Aus der Wissenschaft | https://what-is-practice.de/tag/aus-der-wissenschaft/ BLOG Fri, 18 Oct 2024 13:33:44 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.6.2 https://what-is-practice.de/wp-content/uploads/2020/06/cropped-logo-wip-bunt-32x32.png Aus der Wissenschaft | https://what-is-practice.de/tag/aus-der-wissenschaft/ 32 32 Audiation: Wie hängen Musik- und Sprachlernen zusammen? https://what-is-practice.de/audiation-wie-haengen-musik-und-sprachlernen-zusammen/ https://what-is-practice.de/audiation-wie-haengen-musik-und-sprachlernen-zusammen/#comments Thu, 17 Jun 2021 07:05:29 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3667 Inhalt. Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meiner Bachelor-Arbeit zum Thema Üben & Jazz. Kannst Du Dich noch daran erinnern, wie Du Deine Muttersprache gelernt hast? Wahrscheinlich eher nicht. Das Erlernen unserer Muttersprache erfolgt im Kindesalter auf informelle und unstrukturierte Art und Weise. In der alltäglichen Kommunikation mit unseren Eltern und der Umwelt eignen wir… Weiterlesen »Audiation: Wie hängen Musik- und Sprachlernen zusammen?

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Inhalt.

Dieser Beitrag ist ein Auszug aus meiner Bachelor-Arbeit zum Thema Üben & Jazz.

  1. Ein Musikinstrument wie eine Sprache lernen
  2. Die Theorie der Audiation – „Vorhören“
  3. Audiation und Jazz
  4. Zwei Arten des Lernens
  5. Die Idee der Audiation und andere Methoden

Kannst Du Dich noch daran erinnern, wie Du Deine Muttersprache gelernt hast?

Wahrscheinlich eher nicht. Das Erlernen unserer Muttersprache erfolgt im Kindesalter auf informelle und unstrukturierte Art und Weise. In der alltäglichen Kommunikation mit unseren Eltern und der Umwelt eignen wir uns zunächst das Zuhören und das Sprechen an. Erst später widmen wir uns dem Lesen und Schreiben. Niemand würde ernsthaft diese Reihenfolge ändern wollen und seinem Kind schon das Lesen beibringen, bevor es nicht gelernt hat zuzuhören.

Tatsächlich dreht der instrumentale Musikunterricht diese Reihenfolge jedoch in den allermeisten Fällen um. Wir lernen in den ersten Stunden Notensystem und Notenwerte kennen und spielen erste Übungen aus dem eigens für den Unterricht angeschafften Lehrbuch nach. Das stellt sich logischerweise die Frage: Ließe sich ein Instrument wie eine Sprache erlernen?

Ein Musikinstrument wie eine Sprache lernen

Wie übe ich Audiation?

„Audiation is to music, what thought is to speech.”[1]

Edwin Gordon

Edwin Gordons Music Learning Theory (MLT) ist der Versuch einer Modellentwicklung zur Frage „Wie erlernen Individuen Musik?“. Sie ist Teil des von ihm geprägten Begriffs der Audiation. Der ausgebildete klassische Kontrabassist und Musikpädagoge definiert in diesem Terminus das „Hören und Verstehen von Musik, die nicht oder möglicherweise nicht physikalisch erklingt“[2]. Der Schwerpunkt der Definition liegt dabei vor allem in der Fähigkeit Musik zu verstehen – also das Gehörte in einen größeren, musikalischen Gesamtzusammenhang einzuordnen.

Gordon geht, wie das Eingangszitat bereits andeutet, davon aus, dass ein Musikinstrument lediglich eine Erweiterung der Gedanken und des menschlichen Körpers ist („(…)an extension of the human mind and body.“[3]). Die Frage wäre also: Sollte es möglich sein, ein Instrument ebenso wie unsere Muttersprache zu erlernen?

