch den Kopf sowie das analytische Hören und Fühlen.

„Ähnlich wie ein Bildhauer, der auch nicht eine Stelle zur Perfektion bohrt und dann zur nächsten geht und diese zur Perfektion bohrt, sondern ein kleines Stück hier wegnimmt, dann seine Position verändert, ein kleines Stück dort wegnimmt, sich das Gesamtbild anguckt und dann wieder ein bisschen was abschlägt. So kommt er seiner idealen Form immer ein Stück näher.“

Benny Greb

Wann ist es gut?

Das erinnert ein bisschen an das „Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit“ von Gerhard Mantel, der das in einer ähnlichen Form aufgeschrieben hat. Der entscheidende Punkt bei dieser Übe-Technik ist dann, im richtigen Moment weiterzugehen. Also wann höre ich auf und wann weiß ich, wann ich zur nächsten Sache weiter gehe? Wie ist deine Herangehensweise?

Fürs Erste gibt es mehrere Möglichkeiten. Ganz wichtig: das „Gut“ muss natürlich vorher definiert sein. Man hat oft die Tendenz, währenddessen sein Ziel zu verschieben. Und das kann frustrierend sein, weil das ein sicherer Weg ist, nie anzukommen. Es gibt zunächst die zeitliche Begrenzung, ganz einfach. Also meistens übe ich einfach, bis der Timer klingelt und dann ist Schluss. Selbst wenn mir dann noch was einfällt. Das einfach eine Limitierung, die ich mittlerweile respektiere. Und das hat mir sehr viel gebracht. Früher ging es sonst immer in diese mega Sessions, in denen ich dann den ganzen Samstag von früh morgens bis spät nachts irgendwas gemacht habe.

Der andere Aspekt ist natürlich vorher zu definieren, was ist für heute das Ziel ist. Oder was für diese nächsten drei Monate das Ziel ist. Manche Sachen sind dabei leichter zu messen und zu erreichen als andere. Also zum Beispiel eine gewisse Entspannung oder eine gewisse Mastery von etwas, spürt man schon. Man kann das fast tagebuchmäßig festhalten.

Wenn ich das dann erreicht habe und damit entspannt bin, ist dieses eine Thema erst mal erreicht und dann kann ich mir auch auf die Schultern klopfen. Natürlich kann man dann den Sound noch verbessern etc. Aber ich glaube, es ist sehr wichtig, auch Zwischenstationen zu feiern. Weil die meisten Sachen, die wir an unserem Instrument oder an unseren Instrumenten machen, sind keine Sachen, die man innerhalb von zehn Minuten abhaken kann. Und wer dann frustriert davon ist, dass er noch nicht ganz fertig ist, der hat eine schwierige Zeit vor sich.

Ich empfehle gerne eine Vorher-Nachher Aufnahme. Es ist vielleicht noch nicht perfekt, es ist vielleicht noch nicht so, wie ich es haben möchte, aber ich habe eindeutig den Beweis, dass sich diese 20 Minuten oder diese zwei Stunden, was auch immer das sein mag, gelohnt haben. Und wenn ich dieses Gefühl behalte, behalte ich auch ein sehr positives Gefühl zum Üben eigentlich.

Ja, das finde ich auch selbst ein unglaublich mächtiges Tool. Einfach sich aufzuschreiben oder noch besser sogar aufzunehmen, um seinen Fortschritt für sich sichtbar zu machen.

Und wir sind eigentlich nicht gut darin, uns selbst zu bewerten, wenn man es nicht festhält. Man ist eigentlich härter zu sich selbst.

Manche Sachen sieht man aus einem anderen Blickwinkel besser, als aus dem Spieler Blickwinkel. Also bei Schlagzeugern ist es zum Beispiel ein Klassiker: Da spielt mir jemand etwas mit beiden Händen vor und fragt, warum das so ungleich klingt? Und es klingt gut, aber beide Hände sehen komplett anders aus. Beim Spielen sind wir oft so mit anderen Sachen beschäftigt, dass wir darauf weniger Acht geben können.

Vom Was und Warum?

Was und warum sollte ich üben?

Absolut. Ich finde auch, dass die Musik sich zum Glück dies vom Sport mehr und mehr abgeguckt und auch hier und da Methoden versucht zu adaptieren. Filmen ist ein gutes Beispiel.

Was ich an deinem Buch so unglaublich gut finde, ist, dass es geschafft hat, wirklich einen „Rundumschlag“ im besten Sinne des Wortes zu kreieren: von äußeren Umgebungen bis zu dem eben angesprochenen Dreimonatsplan. Im Großen und Ganzen geht es um den Prozess, aber auch um das Was und das Warum. Weißt du noch, was dein erstes, was und warum damals war, also als du dir die Fragen selbst gestellt hast?

Wenn man einen Gig spielt oder einen Auftritt hat, und es gibt eine Aufnahme: hört man sich die gerne an? Und wenn nein, gibt es da irgendeinen Punkt gibt, den man verbessern möchte. Das wäre doch der schon mal erste Grund. Jedes Mal, wenn ich eine Aufnahme von mir höre, habe ich irgendwas, von dem ich motiviert bin zu sagen „das könnte ich aber noch besser gestalten“.

Was man manchmal vergisst, ist, dass es nicht ein angsterfülltes Ding sein muss. Das machen viele Lehrer, glaube ich, falsch. „Du bekommst keine Jobs oder wirst nicht bei der Audition genommen“ – das mag für Professionelle alles zutreffen. Aber der wirklichste und der schönste Grund ist, wenn man etwas richtig auscheckt und wenn man gut das Instrument spielen kann. Das macht unglaublich Spaß. Also das ist einfach ein unglaubliches Gefühl, was ich so oft wie möglich haben möchte.

Absolut. Jetzt leben wir allerdings aber nicht alle in „lonely bubbles“, sondern sind soziale Wesen und interagieren ständig (auch durch Social Media) oder sind anderen Einflüssen ausgesetzt. Du beschreibst das in deinem Buch sehr schön, wie man zu den Sachen findet, die man selbst gerne machen möchte: Spieltechniken, Arten zu spielen, die man selbst gut findet.

Wie hast du es denn geschafft, dich selbst von diesen Einflüssen freizumachen? Weil theoretisch, wenn ich Instagram aufmache, und mir andere Musikerinnen und Musiker angucke, sehe ich ja jeden Tag sehr viele neue Sachen, die ich auch noch üben könnte. Also wie schaffst du es, deinen eigenen Zielen treu zu bleiben und dich nicht zu verunsichern zu lassen, dass der Weg, den man jetzt eingeschlagen hat, dann doch vielleicht nicht so der Richtige ist?

Eine schlechte Nachricht und eine gute. Die schlechte Nachricht ist, man kann nicht alles gleichzeitig machen und man kann nicht mal alles machen, selbst wenn man es eins nach dem anderen macht. Man wird nicht bei allem fertig, bis man stirbt.

Die gute Nachricht ist aber, dass wir das nicht (und das wurde sogar mittlerweile wissenschaftlich untersucht) brauchen, um glücklich zu sein. Man denkt immer, das, was jetzt auf mich einprasselt, das würde ich auch gerne habe. Es gibt nur so ein paar Dinge, die für einen wirklich sehr wichtig sind. Und wenn man an denen wirklich arbeitet und spürt, dass man da ein Fortschritt macht, ständig, dann ist das also üblicherweise mehr als genug.

Und der Grund ist eher, wenn wir unseren eigenen Scheiß schon nicht machen, ist es schwer zu ertragen, wenn von außen weiterer Input auf uns kommt. Und das macht natürlich Social Media schwieriger. Wenn man sich selbst schon ein bisschen faul fühlt und dann auch noch andere einem ins Gesicht reiben, was sie alles am Start haben. Das ist schwer auszuhalten.

Man braucht drei Punkte. Der eine Punkt ist ein Ziel. Der andere Punkt ist das Wie ist es denn jetzt gerade? Das ist etwas, dass sehr vielen fehlt. Sie wissen manchmal, wo sie hinwollen, aber wissen nicht, wo sie gerade wirklich stehen. Und der dritte Punkt ist: Was ist denn jetzt der nächste Schritt (die nächste Übung), den ich machen muss? Und wenn ich den nächsten Schritt nicht weiß, dann kann ich auch nicht loslegen. Dann bin ich auch nicht motiviert.

Wenn das wirklich alles in Place ist, dann kann man auch viel entspannter mit anderen feiern, dass sie etwas ausgecheckt haben. Es ist oft eher ein Neid-Ding. Also Entschuldigung, das ist jetzt ein bisschen tough love – aber so ist meine Erfahrung zumindest. Ich bin auch nicht frei davon. Es gab auch Phasen in meinem Leben, wo ich definitiv diese Gefühle hatte. Aber ich meine, die Kehrseite der Medaille ist, dass man sich überlegen muss, wie viel Input man überhaupt zulassen möchte und, ob man ständig neuen Input überhaupt braucht.

Ich glaube, es liegt auch ganz viel Tolles in unfinished business und in Büchern (oder Übungen), die man mal gemacht hat und dann brach hat liegen lassen. Wir verwechseln manchmal neu und besser. Manchmal ist auch „The old shit the best shit“.

„Aber ich glaube, es ist sehr wichtig, auch Zwischenstationen zu feiern.“

Benny Greb

Aber ich finde, das schließt den Kreis irgendwie ganz schön zu dem, was du am Anfang gesagt hast. Wir sind zwar alle Künstler:innen und in Choas kann auch viel Kraft stecken, allerdings funktioniert es ganz ohne Struktur eben nicht. Eine philosophische Frage für das Ende: Wann bist du denn nach dem Üben zufrieden?

Es gibt mehrere Disziplinen diesbezüglich. Also zufrieden bin ich allein schon, wenn ich die Rahmenbedingungen gut gemacht habe. Also wenn ich wirklich allein geübt habe. Das ist schon ein Win für mich. Wenn ich überhaupt diesen in diesen Übe-Modus komme, ist das wie eine Meditation. Zudem hat es den schönen Nebeneffekt, dass ich mich auf ganz viele andere blöde Sachen nicht konzentrieren kann. Und das ist das macht mich enorm zufrieden.

Ich bin jetzt Mitte 40 und beschäftige mich seit 30 Jahren damit, auf einem Gummipfad die Schläge gleich laut zu spielen. Das ist eigentlich total abgefahren und abstrus. Aber in dieser Einfachheit liegt ein ganzes Universum.

Und langfristig gesehen bin ich zufrieden, wenn ich einfach über Monate hinweg eine Sache tief Brett gebohrt habe und ich echt meinen Fortschritt merke. Für mich ist es der beste Vergleich: Ich bin früher mit meinem Vater Bergwandern gegangen und dieses Gefühl, wenn man nach einiger Zeit wandern sich umdreht und die Hütte, von der wir aus gestartet sind, nur noch so groß wie ein Monopoly Haus in der Ferne ist. Das ist einfach ein abgefahrenes Gefühl.

Das ist auch was, dass man aufs Leben übertragen kann. Wir könnten, glaube ich, noch so viel uns über das Üben unterhalten. Es ist sehr spannend dir zuzuhören. An dieser Stelle aber, mit Blick auf die Uhr, kommen wir zu den letzten beiden Fragen: Was übst oder lernst du gerade, was du noch nicht so gut kannst?

Mich mit meinem Sohn nicht in ewig lange Gespräche verwickeln zu lassen, wenn er ins Bett gehen soll. Das versuche ich gerade zu lernen. Er ist da mittlerweile gut drin sich die spannenden Fragen, die vielleicht auch Papa ein bisschen interessieren, aufzuheben bis zur Schlafenszeit. Vielleicht muss ich da auch wieder einen Timer, wie beim Üben, nutzen.

Außerdem versuche gerade wieder mehr auf gesunde Ernährung und mehr Sport zu schauen. Ich habe das früher sehr vernachlässigt. Es gibt so vieles. Wieder öfter meditieren. Das sind oft Sachen, die ich nicht neu entdecke oder neu anfange, sondern an denen ich dranbleiben und wieder anknüpfen möchte.

Da wären wir wieder bei den Open Books, die du zwischendurch mal angesprochen hast. Wenn du jetzt auf deine eigene Studienzeit zurückblickst, gibt es einen Tipp, um den du damals froh gewesen wärst, hättest du ihn schon vorher gehabt?

Ja, eigentlich dieses „Effective Practice“ Buch. Jeden Tipp davon, zum Beispiel der Timer hätte mir viel gebracht. Oder auch der Checkliste Cycle hätte mir viel geholfen. Udo Dahmen, mein Lehrer, hatte eine ähnliche Übung mit mir mal gemacht und die hatte mir wahnsinnig viel gebracht.

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Was bringt dich näher an dein Ziel, François Bastian? https://what-is-practice.de/wie-uebt-hornist-francois-bastian/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-hornist-francois-bastian/#respond Sun, 25 Feb 2024 22:51:06 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6364 François Bastian ist seit 2009 zweiter Hornist beim Symphonie-Orchester des Bayrischen Rundfunks – auch als BRSO bekannt. Daneben spielt er regelmäßig mit dem Blechbläser Ensemble German Brass oder den Berliner Philharmonikern. Damit aber noch nicht genug. Seit 2020 hat er an der Hochschule in Saarbrücken auch eine Professur für Horn und hat während der Pandemie… Weiterlesen »Was bringt dich näher an dein Ziel, François Bastian?

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François Bastian ist seit 2009 zweiter Hornist beim Symphonie-Orchester des Bayrischen Rundfunks – auch als BRSO bekannt. Daneben spielt er regelmäßig mit dem Blechbläser Ensemble German Brass oder den Berliner Philharmonikern. Damit aber noch nicht genug. Seit 2020 hat er an der Hochschule in Saarbrücken auch eine Professur für Horn und hat während der Pandemie seine eigene Lernplattform für das Hornspielen – „Hornskills“ – an den Start gebracht. 

Obwohl François sich in unserem Gespräch als er eher faulen Student beschrieben hat, ist sein Üben und Arbeiten klar und strukturiert aufgebaut. Freut euch auf seine Tagesroutine, die er ganz am Ende des Interviews verrät. Wir haben verschiedene Techniken zum Üben schwieriger Passagen durchgesprochen und François hat wertvolle Tipps zum Aufbau von Selbstvertrauen gegeben. 

François Bastian an der Musikhochschule Saarbrücken (Foto: Patrick Hinsberger)
François Bastian an der Musikhochschule Saarbrücken (Foto: Patrick Hinsberger)
Francois Bastian spielt Horn
François Bastian an der Musikhochschule Saarbrücken (Foto: Patrick Hinsberger)

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Das Interview mit François Bastian

Inhalt

Die erste Frage, mit der es immer losgeht, lautet: Vervollständige folgenden Satz. Üben heißt für dich?

Routine.

Gibt es gerade eine Musik, eine*n Künstler*in, der bei dir in Dauerschleife läuft?

Ja, Bruno Mars höre ich sehr viel. Und ich habe immer wieder Richard Wagner Phasen. Ich war früher schon Wagner Fan. Dann durfte ich vier Jahre lang in Bayreuth spielen und habe da natürlich, um mich vorzubereiten, die Wagner Opern gehört und einstudiert.

Zu dieser Zeit hatte ich eine besondere tägliche Routine: Um nicht zu spät zum Dienst zu kommen, hatte ich immer den Schluss des ersten Akts von Siegfrieds im Bad laufen. Ich wusste, wenn da die Stelle kommt, dann muss ich beim Shampoo sein

Also Richard Wagner im Alltag richtig live.

Ja, das finde ich inspirierend.

Absolut. Und hast du auf dein Spiel bezogen jemand, von dem du sagst, er oder sie ist eine Art Vorbild für dich?

Ein großes Vorbild ist Stefan Dohr, der Solo-Hornist der Berliner Philharmoniker. Wegen ihm wollte ich Hornist werden. Davor habe ich, durch meinen Vater, sehr viel von Hermann Baumann gehört.

Während des Studiums war meine Professorin Marie-Luise Neunecker ein Vorbild. Sie hat mir alles beigebracht. Später Wolfgang Gaag von German Brass.

Waren es dann jeweils bestimmte Aspekte, die dich in dem Spiel dieser vier Hornisten fasziniert haben?

Ja, absolut. Hermann Baumann, weil er einfach der größte Solist auf dem Instrument war. Er ist leider vor ein paar Wochen gestorben. Stefan Dohr ist als Orchestermusiker unschlagbar. Nach wie vor muss man sagen. Marie-Luise Neunecker natürlich, weil sie die erste Frau war, die so bekannt auf dem Instrument wurde. Und, die gezeigt hat, dass es eigentlich noch besser geht als die meisten Männer. Technisch unglaublich. Und Wolfgang Gaag, weil er mit seinem Ensemble German Brass auf dem Instrument so schön gesungen hat. Ich durfte circa 40 Konzert mit ihm zusammenspielen. Wir wohnen auch nur zwei Straßen voneinander entfernt. Er ist auch als Mensch eine super Inspiration.

Übe-Alltag

Jetzt hast du schon eine Formation angesprochen, in der du regelmäßig mitspielst. Du bist seit 15 Jahren Teil des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks (BRSO) und seit vier Jahren inzwischen Professor an der Hochschule in Saarbrücken.

Dazu kommen noch Engagements wie bei German Brass. Du hast das Orchester des Festivals in Bayreuth schon angesprochen, das Bayerische Orchester der Staatsoper habe ich hier noch stehen. Die Liste ist wahrscheinlich noch länger. Das heißt, nicht nur viele Konzerte, sondern auch viel reisen. Wie sieht ein typischer Übealltag von dir aus – wenn du sagst, Routine spielt für dich so eine große Rolle?

Ich übe tatsächlich nur, wenn ich frei habe. Das heißt, wenn ich weder Proben noch Konzerte habe. Sonst komme ich eigentlich nicht dazu. Wenn ich im Orchester spiele, hier unterrichte, oder mit einem Ensemble spiele, dann übe ich an diesem Tag nicht, sondern spiele mich einfach nur ein. Je nach Programm kürzer oder länger – im Durchschnitt circa 20 Minuten. Die ganze Arbeit muss ich schon davor gemacht haben.

Die besten Übe-Tage sind die Tage, an denen ich ganz frei habe. Meine Routine beginnt dann so: gemütlich aufstehen, Kaffee trinken, frühstücken und dann gegen 11h00 fange ich mit körperlichen Übungen an. Ein bisschen in Richtung Yoga, aber es ist mehr Mobilität, um den ganzen Körper warm zu bekommen. Das dauert ungefähr 20 bis 30 Minuten.

Dann fange ich an Atemübungen zu machen. Anschließend spiele ich mich sehr viel auf Mundstück ein (20 bis 30 Minuten). Dann übe ich eine Stunde auf dem Horn. Danach mache ich eine lange Pause, um etwas zu essen oder zum Sport zu gehen. Später am Tag übe ich nochmal eine Stunde. Insgesamt würde ich sagen, übe ich circa zwei bis drei Stunden. Davon netto Horn spielen sind 1,5 Stunden.

Wie kann man sich dein Einspielen an Probe- oder Konzerttagen vorstellen? Ist das eine Art Check, dass du einmal Stoßübungen, einmal Bindeübungen, ein paar Luftübungen machst, um zu gucken, ob alles an dem Tag da ist, was du brauchst?

Nein. Meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass auch wenn ich 30 Sekunden vor dem Auftritt hinter der Bühne ein paar Töne spiele, das Gefühl später auf der Bühne ein ganz anderes ist. Also nicht nur mental, von der Aufregung her, sondern wirklich physisch. Deswegen habe ich auch vorhin Routinen gesprochen.

Ich mache zwei, drei Standardübungen, aber versuche gar nichts zu checken, sondern einfach nur mit der richtigen Technik zu spielen – darauf zu vertrauen, dass ich mit dieser Technik alles spielen kann.

Was ich bemerkenswert finde, ist, dass auch ein körperliches Warm-Up zu deiner Routine zählt. Das höre ich hier in den Interviews gar nicht so oft. Wenn du den mentalen Aspekt ansprichst: Übst du bestimmte Stellen manchmal auch nur im Kopf, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie das dann ist an Konzerttagen ist?

Inzwischen weniger – aber früher sehr häufig. Wir hatten, als ich in der Akademie des BRSO war, mentales Training als Einzelunterricht gehabt. Da habe ich sehr viele Techniken gelernt, die ich auch dann anwenden musste. Gerade für das Probespiel, um die Stelle zu bekommen. Mittlerweile ist es so, dass ich ein bisschen weniger diese Übungen brauche.

Inzwischen weiß ich, wenn ich diese paar Stunden mit dem Instrument verbringe, mit mir selber, mit meinem Körper, vielleicht auch mit meinem Kopf, dann weiß ich, dass es laufen wird. Und wenn es nicht läuft, dann läuft es halt nicht. Und das ist das Gute, wenn man schon ungefähr 15 Jahre im Job ist. Man hat alles schon erlebt.

Ich habe mich schon super gut gefühlt, bevor ich auf die Bühne gekommen bin, und habe total versagt. Oder war unglaublich nervös. Es gibt Aufnahmen von mir auf Spotify mit einem Orchester, wo ich zittere. Das hört man noch ein bisschen. Ich habe auch Wochen erlebt, wo ich krank war und nicht zum Üben kam und es super gelaufen ist. Oder wo ich dachte, die fragen mich nie wieder und einen Tag später kam noch mal eine Anfrage.

„Wenn jemand ein Solo gespielt hat, dann scharrt man mit dem Fuß oder man macht ein kleines Zeichen – auch wenn es nicht perfekt war. Das ist wie eine Fußballmannschaft, die sich einfach immer gratuliert, wenn jemand was Gutes gemacht hat. Und im Orchester oder in der Musik, finde ich, muss man das auch pflegen.“

Francois Bastian

Selbstvertrauen trainieren

Das erinnert mich sehr an so einen, an so eine Art Urvertrauen, was man irgendwann in sich und seine Fähigkeiten auf dem Instrument entwickelt. Man weiß, dass man sich auf diese Basis verlassen kann. Und was ich ganz schön fand: Du hast gesagt „Naja, wenn es nicht läuft, dann läuft es halt nicht.“ Hattest du schon immer einen so entspannten Umgang mit Fehlern?

Nein. Ich glaube auch, dass man das fast nicht lernen kann. Es gibt natürlich Leute, die das als Talent haben. Aber man muss auch sagen: Am Anfang einer Karriere, oder wenn man noch im Studium ist, hat man noch nicht diese Bestätigung.

Ich habe natürlich leichtes Spiel. Ich habe hier eine feste Professur, bin in München seit 15 Jahren und ich erhalte super Anfragen. Warum sollte ich mir jetzt Sorgen machen? Ich mache mir natürlich immer noch Sorgen.

