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Sommerferien: Pause vom Instrument oder einfach weiterüben ?

Sommerferien: Üben oder Pause vom Instrument

Dieser Artikel erschien bereits zum ersten Mal im Jahr 2020 und wurde nun erneut überarbeitet.

Eigentlich herrscht in der Zeit vor den „großen Ferien“ (den Sommer- oder den Semesterferien) immer eine ganz besondere Stimmung. Ein bisschen wie vor Weihnachten. Alle fiebern kollektiv dem gleichen Ereignis entgegen. Im Schatten der anstehenden Erlösung motivieren sich wie von Zauberhand nochmals letzte Kräfte, ehe man sich dann in die wohlverdiente Auszeit verabschiedet. 

Dieses Jahr ist das nicht anders. Nun starten langsam aber sicher auch die letzten Bundesländer in die Sommerferien und auch die Musikhochschulen in Deutschland befinden sich in den letzten Zügen des Sommersemesters. Vor allem als Schüler*in kommt da die Frage auf: Sollte man das Instrument nun also sechs Wochen im Koffer lassen?

Wie musikalisch verbringt ihr eure Sommerferien?

Pause vom Instrument ?

Sicher kennen viele die Studie von Anders Ericsson (basierend auf dem Buch von Malcom Gladwell), aus der im Jahr 2008 die berühmte 10.000 Stunden Regel entstanden ist. Demnach sollte ebendiese Anzahl an Übezeit ausreichen, um eine Tätigkeit zu meistern. Bis man diese zusammenbekommt können gut und gerne ein paar Jahre vergehen, also besser keine Zeit verlieren und weitermachen?!

Natürlich wissen wir heute, fünfzehn Jahre später, dass nicht allein die Zeit ausschlaggebend ist, sondern vor allen Dingen die Qualität des Übens. Im Englischen spricht man oft von „deliberate practice“ und meint damit, dass ein stumpfsinniges Auf- und Abspielen von Skalen beispielsweise nichts bringt, solange man nicht voll und ganz bei der Sache ist. (Im Podcast-Gespräch mit Prof. Dr. Eckart Altenmüller sprechen wir ebenfalls über diese Studie.)

Wie baue ich eine Routine beim Üben auf ?

Man könnten nun also folgern, dass Üben nur dann wirklich sinnvoll ist, wenn man sich für seine Übeeinheit ein konkretes Ziel und eine Zeitvorgabe gesetzt hat (Schon mal was von der Pomodoro-Technik gehört?). Die Stunden, die man auf diese Art und Weise ansammelt, kann man sich dann guten Gewissens auf sein 10.000 Stunden Konto gutschreiben. Denn natürlich hilft uns Üben dabei, auf unserem Instrument besser zu werden. 

Die wohl entschiedenste Eigenschaft beim Aufbau einer Routine ist daher sicher Disziplin. Auch hier hat der englische Sprachraum ein schönes Wort gefunden: Self-Regulation. Damit ist das Vertrauen gemeint, dass man sein eigenes Verhalten kontrollieren kann. Wenn man es sehr alltagssprachlich herunterbrechen möchte, könnten man auch sagen: Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.

In der Studie von Joanne Rojas und Gregory Springer wurde gezeigt, dass sich diese self-regulation (um einen Übeplan einzuhalten) in drei Faktoren aufschlüsseln lässt:

  • Übetage pro Woche
  • Übezeit pro Tag
  • sowie unser Alter.

Denn selbstverständlich sieht man sich ständig mit inneren Widerständen konfrontiert, um nun doch nicht mit dem Üben beginnen zu müssen. Je höher die oben genannten Faktoren sind, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass man auch in „schwierigen“ Situationen am Ball bleibt und weiter übt. Oft spricht man auch davon, dass es circa dreißig Tage braucht um eine Gewohnheit (Routine) zu etablieren. 

Üben ist wie Pflanzen gießen

Damit unser Üben nun also langfristig erfolgreich ist, führt kein Weg an einer Regelmäßigkeit vorbei. Je höher diese ist, umso größer die Wahrscheinlichkeit, dass wir an ihr festhalten. Man könnte sich das Üben also wie das Gießen einer Pflanze vorstellen. Diese braucht ebenfalls regelmäßig Wasser, damit sie weiter wachsen kann. Ohne Wasser kein Wachstum. In unserem Gehirn funktioniert das ähnlich, da wir ohne regelmäßiges Üben die Fähigkeit bestimmte Dingen spielen zu können wieder vergessen. Machen wir nun also die sechs Wochen Sommerferien durchgehend „übefrei“, werden wir in den ersten Wochen des neuen Schuljahrs viel Zeit darauf verlieren, alte Dinge, die wir bereits mal konnten, wieder aufzufrischen. 

Das soll natürlich nicht heißen, dass wir nie einen Tag frei machen dürfen. Im Gegenteil. Unser Gehirn freut sich gewiss über einen Tag Urlaub pro Woche, sofern wir sonst unsere Routine einhalten. 

Es lohnt sich also möglicherweise einen kleinen „Ferienplan“ mit Dingen zu schreiben, die man während dieser Zeit auf dem Instrument erreichen / beibehalten möchte. Diese kann man dann bequem auf die kommenden Wochen verteilen.

Mäßig (von „in Maßen“), aber regelmäßig“ – könnte also unser Ferienmotto werden.

Quellen:
Rojas, Joanne; Springer Gregory: An Exploratory Study of Musician’s Self-Efficacy to Maintain Practice Schedules, in: Bulletin of the Council for Research in Music Education, Nr. 199 (2014).

Schindlegger, Norbert: Werde dein Lehrer. Die Methode zum erfolgreichen Üben und Musizieren, Leipzig 2015.

Wer schreibt hier eigentlich..?

Musiker | Podcast-Host | Blogger | + posts

Patrick Hinsberger studierte Jazz Trompete bei Matthieu Michel und Bert Joris und schloss sein Studium im Sommer 2020 an der Hochschule der Künste in Bern (Schweiz) ab.
Seit seiner Bachelor-Arbeit beschäftigt er sich intensiv mit dem Thema musikalisches Üben und hostet seit 2021 den Interview-Podcast "Wie übt eigentlich..?"

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