Die Theorie der Audiation – „Vorhören“

Die Theorie der Audiation richtet ihr Konzept wieder mehr nach der ursprünglichen Art des Spracherwerbs aus. Zunächst hören die Lerner*innen bekannte Melodien und Volkslieder bevor sie, je nach Alter, aufgefordert werden diese nachzusingen, sich rhythmisch zu ihnen zu bewegen oder sie gar auf dem Instrument nachspielen sollen. Das Augenmerk liegt in dieser Phase mehr auf dem musikalischen Kontext (Tonalität und Metrum) denn dem musikalischen Inhalt (der Name der einzelnen Note, die dazugehörige Skala etc.). [4]

Erst im darauffolgenden Schritt werden die Noten herangezogen und nachgespielt. Allerdings mit dem Hauptfokus auf dem „Vorhören“ – also dem Hören der Melodie im Kopf, bevor sie tatsächlich erklingt. Gordon lehnt sich hier an das Dogma von Lowell Manson „sound before sign“[5] an. Oder um mit den Worten von Miles Davis zu sprechen: „I’ll play it first and tell you what it is later.“[6]


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Audiation und Jazz

Erst mit den Arbeiten des Musikers und Wissenschaftlers Christoph Azzara wird die Music Learning Theory um konkrete Handlungsanweisungen für den Jazz ergänzt.

Im Wesentlichen verfolgt Azzaras Ansatz drei Schritte:

  • Melodie nach Gehör lernen
  • Bass-Linie und Harmonie-Folge nach Gehör lernen
  • das Stück in anderen Tonarten und Metren üben.

Ziel ist es, sich das Material im wahrsten Sinne des Wortes zu eigen zu machen, um anschließend damit frei umzugehen (zu improvisieren). Ganz so wie wir es tagtäglich in der Kommunikation mit anderen Menschen tun.[7]

Zwei Arten des Lernens

Audiation differenziert dabei zwischen zwei Arten des Lernens: unterscheidendes Lernen („discrimination learning“) und schlussfolgerndes Lernen („inference learning“). Ersteres zielt dabei vor allen Dingen auf das Lernen durch Beobachten, besonders durch Imitation ab. Der Lerner*in soll hier ein Vokabular von Patterns und Rhythmen entwickeln.[8] Entscheidend für die Qualität der Beispiele ist es, dass sie dem Lerner*in bekannt sein müssen. Es eignen sich daher besonders einfache Melodien und Patterns, die dann in andere Metren und Tonalitäten audiiert[9] werden.

Diese erste Stufe des Lernens dient der MLT als Grundstein für das schlussfolgernde Lernen. Der stufenweise Aufbau ist sehr charakteristisch für Gordons Konzept. Während im unterscheidenden Lernen sowohl Weg als auch Inhalte des Lernens vermittelt werden, wird in der zweiten Stufe lediglich noch der Weg vermittelt. Der Lerner*in soll nun selbst die Inhalte aus den zuvor gewonnenen Erkenntnissen bilden. Ziel soll es sein, ihn zu „eigenständigen Denk- und Entscheidungsprozessen“[10] zu führen.[11]

Es wird deutlich, dass Gordon sich der lernpsychologischen Definition des Beobachtungslernen bewusst gewesen sein muss. Sein Konzept des Nachahmens zielt dabei explizit auf „echte“ Imitation ab. Er geht sogar noch einen Schritt weiter und schließt unbedingt auch das Verstehen ein. Christoph Azzara folgert gar hieraus:

„It is important to distinguish between audiation and imitation. To audiate is to think for oneself; imitation is quickly forgotten. […] To audiate is to understand, and the greater one’s understanding, the greater is the potential to appreciate music. We learn to audiate so that we can audiate to learn.”[12]

Die Idee der Audiation & anderen Methoden

Audiation ist eben nicht nur das bloße Nachspielen von Licks und Transkriptionen. Es ist der bewusste Vorgang des Verstehens dessen, was man gerade spielt. Wenn man so möchte ein aktives Mitverfolgen und Reflektieren während des Spielens. Ähnlich wie wir früher aus unseren ersten Wörtern erste Sätze gebildet haben, folgen aus den einzelnen Patterns der Music Learning Theory irgendwann ganze Soli.