Wenn man diese Bestätigung für sein Ego braucht, ist das legitim. Ein sehr guter Tipp kam von Johannes Dengler, der Solo-Hornist an der Bayerischen Staatsoper in München. Er hat mir gesagt: Wenn du Komplimente brauchst, dann geh am Ende vom Konzert zu deinen Kollegen und sagst „Bravo, schön gespielt“. Dann wird das Gleiche zurückkommen. Schon hast du deine Bestätigung.

Das ist diese Etikette, die man im Orchester pflegt. Wenn jemand ein Solo gespielt hat, dann scharrt man mit dem Fuß oder man macht ein kleines Zeichen – auch wenn es nicht perfekt war. Das ist wie eine Fußballmannschaft, die sich einfach immer gratuliert, wenn jemand was Gutes gemacht hat. Und im Orchester oder in der Musik, finde ich, muss man das auch pflegen und diese Techniken anwenden, um eben sich das zu holen, was man braucht.

Das finde ich einen sehr schönen Vergleich. Ich frage mich manchmal nur, weil man als Spieler*in selbst weiß, dass die aktuelle Leistung nur 70 % oder 80% von dem ist, was ich eigentlich imstande gewesen wäre zu leisten. Nimmt man so ein Kompliment dann trotzdem für voll? Weißt du, wie ich meine?

Ich finde es immer wichtig den Kontext zu verstehen – so wurde ich auch erzogen. Wenn du zum Beispiel im Landesjugendorchester Saarland spielst: Innerhalb dieses Rahmens kannst du dich so professionell wie möglich verhalten. Und wenn du da gut spielst, dann weißt du, das waren jetzt die Besten aus der Region und ich glaube, ich habe mit 80, 90 % von meiner Bestleistung dazu beigetragen. Wenn wir jetzt ins BR Sinfonieorchester vorspulen – Sir Simon Rattle als Dirigent. Wenn wir eine Mahler Sinfonie spielen, gibt es diese am gleichen Abend vielleicht noch zwei oder drei Mal so auf der Welt. Das heißt, es ist wirklich die höchste Klasse. Wenn ich nur 70 % von meiner Bestleistung abrufen kann, dann ist immer noch 70 % Weltklasse. Und wenn ich mal 95 % habe, dann ist das eigentlich unglaublich. Das ist wie in einem WM Finale drei Tore zu schießen. Immer dann, wenn ich anfange zu spinnen und mir sagen, dass es nicht gut genug ist, versuche raus zu zoomen und zu schauen, wo ich jetzt eigentlich bin.

Das ist auch was, was ich meine Studierenden versuche beizubringen. Du musst dich immer wie ein Experte oder wie eine Expertin beurteilen und bewerten. Das heißt, wenn du einmal gekiekst hast, ist das sehr wenig. Du bist zum Probespiel gefahren und du warst nervös? Das ist normal. Sag nicht, dass alles negativ war, oder du könntest es viel besser. Das ist fast arrogant zu sagen. Du hast es ja gerade nicht besser gemacht. Das heißt, arbeite nun dran, dass du es beim nächsten Mal besser machst. Wenn die anderen dir gratulieren bedankst du dich. Egal von wem es kommt. Auch wenn es von deiner Mutter, deiner Schwester oder von deiner Frau kommt

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Übeplan Vorlage what is practice

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Die größte Herausforderung beim Üben ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft dir die what is practice Übeplan-Vorlage.

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Du hast in deiner Antwort zwei sehr interessante Punkte verpackt, die ich gern herausgreifen möchte. Du hast den Sport angesprochen. Was im Sport deutlich leichter ist, als in der Musik ist, dass man sehr gut Fortschritte sichtbar machen kann. Wenn ich an einem Tag einen Kilometer gelaufen bin und am nächsten Tag zwei schaffe, dann sehe, dass ich mehr gelaufen bin. In der Musik ist das sehr schwer. Wir reden von Nuancen. Klangqualität lässt sich auch nicht so leicht messen. Wie macht man seinen eigenen Fortschritt sichtbar, um auch motiviert zu bleiben?

Um es zu schaffen, habe ich immer mehr Disziplin gebraucht. Du hast den Sport angesprochen. Alles, was wir machen, gerade wir Blechbläser (aber eigentlich gilt es für jedes Instrument) hat nichts mit Magie zu tun. Das heißt, wenn ich jeden Tag meine Übungen mache, dann werden meine Muskeln stärker. Dann spüre ich bei den Übungen, dass es mir leichter fällt. Dann kann ich vielleicht schwerere Übungen machen.

Wenn ich von Routine spreche, dann heißt das jedoch nicht, dass ich die Übungen immer genau gleich spiele. Sondern ich versuche Varianten zu entwickeln. Das mache ich auch bei hornskills. Sobald eine ich eine Übung technisch kann, versuche ich am Sound zu arbeiten oder sie noch musikalischer zu gestalten.

Jetzt haben wir ein paar Mal hornskills angesprochen. Dass ist deine Online Lernplattform, wo sich jeder registrieren kann, um mit dir gemeinsam zu üben. Jetzt natürlich die spannende Frage, weil wir es anfangs schon von deinem vollen Terminkalender hatten: Wie kommt man dazu noch eine Online Lernplattform aufzubauen?

Als ich an der Hochschule in München angefangen habe zu unterrichten, habe ich festgestellt, dass die Studentinnen und Studenten anfangs am meisten von mir lernen, wenn wir gemeinsam üben. Ich habe also nicht nur einzeln unterrichtet, sondern habe angeboten, sich zum gemeinsamen Üben zu verabreden. Plötzlich waren ganz viele Leute da und wir haben einfach zusammen geübt.

Der Mensch besitzt Spiegelneuronen. Man kennt es von Kindern, die Dinge einfach so, ohne viel nachzudenken und die Theorie zu verstehen, nachmachen. Das ist das Prinzip von hornskills.

Was mir besonders gut an hornskills gefällt ist, dass du die Benefits der Übungen sehr klar strukturierst. Die Videos haben immer einen sehr klaren Fokus für welchen Bereich diese spezielle Übung gut ist. Du hast das in einem Pentagramm (5 Übe-Bereiche: hohe und tiefe Lage, Ausdauer, Flexibilität und Artikulation) grafisch schön dargestellt. Es erinnert ein bisschen an das „Wheel of Life“ aus dem Coaching-Kontext. Warum genau diese fünf Bereiche? Wir haben gerade schon über Sound gesprochen. Mir ist beispielsweise noch Gehörbildung, Repertoire oder Geschwindigkeit eingefallen.

Weil meine Erfahrung gezeigt hat, um wirklich professionell Horn spielen zu können, sind dies die wichtigsten Faktoren. Man sagt immer, dass es schön klingen muss. Aber Horn klingt an sich eigentlich sehr schön. Aber schaust du in meine Klasse oder in ein Orchester, wirst du feststellen, dass wir alle verschieden klingen. Klang ist sehr individuell – oft auch anatomisch bedingt. Aber Punkte wie sauber artikulieren, Ausdauer und für das Horn speziell eine gute Tiefe, gleichzeitig aber auch eine gute Höhe zu haben, das sind die wichtigsten Sachen. Die Herausforderungen sind nicht die schweren Konzerte, die man vielleicht zweimal in seinem Leben mit Orchester spielen darf. Sondern, ob du wirklich auf den Punkt, wenn die Mikrofone live im Radio laufen, drei Triolen gleich artikuliert spielen kannst.

Würdest du sagen, dass du früher selbst nach so einem Schema geübt hast? Dir quasi selbst einen hornskills Trainingsplan entworfen hast?

Ja, so habe ich das von meiner Professorin Marie-Luise Neunecker gelernt. Sie hat gesagt, es ist nicht wichtig, dass man stundenlang alles übt, sondern gezielt bestimmte Bereiche: zum Beispiel fünf Minuten Artikulation, fünf Minuten gestopft spielen, üben in der tiefen Lage. Dinge, die man eigentlich nie übt, weil sie keinen Spaß machen. Diese Arbeit ist natürlich nicht inspirierend.

Musik hat auch etwas mit Handwerk zu tun. Wie bei einem Tennisspieler. Serena Williams hatte ein super Tipp. Sie hat gesagt: Es ist ganz einfach. Du machst 1 Millionen Mal Vorhand, 1 Million Mal Rückhand und wenn du fertig bist, dann machst du es noch mal. So ist auch mein Konzept. Ich kann dir sehr viele Sachen beibringen, auch musikalisch. Aber dazu musst du ebenso diese einfachen Übungen machen, die wenig Spaß machen.

Das geht in eine ähnliche Richtung wie die Ericsson Studio („10.000 Stunden“) damals. Egal was du im Prinzip machen willst, wenn du es 10.000 Stunden machst, dann bist du schon gut darin. In Teilen wurde sie ja inzwischen widerlegt.

Ja, genau.

Das heißt, Fortschritt kommt quasi, indem man stetig dranbleibt.

Genau. Du brauchst natürlich auch die richtige Methode, die zu dir passt. Mein Konzept ist weg von Magie und weg von zu viel Schnickschnack –  sondern was passiert physikalisch?

Es ist sehr einfach. Du möchtest Horn spielen professionell machen, also muss deine Technik belastbar sein. Also kannst du nicht alles mit deinen kleinen Lippen lösen. Du musst es mit dem ganzen Körper machen. Deine großen Muskelgruppen, wie die ganze Atemmuskulatur oder im Halsbereich, kann man gut kontrollieren. Allerdings ist es erstmal nicht intuitiv.

Wie üben wir das Horn-Solo in Bruckners 4. Symphonie?

Ich will gerne noch einmal ganz kurz den Bogen zurück zum Anfang spannen. Gerade hast du auf Instagram bei hornskills ein kleines Quiz, in dem du jeden Tag den Notenausschnitt aus einer berühmten Horn-Stelle postest. Ich glaube, gestern war es Bruckners Vierte. Ich habe mir in der Vorbereitung die Frage gestellt: Wenn du so eine Stelle, die du gestern gepostet hast, selbst für ein Konzert erarbeiten müsstest – hast du dazu eine bestimmte Vorgehensweise?

Ich spiele zweites Horn bei uns im Orchester, das heißt, ich werde die Stelle in Bruckners Vierte eher nicht spielen. Es sei denn, unser Hornist wird in der Pause krank– davor habe ich immer Angst (lacht).

Man kennt diese Stelle. Die Streicher spielen sehr leise und das Horn muss quasi aus dem Nichts kommen. Ultra schwer. Du sprichst die Vorbereitung an. Dann schaue ich in die Noten und schaue mir die Dynamik an, die sich Bruckner vorgestellt hat. Mezzoforte. Das heißt, Bruckner wollte vielleicht gar nicht, dass es aus dem Nichts kommt. Vielleicht finde ich da eine Klangfarbe (Eine Dynamik ist nicht nur eine Lautstärke. Da steht nicht: „Bitte spielen Sie 23 Dezibel laut, sondern mit mezzoforte. Forte heißt stark und mezzo mittelstark) mit der ich in meiner Komfortzone bleiben kann. Aber dennoch im Saal gut trägt und so diese Softness rüberbringt. Das heißt: Ich würde bei so einer heiklen Stelle immer schauen, ob sie wirklich so heikel geschrieben wurde.

Und dann sind wir beim Thema Belastbarkeit. Wie kann ich es so üben, und letztendlich spielen, dass ich noch in meiner Komfortzone bleiben kann. Natürlich musst du bis zur Grenze üben. Du musst schauen, wo deine Grenze ist. Aber du spielst letztendlich in deiner Komfortzone und fühlst dich dabei immer wohler und kannst vielleicht dann, nach ein paar Jahren, mehr Risiko nehmen.

Es ist oft so, dass man Profis hört und denkt sie hätten richtig viel Risiko genommen. Aber wenn man zum Beispiel Stefan Dohr in Berlin nimmt. Er nimmt kein Risiko am Anfang der Vierten. Er kann die Stelle wirklich 100 Mal so leise spielen. Ich sage nicht, dass es totale Routine für ihn ist. Aber er weiß ganz genau, was er tut.

Und wenn es um viel geht, zum Beispiel im Probespiel oder im Probejahr, dann würde ich erstmal dort bleiben, wo ich mich spielerisch wohlfühle und mein Selbstvertrauen aufbauen kann.

Und wenn die Stelle jetzt eher technisch herausfordernd ist, übst du sie dann auch in verschiedenen Wegen?

Ja, auf jeden Fall! Was bei mir gar nicht klappt, ist perfekt zu üben. Es funktioniert überhaupt nicht. Dieses „Ich übe es genauso, wie ich es im Konzert spielen möchte“ klappt nicht bei mir. Ich muss ganz viele Angriffswinkel während des Übens haben. Natürlich muss es dann am Schluss rhythmisch und von der Musikalität richtig sein. Aber technisch gesehen würde ich sie anders erüben (z.B. in Jazz-Phrasierung, mit ein bisschen mehr Groove oder gestopft). Sodass ich auf der Bühne auf viele Versionen und viele Werkzeuge zurückgreifen kann.

Wir haben ja ganz am Anfang über deinen vollen Terminkalender gesprochen. Hast du bewusst frei gewählte Tage, an denen du kein Horn spielst?

Im Jahr habe ich schon Phasen, in denen ich gar nicht spiele. Meistens im Sommer, wenn ich nicht gerade ein Festival spiele. Dann mache ich schon fünf bis sechs Wochen Pause. Ich versuche diese freie Zeit schon einzuplanen. Wenn ich im Orchester viel gespielt und viel unterrichtet habe, dann kann ich auch mal so einen Tag Pause einlegen. Das tut mir sehr gut. Ich versuche das sehr professionell zu machen.

Ich habe die Autobiografie von Novak Djokovic gelesen. Sein Ziel war früh die Nummer 1 der Welt zu werden. Er hat sich dann immer gefragt: Bringt mich das, was ich gerade vorhabe näher oder weiter weg von meinem Ziel? Das ist es auch, was ich versuche, meine Studierenden beizubringen. Die Antwort ist: Nicht immer ist Üben besser. Manchmal ist es besser, du gehst mit deinem Freund, mit deiner Freundin in ein Wellness-Wochenende. Das ist in dem Moment das Beste für dich und da brauchst du Erfahrung.

Auch ein Tipp an dieser Stelle: Man muss sich das Üben so attraktiv wie möglich gestalten. Ich fahre jede Woche zehn Stunden Zug, um nach Saarbrücken zu kommen. Wenn ich jetzt nur ein Buch mitnehme, was ich nicht lesen werde und nichts zu dann wird mir die Fahrt keinen Spaß machen. Aber ich kann mir auch super Kopfhörer kaufen, sodass die Fahrt angenehm ist und ich mich am Freitagabend, nach einem Konzert, wirklich freue fünf Stunden Zug zu fahren.

Und beim Üben ist es genau das Gleiche. Ich versuche alles immer so attraktiv wie möglich zu machen. Wenn ich eine Pause einlege, dann mache ich nicht nur eine Pause und langweile mich, sondern ich plane was anderes damit.

Das finde ich ein sehr schöner Gedanken. Was lernst du gerade? Oder übst du gerade, was du noch nicht so gut kannst? Darf auch gerne nicht musikalisch sein.

Ein Dauerthema bei mir sind meine Tenniskünste. Es ist immer sehr lustig zu sehen, wenn Musiker einen Sport wie Tennis lernen. Sie gehen es an wie früher im Studium. Das heißt: Ich muss das studieren. Ich muss zu Tenniscamps fahren. Ich muss die besten Trainer in München finden. Deswegen hat Tennis lernen mir unglaublich viel auch für das Hornspielen gebracht. Ich bin nach wie vor am Lernen und das ist ein Gebiet, so wie beim Hornspielen oder in der Musik generell, wo man einfach nie fertig wird. Und das ist das Schöne daran.

Man merkt hier wieder, wie nahe sich doch Profisport und Profimusik sind. Hättest du einen Tipp an dein jüngeres Erstsemester Musikstudenten-Ich, um den du damals froh gewesen wärst?

Ich hätte früher gern mehr und besser geübt. Das wurde mir nicht richtig beigebracht. Ich wusste schon, dass ich mich ein paar Stunden am Tag mit dem Instrument beschäftigen muss. Man sagt Musik sei wie eine Sprache und ich bin ein großer Fan dieser Denkweise. Man muss ein Vokabular auf seinem Instrument entwickeln und dafür muss man einfach ein paar Stunden am Tag mit dem Instrument verbringen.

Du hast nach einem Tipp für mein Erstsemester-Ich gefragt. Oft hat man das Gefühl „Das ist jetzt entscheidend für das ganze Leben und die ganze Karriere“. Es ist entscheidend, wenn du es nicht machst. Wenn du es nicht machst, dann hast du wahrscheinlich keine Chance mehr Horn-Spielen professionell ausüben zu können. Wenn du es machst, und nach 3-4 Jahren merkst, das ist doch nichts für dich, dann kannst du immer noch etwas anderes machen. Du bist immer noch Anfang 20, hast aber schon eine Disziplin aufgebaut. Das hilft dir auch für deinen anderen Werdegang.

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Erfolgreiche Probespiel-Vorbereitung: Tipps für den Weg ins Orchester https://what-is-practice.de/erfolgreiche-probespiel-vorbereitung-tipps-fuer-den-weg-ins-orchester/ https://what-is-practice.de/erfolgreiche-probespiel-vorbereitung-tipps-fuer-den-weg-ins-orchester/#respond Mon, 30 Oct 2023 11:54:38 +0000 https://what-is-practice.de/?p=6078 Dein Ziel ist es, Teil eines renommierten Orchesters zu werden? Ein Probespiel ist oft der erste und entscheidende Schritt auf diesem Weg. Dabei kann die richtige Vorbereitung den Unterschied zwischen Erfolg und Enttäuschung ausmachen. Denn, was so süß klingt ist für die meisten Musikerinnen und Musiker eine echte Qual. In drei Runden prüfen dich deine… Weiterlesen »Erfolgreiche Probespiel-Vorbereitung: Tipps für den Weg ins Orchester

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Dein Ziel ist es, Teil eines renommierten Orchesters zu werden? Ein Probespiel ist oft der erste und entscheidende Schritt auf diesem Weg. Dabei kann die richtige Vorbereitung den Unterschied zwischen Erfolg und Enttäuschung ausmachen. Denn, was so süß klingt ist für die meisten Musikerinnen und Musiker eine echte Qual. In drei Runden prüfen dich deine potentiellen Kollegen auf Herz und Nieren. In meinem Podcast „Wie übt eigentlich..?“ habe ich mit der Violinistin Annemarie Gäbler über ihren Weg ins MDR Sinfonieorchester gesprochen. Ein paar ihrer Tipps habe ich in diesem Artikel für dich zusammengefasst. Hier erfährst du, wie du dich optimal auf dein Probespiel vorbereiten kannst. Neben ihren Tipps findest du auch ein paar hilfreiche Links zu Probespiel-Vorbereitungskursen und Mentalen Trainingsangeboten.

Warum ist die Probespiel-Vorbereitung so wichtig?

Bevor wir in die Details eintauchen, werfen wir einen Blick darauf, warum eine gezielte Probespiel-Vorbereitung von entscheidender Bedeutung ist. Ein Orchester ist ein Ort, an dem musikalische Exzellenz gefordert ist. Die Konkurrenz ist groß. Jährliches verlassen mehr Studierende die Hochschulen als es mögliche Orchesterstellen gibt. Dein Probespiel ist also die Gelegenheit, dein Können zu zeigen und die Jury zu beeindrucken. Eine sorgfältige Vorbereitung ist also das A und O.

Tipp 1: Orchesterstellen

Natürlich üben wir das, was am meisten Spaß macht. In Annemaries Fall waren dies Violinkonzerte. Dabei vergisst man schnell, dass in der dritten und letzten Runde nochmal Orchesterstellen dran sind. Das heißt, der letzte Eindruck, mit dem man sich von der Jury verabschiedet sind nicht die virtuosen Klänge eines Mozart Violinkonzerts, sondern möglicherweise ein paar Takte aus einem Werk von Richard Strauss.

Viele Hochschulen bieten dazu extra Fächer an, in denen Mitglieder des Orchesters Orchesterstellen mit Studierenden üben. Am besten man fragt an seiner Hochschule hier einfach mal nach. Daneben finden sich natürlich auch zahlreiche Publikationen mit entsprechender Literatur. Eine kleine Auswahl habe ich hier mal zusammengestellt.

Literatur-Tipps

*Bei den Links handelt es sich um Affiliate-Links. Im Fall eines Kaufes erhalte ich eine kleine Provision. Für euch bleibt der Preis unverändert. Ihr hilft mir damit die Arbeit des Blogs und des Podcasts weiter kostenlos für alle aufrecht zu halten. Dankeschön!

Tipp 2: Sich selbst aufnehmen

Hand aufs Herz: Es ist schwer beim Spielen eines Werks, sich auch gleichzeitig voll auf Klang, Intonation, Artikulation und Dynamik zu konzentrieren. Gleichzeitig. Bereits der berühmte Musikpädagoge Gerhard Mantel hat sich daher das Prinzip der rotierenden Aufmerksamkeit erdacht. In jedem Durchgang fokussiert man sich auf ein anderes Detail. Das hilft auch konkret im nächsten Durchgang etwas zu verändern und zu verbessern.

Unschlagbar war für Annemarie (und auch für mich – wenn ich mich auf wichtige Konzerte vorbereite) das eigene Aufnehmen. Die Aufnahme ist ein ehrlicher Spielgel dessen, was man gerade gespielt hat. Jeder, der sich selbst mal aufgenommen hat weiß, dass selbst hier der Puls kurz ansteigt. Man trainiert also gleich auch ein wenig den Stressfaktor mit. Zudem kann man mit den Aufnahmen ein Archiv anlegen und so seinen Fortschritt über einen längeren Zeitraum dokumentieren. Das stärkt zudem auch die Motivation!

Auch wenn die meisten Smartphones bereits sehr gute integrierte Mikrofone haben, lohnt es sich möglicherweise hier einmalig zu investieren. Mit guten Mikrofonen lassen sich auch beispielsweise Proben und Konzerte mitschneiden. Zudem kann man sie als selbstständiger Musiker von der Steuer absetzen 😉 Ein paar Equipment-Tipps habe ich hier zusammengestellt:

Equipment-Vorschläge

Tipp 3: Intonationstraining

Eine gute Intonation ist wichtig. Gerade im Zusammenspiel im Satz – und natürlich im Orchester. Mithilfe von Drone Tones (langen Tönen, meist von einer App generiert, die die Funktion des Grundtons oder eines beliebigen anderen Tons übernehmen) kann man gut die eigene Intonation trainieren. Viele Stimmgerät-Apps bieten eine solche Zusatzfunktion inzwischen an.

Natürlich kann man sich auch selbst aufnehmen und diese Stimme endlos loopen. Oder man bastelt sich in Garage Band (oder Audacity) einen eigenen kleinen Backing-Track.

Ich nutze aktuell TE TUNER.

Literatur-Tipps

Tipp 4: Vorspielen, vorspielen, vorspielen

„Jedes Vorspiel, das man absolviert, hilft“, sagte Annemarie im Podcast. Also am besten man schnappt sich Freunde, Eltern, Großeltern oder Nachbarn und veranstaltet regelmäßig Vorspiele. Natürlich ist der Stressfaktor nicht mit dem des tatsächlichen Probespiels zu vergleich. Dennoch erhält man eine Idee, wie der eigene Körper unter Stress reagiert.

Tipp 5: Gemeinsam üben

Noch besser als nur ein Vorspiel zu organisieren ist es gleich gemeinsam zu üben. Wahrscheinlich üben Kommilitonen gerade ähnliche Passagen für ihr Probespiel und zusammen könnt ihr euch Tipps geben und unterstützen. Annemarie hat sich damals ein paar bessere Fingersätze abgucken können. Aber selbst, wenn das nicht drin ist, profitiert ihr vom Austausch und dem Feedback eurer Mitstudierenden.

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Mental Fit ins Probespiel

Während man bei Auftritten möglicherweise noch gelassen einem Fehler entgegen sieht, weiß man, dass in der Probespiel-Jury ebenfalls nur Musiker*innen sitzen, die alle Verspielen sofort hören werden. Das erzeugt selbstverständlich zusätzlichen Druck. Daher sollte man in jedem Fall sein Repertoire auch mit etwaigen Störungen fehlerfrei vorbereiten. Damit vermeidet man den sogenannten „Rumpelstielzchen-Effekt“.

Der Rumpelstielzchen-Effekt meint, dass man ein Stück nur im bestmöglichen Fall (man hat gut geschlafen, auf der Anfahrt kein Stau gehabt und die Jury ist einem wohl gesonnen) fehlerfrei vortragen kann.

Auch besondere Techniken der mentalen Vorbereitung (z.B. „Ich-Stärkung“) können helfen gestärkt und mit einem guten Gefühl ins Probespiel zu gehen. Techniken des mentalen Übens helfen, die Situation am Probespieltag uns bereits im Vorfeld gut vorzubereiten. Dies muss natürlich niemand alleine bewältigen. Viele Hochschulen bieten während des Studiums hierzu Kurse und Veranstaltungen an. Aber auch mithilfe von Coaches können solche Situationen gemeistert werden. Mein Gast Peter Laib ist beispielsweise ebenfalls studierter Mentalcoach und weiß mit besonderen Techniken Musiker*innen zu helfen.

Literatur-Tipps

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Wie gehst du mit negativen Gedanken um, Simon Höfele? https://what-is-practice.de/wie-gehst-du-mit-negativen-gedanken-um-simon-hoefele/ https://what-is-practice.de/wie-gehst-du-mit-negativen-gedanken-um-simon-hoefele/#respond Mon, 24 Jul 2023 08:11:05 +0000 https://what-is-practice.de/?p=5926 Wer kennt diese Gedanken nicht – einfach nicht genug geübt zu haben? Dass auch mein heutiger Gast diese hat, war mir neu, denn seine Karriere gleicht einem Bilderbuch-Verlauf. Simon Höfele kam bereits im Alter von 12 Jahren zu seinem später Professor Reinhold Friedrich und zählte damit zu seinen allerjüngsten Schülern. Inzwischen ist er als Solist… Weiterlesen »Wie gehst du mit negativen Gedanken um, Simon Höfele?

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Wer kennt diese Gedanken nicht – einfach nicht genug geübt zu haben? Dass auch mein heutiger Gast diese hat, war mir neu, denn seine Karriere gleicht einem Bilderbuch-Verlauf. Simon Höfele kam bereits im Alter von 12 Jahren zu seinem später Professor Reinhold Friedrich und zählte damit zu seinen allerjüngsten Schülern. Inzwischen ist er als Solist in der ganzen Welt unterwegs und führt nicht nur die Klassiker der Trompeten-Literatur auf, sondern immer wieder auch Jazz-Stücke und zeitgenössische Literatur. 

In unserem Gespräch wollte ich vor allem wissen, wie Simons Werdegang als Solist verlief und wie sein Üben dazu ausschaut. Wir haben über mentale Gesundheit, unseren Umgang mit Stress und schlechten Übe-Tagen gesprochen. Natürlich kamen wir trotzallem auch nicht an den Themen Kaffee und Fotografie vorbei. Überhaupt hat sich das Gespräch eher angefühlt, als würden wir uns in seinem Café treffen als virtuell. In der ganzen Euphorie kamen wir dann auch gleich auf drei Podcast-Empfehlungen für euch und ganz nebenbei hat Simon dann noch ein Geheimnis verraten, dass – Achtung Spoiler – mit genau diesem Format zu tun hat. Seid also gespannt. 

Simon Höfele mit C-Trompete
Simon Höfele (Foto: Marco Borggreve)

Mehr Informationen zu Simon Höfele

Webseite: www.simon-hoefele.de

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Simon Höfele lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

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Das Interview mit Simon Höfele

Inhalt

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

Üben heißt für mich Konzentration.

Kannst du das etwas konkretisieren?

Ich merke, immer wenn ich gut übe ist mein Handy nicht im Raum und ich bin wenig von anderen Dingen abgelenkt. Dann habe ich einfach eine ganz andere Konzentration – eine, die über das Üben hinaus geht und ich mir vorstelle, auf der Bühne zu sein und dieses Stück dort zu spielen. Ich bin also weniger im Hier und Jetzt, sondern versuche mich mit all meinen Gedanken in diese Situation zu versetzen.

Das klingt fast ein wenig nach Flow-Zustand?

I wish (lacht). Der Flow-Zustand kommt natürlich nicht immer. Vor allem dann nicht, wenn man nicht gut übt bzw. wenn man merkt, dass das Üben nicht so läuft, wie man es sich vorgestellt hat.

Wenn ich allerdings gut übe, kann ich mich schon mal in dieser Tätigkeit verlieren. Besonders, wenn ich Stücke durchspiele und eine Generalproben-Situation simuliere.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife?

Fatoni.

Welcher Künstler hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt?

Ganz klar mein Professor, Mentor, Freund Reinhold Friedrich. Ich bin bei ihm seit ich 12 Jahre bin und seitdem war und ist er immer da. Das ist natürlich eine nie enden wollende Inspirationsquelle, für die ich sehr dankbar bin.

„Ich versuche meistens zunächst Druck aus der Situation zu nehmen (Ich bin König darin mich selbst fertig zu machen – und wenn es mal nicht gut läuft, bin ich oft geneigt alle Instrumente aus dem Fenster zu werfen (lacht). Auch, wenn das natürlich völlig überzogen ist.). Das heißt dann eine kleine Pause zu machen und ein Glas Wasser trinken.“

Simon Höfele

Was tun, wenn es mal nicht so läuft?

Du hast es gerade schon erwähnt: Du hast in Karlsruhe bei Reinhold Friedrich studiert und hast im Laufe der Jahre die verschiedensten Förderprogramme und Preise gewonnen (warst BBC Radio 3 New Generation Artist, Rising Star der European Concert Hall Organisation). Inzwischen hast du fünf CDs unter eigenen Namen veröffentlicht – und bist als Solist in der ganzen Welt unterwegs. Eigentlich war meine Frage, ob du uns mal in einen typischen Übe-Alltag mitnehmen kannst. Nach deiner ersten Antwort interessiert mich nun allerdings viel mehr, was du machst, wenn es mal nicht so gut läuft?

Das ist natürlich immer sehr persönlich. Jeder Künstler und jede Künstlerin hat dazu ihr eigenes Notfallprogramm.

Ich versuche meistens zunächst Druck aus der Situation zu nehmen (Ich bin König darin mich selbst fertig zu machen – und wenn es mal nicht gut läuft, bin ich oft geneigt alle Instrumente aus dem Fenster zu werfen (lacht). Auch, wenn das natürlich völlig überzogen ist.). Das heißt dann eine kleine Pause zu machen und ein Glas Wasser trinken.

Mir helfen dann oft auch wieder Basic-Übungen (Gymnastik, Atem-Übungen, lange Töne, Stamp, Chicowitz, die Stellen auf dem Mundstück spielen oder singen). Auf keinen Fall weiter so machen, wie zuvor und denken, dass es nun doch klappen müsse. Das muss es nämlich nicht: Es muss nicht jeden Tag fantastisch laufen.

Dein Weg ist also sowohl die mentale Bremse zu ziehen und dir eine Pause zu gönnen als auch auf dem spielerischen Weg nochmal an den Basics zu arbeiten und später zur Stelle zurück kommen?

Jein. Wenn ich eine Stelle oder Passage habe, die nicht funktioniert versuche ich auch immer zu checken, wie ich sie besser machen kann. Meist funktioniert das auch. Natürlich muss aber auch nicht jede Stelle an einem Übe-Tag perfekt werden. Gut Ding will Weile haben. Jeden Tag eine schwere Stelle 10 Minuten extra üben und dies über ein paar Tage helfen mir.

Dein Übe-Alltag

Wenn du einen typischen Übe-Tag von dir im Kopf so durchgehst – hast du eine bestimmte Reihenfolge, wie du dich strukturierst?

Klar, natürlich habe ich auch meine „Skin-Care-Routine“ auf der Trompete (lacht). Meistens beginnt diese mit ein paar langen Tönen und Luft (vor allem abwechselnd Luft, spielen und singen). Dann geht es weiter mit Clark, Stamp und dann eine Extended Version von Chicowitz. Nach diesen 30-45 Minuten Warm-Up fühle ich mich dann fit.

Vor allem versuche ich mir dabei ständig zuzuhören. Schließlich bringt es nichts, wenn jemand anderes sagt, eine bestimmte Übung sei die beste. Ich habe meine Routine für mich so entwickelt und aktuell funktioniert sie so für mich wunderbar. Damit kann ich guten Gefühls auf die Bühne und das Potential, das ich glaube zu haben, abrufen. Deshalb bin ich auch kein Freund von gemeinsamem Einspielen – vor allem auf Meisterkursen nicht.

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Es ist auf jeden Fall auch eine große Leistung, genau diese Übung auszuwählen, die für einen selbst gut funktionieren. Vor allem, wenn man nach ein paar Tagen Pausen wieder ans Instrument kommt.

Ich kenne das Gefühl, wenn man aus dem Urlaub kommt. Da habe ich wirklich Neurosen. Wenn ich einen Tag nicht übe, bekomme ich regelrechte Entzugserscheinungen. Besonders gravierend ist es an Tagen, an denen ich eigentlich hätte üben müssen. Deswegen habe ich eben auch noch geübt (lacht).

Du hast in deinen Antworten jetzt ein paar Mal das Stichwort Luft erwähnt. In einem Podcast mit dir habe ich gehört, dass du hier ein besonderes Konzept von Kristian Steenstrup verfolgst. Was ist hieran so besonders und wie hat dir diese Methode geholfen?

Ich kenne Kristian ganz gut und hatte bei ihm ein paar Mal Unterricht. Seine Spezialität ist es den „Flow der Luft“ gesondert zu betrachten. Diese Einsichten sind, meiner Meinung nach, für jeden Instrumentalist spannend. Im Prinzip begründet sich seine Methode in der Arnold Jacobs Schule. Er animiert seine Schüler*innen sich vorzustellen, wo sie die Luft hin atmen und wie sie sie wieder ausatmen. Grob gesagt also: Wie effizient kann ich mit Luft arbeiten. Vieles davon ging in eine gleiche Richtung, wie ich sie auch schon von Reinhold Friedrich kannte bzw. sie ganz natürlich bereits anwandte.

Er hat auch ein paar Bücher geschrieben, die sich ebenfalls zu lesen lohnen.

Bücher von Kristian Steenstrup bei Amazon

Karriere als Solist

Im gleichen Podcast hast du auch erzählt, dass du kurz vor dem Abi doch noch die Schule abgebrochen, um dein Studium in Karlsruhe zu beginnen. Hattest du jemals Zweifel, dass dies die richtige Entscheidung gewesen ist?

Ja. Ich wäre gerne so naiv gewesen und hätte geglaubt, dass alles schon laufen würde.

Dieses Risiko war am Anfang natürlich da. Allerdings hatte ich damals noch nicht die Konsequenz im Kopf, was es heißt ohne Abitur zu studieren. Andererseits dachte ich mir, dass ich selbst mit Abitur Musik studiert hätte, und mit dem abgeschlossenen Studium kann man ebenso etwas anfangen. So war ich dann mit meinem Bachelor fast fertig, als meine Mitschüler*innen gerade zu den Abiturprüfungen kamen.

Natürlich kann man mit einem BWL-Studium mehr anfangen. Jedoch ist auch nicht so, dass es nur den Weg in Orchester oder an die Musikschule gibt. Das finde ich sowieso problematisch. Schließlich gibt es ganz viele andere Dinge, die man mit einem Musik-Studium noch machen kann, die nicht im Studium besprochen (gar belächelt) werden.

Absolut. Da stimme ich dir ganz zu. Auch Eckart Altenmüller hat auf diesen Punkt in unserem Gespräch deutlich hingewiesen. Wahrscheinlich war bei dir auch nicht von Anfang an klar, dass du mal Solist wirst?

Nein. Ich habe natürlich unter der Prämisse angefangen, irgendwann mal eine Stelle im Orchester zu besetzen. Das hat sich dann gewandelt, als ich ein paar Wettbewerbe gewonnen hatte. Nachdem ich den Deutschen Musikwettbewerb 2016 gewonnen hatte, beschloss ich es zu probieren und habe mir ein Management gesucht. Das ermöglicht mir natürlich eine weitere Art der Absicherung in dieser Form der Freiberuflichkeit.

Am Ende gibt es aber so viele verschiedene Arten mit dem Wissen der Musik was anderes anzufangen. Und selbst wenn nicht: Wenn man mit einer gewissen Begeisterung an Sachen herangeht, kann man sehr viel machen. Bei mir ist das die Baristarei und die Fotografie. Aber, ich werden demnächst auch einen eigenen Podcast an den Start bringen.

„Am Ende gibt es aber so viele verschiedene Arten mit dem Wissen der Musik was Anderes anzufangen. Und selbst wenn nicht: Wenn man mit einer gewissen Begeisterung an Sachen herangeht, kann man sehr viel machen.“

Simon Höfele

Heißt das, das du jetzt schon perspektivisch im Blick hast, dass es mal ein „Leben danach“ geben wird?

Das sowieso. Ich weiß nicht, ob ich mit 64 noch der große Trompeten-Solist sein werde. Klar gibt es Menschen, die das können. Reinhold Friedrich zum Beispiel.

Allerdings sind wir, biologisch gesehen, auf dem absteigenden Ast. Natürlich hilft uns dann viel unsere Erfahrung weiter. Trotzdem würde ich mir wünschen, dass ich meine Peak Performance davor habe.  

Als Solist bist du natürlich maximal exponiert. Viele Menschen kommen extra wegen dir zu den Konzerten. Hast du Lampenfieber oder bist aufgeregt?

Im Prinzip geht’s. Ich habe Lampenfieber, allerdings habe ich noch nie darüber nachgedacht Beta-Blocker zu nehmen. Ist auch wirklich nicht empfehlenswert.

Ich hatte das Glück bisher noch nie schlimme Erfahrungen auf Bühnen sammeln zu müssen. Das ist aber wirklich Glück. Ich erinnere mich noch an ein Rezital in der Elbphilharmonie, das super entspannt lief. Ich war fast nicht aufgeregt und freute mich einfach Musik zu machen. Am nächsten Tag spielten wir das gleiche Programm in einer kleinen Konzertlocation an einem anderen Art. Ich war plötzlich so nervös dort. Warum auch immer. Zum Glück lief alles gut und ich konnte spielen. Allerdings konnte ich mir diesen Unterschied nicht erklären.

Würdest du sagen, dass du nervöser bist wenn du Leute im Publikum kennst bzw. die Konzerthallen kleiner sind?

Ich bin nervöser, wenn ich jemand im Publikum kenne. Den zweiten Punkt, finde ich, kann man nicht so pauschal sagen. Aber ich weiß, was du meinst.

Ich hatte so coole Konzerte in großen Hallen, aber auch andere, bei denen ich sehr nervös war. Zum Beispiel in der Philharmonie in Berlin einmal. Oftmals sind einfach Nuancen, die dich nervöser werden zu lassen oder eben nicht. Dann hilft natürlich unsere Professionalität weiter.

Hast du eine bestimmte Technik, um dich an solchen Tagen besonders zu fokussieren?

Nein. Ich schaue, dass ich zumindest etwas gegessen habe davor. Harte Fakten schaffen also: Habe ich genug getrunken? Bin ich unterzuckert? Besonders genügend Wasser trinken ist für mich sehr wichtig.

Wenn ich auf der Bühne dann mal nervös bin, versuche ich mich darauf zu konzentrieren extrem viel Luft einzuatmen und mich besonders hierauf zu fokussieren. Manchmal hilft es auch sich zu vergegenwärtigen, dass andere Musiker*innen ebenfalls mal schlechte Tage hatten und das dies nicht schlimm ist. Diese Relativierung hilft mir.

Was paradoxerweise ebenfalls hilft – obwohl ich mich lange Zeit davor gefürchtet habe – ist in Konzerten zu sprechen. Mir nimmt das viel Nervosität ab. Dabei ist gar nicht so wichtig was ich sage, Hauptsache ich sage etwas.

Wie gelingt es dir abzuschalten?

Um an dieser Stelle nochmal den Bogen zum Üben zu schlagen: Du erwähntest eben, dass es dir schwer fällt mal einen Tag Pause einzulegen. Was machst du um abzuschalten?

Das ist immer die Frage. Ich bin da leider keine gute Ansprechperson und muss schauen, dass ich mental gesund bleibe. Dazu helfen mir auch die Gespräche mit meiner Therapeutin.

Danke, dass du das öffentlich sagst. Ich finde es wichtig, dass man akzeptiert, dass man Zweifel nicht mit sich selbst aushandeln muss.

Ja, das kann ich jedem und jeder nur empfehlen. Natürlich kann es so etwas kostspielig werden, sofern es die Krankenkassen nicht übernehmen. Aber für mich lohnt sich es.

Generell das Thema „Zur Therapie“ gehen zu entdämonisieren, finde ich sehr wichtig und ist inzwischen mehr als an der Zeit. Dazu braucht es noch viel mehr gesellschaftliche Akzeptanz.

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst? Bei dir darf weder die Fotographie noch die Baristarei sein.

Das ist unfair (lacht).

Indirekt hat es natürlich wieder mit dem Üben zu tun. Nämlich, dass was wir gerade besprochen haben: nicht verrückt werden.

So schreibe ich mir oft in mein Tagebuch, mich weniger zu stressen und die kleinen Dinge mehr wertzuschätzen. Wie zum Beispiel, wenn ich gut geübt habe. Oder einen schönen Spaziergang gemacht habe.
Wenn man sich dies regelmäßig vor Augen führt, geht man, finde ich, mit einem ganz anderen Gefühl zu Bett.

„Mehr Mut zum Scheitern und sich auch neue Sachen trauen.“

Simon Höfele

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst?

Weniger in Schubladen denken und offener sein. Ich war sicher bis circa 2016/17 ein „Fachidiot“, der wenig anderes gemacht hat. Ausgenommen der Fotographie. Vor allem, dass man etwas ganz anderes machen kann und, dass es nicht nur die klassischen Wege gibt.

Mehr Mut zum Scheitern und sich auch neue Sachen trauen. Ich bin andererseits aber auch nicht traurig, wie mein Studium verlaufen ist. Aber vielleicht hätte ich mir, an der ein oder anderen Stelle, etwas mehr Freche und Mut gewünscht.

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Wie nutze ich Musik-Apps zum Üben & Unterrichten, Max Gaertner? https://what-is-practice.de/wie-nutze-ich-musik-apps-zum-ueben-unterrichten-max-gaertner/ https://what-is-practice.de/wie-nutze-ich-musik-apps-zum-ueben-unterrichten-max-gaertner/#respond Wed, 08 Mar 2023 17:13:49 +0000 https://what-is-practice.de/?p=5814 Dr. Max Gaertner ist Experte, wenn es um das perfekte Üben am Smartphone geht. Im Podcast hat er kreative Übungen zum Rhythmus- & Timingtraining mit Musik-Apps verraten und wie er sie zum Unterrichten einsetzt.

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Mein heutiger Gast ist der Percussionist und Autor Dr. Max Gaertner.

Ich hab Max, wie er selbst sagt, gerade mitten in einer kreativen Umbruchphase gesprochen. Als studierter Orchestermusiker sucht er künstlerisch gerade nach seiner ganz persönlichen Stimme. Dabei experimentiert er viel mit besonderen Mikrofontechniken, Effektgeräten und Musik-Apps. Wer davon einen Eindruck bekommen möchte, sollte seinem Instagram Account folgen. 

In unserem Gespräch ging es aber vor allem darum, wie sich Musik-Apps fürs Smartphone und Tablet am besten fürs eigene Üben  – aber auch für den Instrumentalunterricht nutzen lassen. Dabei sind wir beide richtig ins Schwärmen über die Möglichkeiten, die daraus entstehen, gekommen. 

Natürlich hatte Max aber auch ein paar handfeste Tipps und Übungen dabei, die man direkt zu Hause umsetzen kann. 

Max Gaertner vor Wand
Max Gaertner (©)

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Die Folge mit Max Gaertner lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

Das Interview

Übersicht

Vervollständige folgenden Satz. Üben heißt für dich?

Das ist gar nicht mal so einfach, ne? So ein wichtiger Satz. Üben heißt für mich, Quality Time mit mir selbst und meinen vielen Instrumenten zu verbringen. Ich brauche fürs Üben sehr viel Ruhe. Und, um gut zu üben muss ich wirklich runterkommen. Deswegen ist es tatsächlich auch im Umkehrschluss immer eine wirklich coole Zeit für mich. Üben bedeutet ist dann wie ein kleiner Safe Space für mich quasi, wo ich mich mal einkapsele und dann wirklich ganz ruhig mich mit den Instrumenten beschäftigen kann.