Der starke Fokus auf Gehörbildung ist sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal der Audiation. Aber besonders im Bereich der Jazz-Improvisation scheint sie jedoch äußerst sinnvoll zu sein. Nicht nur namhafte Musiker wie der Trompeter Dave Douglas betonen ihre Wichtigkeit.[13]

Auch die Harmonielehre von Frank Sikora widmet dem Thema über einhundert Seiten – immerhin knapp ein Fünftel des gesamten Buchinhaltes. Was bei Sikora als Jazz-typischer Common Sense tradiert wird, versucht die Audiation durch wissenschaftliche Forschung zu bestätigen. Wenngleich also die MLT sich nicht originär an Jazz-Studenten richtet, so decken sich ihre Techniken doch erstaunlich genau mit den Konzepten der Hochschule. Die Übereinstimmung des folgenden Zitats aus Sikoras Harmonielehre über eine fast gehörlose Perkussionistin, mit der Idee der Audiation verblüfft daher wenig: „Als Musikerin kann ich den Ton, den ich kreiere, wirklich hören, weil ich ihn zuerst imaginiere.“[14]


[1] Gordon, Edwin (u.a.): Jump right in – the instrumental series. Teacher’s Guide Revised strings book 1 and 2, Chicago, o.J.,S. 12.

[2] Süberkrüb, Almuth: „Üben“ in der musikalischen Lerntheorie von Edwin E. Gordon, in: Mahlert, Handbuch Üben, S. 242 – 264, hier: S. 242.

[3] Gordon, Jump right in, S. 12.

[4] vgl.: Gordon, Jump right in, S.12f..

[5] vgl.: Süberkrüb, Almuth: Denken in Musik. Audiation – Edwin E. Gordons Music Learning Theory, in: MIP Journal 8 (2003), S. 6-13, hier: S. S. 7.

[6] LaMotte, Sandee: Jazz Improv and your Brain. The Key to Creativity <https://edition.cnn.com/2018/04/29/health/brain-on-jazz-improvisation-improv/index.html> (25.04.2020).

[7] vgl.: Azzara, Christoph: An aural Approach to Improvisation, in: Music Educators Journal 86 (1999), S. 21-25, hier: S. 22.

[8] vgl.: Azzara, Christoph: Audiation, Improvisation, and Music Learning Theory, in: The Quarterly 2 (1991), S. 106-109, hier: S. 107.

[9] Das Verb „audiieren“ wurde nach Rücksprache mit der Duden-Redaktion eingeführt um den Vorgang der Audiation zu beschreiben. In früheren wurde „to audiate“ oftmals mit „auditieren“ übersetzt, welches oftmals mit Scientology („Auditing“) assoziiert wird. (vgl.: Süberkrüb, Üben, S. 243.)

[10] Süberkrüb, Üben, S. 246.

[11] vgl.: Ebd., S. 245f..

[12] Azzara, Audiation, S. 106.

[13] vgl.: Schroeder, David: Four Approaches to Jazz Improvisation Instruction, in: Philosophy of Music Education Review 10 (2002), S. 36-40, hier: S. 38.

[14] vgl.: Sikora, Frank: Neue Jazz-Harmonielehre, 6. Auflage, Mainz 2003, S. 379.

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Motivation: „Fähig ist, wer viel dazulernt“ https://what-is-practice.de/faehig-ist-wer-viel-dazulernt/ https://what-is-practice.de/faehig-ist-wer-viel-dazulernt/#respond Tue, 09 Mar 2021 20:46:00 +0000 http://what-is-practice.de/?p=3297 Wie schaffen wir es langfristig motiviert zu bleiben? Worin unterscheiden sich Erfolgsmotivierte von Misserfolgsmotivierten Menschen?

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Wie wir langfristig motivierter werden

Inhalt.

  1. Das Motivationsdilemma – und was dieser Artikel will
  2. Den inneren Schweinehund überwinden – oder die Angst vorm Scheitern
  3. Was die Wissenschaft sagt
  4. Huhn oder Ei
  5. Vom Finden des richtigen „Gegners“
  6. Gesetz von Ursache und Wirkung
  7. Fähig ist wer viel dazu lernt – Letzter Akt in drei Teilen
  8. Zum Abschluss

Warum können wir Menschen eigentlich nicht ständig top motiviert sein? Diese Frage dürfte sich wohl bereits ein jeder von uns gestellt haben, der für eine Klassenarbeit, ein Referat oder nur für einen Test lernen musste. Kurzum: Wahrscheinlich alle.