Das finde ich spannend. Da können wir auf jeden Fall gleich noch mal ein bisschen genauer darauf eingehen, wie du es dann auch schaffst, diesen Safe Space im Alltag dir einzurichten. Welche Musik, Album oder Künstler läuft denn bei dir gerade in Dauerschleife?

Das ist ganz schön schwer. Aber es gibt einen Schlagzeuger aus den USA, Mark Guiliana, der eine Serie von Stücken rausgebracht hat, die „Music for Doing“ heißt. Die läuft im Grunde eigentlich dauernd. Ich mag sehr, was er macht. Mark Guiliana spielt sehr frei improvisierten Jazz und ich mag seine Herangehensweise und seinen Sound.

Würdest du auch sagen, dass du einen speziellen Künstler hast, der dich auf dein persönliches Spiel sehr geprägt hat?

Auf jeden Fall ist es Billy Martin. Er ist auch Schlagzeuger und hat eine wahnsinnig interessante Herangehensweise an freies Spielen, Klangsuche und Klangforschung. Er hat mich deswegen besonders inspiriert, weil ich gerade in einer Phase bin, wo ich mich aus diesem strengen klassischen Kontext, aus dem man ja als Orchestermusiker kommt, befreien zu versuche.

Den Zuhörer*innen, die dich bisher noch nicht kannten, kann ich auf jeden Fall deinen Instagram Kanal empfehlen. Der ist sehr spannend. Du hast eine sehr eigene Art mit dem Mikrofon umzugehen. Das habe ich so noch nie gesehen. Du nutzt es, im Prinzip, wie ein Instrument. Ist das eine Inspiration von Billy Martin oder ist das etwas, was in diesem Prozess von „Deine eigene Stimme finden“ selbst bei dir entstanden ist?

Ja, das ist tatsächlich einfach im Experiment bei mir im Proberaum entstanden. Der Hintergrund ist, dass ich mich in den Jahren, in denen ich eigentlich rein klassisch unterwegs war, nicht so angekommen gefühlt habe. Das kennen andere vielleicht auch in anderen Zusammenhängen oder so. Man merkt, dass es noch weitergehen muss. So war es bei mir.

Ich habe deswegen, und auch vielleicht, weil ich in der Jugend wahnsinnig viel Jazz am Vibraphon gemacht habe, das Bedürfnis gehabt, das Instrumentarium und alles, was es an Vielfalt mit sich bringt, in einen neuen Kontext zu führen, um auch andere Perspektiven für zukünftige Schlagzeuger oder Percussionisten zu eröffnen.

Diese Mikrofonsache, die du ansprichst, die kommt daher, dass wenn man jetzt in andere Instrumentalbereiche reingeht – also beispielsweise denke ich an Miles Davis, Trompete, Cool Jazz. Hier schätze ich die Möglichkeit, dass sie den Ton, nach dem er angespielt wurde, noch weiter formen. Und speziell Miles Davis. Ich sitze dann da und höre seine Platten abends und manchmal hört man erst mal nur seine Luft durchs Instrument kommen, bevor so der erste Ton kommt. Und das hat so was wahnsinnig Intimes, weil es so persönlich ist.

Es ist nicht wie jetzt bei uns, man schlägt so auf die Pauke drauf. Natürlich ist die Frage, wie schlägt man drauf und so. Aber da könnte man jetzt auch wieder stundenlang reden. Danach verklingt der Ton bei uns am Schlagzeug. Wenn ich mit dem Mikrofon über die Instrumente hin und zurück gehe, habe ich die Möglichkeit, so ein bisschen diesen Ton noch zu formen, nachdem ich ihn angeschlagen habe. Und das ist die Idee dahinter.

Dein Übe-Alltag

Um den Bogen vielleicht zu schlagen, du bist ja nicht nur Musiker selbst, sondern auch Autor. Wir haben gerade vorhin schon im Vorgespräch ganz kurz dein „Was geht App?“ Buch beim Schott Verlag angesprochen. Du hast vor zwei Jahren deine Doktorarbeit über elektroakustische Komposition geschrieben. Kannst du uns mal mitnehmen in deinen typischen Übe-Alltag?

Mein Übe-Alltag sieht natürlich jeden Tag ein bisschen unterschiedlich aus. Nachdem alle organisatorischen Dinge am Tag erledigt sind, gehe ich runter ins Studio. Das ist im selben Haus. Dort habe ich mehrere Stationen aufgebaut: verschiedene Instrumente, Vibraphon, Marimba, Trommeln.

Wenn du mich jetzt vor einem Jahr gefragt hättest, hätte da auf jeden Pult ein Stück gelegen, was ich gerade übe. Weil es stehen natürlich Konzerte an und man muss sich vorbereiten. Und jetzt ist es so, dass ich quasi Stationen aufgebaut habe im Studio. Da ist eine mit dem, das sieht man auch auf Instagram oft, das Vibraphon mit so einem elektronischen, kleinen Mallet-Instrument dabei und einem modularen Synthesizer System und sehr viel Elektronik. Und das ist meist die erste Station, wo ich hingehe. Dort erforsche ich diese Mikrofon-Technik und da probiere ich aus, zur Musik zu spielen und solche Dinge, wie man beispielsweise den Vibraphonklang verfremden kann, wenn man ihn durch verschiedene Effektgeräte oder mit Musik Apps bearbeitet. Da verbringe ich eigentlich die meiste Zeit damit, relativ frei zu spielen und zu forschen.

Und das geht im Grunde so weiter, je nachdem, wie viel Zeit ich am Tag zum Üben habe.

Also dein Üben startet eigentlich immer mit so einem sehr freien spielerischen Teil, um so ein bisschen in diese Kreativität auch reinzukommen?

Ja, genau. Also das ist ganz anders, als es wie gesagt vor einiger Zeit war.

Ich habe wirklich wahnsinnig viel während des Studiums geübt und auch danach noch sehr. Man startet zunächst erstmal mit ein paar Tonleitern, wie das im Grunde ja alle machen – weil es alle machen.

Und es ist tatsächlich momentan quasi eine ganz extreme Umbruchssituation, in der ich versuche das ganz anders zu machen und wirklich frei spielen. Und wirklich einfach mal auszuprobieren, was passiert. Das habe ich vorher ganz selten bis nie gemacht, weil immer viele Stücke auf dem Programm standen, die ich schnell lernen musste.

„Ich übe jeden Tag. Auch am Wochenende – quasi ohne Ausnahme. Einfach, weil die Zeit pro Session weniger wird. Ich kann jetzt seltener, so wie früher im Studium, meine 8 bis 9 Stunden am Tag üben. Das ist wirklich die absolute Ausnahme. Und deswegen gibt es noch eine größere Regelmäßigkeit. „

(Max Gaertner)

Du hast in der allerersten Antwort jetzt schon was sehr Interessantes gesagt, wie ich finde. Du hast das Üben so als Art Safe Space bezeichnet. Das finde ich insofern interessant, weil natürlich die Frage ist, wie schafft man sich den so typischerweise im Alltag?

Nicht jeder Tag hat den selben Ablauf. Ich bin Dozent, habe Lehraufträge, ich bin auch immer mal wieder auf Tour und habe natürlich auch Familie. Das alles muss man alles unter einen Hut kriegen.

Deswegen ist es nicht jeden Morgen von 10 bis 1 oder so. Aber man kann sagen: ich übe jeden Tag, auch am Wochenende, Samstag und Sonntag, quasi ohne Ausnahme. Einfach, weil die Zeit pro Session weniger wird. Ich kann jetzt seltener, so wie früher im Studium, meine 8 bis 9 Stunden am Tag üben. Das ist wirklich die absolute Ausnahme. Und deswegen gibt es noch eine größere Regelmäßigkeit und auch keine solchen „Oh, jetzt aber Sonntag, die ganze Woche hat man so viel gemacht, da muss man jetzt frei machen… Das gibt es einfach nicht, sondern ich mache das durch sieben Tage in der Woche. Ich habe auch keine Ferien in dem Sinne, weil es einfach wichtig für mich ist, um diesen Fluss zu haben.

Und was diesen Safe Space angeht: das ist tatsächlich so, dass ich dann ins Studio rein komme und mir zugestehe, ein paar Minuten zu schauen, wo es hingeht.

Also ich fange einfach an zu spielen, ohne groß nachzudenken. Mache vielleicht eine Musik an, die ich noch im Ohr habe – oder, die ich gestern Abend vielleicht entdeckt habe. Und dann spiele ich dazu. So tauche ich quasi immer tiefer in die Musik ein. Stufe für Stufe für Stufe in diesen Safe Space, wo ich dann für eine ganz lange Zeit, ein paar Stunden meditieren.

Das klingt so esoterisch, aber es ist tatsächlich wie in einem Flow. Und das habe ich tatsächlich erst jetzt in den letzten ein, zwei Jahren so intensiv entdeckt. Vorher war das Üben sehr viel handwerklicher geprägt, weil man sagt: so jetzt schnell die Einspielübungen und dann zack Stück eins, Stück zwei, Stück drei, weil man so viel Konkretes zu tun hat. Und jetzt muss man ganz anders rangehen. Das lasse ich auch in meine Unterrichte einfließen. Das bringt auch tatsächlich den Schülern und Studenten ziemlich viel, so was auszuprobieren.

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Üben & Unterrichten mit Musik-Apps

Wenn man so will bist du Experte, wenn es um Üben mit Musik-Apps geht. Du hast vorher schon ganz kurz angesprochen, dass du bei deinem Experimentieren auch Apps nutzt, um den Klang zu verfremden. Kannst du es mal runterbrechen, inwiefern diese Apps in deinem Übe-Alltag eine Rolle spielen?

Musik-Apps spielen in meinem Alltag eine große Rolle. Vor allem künstlerisch nutze ich sie wie ein weiteres Instrument. Also das heißt, sie sind Teil dieser Stationen, von denen ich gesprochen habe.

Ich habe einen Controller im Studio, der sieht aus wie ein Xylophon, aber der besteht quasi aus Pads, die ein elektronisches Signal an den Computer senden, um dann Klang zu erzeugen. Damit steuere ich Musik-Apps, sodass ich über meine Sticks Sounds aus einer Synthesizer App (viele werden vielleicht bspw. Garageband kennen) erzeugen kann.

Und inwiefern überschneiden Sie dann die Apps, die du selbst nutzt im Vergleich zu den Apps, die du deinen Schülern und Schülerinnen anbietest zum Üben? Also wahrscheinlich gibst du nicht alle diesen dieses große Portfolio mit, oder?

Also tatsächlich ist es so, dass es nur ganz selten dazu kommt, dass Apps, die ich privat zum künstlerischen Schaffen nutze, ich die jetzt auch so eins zu eins im Unterricht einsetze, weil einfach das sind dann Apps, wo es eher um Klang, Synthese geht und solche Dinge und das ist eigentlich für so einen klassischen Schlagzeugschüler erst mal weniger interessant und da besetze ich tatsächlich ganz andere Apps ein. Also wenn ich jetzt im Unterricht sitze, habe ich jetzt auch, du hast das „Was geht ab“-Buch erwähnt, nachdem habe ich eine wahnsinnig große Resonanz bekommen von den Lesern und Leserinnen, dass das toll ist, dass man so einen Einblick bekommt, aber wie es auch so ist, und das verstehe ich auch absolut, erstens mal für viele ist es ein neues Thema. Außerdem gehört dazu, wenn man jetzt als Lehrer sehr viele Musikschüler hat und versucht sozusagen mit denen was umzusetzen, vielen fehlt die Zeit, sich so intensiv wie ich das vielleicht getan habe mit dieser Materie zu beschäftigen, zumindest am Anfang, um da so einzusteigen und sich Sachen für den eigenen Unterricht zu überlegen. Und da haben viele gesagt, ja, wie könnte man das denn machen? Ihnen fehlt irgendwie das Konkrete.

Also sagen wir mal ein Etüdenheft, wie man das von der Schlacht Werkzeugschule oder so kennt, die man dann erstmal durcharbeiten kann mit dem Schüler. Und währenddessen sagt man, okay, jetzt nehmen wir die Übung dreimal nicht, da habe ich was anderes und so. Da lässt man eigene Sachen einfließen, aber da hat man einen roten Faden. Da gibt es erstmal eine gewisse Sicherheit. Und das hat dazu geführt, dass ich dieses Ich habe ein weiteres Buch geschrieben, das heißt „Appetit“ quasi, also „Appetüden“. Und da habe ich tatsächlich ganz konkrete Übungen entwickelt, die man so im Musikunterricht, im Instrumentalunterricht eben mit den Schülern eins zu eins aller Instrumente, also ich habe es freigehalten sozusagen, mit welchem Instrument man das macht, einsetzen kann. Und da gibt es verschiedenste Dinge, die eben mit Musikapps wahnsinnig gut gehen. Beispielsweise was alle umtreibt, ist sowas wie rhythmische Präzision und Timing. Das klingt erstmal so ein bisschen lahm, weil es immer so alte Layern sind, aber es ist tatsächlich ja für alle so wichtig. Da habe ich dann Spiele entwickelt, wie man mit einem ganz normalen Metronom oder mit speziellen anderen Apps eben solche Verschiebungen, Verschiebungsspiele machen kann, um quasi da sicherer und stabiler zu werden.

Und da sind die Ergebnisse wirklich krass. Plötzlich machen solche scheinbar trockenen Übungen wie Timingübungen oder sowas richtig Spaß, weil es so eine Art Challenge ist, Charakter hat. Man spielt quasi wirklich. Und ja, das sind sozusagen eher Dinge, die ich im Unterricht selbst nutze, beispielsweise auch, wobei das ist wieder eine App, vielleicht könnte man an der Schnittmenge sehen zwischen meiner künstlerischen und der pädagogischen Arbeit. Es gibt so Looper Apps, also wo man quasi einzelne Schnipsel, die man einspielt, immer, du kennst das ja wahrscheinlich, immer wieder, wiederholen kann. Und das nutze ich künstlerisch oft, weil das ist toll. Ich kann lange Klänge vielleicht die ich erzeuge, mit anderen kombinieren und so Klangflächen erzeugen. Und im Instrumentalunterricht kann ich mit solchen Looper Apps, habe ich ja auch in diesem Aptitude Heft zwei, drei Übungen zugemacht, verschiedene rhythmische Takte, die ich vielleicht nacheinander irgendwo aufgeschrieben habe, übereinander legen und so trainieren, zu einem bestehenden Rhythmus möglichst exakt einen nächsten dazu zu spielen und quasi so eine Art Trockenübung fürs perfekte Ensemble Spiel sowas zu haben, um noch mehr, also man hat nicht das Gefühl, man spielt nur mit sich selbst allein, sondern es ergibt sich so eine große Klangfarbe, was irgendwie cool ist.

Und es ist auch super spielerisch, weil es halt nicht so dieses sehr trockene, ich mache diese Übung 1 und dann kommt die Übung 2.

Ja, auch für zu Hause. Die Schüler haben Spaß auch daran, das dann zu Hause mal zu machen. Die meisten Apps sind ja kostenfrei oder super günstig auch. Da spielen die dann rum und plötzlich schreiben die Songs oder also die werden plötzlich richtig kreativ, ist echt cool. Ja, mega.

Kannst du ein Beispiel geben, was man jetzt gut so einfach verbal erklären kann für so eine Rhythmikübung, also wie du Timing Training mit einer App zum Beispiel machst?

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Wie übt eigentlich Christian Pabst? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-christian-pabst/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-christian-pabst/#respond Tue, 22 Mar 2022 20:51:13 +0000 http://what-is-practice.de/?p=4434 Wie wird man musikalisch selbstbewusst, Christian Pabst? Darüber haben wir in der neuesten Folge gesprochen.

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Alle tun es, doch es scheint, als möchte niemand allzu gerne darüber sprechen. Üben. Musiker*innen verschiedenster Genres verbringen im Laufe ihrer Karriere Tausende von Stunden mit ihrem Instrument, ohne dabei wirklich regelmäßig den Austausch zu anderen zu suchen und zu erfragen, was er oder sie denn gerade so übe. Der Prozess musikalischer Weiterentwicklung versteckt sich hinter einer großen Portion Mystik, deren Schleier niemand recht lüften möchte. Sei es aus Scham, Konkurrenzdenken oder schlicht weil man nie so recht auf dieses Thema zu sprechen kommt.

Doch wäre es nicht gerade interessant zu wissen, was der Kommilitone, der Mitspieler*in oder Freund*in in Verein und Band gerade so an seinem Instrument erarbeitet? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass man eventuell selbst gerade das Gleiche übt und gegenseitig von Tipps und Ratschlägen profitieren könnte? Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein erfahrener Spieler einem selbst neue Inspiration und Impulse für die nächste Übesession geben kann, einem ein neues Stück zeigt oder man durch das Gespräch einen neuen Spieler kennenlernt?

All diese Fragen, die sonst viel zu selten gestellt werden möchte ich in Zukunft regelmäßig in der Reihe „Wie übt eigentlich…?“ versuchen zu beantworten. Denn von anderen lernen heißt auch immer über sich selbst etwas zu erfahren.

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Christian Pabst lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

Diesen Monat: Christian Pabst

This beauty comes from within, from the depth of the music, and leaves space for always new associations“ schrieb das Jazzpodium mal über die Musik von Christian Pabst. Und nach dem Gespräch mit kann ich dem nur zu 100% zustimmen.

Zweifellos gehört Christian Pabst zu einem der gefragtesten Jazzpianisten in Europa. Aber nicht nur als Instrumentalist hat er sich inzwischen einen Namen erworben. Als Dozent unterrichtet er mittlerweile an der Hochschule für Musik Saar und als Gastdozent am Conservatorium in Amsterdam.

Wenn man Christian Pabst im Gespräch zuhört, kann man schon mal den Eindruck gewinnen, dass sein Tag mehr als 24 Stunden hat. Leben in Italien, unterrichten in Deutschland und den Niederlanden – dazu internationale Reisen für Konzerte. Dazwischen Zeit für die Familie, Üben und während der Pandemie blieb sogar noch etwas Muße zum Lesen übrig.
Wie er es schafft, das alles unter einen Hut zu bekommen und wie er es vor allen Dingen geschafft hat musikalisches Selbstbewusstsein zu entwickeln und seine eigene Sprache zu finden, darüber haben wir im Podcast gesprochen.

Mehr Infos zu Christian Pabst: www.christianpabst.com

Das Interview: Wie übt eigentlich Christian Pabst?

Übersicht

Wie hast du deine eigene Stimme gefunden?

Vervollständige folgenden Satz: Übten heißt für dich…

Spaß und Freiheit.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife ?

Bei mir läuft gerade Gonzalo Rubalcaba in Dauerschleife. Ein kubanischer Pianist, der mich gerade sehr inspiriert.

Er hat ein tolles Duo-Album („Tokyo Adagio“) mit Charlie Haden aufgenommen. Ich konnte ihn letztes Jahr auch live sehen.

Bei mir ist es so, dass ich immer einen bestimmten Künstler für einen Monat im Fokus habe und ihn besonders viel höre. Also aktuell bin ich in meiner Gonzalo Rubalcaba-Phase.

Welcher Künstler war in deiner Phase davor?

Gustav Mahler (lacht). Vor allem die zweite und dritte Symphonie.

Das heißt, dass diese „Phasen“ gar nicht nur Jazz-spezifisch sind, sondern ganz breit gestreut?

Ja, auf jeden Fall. Ich versuche eigentlich Musik so universell wie möglich aufzufassen. Ich komme natürlich aus dem Jazz, und habe hier viele Projekte, allerdings versuche ich diese Genre-Zuschreibungen zu vermeiden und es einfach als Musik zu bezeichnen. Dadurch hält man sich viel mehr Türen offen für Neues. Und meistens inspiriert mich auch einfach alles. 

Wenn du sagst, dass du phasenweise verschiedene Künstler sehr fokussiert hörst, verbindest du das dann auch mit dem Erstellen von Transkriptionen oder ist es eher ein Hören, um Inspirationen zu sammeln?

Es gibt zwei verschiedene Arten von Hören bei mir: Das eine ist nur zur Inspiration, zum Spaß und natürlich zum Genießen. Das andere Hören ist ganz klar für meine Arbeit. 

Wenn ich beispielsweise eine CD-Aufnahme vorbereite, und die Musik ist in einem bestimmten Stil, dann versuche ich mir zu Hause eine musikalische Umgebung zu schaffen, die diesen Stil mit Ideen nährt. 

Mit den Transkriptionen ist es bei mir so eine Sache. Ich habe früher sehr viel transkribiert. Inzwischen ist es aber so, dass wenn ich etwas höre, das mir sehr gut gefällt, ich es zwar aufschreibe– allerdings sind das meistens nur kleine Phrasen. Also ein bis zwei Takte, oder mal ein Akkord.

„Ich finde, wenn man – wie in meinem Fall ein Jazz-Pianist sein möchte, dann sollte man auch verstehen, was die Leute vor einem gemacht haben. Denn, die Künstler*innen, die ihre eigene Stimme gefunden haben, haben sie dadurch gefunden, dass sie sich wirklich intensiv mit der Musik auseinandergesetzt haben.“

(Christian Pabst)

Könntest du einen der Künstler, die du mal phasenweise sehr stark gehört hast, herausgreifen und sagen, dass der dich (auf dein Spiel bezogen) am meisten geprägt hat?

Mittlerweile nicht mehr. Hoffe ich (lacht).

Früher waren diese Phasen, in denen ich von einer Person inspiriert war, viel länger. Ich hatte mal eine ganz lange Herbie Hancock-Phase oder eine lange Oscar Peterson Phase, die man anschließend auch immer in meinem Spiel gehört hat. Soweit, dass es anderen Leute sogar aufgefallen ist und mich es selbst gestört hat.

Gerade in der Jazz-Erziehung gibt es ja diese Polemik, ob man versuchen sollte andere Künstler*innen zu kopieren oder, ob man das gar nicht versuchen sollte – um seine eigene Stimme zu finden. Ich positioniere mich hier ziemlich in der Mitte.

Ich finde, wenn man – wie in meinem Fall ein Jazz-Pianist sein möchte – dann sollte man auch verstehen, was die Leute vor einem gemacht haben. Denn, die Künstler*innen, die ihre eigene Stimme gefunden haben, haben sie dadurch gefunden, dass sie sich wirklich intensiv mit der Musik auseinandergesetzt haben.
Von daher war das bei mir, während des Studiums, eine natürliche Entwicklung. Ich wollte verstehen, wie das alles funktioniert. Und jetzt glaube ich, dass ich mich davon immer mehr emanzipiert habe und immer mehr verstanden habe, wie ich kreativer und mit mehr Freiheit mit dem Material umgehen kann.