Das Problem beim „ständig-top-motiviert-sein“ ist allerdings, dass wir all unsere Ziele plötzlich gleichzeitig erledigen wollen. Also während wir Kaffee-trinkend beim Frühstück sitzen und im Hintergrund die Radio-Nachrichten hören, lesen wir uns Rezepte für das Mittagessen durch, besprechen parallel dazu mit unserem Partner*in den Ausflug fürs Wochenende und planen im Kopf bereits die nächste Unterrichtsstunde für einen neuen Schüler am Ende des Monats. Niemand würde dieses Grundrauschen im Kopf wohl auf Dauer aushalten. Unser Körper muss also priorisieren und abwägen, für welche Ziele wir uns sofort motivieren sollten und welche wir noch etwas hintanstellen könnten. 

Das Motivationsdilemma – Und was dieser Artikel will

Das Dilemma der Motivation ist dabei, dass sich der Lohn unserer Arbeit – wenn überhaupt – erst später einstellen wird, während Anstrengung und Verzicht sofort erfolgen müssen. Es gilt also, den eigenen Geist so zu „manipulieren“, dass wir unsere Motivation langfristig am Leben halten können und nicht entmutigt, auf halber Strecke, unsere Ziele fallen lassen.

Allerdings so individuell unser aller Leben ist, so individuell fallen selbstverständlich auch Lösungen für unsere ganz eigenen, großen und kleinen, Motivationskrisen aus. Dieser Artikel versucht dem indes nicht markige Kalendersprüche à la #getmotivated entgegenzusetzen, sondern Empirie und aufbereitetes psychologisches Fachwissen. Am Ende kann jedoch immer nur das „In-Sich-Hineinhorchen“ eines jeden Einzelnen stehen, um das zu finden, was einen wirklich antreibt. Ein paar Tricks dahin, kann ich hingegen schon verraten.

Auf meinen Instagram-Kanal habe ich für diesen Artikel eine kleine Umfrage gestartet.

Wie leicht fällt es Euch gerade den inneren Schweinehund zum Üben zu überreden?

    

Den inneren Schweinehund überwinden – oder die Angst vorm Scheitern

Die Frage warum wir uns für manche Aufgaben sehr leicht motivieren können und es uns bei anderen so unsagbar schwer fällt, beschäftigt wohl Künstler*innen seit jeher. Der amerikanische Autor und ehemalige Marine-Soldat, Steven Pressfield, formulierte in seinem Buch „The War of Art dazu die These der „Resistance“. Die Grundidee dabei: Je wichtiger uns eine Aufgabe ist, desto größer unser Widerstand („Resistance“) ihr gegenüber. An einer Vielzahl von Beispielen versucht er diese These daraufhin zu untermauern. So führt er beispielsweise die amerikanische Talkshow „Inside the Actors Studio“ an, in der Host James Lipton regelmäßig seine Schauspieler-Gäste fragt, warum sie bestimmte Rollen annehmen. Nach Pressfields Auswertung der Gespräche scheint sehr häufig Angst als Hauptmotivation gedient zu haben.

Lässt sich in der Konsequenz also die These aufstellen, dass der innere Schweinehund nur durch die Angst vor dem Scheitern überwunden werden kann?

Was die Wissenschaft sagt

Die Psychologie unterscheidet zwischen Erfolgsmotivierten (HE) und Misserfolgsmotivierten Menschen (FM).

Während die erste Gruppe dabei Ziele bevorzugt, die den früheren Leistungsstand leicht überschreiten, lässt sich bei den Misserfolgsmotivierten Menschen eine Teilung in zwei Untergruppen beobachten: Diejenigen, die sich unrealistisch hohe und diejenigen, die sich dagegen unrealistisch niedrige Ziele setzen. An dieser Stelle ist gleichwohl anzumerken, dass beide Motivtendenzen (korrelationsstatistisch) unabhängig voneinander sind. Dies führt dazu, dass es sowohl Personen gibt, deren Verhalten durch das Streben nach Erfolg, als auch durch die Vermeidung von Misserfolg geprägt ist.