Ich denke, es ist ein wichtiger Prozess, wenn man Improvisation lernen möchte, dass es nicht darum geht, das was man gehört hat genau zu kopieren. Sondern das sollte immer nur eine Startrampe zur eigenen Kreativität sein. Das jedoch für einen selbst wirklich zu verinnerlichen, benötigt Zeit. 

Kannst du beschreiben, wie du das geschafft hast? 

Gute Frage. Ich glaube, es hat viel mit musikalischer Reife und Erfahrung zu tun. 

Wenn man über die Jahre mit vielen verschiedenen Musiker*innen aus unterschiedlichen Stilrichtungen zusammenspielt, oder auch selbst komponiert, hat es sich für mich so angefühlt, als ob dies immer zwingender beginnt mein eigener Stil zu werden. 

Eigentlich ist es aber eine Kombination aus musikalischer Erfahrung sammeln sowie mentaler und künstlerischer Reife, die mir das Selbstbewusstsein vermittelt hat, Sachen nicht zu machen, um mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Ich würde es daher ein künstlerisches Selbstbewusstsein nennen, welches aus der konstanten Arbeit mit Musik wächst. 

Wenn ich es jetzt aber auf eine konkrete Übung in meinem Alltag übertragen müsste, dann wäre dies jede musikalische Idee auf ihren kleinsten gemeinsamen Nenner herunterzubrechen. Um davon ausgehend so viele Varianten wie möglich heraus zu filtern. 

Das heißt, wenn ich eine Phrase von einem anderen Musiker höre und möchte verstehen, was er dort macht, dann würde ich diese nie 1:1 so spielen. Klar, am Anfang möchte ich begreifen, was er dort gemacht hat. Aber dann würde ich schauen, was die melodische, die rhythmische oder die harmonische Struktur ist. Ich würde die Phrase rückwärts spielen, sie in einer anderen Taktart spielen, in eine andere Tonart transponieren oder sie über einen anderen Akkord spielen.

Auf diese Weise findet man stetig neue Ideen, die einem gefallen, da einem bereits das Ausgangsmaterial gut gefallen hat. Die aber trotz allem immer eigen klingen werden, weil es nicht die exakte Kopie des Originals ist – also nicht dieses typische Spielen von Licks & Pattern. 

„Eigentlich ist es aber eine Kombination aus musikalischer Erfahrung sammeln sowie mentaler und künstlerischer Reife, die mir das Selbstbewusstsein vermittelt hat, Sachen nicht zu machen, um mich auf andere Dinge zu konzentrieren. Ich würde es daher ein künstlerisches Selbstbewusstsein nennen, welches aus der konstanten Arbeit mit Musik wächst.“

(Christian Pabst)

Das heißt, dass du beim Üben auch immer sehr analytisch vorgehst? Dass du dir sehr genau überlegst, welche Möglichkeiten diese Phrase hat und dir daraus einen Übeplan für die nächste Stunde bzw. die nächsten Wochen machst?

Genau, ich versuche mir dann daraus einen eigenen Übeplan zu erstellen. Aber was du gerade ansprichst ist sehr wichtig beim Üben: Auf der einen Seite versuche ich so detailversessen, konkret und diszipliniert wie möglich zu arbeiten. Gleichzeitig versuche ich aber auch immer genügend Platz zum Spielen zu lassen.

Ich hatte mal eine Phase, in der ich meine Technik verbessern wollte. Damals habe ich den ganzen Tag lang Klassik und alle möglichen Skalen geübt. Das hat sich natürlich anschließend auch auf mein Spiel ausgewirkt. Bei den Soli hatte ich immer das Gefühl, dass ich aus diesen Skalen nicht mehr herauskomme. Deshalb finde ich es so wichtig in improvisierter Musik, dass man immer Platz für Phasen lässt, in denen man einfach nur spielt. 

Damit ich ein besseres Monitoring hierüber habe, führe ich ein Übetagebuch. Wenn ich dann sehe, ich habe gleich eine Übesession über ein paar Stunden zu Verfügung und habe am Vortag viele Sachen geübt, die eher auf Handwerk aus sind, dann würde ich in der anstehenden Session eher ein paar Standards spielen oder über ein Stück solieren, welches ich demnächst aufnehme. Auf jeden Fall sehr frei und ohne viel Nachdenken. Einfach um diesen Flow zu üben, den man bei Konzerten haben muss. Ich finde es wichtig, dass man Musik machen auch zu Hause übt. 

Ich sehe bei ein paar Studierenden, dass es eine Art Trennwand gibt, zwischen Übezimmer und der Hochschule, wo man alles sehr genau übt und dem Loslassen, wenn dann ein Konzert ansteht. Diese Brücke sollte man versuchen immer zu bauen. Daher habe ich eingangs auch gesagt „Üben ist Spaß und Freiheit“, weil es am Ende immer eine Suche nach musikalischer Schönheit und Dinge, die einen berühren ist. 

Das kenne ich ebenfalls noch aus meiner eigenen Zeit im Studium. Man sieht sich anfangs mit einem Berg von Input konfrontiert und vergisst oftmals – so ging es mir zumindest- dabei das eigentliche Musik machen etwas. Sobald man dann aber wieder anfängt den eigenen Ideen beim Üben mehr Raum zu geben, und quasi seinem inneren Ohr folgt, werden auch Soli wieder spannender.

Ja, total. Ich glaube in der Sache sind zwei Dinge wichtig: Zum einen glaube ich ist es, während eines Musik-Studiums, ein ganz natürlicher Prozess, dass man sich die Frage stellt, wie man diese ganzen Informationen verarbeiten soll. In dieser Phase bleiben viele Studierende stecken. Hier geht dann oftmals auch ein wenig der Spaß an der Musik verloren. Andererseits muss man als professioneller Musiker auch einfach abliefern können. Man sollte versuchen zu akzeptieren, dass dies Hand in Hand geht. 

Bei mir ist es beispielsweise so, wenn ich auf die Bühne gehe und merke es fließt, weil ich genug Zeit ins Üben investiert habe, habe ich auch viel mehr Spaß. 

Ab und zu muss man dann vielleicht durch solche Phasen durch, in denen es hart ist und man diesen Spaß gerade nicht sieht. Dann sollte man sich aber ins Gedächtnis rufen, dass wenn man auf der Bühne steht, und man loslassen kann, dieser Spaß wieder da ist. 

Die zweite Sache habe ich leider vergessen.

Musikalisches Selbstbewusstsein

Kommt sicher noch… Um vielleicht gerade den Bogen zu spannen, bevor ich hierauf konkret eingehen möchte. Wenn man dein Tourplan online verfolgt, sieht man, dass du wieder etwas mehr unterwegs warst seit Anfang des Jahres. Zusätzlich unterrichtest du ja noch als Gastdozent am Conservatorium in Amsterdam und als Dozent an der Hochschule in Saarbrücken. Lebst allerdings gerade in Italien. Das bedeutet natürlich auch viel Reisen. Kannst du schildern, wie du dein Üben aktuell planst und über den Tag einteilst?

Ich muss gestehen, dass ich aktuell sehr wenig Zeit zum Üben habe, auch weil ich gerade Vater von Zwillingen geworden bin. Mein Schlafpensum ist entsprechend sehr gering und mein Übepensum ebenso. Das ist für mich als Musiker natürlich eine schwierige Situation: Weil, wenn ich nicht üben kann, bin ich schlechter gelaunt. Ich brauche diese Beschäftigung mit Musik auf der einen Seite, um das Gefühl zu haben, dass ich mein Handwerk unter Kontrolle habe. Und auf der anderen Seite, um das Gefühl zu haben, dass es weiter geht. 

Wenn dazu noch internationale Reise kommen, versuche ich so zielsicher wie ich kann zu üben. Wenn ich weiß, ich habe heute nur eine oder zwei Stunden Zeit, dann habe ich nicht diesen Luxus einfach drauf los zu spielen. Das ist einerseits schade, aber auch gut, weil es mich dazu zwingt sehr effektiv zu sein.

Hierzu habe ich dann auch mein „gefürchtetes“ Übetagebuch. Meistens ist so, dass ich dieses in verschiedene Felder versuche zu strukturieren: Technik, Harmonie, Komposition, Repertoire, Rhythmus. Diese groben Felder versuche ich dann mit konkreten Übungen zu füllen. 

Dadurch, dass ich gerade weniger Zeit zum Üben habe, versuche ich all diese Felder immer auch an Stücken zu üben, die ich demnächst live spielen werde. Klar, bei Technik ist es noch so, dass ich trotzdem auch klassische Etuden übe, die ich nicht live spiele. Das ist aber dann meistens eher zum Aufwärmen.

Das, was man auch live spielt, sollte beim Üben immer an erster Stelle stehen.

Würdest du sagen, dass diese Effizienz nur dem „Zeitmangel“ geschuldet ist. Oder ist das etwas, dass sich über die letzten Jahre, beispielsweise auch durch das Unterrichten, entwickelt hat?

Auf jeden Fall kommt das auch daher. Ich unterrichte sehr genau, auch weil ich dadurch das Gefühl habe, dass ich selbst noch als Musiker wachse. Wenn ich Studierenden Dinge erkläre, erkläre ich sie mir gleichzeitig auch selbst. 

Ich muss aber ehrlich sagen, wenn ich die Zeit hätte, würde ich immer noch alles anhand aller Standards üben. Oder weitere Themenfelder für mich entdecken. Aber der Tag hat halt leider nur 24 Stunden. 

Aber das ist ja das Schöne an der Musik, die wir machen (zumindest fühle ich das so): Das Material und die Inspiration wird uns nie ausgehen.

„Vor allem diese mentale Seite am Musik machen wird zu sehr unterschätzt. Ich glaube, dass man eigentlich viel mehr kann, als man sich selbst zugesteht, weil man sich konstant blockiert. Und weil wir in einer Welt leben, die es einem nicht leichter macht, sich als Mensch zu öffnen.“

(Christian Pabst)

Du erwähnst es gerade bereits: Der Tag hat nur 24 Stunden. Das heißt, wenn dann mal zwei Stunden Übezeit abfallen, sollte man im besten Fall auch gleich bereit sein durchzustarten. Wie kommst du dabei in den Fokus? Einfach direkt starten oder hast du eine Art Ritual, um in eine Art „Flow“ zu kommen?

Das ist auf jeden Fall ein Aspekt, mit dem ich früher viel zu tun hatte. Aber inzwischen hilft mir hier vor allem meine Konzerterfahrung. 

Vor allem vor Corona habe ich extrem viel gespielt. Da gab es manchmal Projekte, mit denen wir 40 Konzerte innerhalb weniger Wochen gespielt haben. Anfangs ist man bei den ersten Konzerten vielleicht noch etwas nervös. Irgendwann kommt man jedoch in einen Flow hinein, bei dem Musik machen nichts anderes mehr ist als Zähne putzen. Die mentale Trennwand, dass man denkt, man müsse nun performen und den Leuten etwas präsentieren, die gibt es dann nicht mehr. 

Ich habe mal eine tolle Rede von Keith Jarrett gelesen, der für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Normalerweise geht er auf solche Events nicht hin, aber scheinbar hat er bei diesem Mal eine Ausnahme gemacht. Seine Rede ist mir sehr im Kopf hängen geblieben. Er meinte: Vielen Dank für den Preis, aber eigentlich interessieren mich Preise nicht. Was mich interessiert ist Musik. Preise inspirieren mich nicht, Musik inspiriert mich.

Er hat dann über Musik geredet und meinte, Musik sei immer da. Musik ist wie ein Fluss, der immer fließt und in den man nur hineinspringen und sich treiben lassen muss. Das hört man natürlich in seinem Spiel. 

Dass man sich der Idee öffnet, dass Musik etwas Allgegenwärtiges ist. Eine Welt, die man einfach nur betreten muss. Aber, dass man diesen Schritt eben ganz bewusst machen muss. 

Rede Keith Jarrett „Music is in the air and you find it, or it’s in the air and you don’t find it.“

Ich finde was, hier auffällt, auch in der Art und Weise wie du über Musik sprichst, dass das viel mit Selbstreflexion zu tun hat. Dass man immer als Musik*in, und vielleicht als improvisierender mehr als klassische Musiker*innen, in sich hinein horchen muss und sollte, um zu wissen wo man steht, welche Künstlerpersönlichkeit bin und wo ist die Musik, zu der ich mich hingezogen fühle.

Total. Vor allem diese mentale Seite am Musik machen wird zu sehr unterschätzt. Ich glaube, dass man eigentlich viel mehr kann, als man sich selbst zugesteht, weil man sich konstant blockiert. Und weil wir in einer Welt leben, die es einem nicht leichter macht, sich als Mensch zu öffnen.

Ich versuche mal ein Beispiel zu machen: Mir macht es großen Spaß mit Musiker*innen zu spielen, die sich überhaupt nicht für Fehler interessieren. Denn das gibt einer Band viel mehr Power einfach drauf loszuspielen. Das finden wir alle am besten und, wenn wir auf der Bühne Spaß haben, überträgt sich das am Ende auch auf das Publikum. 

Das fällt umso schwerer, wenn alles genau festgelegt ist oder, wenn jemand etwas zu schnell spielt und es anschließend heißt „du solltest mal wieder mit Metronom üben“. Dadurch geht die ganze Seele der Musik verloren. Natürlich mit dem Disclaimer, dass wir alle üben. Bei guten Musiker*innen setzt man dies aber eigentlich voraus. 

Bei Aufnahmen ist es das Gleiche. Das, was man gerade spielt, ist eben das, was man gerade aufnimmt. Und, dass man dies nicht mehr ändern kann. Genauso wie man nicht mehr ändern kann, wie viele Jahre man bereits geübt hat. Sondern, dass man sich in dem Moment einfach selbst akzeptiert – vor allem auch das Level, das man aktuell hat, akzeptiert. Egal, ob das Amateur, Hobby-Musiker oder jemand, der in der Carnegie Hall spielt, ist. Ich glaube, dass geht alles auf einen bestimmten mentalen Prozess zurück, in dem man sich einfach akzeptiert. Wenn man sich dessen bewusst ist, und beginnt daran zu arbeiten, dann fällt einem Musik machen einfacher und man spielt besser.

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Könntest du bei dir beschreiben, wie du dieses Selbstbewusstsein gefunden hast?

Ich bin eigentlich extrem kritisch mit mir selbst und hatte lange Zeit Probleme mich in der Musik einfach fallen zu lassen. Gerade um auch auf das Studium zurückzukommen, weil dort eben alles bewertet wird. Oder die klassische Situation bei einem Gig, dass man im Publikum eine Person entdeckt, auf dessen Meinung man viel Wert legt und man das Gefühl hat, es dieser Person nun zeigen zu müssen.

Ich glaube, was mir vor allem viel geholfen hat war, dass ich zu allem immer ja gesagt habe, obwohl ich für manches noch nicht bereit gewesen bin. Dass heißt, wenn ich für Gigs mit schwierigem Material gefragt wurde, habe ich diese meistens alle angenommen. 

Das hat mir auf jeden Fall geholfen in den verrücktesten Situationen Musik zu machen und diese Momente zu akzeptieren.

Also im Grunde sich selbst immer ins kalte Wasser zu werfen?

Genau. Vor allem auch dann Prüfungen (in der Hochschule) nicht als Prüfung wahrzunehmen, sondern als Konzert. Das ist auch genau das, was Keith Jarrett meinte. Das Publikum ist nicht da, du bist nicht da – das Einzige was da ist, ist die Musik. Das ist natürlich leicht gesagt jetzt.

Ich möchte jetzt keinen historischen Monolog präsentieren (lacht).

„Ich brauche diese Beschäftigung mit Musik auf der einen Seite, um das Gefühl zu haben, dass ich mein Handwerk unter Kontrolle habe. Und auf der anderen Seite, um das Gefühl zu haben, dass es weiter geht.“

(Christian Pabst)

Doch, gerne. Das hier wäre genau der richtige Zeitpunkt dafür.

Ich glaube da müsste man eher mal ein Sequel machen. Aber im Ernst. Mir macht es auch Spaß viel Über Jazz und Jazz-Geschichte zu lesen. Ich glaube, Jazz ist eine der Musikrichtungen, die am meisten missverstanden werden – sogar von vielen Musiker*innen.

Ich bin immer erschrocken, wie wenig Leute wissen, wo diese Musik genau herkommt und wie sie gewachsen ist. Eine Sache, die mir dabei die Augen geöffnet hat, habe ich in einem Buch über die afrikanischen Ursprünge des Jazz gelesen. Darin hieß es, Musik sei nicht da, um ein Konzert zu spielen, sondern um die Gemeinschaft zu stärken. 

Das heißt, wenn die Leute anfangen zu singen, ist dies nicht dafür da, um etwas vorzuführen, sondern um die Gemeinschaft emotional zusammen zu schweißen. Ich finde, so müsste man eigentlich an jedes Konzert heran gehen.

Je mehr ich mich mit diesen Hintergründen der Musik beschäftige, umso leichter fällt es mir zu improvisieren und mit Lust und Laune zu spielen. Weil ich das Gefühl habe, dass es um mehr geht, als um die #11 über C7. (lacht)

Es nimmt vor allem den Druck aus der Musik heraus. Man bekommt nicht mehr Panik, wenn man im Publikum Keith Jarrett entdeckt und denkt, dass man ihm zeigen muss, was man die letzten 20 Jahre alles geübt hat. Sondern, dass es darum geht die Zeit mit den Leuten auf der Bühne, aber auch im Publikum, zu genießen.
Ich finde im besten Fall passiert dies auch bei Konzerten. Allerdings ist das Setting nie dafür ausgelegt, sondern der Zweck eines Konzertes ist ja meistens ein kommerzieller. 

Ja, aber ich glaube die richtig großen Künstler*innen schaffen das. Bei den Musiker*innen, die ich bewundere sehe ich diese Offenheit, um mit dem Publikum, aber vor allen auch mit den Mitmusiker*innen etwas kreieren zu wollen.

Ich habe vor unserem Gespräch noch ein Video mit Chick Corea gesehen. Wenn er spielt, schaut er die ganze Zeit seine Mitmusiker an und gar nicht so sehr auf die Tasten. Sie halten dadurch durchgehend die Konversation am Laufen. Man merkt, dass es darum geht, die Menschen auf der Bühne zusammen zu schweißen, um etwas (musikalisch) Neues entstehen zu lassen. Diese Attitude fasziniert mich. Und wenn ich an die besten Konzerte denke, die ich je hatte, dann waren das genau solche.

Balbec – Das neue Album von Christian Pabst

Szenen vertonen – Inspiration für neue Musik

Was ich bei dir in der Vorbereitung spannend fand – und das bestätigst du gerade auch im Gespräch: Gerade kürzlich erschien dein inzwischen viertes Album „Balbec“ als Leader. „Balbec“ ist ja fiktive Badeort in Proust „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Hat dich in diesem Fall also konkret der Roman inspiriert?

Dank der Pandemie hatte ich plötzlich ganz viel Zeit und konnte endlich mal ein paar Bücher von meiner Leseliste abarbeiten. Und es hat sich so unfassbar gelohnt. Dadurch sind die ganzen Ideen für das neue Album gekommen. 

Suchst du für dein künstlerisches Schaffen bewusst auch in anderen Sparten (bildende Kunst, Literatur) nach Inspiration?

Es ist nicht so, dass ich das bewusst mache. Dass ich bewusst sage „mal sehen was Marcel Proust so geschrieben hat, um daraus ein Stück zu machen“. 

Meine Ideen für Stücke kommen tatsächlich nie von Musik. Das heißt, ich muss immer ein Bild vor Augen haben, oder eine bestimmte Szene, eine Stimmung um ein Stück zu kreieren. Ich versuche so intuitiv wie möglich zu komponieren. Bei dem letzten Album war das ganz schön, da ich die ganzen Szenen aus dem Buch in meinem Kopf hatte. Und vieles wurde zu einem Spiegelbild aus meinem privaten Leben.

Wenn ich dann eine musikalische Idee zu einer Szene im Kopf habe, schreibe ich sie meistens noch gar nicht direkt auf, sondern warte ein paar Tage. Wenn ich es dann immer noch höre, weiß ich, dass ich etwas gefunden habe. Erst dann schreibe ich es auf. Dann beginnt auch diese ganze musikalische Detailarbeit. 

Das ist auch etwas, was man in der Musik hört. Sie kommt im besten Sinne des Wortes „einfach“ daher. Die Stücke sind sehr melodiös, aber gleichzeitig auch komplex. Aber diese Komplexität steht nie im Vordergrund. Und vor allen Dingen, dass es darum auch niemals geht finde ich sehr schön.

Dankeschön. Ich versuche anspruchsvolle Musik zu komponieren und zu spielen, die aber nie so wirkt.

Ich möchte Musik machen, bei der ich das Gefühl habe, dass jemand, der von Musik nichts versteht sie trotzdem genießen kann und in diesen musikalischen Sog gezogen wird. Genauso wie ein professioneller Musiker sich das anhört und interessiert feststellt, was noch alles unter der Oberfläche ist. 

Bei all der Kunst, die mich anspricht, ist es ähnlich. Es gibt einen hohen Unterhaltungswert an der Oberfläche, aber darunter passiert ganz viel. Das macht die Beschäftigung mit einem Kunstwerk so spannend. 

Vor allem beim Komponieren finde ich es wichtig, dass einen „Fluss“ gibt. Das die nächste Idee immer aus der vorherigen hervorgeht. An erster Stelle sollte immer die Emotion stehen, die man bei der Musik empfindet.

Ich finde das schließt auch ganz schön den Kreis zum Anfang unseres Gesprächs. Als wir darüber gesprochen haben, dass ein Teil deines Übens immer auch dieses freie Spielen ist. 

Genau. Das sind auch die beiden Seiten, die wir im Laufe dieses Gespräch bereits angesprochen haben. Um so frei und kreativ loszuspielen und Ideen zu kreieren, muss man sich die ganze Zeit auch selbst mit Ideen füttern und hart arbeiten. So entstehen viel schneller Querverbindungen und Assoziationen. Das ist ein faszinierender Prozess finde ich. 

Es ist super spannend dir zuzuhören. Wir könnten locker so noch eine Stunde füllen, aber ich möchte ganz allmählich den Hafen unseres Gesprächs ansteuern.

Wir müssen beide ja auch noch üben gehen (lacht).

„Das, was man auch live spielt, sollte beim Üben immer an erster Stelle stehen.“

(Christian Pabst)

Was lernst du gerade, was du noch nicht so gut kannst?

In der Tat. Aber vorher wollte ich noch Sport machen. Und das ist eine wunderbare Überleitung zur nächsten Frage: Wie erholst du dich ? Hast Du einen bewusst gewählten freien Tag in der Woche? Oder ist das möglicherweise sogar etwas, was dich dann stresst?

Mir fällt es sehr schwer mich zu erholen, weil ich mich immer auch ein wenig schuldig fühle, wenn ich nichts mache.

Wenn ich beispielsweise nach einer langen Tour nach Hause komme, fällt es mir sehr schwer länger als fünf Minuten ruhig zu sitzen. Einfach, weil ich mir dann denke, ich kann doch jetzt nicht hier sitzen und nichts machen (muss selbst lachen).

Aber inzwischen hilft mir meine Familie schon sehr, bewusst freie Tage festzulegen und alle Ablenkungen (Handy, Computer etc.) abzuschalten. 

Und weil du gerade Sport erwähnt hast: Physische Betätigung ist in den letzten Jahren für mich auch viel wichtiger geworden. Ich war sonst immer eher ein Sportmuffel, aber ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, um den Kopf auch wieder freizubekommen.

Es gibt jedenfalls wenige Tage im Jahr, an denen ich komplett nichts mache. Meistens schleuse ich dann doch noch die ein oder andere Email rein. Aber das ist auf jeden Fall etwas, an dem ich gerne arbeiten möchte.

Das greift gerade etwas meiner nächsten Frage vor: Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst ? (darf auch gerne nicht-musikalisch sein)

Musikalisch kann ich das sogar konkret beantworten. Ich habe kürzlich ein neues Projekt mit einem italienischen Saxophonisten begonnen, der ganz tolle, moderne Musik schreibt. Allerdings ist fast jedes Stück entweder in 11/8 oder 13/8. Trotz allem muss ich wirklich sagen, dass die Musik immer fließt und kein „Hoplerstein“ ist. 

In diesen Odd-Metern aber weiter fit zu werden, das ist etwas, an dem ich gerne weiter arbeiten möchte. Inzwischen habe ich 5er und 7er ganz gut unter Kontrolle. Aber auch in solchen ungewöhnlicheren Zählzeiten und Unterverteilungen möchte ich fit werden.

Ich arbeite daran, Musik mehr als einen Puls wahrzunehmen, anstatt sich an bestimmten Taktarten festklammern zu müssen.

„Ich möchte Musik machen, bei der ich das Gefühl habe, dass jemand, der von Musik nichts versteht sie trotzdem genießen kann und in diesen musikalischen Sog gezogen. Genauso wie ein professioneller Musiker sich das anhört und interessiert feststellt, was noch alles unter der Oberfläche ist.“

(Christian Pabst)

Hast du dazu eine bestimmte Technik?

Natürlich viel Odd-Meter spielen. Aber vor allem Phrasen spielen, die über den Taktstrich hinaus gehen. 

Besonders bei Odd-Metern, indem man versucht Phrasen in 4 über einen 5/4 Takt zu spielen. Oder eine Dreier-Verschiebung über einen 5/4 Takt. Das ergibt am Ende die Freiheit. Man hört im Hintergrund läuft ein 5/4 Takt, aber man spielt bewusst darüber hinweg.

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst ?

Nimm das alles nicht so ernst.

Besonders am Anfang als Erstsemester. Man nimmt unglaublich ernst was Dozent*innen, Kommiliton*innen oder das Publikum sagt. Da würde ich meinem jüngeren Selbst sagen, nimm das alles nicht so ernst und konzentriere dich auf die Musik, die du gern machen möchtest. 

Weil davon bin ich auch wirklich überzeugt: Wenn man die Musik macht, die einem wirklich gefällt, wird auf jeden Fall etwas Gutes dabei herauskommen. Nicht nur musikalisch, sondern auch beruflich.

„Weil davon bin ich auch wirklich überzeugt: Wenn man die Musik macht, die einem wirklich gefällt, wird auf jeden Fall etwas Gutes dabei herauskommen. Nicht nur musikalisch, sondern auch beruflich.“

(Christian Pabst)

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Wie übt eigentlich Peter Laib? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-peter-laib/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-peter-laib/#respond Fri, 11 Feb 2022 16:12:52 +0000 http://what-is-practice.de/?p=4321 Peter Laib kennen die meisten sicher durch Ernst Hutter & seine Egerländer Musikanten - oder als Groove-Maschine bei Moop Mama. 

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Peter Laib kennen die meisten sicher durch Ernst Hutter & seine Egerländer Musikanten – oder als Groove-Maschine bei Moop Mama. Zufällig bin ich im letzten Jahr über seinen Aufruf zur Teilnahme an der Studie zu seiner Master-Arbeit in Mentalcoaching gestoplert. Als er diese kürzlich abgegeben hat, war ich natürlich neugierig, wie die Studie so gelaufen ist und, ob seine Methode erfolgreich war.

Mit Peter hatte ich aber nicht nur einen Mentalcoach als Gast, sondern natürlich auch einen fantastischen Musiker. Die Gelegenheit habe ich genutzt, um möglichst viel über seinen Übe-Alltag zu erfahren. 

Peter Laib mit Tuba
Peter Laib (Foto © Felix Steiner)

Aber keine Angst, auch für alle nicht Blechbläser ist die Folge super interessant.

Mehr zu Peter könnt ihr hier finden:
www.peterlaib.com

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Peter Laib lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören:

Das Interview

Übersicht

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

Üben bedeutet für mich Spaß haben, kreativ sein und immer wieder auch dasselbe tun.

Das ist interessant. Darauf kommen wir später in jedem Fall noch zu sprechen. Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife?

Bei mir läuft immer Motown-Musik in Dauerschleife. Ganz gleich welche: Jackson 5, Stevie Wonder. Hier habe ich immer Playlists, die regelmäßig laufen.

Welche CD hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt?

Ich glaube tatsächlich Stevie Wonder. Was Groove-Musik angeht ist er auf jeden Fall mein Hero.

Im Speziellen ein Album oder einfach alles?

Ich glaube alles einfach. Ich habe so ziemlich jedes Album auf Vinyl – aber ein Spezielles könnte ich nicht nennen. Generell sein Stil einfach, wie er singt und wie musikalisch das ist. Vor allem wie perkussiv und groovig alles gespielt ist, gefällt mir wahnsinnig.

Übe-Alltag: „Der Realitätscheck“

Gerade gestern (wir nehmen am Montag, 17.01.2022 auf) habe ich gesehen, hast du mit Ernst Hutter & den Egerländer Musikanten in Biberach gespielt. Hast bist vor kurzem an deiner Master-Arbeit gesessen und das Hörspiel „Der Ulm-Träumer“ produziert. In Nicht-Pandemie-Zeiten tourst du zusätzlich noch mit Moop Mama viel. Kannst du uns mal mitnehmen in einen typischen Übe-Alltag von dir?

Außerhalb der Pandemie sah das eigentlich immer so aus, dass man am Wochenende auf Tour beim Spielen war. Montags war dann erst einmal gar nichts angesagt, sondern: Erholen, Pause machen, Lippen ausruhen.

Von Dienstag bis Donnerstag habe ich dann immer richtig geübt. Vormittags immer zwischen zwei und drei Stunden. Freitagmorgens, falls noch Zeit war und man nicht bereits Donnerstagabend abreiste, noch so viel Üben, wie möglich. Aber meistens eher in Richtung warm spielen, Mundstück spielen. Circa 20 Minuten.

Wenn wir mit Moop Mama dann manchmal über eine längere Zeit am Stück unterwegs sind, muss man sich natürlich ganz anders vorbereiten. Und natürlich auch auf der Tour täglich bestimmte Sachen machen, um durchzuhalten und damit die spielerische Qualität gleichbleibt.

Dann bist du eher der Early Bird, der morgens früh um 9h dann mit seiner Routine beginnt?

Genau, das hat sich letztlich so ergeben. Für mich persönlich sind Routinen im Allgemeinen auch total wichtig. Ohne feste Zeiten klappt es bei mir nämlich meistens nicht. Wenn ich sage „Ich übe heute mal eine Stunde“, habe dann aber keine feste Uhrzeit zum Starten, dann wird es oft verschoben und die Prokrastination gewinnt.

Aktuell in der Corona-Zeit verschwimmen diese Routinen etwas und ich übe eher projektbezogen. 

Morgens übe ich dann eher die Sachen, bei denen ich das Gefühl habe, total wach sein zu müssen. Die kreativen Dinge übe ich dann eher am Abend.

„Ohne feste Zeiten klappt es bei mir nämlich meistens nicht. Wenn ich sage „Ich übe heute mal eine Stunde“, habe dann aber keine feste Uhrzeit zum Starten, dann wird es oft verschoben und die Prokrastination gewinnt.“

(Peter Laib)

In deiner ersten Antwort hast du vorhin bereits etwas Spannendes gesagt, nämlich „Üben heißt für dich immer auch dasselbe zu machen“.
Würdest du sagen, dass du beim Üben dann versucht Routinen bewusst einzustudieren? Oder bist du auch jemand, der versucht das gleiche Ziele über verschiedene Wege und Tools zu erreichen?

Ich versuche es mal zu erklären: Für mich hat sich eine kurze, feste Übe-Routine inzwischen bewährt. Diese ändere ich in der Regel alle drei Monate.

Diese Routine (circa 30 Minuten) kann ich dann nach ungefähr zwei bis drei Wochen ganz gut. Sie ist dann meine Referenz, wie fit ich aktuell bin.

In dieser Routine sind Atem-Übungen, Mundstück und Tuba spielen enthalten. Nach den 30 Minuten weiß ich dann ziemlich genau, in welchen Bereich es gerade „klemmt“. Zum Beispiel Bindeübungen, die nicht so gut klappen – ein Anstoß, der etwas indirekt ist. Oder der Sound, der etwas zu eng ist.

Anhand dieser Erkenntnis kann ich dann entscheiden, was ich genau an Übungen brauche, um mich an diesen, eben ausgemachten Schwachstellen, zu verbessern. Andernfalls übt man ja oftmals irgendetwas, ohne Konzept.

Für mich ist immer wichtig, dass Üben Sinn macht. Ich möchte immer daran arbeiten, wo ich aktuell Defizite habe bzw. wo ich vorhabe, mich wirklich zu verbessern. Das ist im Grunde meine Idee beim Üben.

Also am Ende wie ein kleiner „Realitätscheck“, der dir verrät, wo du gerade stehst. Anschließend gehst du dann gezielt ein Problem (deep-dive mäßig) an.

Genau. Und dadurch, dass man diese halbe Stunde über einen längeren Zeitraum macht, bekommt man ein gutes Gefühl dafür wie gut etwas geht.

In dieser Zeit wird alles abgedeckt: von pianissimo bis fortissimo, schnell, langsam, Technik, Chromatik, ein paar Tonleitern, Bindeübungen und Naturtonreihen – eben alles, was man so macht als Bläser. Das ist dann der Check-Up und dann geht es, wie du sagst, deep-dive in einen Bereich.

Hast du immer schon nach diesem Konzept geübt oder ist das eher etwas Neues?

Nein, das Konzept habe ich vor circa vier bis fünf Jahren für mich entdeckt. Und sicher ist es auch keine Neuerfindung.

Mir ist es irgendwann einmal auf Tour mit den Egerländern aufgefallen. Hier sind wir ja im Grunde zwei Generationen: einmal meine Generation und dann Musiker, die circa 25-30 Jahre älter sind. Vor allem die älteren Kollegen, die schon lange im Business sind, spielen sich immer mit den gleichen Sachen ein.

Ich habe damals immer wieder neue Übungen zum Einspielen genommen. Dann kam aber die Erkenntnis, dass man nur an den gleichen Übungen erkennt, wie fit man eigentlich gerade ist.

„Für mich ist immer wichtig, dass Üben Sinn macht. Ich möchte immer daran arbeiten, wo ich aktuell Defizite habe bzw. wo ich vorhabe, mich wirklich zu verbessern. Das ist im Grunde meine Idee beim Üben.“

(Peter Laib)

Atmung, Atmung, Atmung

Deine Bachelor-Arbeit ging über die Atumung. Auf deinem Patreon-Kanal habe ich gesehen, dass du die Arbeit damals mit deinen Arnold Jacobs Zitat über das Autofahren begonnen hast. Was war denn damals die größte Erkenntnis dieser Arbeit?

Meine größte Erkenntnis danach war, dass 99% des Könnens als Bläser*in von der Atmung abhängt. Und, dass für mich Begriffe wie Ansatz oder Ähnliches, fast vernachlässigbar sind, wenn die Atmung gut funktioniert.

Gerade auch die Schule von Arnold Jacobs verfolgt im Grunde diese Herangehensweise. Wenn man sich damit viel beschäftigt, lösen sich ganz viele Probleme quasi von selbst.

Hattest du damals auch konkrete Übungen dazu entwickelt oder was war deine Herangehensweise?

In der Bachelor-Arbeit habe ich nur den Unterschied zwischen der Blechbläser-Atmung und der normalen Atmung herausgearbeitet.

Dazu kamen noch mögliche Ursachen, die die Blechbläser-Atmung verschlechtern können. Zum Beispiel, wenn man eine schwere Skoliose oder ein schweres Asthma hat.

Allerdings hatte Arnold Jacobs, meines Wissens nach, bloß einen Lungenflügel. Er war dennoch sehr lange Mitglied im Chicago Symphony Orchestra. Wenn man sich Aufnahmen von ihm anhört, ist sein Sound wirklich unglaublich. Er hat quasi bewiesen, dass mit der richtigen Atemtechnik alles super gut funktionieren kann.

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Also sprach Arnold Jacobs (Buch)

Arnold Jacobs war Tubist und spielt 44 Jahre im Chicago Symphony Orchestra. Das „Buch“ von dem wir hier sprechen heißt „Also sprach Arnold Jacobs“.* Denn neben seiner musikalischen Tätigkeit, galt Jacobs auch als exzelenter Pädagoge. 

Die Anekdote mit nur einem Lungeflügel konnte ich nicht bestätigen. Allerdings muss er wohl, aufgrund von Asthma und einer Krebsbehandlung später, nur ein sehr eingeschärnktes Lungenvolumen gehabt haben.

Seine Hauptphilosophie war daher, die Atmung und die Atmentechnik in den Vordergrund zu rücken. 

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Ich habe das Buch selbst vor Jahren mal gelesen und extra für die Folge wieder aus dem Schrank gekramt. Was ich damals schon bemerkenswert fand, dass er oft schreibt, man solle „vom Ziel her denken“. Also nicht die Methode diktiert das Spiel, sondern die Musik. Ist das auch dein Credo geworden?

Ja, das würde ich schon sagen. Wobei, seitdem ich mich mit Mentaltraining so viel beschäftige, würde ich noch ergänzen: Das Mindset und der Sound gehen über alles!

Bei mir ist so, dass ich auf der Tuba zuerst schaue, dass ich gut klinge. Denn das ist unser Job. Und dann kommt erst alles andere: der Rhythmus, die Töne, die Technik usw.

Andernfalls interessiert es niemand, wenn ich zum Beispiel wahnsinnig schnell und rhythmisch komplex spiele, aber es schlecht klingt. Daher steht der Sound für mich ganz weit oben.

Aber inzwischen eben auch das Mindset. Weil, was bringt mir der schöne Sound, wenn man beispielsweise keine Liebe oder keine Authentizität in der Musik spürt. Das kommt für mich noch hinzu.

„Meine größte Erkenntnis danach war, dass 99% des Könnens als Bläser*in von der Atmung abhängt. Und, dass für mich Begriffe wie Ansatz oder Ähnliches, fast vernachlässigbar sind, wenn die Atmung gut funktioniert.“

(Peter Laib)

„Das Instrument im Kopf“

Das ist spannend. In dem Arnold Jacobs Buch gibt es am Ende ebenfalls eine Stelle, an der er sagt, dass man im Grunde zwei Instrumente spielt. Das Instrument im Kopf und das, was man in der Hand hält. War Arnold Jacobs dann ein Grund für das Mentalcoaching-Studium?

Nein, das kam woanders her. Allerdings war Arnold Jacobs definitiv die Initialzündung umzudenken. Mehr in Richtung Atmung und weniger „mache ich alles perfekt mit der Muskulatur um den Mund“.

Das mit dem Mentaltraining kam bei einem privaten Spaziergang. Ich spiele leidenschaftlich gerne Alphorn und schreibe auch gelegentlich für Alphorn-Ensemble.

Da, wo ich herkomme, ist ein großer Wald und dieser ist mein Kraft- und Ruheort. Bei einem Spaziergang durch diesen Wald, kam der Gedanke, dass ich gerne irgendwann mal – anstelle des auf die Dauer anstrengenden Tourlebens – etwas machen möchte, wo ich zu Hause wäre und in der Natur bin. Daraufhin entstand die Idee mit ein bis zwei Personen Alphorn-Kurse im Wald zu geben.

Damit dies allerdings nicht rein musikalisch bleibt, wollte ich die Kurse um ein Kommunikationstraining ergänzen. Allerdings hatte ich Bedenken, dass es dann schnell zu esoterisch klingen würde. So kam ich zu dem Entschluss, dass ich noch zusätzlich eine gute und fundierte Ausbildung in der Richtung Mentaltraining brauche.

Meine Idee war es, dass ich ein Team von einer Firma mit in den Wald nehme und dort ein Kommunikationstraining mit Alphörnern anbiete. Das war im Jahr 2017.

Wie lief das damals dann konkret ab, dass du mit einem musikalischen Bachelor den Master of Science in Mentalcoaching an der Universität Salzburg machen konntest?

Das Institut, an dem man studiert, nennt sich „Mental College Bregenz“ und ist eine Mentaltrainier Schule, die mit der Universität Salzburg kooperiert. Dadurch erhält man schlussendlich auch den akademischen Abschluss.

Das Studium ist ein nebenberufliches Studium. Der Master-Zulassung erhält man dann, wenn man ein Bachelor-Studium, oder Diplom Studium, in einem pädagogischen oder psychologischen Fachbereich absolviert hat. Ich hatte mein Studium mit dem Dipl. Musiklehrer abgeschlossen.

Das Besondere an dem Master-Studium ist, dass man sowohl bei Professor*innen als auch Mentaltrainer*innen, die viel Erfahrung unter anderem mit Sportler*innen haben, Unterricht erhält.

Ich musste selbst insgesamt 200 Praxisstunden machen. Das heißt, ich habe mir immer Freunde und Bekannte gesucht und sie nach möglichen Themen gefragt, an denen sie mental arbeiten wollen.

Inzwischen mache ich das auch bereits nebenberuflich und habe ein paar „Mental-Kunden“.

„Seitdem ich mich mit Mentaltraining so viel beschäftige, würde ich noch ergänzen: Das Mindset und der Sound gehen über alles!“

(Peter Laib)

Ich durfte ja Teil deiner Studie sein (ich hoffe, ich darf das an dieser Stelle sagen) – und dein Ziel war es ja mit verschiedenen „Theatern“ (Starttheater, Jetzt-Erst-Recht-Theater) einen besseren Start ins Üben zu finden. Kannst du nach deiner Arbeit nun sagen, dass diese Methode funktioniert?

Die Arbeit besteht auf einer bereits bestehenden mentalen Intervention, die sich Rollenspiel nennt. Leider kann ich aktuell noch keine finalen Ergebnisse sagen, da noch geprüft wird, ob ich mich nicht eventuell verrechnet habe.

Allerdings das Rollenspiel „Starttheater“ sah in der Auswertung so aus, als ob es gewirkt habe. Also eine signifikante Verbesserung.

Bei der Intervention tut man so als ob, körperlich und physisch erlebend, und steigert sich letztlich in eine Rolle hinein. Es scheint so, als ob dann die Chance höher sei wirklich mit dem Üben zu beginnen und es nicht zu verschieben.

Übst du selbst nach diesem Muster?

Auf jeden Fall benutze auch ich diese Methoden.

Ich sehe das so: Ich habe einen Werkzeugkoffer mit ganzen vielen mentalen Interventionen. Da alle Tage sich auch ein wenig voneinander unterscheiden.

Der eine Tage ist mal total schlecht, weil man einen Misserfolg gehabt hat und dann benötigt man eine bestimmte mentale Intervention.

Dann gibt es aber auch tolle Tage, an denen alles wie selbst zu laufen scheint. Natürlich braucht man dann keine Intervention.

So ein Werkzeugkoffer mit mentalen Interventionen ist wie eine Geheimwaffe, die niemand sieht – aber die man trotzdem immer bei sich trägt. Dadurch hat man große Vorteile, weil man flexibel auf bestimmte Ereignisse reagieren kann.

Peter Laib mit Tuba
Peter Laib (Copyright © Felix Steiner)

Mein Werkzeugkoff

Kannst du uns dafür mal ein Beispiel geben?

Da gibt es eine Übung, die ich auch gerade selbst mache. Und zwar geht es darum wie man der generell negativen Stimmung, auch wegen der Pandemie, etwas entgehen kann.

Man schnappt sich einen Song, mit dem man positiv verbunden ist. Bei mir wäre das Stevie Wonder „You are the sunshine of my life“. Ich empfehle einen Song, der nicht länger als drei Minuten geht.

Man zählt während des Liedes auf, entweder laut oder in Gedanken, wofür man gerade dankbar ist. Sowohl im beruflichen, als auch im privaten Kontext.

  • Ich bin happy, dass ich bei den Egerländern spiele.
  • Ich bin unglaublich glücklich, dass ich mit einer Band wie Moop Mama auf so großen Festivals spielen kann.
  • Ich bin dankbar, dass ich Musiker bin.
  • Ich freue mich, dass ich so eine tolle Partnerin habe.

So kann man es schaffen, innerhalb von kurzer Zeit, negative Gedanken auszublenden und eine sogenannte positive Affektlage herzustellen.

Jeder kennt es ja: Wenn du schlecht gelaunt bist, fällt alles viel schwerer. Und seitdem ich diese Übung entdeckt habe, mache ich sie auch selbst bevor ich anfange zu üben.

Man investiert einfach zwei Minuten und schon schafft man es, gute Laune zu haben.

Gerade in unserer Branche ist es brutal mit Existenzängsten und Sinnkrisen. Deshalb finde ich es wichtig, dass man zur Zeit solche kleinen Interventionen macht, um vorzubeugen und sich das Leben etwas leichter zu machen. Weil es geht. Man kann es sich leichter machen, wenn man möchte.

„So ein Werkzeugkoffer mit mentalen Interventionen ist wie eine Geheimwaffe, die niemand sieht – aber die man trotzdem immer bei sich trägt.“

(Peter Laib)

Das ist ein guter Tipp. Vor allem, um dann im Übezimmer auch direkt in den Fokus zu kommen und sich nicht nochmal durch äußere Faktoren (wie Handy oder Ähnliches) ablenken zu lassen.