Wahrscheinlich würden wir die von Steven Pressfield ausgewerteten Schauspieler-Interviews (die, getrieben von ihrer Angst zu scheitern) daraufhin, zumindest in diesem Aspekt, der Gruppe der Misserfolgsmotivierten Menschen zuordnen.

Das Wissen um diese beiden verschiedenen Gruppen alleine hilft uns jedoch noch nicht weiter. Erst wenn wir uns die Gründe ansehen, wie wir Erfolg oder Misserfolg erklären, kommen wir unserer Motivation etwas näher.

Wie hat sich Eure Übequalität in den letzten Monaten verändert?

Huhn oder Ei

Wir wissen nun, dass sich Erfolgsmotivierte und Misserfolgsmotivierte Menschen im Formulieren ihrer Ziele unterscheiden. Gemäß dem Prinzip von Ursache und Wirkung entsteht so ein Kreislauf aus Zielsetzung, Ursachenzuschreibung (je nach Erfolg oder Misserfolg), Selbstbewertung und einem Resultat für unser Verhalten (entweder ein Meiden von Leistungssituationen oder ihr Aufsuchen).

Kreislauf von Misserfolgsmotivation
Kreislauf von Erfolgsmotivation

Der erste Schritt hieraus kann also nur an seinem Ursprung liegen: der (realistischen) Zielsetzung. Hierzu bedarf es natürlich neben einer genauen Vorstellung, was wir erreichen möchten, auch einer exakten Bestimmung unseres Status-Quos. 

Vom Finden des richtigen „Gegners“

Vor ein paar Jahren löste die Netflix-Serie „Das Damengambit“ einen echten Schach-Boom in Europa aus. Ausverkaufte Schachbretter und eine immens hohe Download-Zahl an Schach-Apps verzeichneten die unterschiedlichen Anbieter. Seit dieser Zeit dürfte vielen blutigen Schach-Anfängern (mich eingeschlossen) beim Begriff „Elo-Zahl“ weniger Fragezeichen in die Augen schießen, als noch vor einem Jahr. Für alle anderen ein kurzer Exkurs: 

Mit der Elo-Zahl misst man die Spielstärke von Schachspielern. Bei Turnieren werden dann die Teilnehmer gemäß dieses Wertes kategorisiert und tragen Partien gegeneinander aus. Entsprechend realistisch ist die Zielsetzung den Gegner in den ersten Runden nocch schlagen zu können.

Für unsere Übemotivation folgt daraus, dass wir nicht nur unsere eigene Elo-Zahl kennen sollten, sondern auch die unserer Gegner (den Übungen) – um im Schach-Bild zu bleiben. Hierzu empfiehlt die Psychologie die sogenannte Zielsetzungstheorie nach Gary Latham und Edwin Locke. Beide Wissenschaftler formulierten in den 1990er Jahren die bekannte S.M.A.R.T. – Formel. Hierzu erschien im letzten Jahr bereits ein ausführlicher Beitrag auf diesem Blog, der an dieser Stelle nochmals verlinkt ist.

Rastergrafik
Übeplan Vorlage what is practice

Lade dir die Übeplan-Vorlage herunter

Die größte Herausforderung beim Üben ist es, sich auf bestimmte Aspekte zu fokussieren. Diese sinnvoll auszuwählen ist nicht immer leicht. Genau dabei hilft dir die what is practice Übeplan-Vorlage.

  • Definiere deine Ziele
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Gesetz von Ursache und Wirkung

Finden wir Übungen die unserer eigenen Elo-Zahl gleichkommen, ist das schon einmal ein vielversprechender Anfang. Die Aufgabe entspricht unserem aktuellen Kenntnisstand und ist somit für uns ein realistisches Ziel. Um nun zu vermeiden, dass wir in den Misserfolgskreislauf geraten, sollten wir vor allen Dingen unseren Wert als Person nicht mit dem Erfolg oder Misserfolg einer Aufgabe gleichsetzen.

Was heißt das?

Misserfolgsmotivierte Menschen erklären ausbleibende Erfolge oftmals mit mangelnder Begabung, wohingegen Erfolgsmotivierte Menschen zu wenig Anstrengung hierfür verantwortlich machen. Der Unterschied scheint subtil, hat aber enormen Einfluss auf unsere Motivation. Während Erfolgsmotivierte Menschen sich in Zukunft einfach mehr anstrengen werden, werden Misserfolgsmotivierte Menschen sich wieder Aufgaben suchen, die entweder viel zu leicht (hier werden sie sehr wahrscheinlich Erfolg haben), oder viel zu schwer (hier wäre ein Scheitern weniger schlimm) sind. 

Fähig ist wer viel dazu lernt – Letzter Akt in drei Teilen

Die Schlussfolgerung scheint nur logisch. Wenn wir es schaffen Misserfolgsmotivation in Erfolgsmotivation umzuwandeln kann es uns gelingen langfristig mehr Freude am Lernprozess zu haben und weiter engagiert unsere Ziele zu verfolgen. 

Der erste Schritt ist oben bereits beschrieben: Unsere Ziele müssen realistisch formuliert sein. Im zweiten Schritt müssen wir die Ursachen für unseren Erfolg oder Misserfolg genauesten hinterfragen. Wichtig ist dabei vor allen Dingen die richtige Bezugsgröße. Als Musiker*in vergleicht man sich oftmals mit seinen Vorbildern, mit Kolleg*innen, die einen selbst inspirieren. Und gewiss mag dieser Vergleich auch wichtig, richtig und im ausgewogenen Maß auch sehr motivierend sein. Der soziale Vergleich alleine, quasi als Dauerbezugsgröße, bewirkt allerdings das genaue Gegenteil. Es spiegeln sich hier lediglich Fähigkeitsunterschiede wider, die man in der Psychologie als „Leistungsdeterminanten“ bezeichnet. Sprich: Sie sind kurzfristig nicht wesentlich zu beeinflussen.

Besser ist es eine individuelle Bezugsnorm zu entwickeln: Ich bin fähig, weil ich viel dazulerne. Wir disziplinieren uns sozusagen selbst und entwickeln darüber hinaus realistischere Leistungserwartungen. Versagensängste und Scham machen Gefühlen wie Freude und Stolz über das Erreichen der eigenen Leistung Platz (Schritt drei).

Zum Abschluss.

Der Glaube an die eigene Lehrfähigkeit – TED TALK von Carol Dweck

Literaturverzeichnis / Endnoten

 Pressfield: The War of Art, S. 40.

Heckhausen (Hrsg.): Motivation und Handeln, 5. Auflage, S.171.

https://www.sueddeutsche.de/stil/schach-damengambit-boom-1.5181978 (letzter Zugriff: 10.03.2021)

Heckhausen, S. 206.

Heckhausen, S. 208.

Bak (Hrsg.): Lernen Motivation und Emotion. Allgemeine Psychologie II, 2019.

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S.M.A.R.T Üben https://what-is-practice.de/wie-geht-smart-ueben/ https://what-is-practice.de/wie-geht-smart-ueben/#respond Wed, 02 Dec 2020 15:35:01 +0000 http://what-is-practice.de/?p=2887 Verknüpfung von Zielsetzungstheorie & Musik „Die Qualität von Zielen hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Motivation.“ (Zielsetzungstheorie (Locke/Latham)) Was schwarz auf weiß notiert möglicherweise noch etwas trivial daherkommt, bildete allerdings nichts weniger als den Grundstein der Zielsetzungstheorie von Edwin Locke und Gary Latham. Die beiden Psychologen formulierten in ihrer Theorie, vor dreißig Jahren, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Leistung… Weiterlesen »S.M.A.R.T Üben

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Verknüpfung von Zielsetzungstheorie & Musik

„Die Qualität von Zielen hat maßgeblichen Einfluss auf unsere Motivation.“

(Zielsetzungstheorie (Locke/Latham))

Was schwarz auf weiß notiert möglicherweise noch etwas trivial daherkommt, bildete allerdings nichts weniger als den Grundstein der Zielsetzungstheorie von Edwin Locke und Gary Latham. Die beiden Psychologen formulierten in ihrer Theorie, vor dreißig Jahren, inwiefern ein Zusammenhang zwischen Leistung und Motivation einerseits sowie, den dazugehörigen Zielen und deren Rückmeldung andererseits besteht. 