Ja, absolut. Ich finde solche kleinen Interventionen auch perfekt, um diesen Rollenwechsel zu schaffen. Also der Peter, der gerade in der Rolle des Partners am Frühstückstisch saß, geht jetzt in die Rolle Peter, der Berufsmusiker und beginnt zu üben. Dann spiele ich diese Rolle zwei Stunden und versuche alle anderen Rollen dabei auszublenden.

Das ist natürlich ein wenig vereinfacht gesagt – und vielleicht auch ein bisschen hart – aber für solche Situationen finde ich diese Intervention super, um einen Transfer beim Ankommen zu haben.

Normalerweise mache ich das auch gerne mit Atemübungen. Das kann ja auch eine meditative Geschichte sein.

Aber ich finde es auch zu schön, diese Intervention zu üben. Manche tun sich schwer, einfach mal zwei Minuten nur positive Dinge aufzuzählen. Dagegen zwei Minuten über die Pandemie jammern, ist ganz leicht. Natürlich kann ich das verstehen. Schließlich sind es auch heftige Probleme, die manche haben.

Du hast vorhin die Rollenteilung zwischen Partner und Musiker angesprochen. Ist das auch unter anderem ein Grund für deinen freien Tag in der Woche?

Vor der Pandemie war das definitiv so. Jetzt versuche ich das ebenfalls beizubehalten, auch wenn gerade keine Konzerte stattfinden.

Es sind dann aber eher kleine Dinge, wie das Handy bewusst beim Spazierengehen zu Hause lassen. Um nicht ständig an den Wahnsinn erinnert zu werden.

Wenn ich es dann mal nicht schaffe, kann es dann auch mal passieren, dass mich meine Freundin freundlich daran erinnert.

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst ? (gerne auch nicht musikalsich)

Ich habe mir gerade ein Buch gekauft, in dem es darum geht, alle Akkorde kennenzulernen. Das Buch ist speziell für Musiker*innen, die bereits eine Ausbildung hinter sich haben. Und hier möchte ich mich gerade weiterbilden, vor allem auch als Komponist. Weil ich mir denke, wie soll ich etwas komponieren, wenn mir die Vorstellungskraft für bestimmte Klänge nicht in meinem Kopf habe.

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Ich möchte diese Akkorde vor allem auch auf dem Klavier drücken können. Obwohl ich schon für das Studium Klavier geübt habe, bin ich hier nicht so der „Hero“.

Das Buch ist vor allem deshalb auch gut, weil es wie ein Workbook aufgebaut ist.

Außerdem steht noch die Abschlussprüfung an. Das heißt ich habe auch noch ein Buch, zum Thema Differentielle und Persönlichkeitspsychologie, vor mir liegen.

Was motiviert dich?

Generell erst einmal die Freude an der Sache selbst. Mir macht es jedes Mal großen Spaß Tuba zu spielen.

Dann ist es natürlich eine große Motivation, sobald man wieder auf die Bühne darf, fit zu sein. Wieder Vollgas geben zu können und Leute mit Musik glücklich zu machen. Ich glaube, das ist eigentlich meine größte Motivation.

Und – eine ganz andere Motivation ist, es einfach zu schaffen. Ich will durch die Krise durch als Musiker und danach auch wieder als Musiker weiterarbeiten. Für mich ist es keine Option mein ganzes Leben umzukrempeln.

Obwohl du ja ein „sicheres Backup“ in der Hand hättest. Auf deiner Homepage habe ich gesehen, dass du eine Ausbildung als IT-Systemelektroniker mal gemacht hast.

Ja, richtig. Aber ganz ehrlich – da will ich eigentlich nicht mehr hin. Das war damals (2004/2005) so. Erst einmal, ganz schwäbisch, eine Ausbildung machen Aber ich habe hierzu keinen Bezug mehr.

Ich glaube, ich würde dann heute eher etwas in Richtung Mentaltraining machen. Hier möchte ich auch Gas geben, weil es macht mir mega Spaß mit Leuten zusammen zu arbeiten, deren Probleme herauszufinden, um dann die richtigen Interventionen zu erarbeiten.

Vor allem auch in der Kombination mit anderen Musiker*innen stelle ich mir das sehr gewinnbringend vor?

Absolut. Ich kann es auch nur jedem empfehlen.

Das Mentaltraining, so wie ich es jetzt gelernt habe, kratzt ja nicht nur an der Oberfläche, sondern man schaut schon ein wenig genauer hin. Was sind die eigentlichen Themen und die Ursachen? Meistens haben die gar nichts damit zu tun, warum man auf der Bühne steht und plötzlich nervös ist. Die Ursachen liegen dann manchmal im Privaten, oder anderswo und die Intervention gehen dahin.
Ganz viele melden anschließend zurück „Wow, hätte ich das dann schon vor zehn Jahren gewusst.“

Leider wird dieses Thema in der Musikszene noch viel zu sehr unterschätzt. Die Sportler haben hier bereits ein ganz anderes Verhältnis. Unter Musiker*innen traut man sich das noch gar nicht so recht zu sagen. Aus Angst zugeben zu müssen, das andere denken, man hätte hier vielleicht ein Problem.

Dieses Schubladendenken aufzulockern, das ist meine Mission in den nächsten Jahren.

„Und – eine ganz andere Motivation ist, es einfach zu schaffen. Ich will durch die Krise durch als Musiker und danach auch wieder als Musiker weiterarbeiten. Für mich ist es keine Option mein ganzes Leben umzukrempeln.“

(Peter Laib)

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst?

Halt dir alle Optionen offen und stelle dich auf alles ein. Übe so viel, wie es geht im Studium – danach hat man die Zeit nicht mehr. Wenn man es von Herzen macht, wird es so oder so gut.

Und generell als Tipp: Kümmert Euch ein wenig um das Selbstmanagement – genau das, was man an der Hochschule nicht lernt. Rechnungen schreiben beispielsweise. Das macht am Ende viel aus.

„Dieses Schubladendenken aufzulockern, das ist meine Mission in den nächsten Jahren.“

(Peter Laib)

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10 Tipps zum Üben https://what-is-practice.de/10-tipps-zum-ueben/ https://what-is-practice.de/10-tipps-zum-ueben/#respond Sun, 05 Dec 2021 21:28:47 +0000 http://what-is-practice.de/?p=4033 10 Tipps zum Üben Ein Leitfaden zur bestmöglichen Verbesserung im Übe-Zimmer (für alle Instrumente) Read in English. Ein Gastbeitrag von Alex Knutrud. Seit längerer Zeit bitten mich meine Student*innen, meine Lehrphilosophie in kleine Aufzählungspunkte und individuelle Ideen zu zusammenzufassen, die sie dann direkt mit in den Übungsraum nehmen können. Ich bin mir sehr sicher, dass… Weiterlesen »10 Tipps zum Üben

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10 Tipps zum Üben

Ein Leitfaden zur bestmöglichen Verbesserung im Übe-Zimmer (für alle Instrumente)

Ein Gastbeitrag von Alex Knutrud.

Alex Knutrud (Tromboneguide)

Seit längerer Zeit bitten mich meine Student*innen, meine Lehrphilosophie in kleine Aufzählungspunkte und individuelle Ideen zu zusammenzufassen, die sie dann direkt mit in den Übungsraum nehmen können. Ich bin mir sehr sicher, dass Unterrichtsanweisungen einer Lehrer*in motivierend sein können. Allerdings wenn Schüler*innen diese nicht im eigenen Alltag praktisch anwenden, sind sie nicht besonders wertvoll.

Jeder sagt, man sei sein eigener, bester Lehrer. Auch ich glaube das. Aber als seine eigene Lehrer*in besteht die Aufgabe darin, sich ständig zu hinterfragen und zu analysieren, wie man sich selbst am besten unterrichten könnte.

Das ist das Schöne an diesen 10 Punkten. Sie sind die komprimierte Essenz, die ich versuche, jedem meiner Schüler*innen ständig zu vermitteln.

Nicht jeder Punkt kommt bei jedem gleich gut an. Aber das sind die 10 Punkte, die mir am meisten geholfen haben. Ich habe sie im Laufe der Jahre geändert, aber in der Analyse meiner derzeitigen Praxis war dies das Hilfreichste.

(Photo von Toby Oft)

Tipp #1 – Der Unterschied zwischen Motivation, Inspiration & Disziplin

Motivation ist weniger wichtig, als wir denken. Sie vergeht bei jedem von uns von Zeit zu Zeit. Versuche besser inspiriert (bspw. durch andere, durch Musik o.ä.) zu bleiben und strebe nach Verbesserung. Nutze die Macht (Disziplin) der Gewohnheit als eine ernstzunehmende Energiequelle, während du jeden Tag dir kleine Erfolge erarbeitest.

Tipp #2 – Der Wert einer fixen Planungszeit

Wähle eine bestimmte Uhrzeit während der Woche, die nur deiner Planung dienen soll. Meine ist jeden Sonntag Abend – für etwa dreißig Minuten. Genieße einen heißen Tee, und viel Ruhe, während du deine Woche planst. Schreibe die Dinge nieder und sei dabei genau. Stell dir vor, dies sei eine Mischung aus Tagebuch und Checkliste. Wenn du dies jede Woche tust, wird deine Zeit in der Übe-Kabine fokussierter sein.

Tipp #3 – Die 4er-Regel

Jedes Mal, wenn du etwas übst, und sei es nur eine einzelne Note, spiele sie vier Mal.

Das erste Mal, um zu sehen, wo du stehst. Das zweite Mal um zu experimentieren / Dinge zum besseren zu ändern. Die anderen beide Male um das gerade Erlernte zu verfestigen. Diese Vorgehensweise wird dir helfen dich schnell zu verbessern.

Tipp #4 – Das richtige Werkzeug

Werkzeuge sind wichtig, wenn man sie richtig einsetzt. Ein Hammer nützt wenig, wenn man eine Schraube in der Hand hält. Übertragen auf die Übe-Kabine heißt das:

Ein Metronom oder ein Stimmgerät nützen wenig, solange du sie nicht aktiv zum Üben nutzt. Auch andere Hilfsmittel können von Vorteil sein. Aber auch hier gilt: Nutze sie in Maßen und mit Bedacht.

Tipp #5 – Die 67-Tage-Regel

Man sagt, es brauche 67 Tage um eine neue Gewohnheit zu formen. Davor kämpft dein Körper noch mit der Umstellung.

Egal wie bewusst und gewissenhaft du vorgehst, dein Körper braucht Zeit, um sich an Veränderungen zu gewöhnen. Wissenschaftler gehen von circa 67 Tagen aus.1,2 Sei am Anfang geduldig mit dir selbst und schau mal, welche äußeren Reize (Personen, Dinge etc.) dir bei deiner neuen Gewohnheit helfen können.

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Wie übt eigentlich Steffen Weber? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-steffen-weber/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-steffen-weber/#comments Sat, 10 Jul 2021 13:15:35 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3700 Steffen Weber ist seit Jahren fester Bestandteil der HR-Bigband. Daneben war er lange als Dozent tätig und entwickelte eine eigene Übe-App.

Der Beitrag Wie übt eigentlich Steffen Weber? erschien zuerst auf what is practice.

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Seit inzwischen fast zehn Jahren sitzt Steffen Weber in der Saxophon-Section der HR-Bigband. Davor war er bereits einige Jahre Mitglied der SWR Bigband. Der gebürtige Mosbacher studierte von 1995 bis 1999 Saxophon an der Musikhochschule Mannheim, wo er später auch selbst als Dozent tätig war.

Neben der Bigband spielt Steffen seit seiner Studienzeit in der mehrfach preisgekrönten Band L14, 16 – die Adresse einer Bar in Mannheim, in der die sich die Band gründete.

Neben seiner musikalischen Arbeit lernte Steffen auch noch das Programmieren (siehe Interview) und entwickelte seine eigene Übe-App: iPracticePro. Wie diese genau funktioniert erklärt er im Podcast. Auf Youtube gibt es aber auch ein sehr umfangreiches Promo-Video, welches die App vorstellt.

Steffen Weber spielt Saxofon
Steffen Weber

Mehr Informationen zu Steffen Weber gibt es unter: http://www.steffenlaroseweber.de

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Steffen Weber lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören.

Das Interview

Übersicht

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich…. 

Spaß haben. Und vor allem meinem Ziel ein Stück näher zu kommen. Nämlich das rauszuholen, was rauszuholen möglich ist. Bei mir persönlich natürlich. Und irgendwann zu merken, dass es einen Schritt weiter gegangen ist. Das merkt man ja immer erst eine Weile später.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife ? 

Das ist bei mir ehrlichgesagt gar kein Einzelner, sondern viele verschiedene. Ich höre mir momentan ziemlich viel alte Musik an. Vor allem alten Swing. Lester Young zum Beispiel. Aber auch Ben Webster oder Coleman Hawkins. Im Prinzip oft die Musik, die ich gerade für einen anstehenden Gig benötige. Aber es ist jetzt keine konkrete Platte an sich.

Welche CD hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt ? 

Tatsächlich gab es hier verschiedene Platten mit immer anderen Spielweisen. Ich stand zum Beispiel eine Zeit lang wahnsinnig auf Dexter Gordon. Ich bin ja Saxophonist, deshalb sind Saxophonisten meistens auch meine Favorits gewesen. Eine Zeit lang stand ich so unglaublich auf die CD „Daddy plays the Horn“ von Dexter Gordon. 

Dann gings mit Sonny Rollins und John Coltrane los. Später war dann auch mal eine Platte von Michael Brecker total angesagt bei mir. 

Es gab aber auch mal Leute, die man nicht so gut kennt wie Ralph Moore zum Beispiel (unter anderem mit Ray Brown, Benny Green oder Roy Hargrove gespielt). Ihn kennt man spannenderweise auch aus der Tonight Show mit Jay Lenno – ist aber eigentlich ein völliger Swing-Spieler. Er spielt einfach auf seine eigene Art völlig super, fand ich damals – und finde ich natürlich heute immer noch. 

Es war Mark Turner natürlich, Ben Wendel. Es war immer eine Zeit lang ein bestimmter Mensch gewesen, den ich ausgecheckt hab. Mir gefallen eigentlich ziemlich viele wenn ich ehrlich bin (lacht dabei).

„Dafür habe ich nun viel mehr Erfahrung was ich üben und vor allem wie ich es üben muss. Das ist natürlich auch etwas, das man übt beim Üben.“

(Steffen Weber)

Dein Arbeits-Alltag in der HR-Bigband

Als Saxophonist in der HR-Big Band sind deine Wochen sicher immer sehr gut durchorganisiert. Kannst du uns erzählen, wie dein typischer Arbeitsalltag aussieht und wie du darin dein persönliches Üben versuchst unterbringen? 

Da ich ja in Weinheim wohne und die Band in Frankfurt probt, muss ich dort erst einmal mit dem Zug hin. Dann proben wir in der Regel bis circa 14:30 Uhr bevor es dann wieder zurück nach Hause geht. Dort ist dann zunächst Hausaufgaben machen mit meinen beiden Kindern angesagt. Nach dem Abendessen übe ich dann meistens noch.

Das heißt dann aber auch früh aufstehen und spät ins Bett gehen?

Im Prinzip ja und meistens ende ich dann später noch ein bisschen vor dem Fernseher. Während der Dienstzeit hat man ja schon mehr als vier Stunden gespielt, das heißt nachmittags finden bei uns keine Ansatzübungen mehr statt. Man übt dann Dinge, die einen musikalisch weiter bringen – also improvisatorisch. Für mich heißt das dann, dass ich mich abends nicht mehr in meine Übebox zum Töne-Aushalten hinstelle, sondern Sachen übe, die Spaß machen und weswegen ich eigentlich auch Musik mache. Töne-Aushalten machen Saxophonisten sowieso nicht ganz so viel wie andere Bläser. (lacht)

Was hilft Dir, nach einem anstrengenden Tag, um am Besten auf andere Gedanken zu kommen? 

Damit habe ich eigentlich überhaupt kein Problem. Ich brauche mich in der Regel nicht „runterbringen“. Oder was meinst du genau damit?

Ja, genau. Mir hilft es beispielsweise oft nach einem anstrengenden Probetag noch Sport zu machen.

Das mache ich auch und kommt dann zwischendrin noch dazu – allerdings nicht jeden Tag. Aber Sport machen ist selbstverständlich super. Allerdings ist es nicht etwas, das ich brauche um abschalten zu können. Ich habe nicht das Gefühl, dass hierfür eine andere Tätigkeit brauche – kommt vielleicht noch. (lacht)

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Hast Du einen bewusst gewählten freien Tag in der Woche ? Wie leicht fällt es Dir guten Gewissens diesen Tag auch wirklich frei zu halten ? 

Bewusst gewählt ist er nicht, aber es ergibt sich oft so am Wochenende – da ich ja Familie und zwei Kinder habe. Wenn die dann auch frei haben und es zum Beispiel zu Oma und Opa geht, passiert es schon einmal, dass an diesem Tag ganz frei ist. Oder ich spiele abends noch ein wenig. Allerdings ist es kein bestimmter Tag, sondern es passiert dann einfach. 

Viele kleine Übe-Einheiten oder lieber ein paar längere am Stück ? Und warum ?

Meine Einheiten sind meistens circa 45 Minuten. Allerdings auch nicht mit der Stechuhr. Es passiert auch mal, dass es nur eine halbe Stunde ist oder sogar eine Stunde. Und es ist natürlich nicht so, dass ich die ganze Zeit über voll konzentriert bin. Das geht auch gar nicht. Zwischendrin gibt es dann immer wieder Sachen, die im Autopilot funktionieren.

Es ist ja auch so eine Mär, dass man länger als zehn Minuten wirklich super konzentriert sein kann. Das geht einfach nicht, glaube ich. Da gibt’s immer wieder zwischendrin ein paar kurze Zeitspannen, die mal unkonzentriert sind. So funktioniert wahrscheinlich unser Gehirn, da kenne ich mich nicht aus – aber ich selbst habe es noch nie geschafft, mich länger als zehn Minuten wirklich so super zu konzentrieren. Deswegen ist’s auch gut, dass man in Stücken zwischendurch Pause hat.

Bei mir ist es beim Üben tatsächlich so, dass ich dann Sachen mache, die mein geistiges Dasein fördern und benötigen und die sich mit Übungen abwechseln, die im Autopilot laufen. Insgesamt komme ich meist so auf circa 45 Minuten, mache dann eine kleine Pause und dann das Gleiche nochmal. Oft ist dann der Tag auch schon rum. Mehr als zwei Stunden üben ist bei mir, im Normalfall, nach dem Dienst nicht mehr drin.

Wie hast du es geschafft Dein Üben langfristig zu strukturieren ?

Ich habe das eigentlich immer schon so gehalten, dass ich mir Ziele gesetzt hab. Wenngleich diese zwischendrin auch mal variieren konnten. Ich hatte immer drei Kategorien von Zielen. Das eine waren kurzfristige Ziele, mittelfristige und langfristige Ziele.

Kurzfristige Ziele waren für mich dabei immer Auftritte, die demnächst anstanden. Wenn ich zum Beispiel irgendwo gespielt habe und musste mir dafür Noten anschauen oder Changes, über die ich noch nicht gescheit spielen konnte. Auch Stellen in Nebeninstrumente (Flöte & Klarinette) fallen hier hinein. Weil beim Konzert ist es ja immer so, du hast eine Chance und wenn die Stelle dann nicht geklappt hat, ist die Chance vorbei. Dann gibt’s zwar beim nächsten Konzert wieder eine Chance, aber für dieses Mal war’s dann halt nichts. Das habe ich versucht mit den kurzfristigen Zielen zu verhindern.

Aus den langfristigen Zielen ergeben sich die mittelfristigen Ziele. Die langfristigen Ziele sind für mich Dinge, wo man sagt „in einem halben Jahr, in einem Jahr oder sogar noch länger, werde ich das dann können“. Das wäre zum Beispiel bestimmte Stücke in allen Tonarten beherrschen. Das wäre jetzt nichts, das man in einem Monat wirklich „können kann“, glaube ich. Manche Sachen benötigen einfach etwas mehr Zeit. Wie zum Beispiel auch Intonation. Überhaupt Gehörbildung. Die kann man sich nicht kurzfristig erarbeiten. 

Die mittelfristigen Ziele sind dann die Dinge, die ich mache, um die langfristigen zu erreichen. Gesetzt den Fall ich möchte ein bestimmtes Stück in allen Tonarten üben und ich merke, da ist eine Verbindung drin, die ich nicht in allen Tonarten spielen kann – weil ich sie nicht höre oder nicht verstehe – dann muss ich eventuell erst diese kleine Verbindung in allen Tonarten üben. Das sind dann Übungen, die ich täglich mache – wobei die kurzfristigen Ziele natürlich ein bisschen Vorrang haben – und ich erreiche damit sukzessiv meine Langfristigen.

Der Hauptunterschied zu früher: Sobald man Familie hat, ist es mit dem Üben deutlich anders. Es muss gar nicht zwangsläufig weniger werden, aber es wird von der Strukturierung ganz anders. 

Ich bin früher, während des Studiums in Mannheim, oft auch schon ganz früh zur Hochschule gegangen und war dann dort im Prinzip den ganzen Tag. Natürlich hat man sich dann auch mal mit den Kollegen getroffen und einen Kaffee getrunken, oder etwas zu Mittag gegessen. Aber da man nicht so die Verpflichtungen hatte, bestimmte Dinge zu tun, war man viel freier. Man konnte den ganzen Tag in der Hochschule üben. Und natürlich ist es dann ein ganz anderes Üben, wenn man sagt „jetzt habe ich zwei Stunden Zeit – jetzt muss ich üben“. Wenn man diese Zeit dann vertrödelt, oder selbst nur eine Stunde davon Quatsch macht, bleibt nur noch eine Stunde übrig.

Bei mir war das während des Studiums eher ein „in den Tag hinein leben“ – das typische Studentenleben. Das hat natürlich etwas, wobei man unglaublich viel Zeit davon am Ende doch nicht geübt hat. Letztlich ist es aber, finde ich, auch wichtig, dass man das mal so gemacht hat. Das geht nun aber nicht mehr. 

Dafür habe ich nun viel mehr Erfahrung was ich üben und vor allem wie ich es üben muss. Das ist natürlich auch etwas, das man übt beim Üben. 

Man könnte dich also durchaus als jemanden bezeichnen, der immer schon recht strukturiert war und der im Laufe der Zeit– dann durch äußere Umstände wie Familie etc – sich nochmals mehr Gedanken über wie teile ich mein Üben ein, was übe ich und wenn ich Zeit habe wie übe ich gemacht hat ?