Weitaus bekannter als die Theorie in ihrer Gänze ist sicher die S.M.A.R.T. – Formel, die vor allem im Projektmanagement häufig zum Einsatz kommt. Wie lassen sich nun aber diese Erkenntnisse für unseren Übealltag nutzen?

Was ist die S.M.A.R.T. – Formel?

Wohlwollende Aufforderungen wie „Gib Dein Bestes“ oder „Streng dich an“ mögen zwar in aller Regel auf eine gute Absicht des Sprechers hindeuten, sind aber, wenn wir kurz selbst im Kopf diese Situationen abklappern, nur in den seltensten Fällen zielführend. Hinter der S.M.A.R.T – Formel verbergen sich jedoch die empirischen Forschungsergebnisse von Locke und Latham. 

S.M.A.R.T Formel nach Locke und Latham

Wie lassen diese Erkenntnisse nun beim Üben nutzen?

Schritt 1: Ziel formulieren  – Das Prinzip der Pyramide

Am Anfang steht also unser Ziel. Dies kann einerseits kurzfristig (die Vorbereitung der nächsten Unterrichtsstunde), oder bereits langfristig sein. Möchte ich zum Beispiel dreißig Jazz-Standards auswendig lernen ist dies offenkundig kein Ziel, welches ich problemlos in einer einzelnen Lerneinheit an einem Tag erreichen kann. Ich sollte also zunächst versuchen dieses Ziel möglichst realistisch für mich in kleinere Portionen zu zerlegen. Dabei ist zum einen wichtig, bis wann mein Gesamtziel, also die dreißig Standards, erreicht werden soll. Habe ich diese Deadline für mich festgelegt, geht es im zweiten Schritt darum zu schauen, wie viele Stücke ich pro Woche schaffen kann. Im Sinne eines spezifischen und messbaren Fortschritts hilft hier, sich nicht bloß eine Zahl an Stücken pro Woche zu notieren, sondern die Stückeauswahl bereits für die einzelnen Übeeinheiten festzulegen.

Darüber hinaus kann es von Vorteil sein, auch eine konkrete Tempo-Angabe für manche Stücke zu bestimmen. Je besser ich meine Ziele in Worte zusammenfassen kann, desto leichter fällt später die Kontrolle. Und diese hilft uns schließlich dabei weiter motiviert zu bleiben.

Ich stelle mir bei langfristigen Zielen oftmals eine Pyramide vor, welche ich versuche von oben nach unten zu konkretisieren. An der Spitze steht mein „Wuschziel“ – gerne an dieser Stelle auch noch etwas vage formuliert. Je weiter ich in der Pyramide nach unten gehe, desto spezifischer und terminierter werden meine Angaben.

Das Prinzip der Pyramide (SMART-Formel)

Schritt 2: Zielfortschritt dokumentieren

Am effektivsten üben wir als Musiker, wenn wir es schaffen die Musik (und unsere Ziele), statt in stumpfsinnigen Wiederholungen, analytisch zu betrachten. Durch das Zerlegen in kleinere Portionen fällt es uns entsprechend leichter konkrete Rückmeldungen von Außenstehenden – oder natürlich im besten Fall von uns selbst – zu erhalten. Aufgrund dessen, dass wir im ersten Schritt unsere Ziele so exakt definiert haben, können wir nun sehr genau unseren Fortschritt festhalten, Schwachstellen notieren und Erkenntnisse auflisten. 

Möglicherweise kann an dieser Stelle ein Übetagebuch helfen, welches auf der einen Seite unsere Agenda für den Tag bereithält und direkt daneben Platz lässt, um uns selbst Rückmeldung zu geben. 

Selbstverständlich können auch Aufnahmen vom eigenen Üben sehr hilfreich sein. Oftmals erlauben diese nochmals einen neutraleren Blick auf das eigene Tun, als dies während des Übens möglich ist. 