Ja, strukturiert war ich tatsächlich schon immer. Das was und wie man etwas übt war schon zu meiner Studienzeit total das Thema für mich. Viele Sachen beim Üben sind ja aus dem Trial-and-Error Prinzip entnommen. Man probiert etwas und merkt den Effekt erst viel später, bei der Improvisation beispielsweise. Ich weiß jetzt besser bei mir – ich sag immer bei mir dazu, weil jeder da auch anders ist – dass ich bestimmte Sachen machen muss, um etwas zu erreichen. Das wusste ich damals noch nicht so. Aber ich wusste, dass es bestimmte Übungen gibt, die einfach besser sind und die jetzt bei anderen nicht funktionieren. 

Das heißt: wenn ich zu einem Kollegen gehe und frage „Wie übst du das?“ ist das immer nur ein Tipp, wie man es machen kann. Aber das heißt nicht, dass das die Übung ist, die auch für mich gut funktioniert. Das ist das, was mich damals schon am meisten interessiert hat beim Üben: wie schaffe ich es, mich innerhalb von kurzer Zeit – ohne Abkürzungen zu nehmen – zu verbessern. Das weiß ich inzwischen besser als früher – das ist eigentlich der einzige Unterschied. Das und, dass ich weniger Zeit habe. 

„Was ich dabei herausgefunden habe ist, dass es letzten Endes sowieso kein Universalrezept gibt. Ich glaube der beste Lehrer ist man immer selbst.“

(Steffen Weber)

Eine Lektion in Durchhalte-Vermögen?

Du warst ja auch eine ganze Zeit lang Dozent in Mannheim und in Mainz. Würdest du sagen, dass sich durch die Arbeit mit den Studierenden und das Verbalisieren bestimmter Probleme dein Üben ebenfalls nochmals verändert hat?

Ja, mit Sicherheit. Ich finde immer, wenn man jemanden hört – egal ob auf CD oder live  und auch beim Unterrichten – dann lernt man daraus. Auch als Lehrer logischerweise. Es gibt dann immer Momente, in denen man gedacht hat „Diese Person spielt auf eine bestimmte Art und Weise und was sage ich ihr jetzt, damit sie besser wird?“. Was ich dabei herausgefunden habe ist, dass es letzten Endes sowieso kein Universalrezept gibt. Das ist immer der falsche Ansatz. Man sollte immer individuell auf die Leute eingehen und das ist auch die eigentlich große Herausforderung beim Unterrichten. Selbst der beste Lehrer kann einem jedoch nicht die besten Tipps geben. Ich glaube der beste Lehrer ist man immer selbst. 

Aber ich für mich konnte beim Unterrichten schon bereits einiges herausziehen. Jeder Schüler hat mir andere Perspektiven aufgezeigt: alle haben verschieden gespielt, unterschiedlich geübt und sich andere Gedanken gemacht. Selbst wenn es manchmal nur Kleinigkeiten waren, die mich selbst auf andere Ideen gebracht haben. Dadurch habe ich dann angefangen Dinge , die ich selbst gemacht habe, wieder zu hinterfragen. 

Ich weiß nicht, ob es Schüler gibt (im Jazz), die die Tipps ihrer Lehrer wirklich genauso 1:1 übernehmen. Das glaube ich nicht. Ich denke für die meisten sind die Tipps eben Tipps. Man nimmt das wahr, was der Lehrer sagt und adaptiert es für sich. Und das ist, denke ich, auch der richtige Weg. 

War das Unterrichten unter anderem auch ausschlaggebend für deine App gewesen?

Naja, irgendwie natürlich schon. Der Hauptgrund hingegen war jedoch ganz unmusikalisch. Mein großer Sohn hatte mir angefangen YouTube-Videos zu zeigen, in denen ein Programmierer zeigt, wie man den Apple-Taschenrechner programmiert. Ich hatte mich dann wahnsinnig gefreut, dass sich mein Sohn fürs Programmieren interessiert und wollte das unterstützen und habe mir ein Buch gekauft. Mit dem habe ich dann selbst sofort angefangen zu lernen, damit ich ihm helfen kann. Nach zwei Wochen ließ sein Interesse jedoch wieder nach. Ich wollte ihm aber dann zumindest zeigen, dass wenn man etwas beginnt man es auch zu Ende machen sollte. Daraufhin begann ich zu überlegen, was ich machen könnte – nur das Buch zu lesen machte auch keinen Sinn. 

Ich hatte überall Zettel mit Notizen zum Üben verteilt und wollte diese gebündelt in eine App packen. Angefangen bei Fingersätzen bis zu Übungen für Vierteltöne und False Fingering versuchte ich daraufhin ein Konzept zu entwickeln, wie ich diese Dinge in einer App unterbringen könnte. Die Liste wurde dann immer länger und es gab immer mehr Ideen, bis letztlich die App im Appstore war – das war jedoch nicht geplant. (lacht)

Übst Du Gehörbildung, Harmonielehre oder Rhythmik noch gesondert in Deiner Überoutine ? Oder falls nicht, wie schaffst Du es, bewusst diese Bereiche in Dein Üben einzubauen ?

Ich übe alle von diesen Sachen, die du gerade genannt hast immer noch. Ich glaube die übt man sein ganzes Leben. In der App gibt es dazu verschiedene Sektionen. Eine davon nennt sich Drones, in der es vor allem um Intonation geht. Hier kann man zu verschiedenen Sounds tunen. Das ist tatsächlich auch etwas, dass ich relativ viel gemacht habe: Intervalle hören und diese dann in Relation zu anderen setzen.

iPracticePro-App Screenshot
iPracticePro-App (Screenshot)

Das Saxophon ist ja ein Instrument, welches standardmäßig nur einen Ton gleichzeitig spielen kann und da ist es besonders wichtig zu wissen, welchen Ton man in Relation zum Akkord spielt, um gut zu stimmen. Auch zu Sounds, zu denen man im Jazz nicht so häufig spielt – wie ein Fagott zum Beispiel. 

Was ich früher ebenfalls viel gemacht habe ist zu Zwölftonreihen zu üben. Damals gab es logischerweise noch keine iPhones und auch noch nicht die App, also habe ich mir die zwölf Töne auf ein Blatt Papier aufgeschrieben. 

Dann habe ich mir dazu Übungen ausgedacht, wie z.B. Dur-Dreiklänge üben. Das wird sehr wahrscheinlich jeder, der das hier liest, können. Man kann die Übung jedoch so schwer machen, wie man möchte. 

Ich habe mir dann immer eine Übung ausgedacht, die ich gerade so konnte – sprich: ich habe immer noch Fehler gemacht. Wichtig ist, dass die Übung weder zu schwer noch zu leicht ist. Die Reihe habe ich dann jeden Tag gewechselt und immer eine andere Übung dazu genommen. Das habe ich im Prinzip ab circa dem dritten Jahr immer gemacht. Und das macht die App ebenfalls.

Wie gehst du mit Fehlern um?

Fehler sind ja dafür da, dass man sie macht, um sie dann früher oder später korrigieren zu können. Und daraus zu lernen. 

Das bedeutet: Wenn ich einen Fehler mache, ist mir das erstmal egal. Ich weiß natürlich wo etwas falsch gewesen ist und dann übe ich diese Sachen nochmal getrennt.

„Je höher man läuft, desto höher wird auch der Berg, weil man am Anfang ja gar nicht weiß, was man nicht kann.“

(Steffen Weber)

Was lernst (übst) Du gerade, was Du noch nicht kannst ? 

Ich lerne ehrlich gesagt gerade relativ viel: Ich lerne Programmieren. Das hat auch unglaublich viel mit Improvisieren zu tun, obwohl es auf den ersten Blick nicht so scheint. Ganz einfach aus dem Grund, weil man alles mit ganz verschiedenen Lösungswegen erreichen kann. Jedoch sind nicht alle gut. Wie beim Improvisieren gibt es dann eine gute Programmierung und eine nicht so gute.

Was ich nach wie vor übe ist einfach Saxophon-Spielen. Beispielsweise Sachen, die ich immer schon gemacht habe, auf neue Arten üben.

Welchen Tipp würdest Du Deinem jüngerem, Erstsemester-Musikstudenten-Ich gerne mitgeben, um den Du damals froh gewesen wärst ? 

Es gibt ein Sprichwort, das heißt: „Steter Tropfen höhlt den Stein.“ Es gibt viele Lehrer und man hat viele Musiker, wie die „Weltmeister“ Coltrane, Brecker oder auch von anderen Instrumenten wie beispielsweise Clifford Brown. Wenn ein Saxophonist jemand wie ihn hört, denkt er sich „Boah, das schaffe ich doch nie“. Aber er hat’s ja auch geschafft – also man kann es ja schaffen. 

Man sieht den Mount Everest vor sich, der immer höher wird und niemals tiefer. Der Punkt ist jedoch einfach loszulaufen, weil man merkt, dass man sowieso niemals oben ankommt. Je höher man läuft, desto höher wird auch der Berg, weil man am Anfang ja gar nicht weiß, was man nicht kann. Das wusste Coltrane allerdings auch. Das wussten alle großen Musiker. Das ist jedoch gar nicht schlimm. Die Hauptaussage ist: Mach’s einfach! Geh einfach immer weiter und üb einfach immer weiter und erfreu dich daran, dass du immer besser wirst. 

Meine Erfahrung ist, gerade auch bei vielen Studenten, dass man wahnsinnigen Respekt vor dem Berg hat und er gleich von Beginn an so hoch zu sein scheint, dass viele erst gar nicht loslaufen. Sie trippeln nur, aber sie laufen nicht. Das ist dann manchmal so schade, weil die Angst so groß ist, dass man gar nicht erst richtig losgeht. 

Ich glaube diejenigen, die immer weiter gehen – vor allem über Jahre und Jahrzehnte, die haben am Ende auch Erfolg.

„Meine Erfahrung ist, gerade auch bei vielen Studenten, dass man wahnsinnigen Respekt vor dem Berg hat und er gleich von Beginn an so hoch zu sein scheint, dass viele erst gar nicht loslaufen. Sie trippeln nur, aber sie laufen nicht. Das ist dann manchmal so schade, weil die Angst so groß ist, dass man gar nicht erst richtig losgeht. „

(Steffen Weber)

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Wie übt eigentlich Max Frankl? https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-max-frankl/ https://what-is-practice.de/wie-uebt-eigentlich-max-frankl/#respond Tue, 16 Mar 2021 08:19:45 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3392 Echo-Gewinner Max Frankl ist nicht nur ein hervorragender Gitarrist. Er ist auch ausgewiesener Experte, wenn es um das Üben im Flow geht.

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Meine erste (wenn auch unpersönliche) Begegnung mit Max, war im Rahmen meiner Bachelor-Arbeit. Zum ersten Mal hatte ich etwas von der Technik „Üben im Flow“ gehört – und der Begründer dieser speziellen musikalischen Technik, Andreas Burzik, empfahl mir den in Zürich lebenden Jazz-Gitarristen.

Nach wenigen Klicks landete ich auf seiner Max Frankl Academy, in der er eine eigene Lern-Community für Gitarristen aufgebaut hat. Beginnend bei Harmonielehre bis hin zum perfekten Solo-Aufbau kann man hier alles von ihm erfahren.

Eine absolute Empfehlung an dieser Stelle ist sein E-BOOK „Üben im Flow“, welches ich mir damals auch gekauft habe. Darin beschreibt er die konkrete Anwendung der Flow-Technik im musikalsichen Alltag. Super hilfreich ist auch der passende Audio-Guide dazu.

Max Frankl mit Gitarre

Zu Max‘ musikalischen Stationen zählen unter anderem das Bundesjazz-Orchester (BuJazzO), ein Studium am Conservatorium von Amsterdam, parallel dazu Unterricht bei Wolfgang Muthspiel, Aufnahme ins European Jazz Orchester (als erster deutscher Gitarrist) und ein ECHO-Preis für den besten Gitarristen national.

Wer mehr über Max Frankl erfahren möchte, dem sei an dieser Stelle sein Podcast und seine Webseite sehr empfohlen.

Zum Podcast Guitar Hang-Out

Lieber hören statt lesen?

Die Folge mit Max Frankl lässt sich auf allen bekannten Streaming Plattformen kostenlos anhören:

Das Interview

Vervollständige folgenden Satz: Üben heißt für Dich….

In der Situation, der Musik auf den Grund gehen, die ich wahnsinnig gerne mag und die ich seit mehr als 20 Jahren lieb gewonnen habe.

Eine Situation, die mir Freude macht, aber in die ich auch hineinwachsen musste. Das Spielen von Musik war für mich immer schon eine große Freude – aber das Üben musste ich mir erarbeiten.
Jetzt inzwischen ist es so, dass ich auch so viele andere Sachen mache, dass wenn ich dann üben kann, dann ist das für mich das Highlight des Tages.

Welche Musik (Album / Künstler) läuft bei dir gerade in Dauerschleife ?

Ich höre mir gerade das neue Album von Pat Metheny „From this Place“ an. Das gefällt mir wahnsinnig gut und ist so ein Album, welches bei mir gerade dauernd läuft.

Welche CD hat Dich musikalisch (auf Dein Spiel bezogen) am meisten geprägt ?

Das kann ich so gar nicht sagen. Ich erinnere mich daran, dass ich viele Alben von John Scofield hatte. Zum Beispiel das „Blue Matter“ Album ganz früh. Das hatte ich so circa mit 15 Jahren. Ich hatte einiges von Wolfgang Muthspiel, viel von Pat Metheny und Bill Frisel – das würde ich sagen sind die wichtigsten Einflüsse. Mit Sicherheit auch Kurt Rosenwinkel, der dann ein bisschen später dazukam.

Wie sieht Dein typischer Übe-Alltag aus ?

Mein typischer Übe-Alltag sieht so aus, dass wenn ich mich auf Studio-Aufnahmen oder Gigs vorbereite, ich sehr sehr fokussiert bin. Das heißt, das Üben ist dann die erste und wichtigste Sache am Tag. Davor gibt es gar nichts – da wird kein Handy angeschaltet, da kann mich niemand erreichen, keine Mails und keine Anrufe. Ich bin dann vollkommen fokussiert und arbeite immer 1,5h Stunden. Anschließend mache ich dann eine halbe Stunde Pause, das heißt ich gehe mal kurz raus oder hole mir einen Kaffee.

Die 1,5 Stunden sind sehr intensiv. Hier mache ich immer eine Art „Sprint“. Nach 20 Minuten gibt’s immer mal wieder kleine Pausen, in denen ich kurz aufstehe und mich kurz „schüttle“. Die Gitarre ist auch ein physisch anstrengendes Instrument und da muss man einfach schauen, dass man nicht in eine komische Übehaltung kommt und einem der Rücken wehtut.

Ein sehr typischer Übe-Alltag geht dann von morgens bis mittags, dann gibt es Mittagessen und anschließend mache ich andere Sachen.

Wie gehst du mit Fehlern um?

Für mich ist Fehler gar kein Begriff, den ich richtig fassen kann. Am ehesten ist ein Fehler für mich, dass ich bei einer Aufnahme im Tonstudio einen Ton nicht erwischt habe und es dieses typische „Plop-Geräusch“ macht, welches entsteht, wenn man einen Ton zwar anschlägt, aber nicht richtig gegriffen hat. Auf Studio-Aufnahmen höre ich mir an wie es klingt. Wenn es mich stört, schneide ich es raus, wenn nicht lasse ich es drin. Ansonsten ist es für mich beim Üben so, dass es in dem Sinne eigentlich keine Fehler gibt, sondern es sind einfach Erfahrungen, die ich mache und die ich beobachte.

Ich versuche beim Üben sowieso nie zu werten. Deswegen betrachte ich das auch nicht als Fehler, sondern Sachen, wo ich gesagt bekomme: „Da musst du noch mal ran. Hier muss ich nochmal üben.“

Viele kleine Übe-Einheiten oder lieber ein paar längere am Stück? Und warum?

Wie vorhin schon gesagt, übe ich in 1,5 Stunden Blöcken mit voller Konzentration und dann eine halbe Stunde Pause. Das kann ich zweimal am Tag machen und dann bin ich komplett fit auf dem Instrument und bin auch irgendwie glücklich nach dieser Zeit.

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Was hilft Dir, nach einem anstrengenden Tag, um am Besten auf andere Gedanken zu kommen?

Auf jeden Fall hilft mir Sport. Auch in die Natur zu gehen. Hier in Zürich gibt es einen wunderschönen See, an den man sich setzen kann. Kurzum: Bewegung, frische Luft und Espresso trinken (oder Grünen Tee, geht beides).

Wie schaffst du es / Wie hast du es geschafft Dein Üben langfristig zu strukturieren ?

Grundsätzlich ist es so, dass ich immer sehr klar weiß, warum ich übe. Sprich, es ist nicht so, dass ich mich hinsetzte und denke „jetzt müsste ich mal wieder üben“ und dann übe ich fünf Stunden, um die Gitarre dann wieder wegzulegen.

Wenn ich übe, habe ich immer also ein konkretes Ziel vor Augen. Zum Beispiel fit zu werden für eine Studio-Aufnahme. Dieses Ziel ist dann das wichtigste Ziel und gilt für circa zwei bis vier Wochen. Hieran orientiere ich mich dann – wie bei einem Stern am Himmel.
Das große Ziele unterteile ich dann in viele kleinere. Das kann dann zum Beispiel in der ersten Woche sein, den Notentext gut kennenzulernen, in der zweiten Woche bei den Soli sicherer zu werden und dann in der dritten Woche das Gesamte mal anzuschauen.
Die vierte Woche ist dann dafür da, um an den Punkt zu kommen, dass ich das Gefühl hab, am Tag der Studio-Aufnahme bin ich auf meinem Höhepunkt.

Und dafür braucht es übrigens auch Pausen – diese sind sehr wichtig. Sprich, wenn ich von Montag bis Freitag übe und ich weiß, ich hab am Sonntag eine Probe, in der wir das Programm spielen, übe ich am Samstag und Sonntag (bis auf ein kleines Warm-Up) nicht.

Wie hat sich das Üben im Laufe Deiner Musiker-Karriere verändert (vor allem durch die Anwendung der „Üben im Flow“-Technik?

Ich hab die Technik „Üben im Flow“ von Andreas Burzik auf einem Seminar kurz vor dem Abschluss meines Studiums kennengelernt. Mir war schon direkt nach dem ersten Tag bewusst, dass dies bei mir sehr viel verändern wird.

Ich war zu diesem Zeitpunkt bereits verschiedenen Techniken sehr aufgeschlossen gegenüber und hatte das Buch „Effortless Mastery“ von Kenny Werner und „Der Mozart in uns“ („The Inner Game of Music“) gelesen. Diese „Üben im Flow“ Technik, die Andreas uns damals gezeigt hat, war für mich intuitiv richtig. In dieser Phase habe ich mich angefangen richtig auf so Projekte vorzubereiten. Damals waren wir gerade mit den European Jazz Orchestra auf Tour – hierauf habe ich mich dann im Flow vorbereitet.

Ich muss einfach sagen, dass ich immer noch auf diese Technik zurückgreife, wenn ich etwas üben will, weil ich weiß, dass es dafür sorgt, dass ich es gut kann, dass ich glücklich bin beim Üben und, dass ich vorankomme so schnell es geht. Wobei das Tempo von diesen drei Dingen noch das Unwichtigste ist. „Üben im Flow“ hat mir die Möglichkeit gegeben Ziele zu erreichen auf dem Instrument und den Weg dahin zu genießen. Ich habe irgendwann dann ja auch selbst ein Buch geschrieben („Üben und Spielen im Flow“), welches es in meiner Academy gibt. Hier hab ich versucht meine Tricks zu verraten und passend dazu auch einen Audio-Guide, also ein Hörbuch gemacht, wo ich erzähle, was ich dort mache.

„Ich muss einfach sagen, dass ich immer noch auf diese Technik zurückgreife, wenn ich etwas üben will, weil ich weiß, dass es dafür sorgt, dass ich es gut kann, dass ich glücklich bin beim Üben und, dass ich vorankomme so schnell es geht.“

(Max Frankl)

Hast Du eine bestimmte Routine, mit der Du an ein neues Stück herangehst ?

Nein, eigentlich nicht. Die Routine könnte im ersten Schritt sein, dass ich versuche möglichst tief in die Musik einzutauchen. Dass ich als zweites versuche den Notentext möglichst gut zu lernen, also alle Artikulationen erstmal wegzulassen und nur mal „durch die Töne“ zu gehen. Das ist eigentlich schon eine sehr „Flow-gelernte“ Herangehensweise, wo ich mich noch sehr gut erinnern kann, wie Andreas Burzik das damals im Workshop vorgemacht hat. Ich würde also sagen, meine Routine ist im Flow die Sachen zu üben.

Üben sollte ja nicht nur monotones Wiederholen, sondern im besten Fall auch Abwechslung und Kreativität sein. Was war die letzte (neueste) Idee, die Du bei deinem eigenen Üben in letzter Zeit ausprobiert hast ?

Die Sache, die ich in letzter Zeit ausprobiert habe, war wie viel Aufwärmprogramm ich brauche, um über einen gewissen Zeitraum fit zu werden auf dem Instrument. Ich erkläre das mal etwas besser:

Ich finde, dass wir übers Spielen sehr viel wissen – also sehr viel Theorie, Harmonielehre, Substitutionen, Akkorde und so weiter. Aber für mich ist das entscheidende Kriterium, kann ich das was ich im Kopf höre auch wirklich auf dem Instrument umsetzen. Und wenn ich übe, dann ist das eigentlich mein Ziel. Ich möchte so fit sein wie möglich, um das, was ich da höre, umsetzen zu können. Dafür, habe ich nun für mich definiert, reichen eigentlich 20 Minuten pro Tag.

Zwanzig bis dreißig Minuten mit den richtigen Übungen machen mich, wenn ich 10 bis 14 Tage übe, total fit auf meinem Instrument. Das ist eine Sache, die sehr spannend ist. Ich übe dann zwanzig Minuten dieses Programm und den Rest von der Zeit übe ich Stücke, lese (die Stücke) und improvisiere usw.

Das ist für mich eine gute Erkenntnis gewesen: herauszufinden wie viel es für mich braucht (von diesem strukturierten Übeprogramm), damit ich mich fit fühle für die Musik und wie lange es dann dauert, bis ich andere Sachen machen kann.

„Und wenn ich übe, dann ist das eigentlich mein Ziel. Ich möchte so fit sein wie möglich, um das, was ich da höre, umsetzen zu können.“

(Max Frankl)

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