S.M.A.R.T Üben Worksheet

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* Angaben erforderlich

Obwohl Wissen über die Wichtigkeit von Pausen gesellschaftlich recht weit verbreitet ist, scheint es innerhalb der Forschung hier noch konkreten, empirischen Nachholbedarf zu geben. Besonders für das musikalische Lernen existieren bis heute nur einige wenige Studien. 

Planung & Lernpausen

Klar ist, viele kürzere Einheiten sind sinnvoller als wenige längere. Dies leuchtet vor allem auch daher ein, dass wir uns für kurze Lernsequenzen sehr konkrete Ziele vornehmen und diese entsprechend am Ende auch leicht überprüfen können. Darüber hinaus deutet eine Studie von Carla Davis Cash darauf hin, dass auch die zeitliche Platzierung der Pause innerhalb einer Lerneinheit einen Einfluss auf unseren Fortschritt haben kann. 

Um dies zu untersuchen sollten 36 Nichtmusiker eine Fünfton-Sequenz auf dem Klavier möglichst schnell und fehlerfrei lernen. Unterteilt in jeweils drei Vergleichsgruppen unternahmen zwölf der Teilnehmer eine Pause nach dem ersten Viertel der Gesamtübezeit (die betrug insgesamt 12x 30-Sekunden – entsprechend unternahm diese Gruppe ihre Pause zwischen dem dritten und vierten 30-Sekundenblock), eine weitere Gruppe machte gar keine Pause und schließlich die letzte Gruppe pausierte zwischen Block neun und zehn.

Interessanterweise machte besonders die Gruppe mit der frühen Lernpause besonders gute Fortschritte in der Studie. Cash vermutete hier, dass die anfängliche Erholung die lerninduzierten neuronalen Prozesse unterstützt, die ansonsten durch das stetige Wiederholen gehemmt worden wären. Darüber hinaus schnitt insbesondere auch am Folgetag, beim Wiederholungstest, diese Gruppe besser ab, als ihre Vergleichsgruppen. 

Studienergebnisse zur Wichtigkeit von Pausen (Carla Davis Cash)
Studienergebnisse von Carla Davis Cash (aus: Journal of Research in Music Education 3 (2009), S. 259)

Fazit

Die Versuchung liegt nahe unsere Gesamtübezeit als „Erfolgsgröße“ zu nehmen. Nach dem Motto: Je mehr ich geübt habe, desto besser werde ich schon werden. Aber schon in der Schule fordern uns die Lehrer nicht dazu auf, eine Stunde Hausaufgaben jeden Tag zu machen, sondern geben uns ganz gezielt eine Aufgabe für den Folgetage. Wie lange wir schlussendlich dafür brauchen ist sekundär und hängt stark von jedem Einzelnen ab.

Dieser Vergleich zeigt, dass nicht unsere Übezeit alleine den entscheidenden Unterschied macht. Es geht vor allen Dingen um die Qualität des Übens. Dies betrifft einerseits natürlich die Frage, wie unser Verhalten in der Übekabine aussieht (Externe Ablenkungen abgeschaltet? Gehen wir direkt auf Fehler ein? etc.). Andererseits meint dies selbstverständlich auch die Frage nach unserem Ziel der Übeeinheit. An dieser Stelle lohnt es sich ein paar Minuten pro Tag in die Planung zu investieren. Denn, an dieser Stelle schließt sich der Kreis, durch die konkrete Rückmeldung über das Erreichen unserer Ziele, erzielen wir langfristig eine höhere Motivation.


Quellen:

Cash, Carla Davis: Effects of Early and Late Rest Intervals on Performance and Overnight Consolidation of a Keyboard Sequence, in: Journal of Research in Music Education 3 (2009), S. 252-266.

Cash, Carla Davis; Duke, Robert; Simmons, Amy: It’s not how much, it’s how. Characteristics of Practice Behaviour and Retention of Performance Skills, in: Journal of Research in Music Education 4 (2009), S. 310-321.

McFarland, Elizabeth Hogan: Faclitating Lifelong Success. Teaching Middle School Choristers to Practice, in: The Choral Journal 9 (2014), S. 59-64.

Recherchiert bei jstor.org

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